Protokoll der Sitzung vom 14.09.2017

Ich kann schon verstehen, dass die Menschen im Südosten angefressen sind. Schönefeld ist wirklich nicht der beste Standort für einen Flughafen. Wie gesagt, Ihr Herr Diepgen wollte es unbedingt so. Nun ist es so, und wir können die Zeit nicht mehr zurückdrehen, auch nicht durch den Volksentscheid. Vielmehr birgt er die Gefahr, dass es gerade im Südosten noch viel schlimmer wird.

[Henner Schmidt (FDP): Wollen Sie BER auch schließen?]

Ich wiederhole hier noch einmal, was ich schon im Mai gesagt habe. Wenn wir versuchen würden, Tegel offen zu halten, kann es passieren, dass es aufgrund von Klagen weder für den BER noch für TXL eine Betriebsgenehmigung gibt. Dann bliebe als einziger arbeitsfähiger Flughafen Schönefeld-Alt übrig, mit allen Konsequenzen, mit einer Betriebsgenehmigung für 24 Stunden rund um die Uhr. Das will ich mir gar nicht ausmalen, nicht für Berlin und auch nicht für die Menschen, die dort leben.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gläser?

Nein!

Nein! Gut!

Wichtig ist, dass das Schallschutzprogramm für die Anwohnerinnen und Anwohner des BER schnell und unbürokratisch umgesetzt wird. Dazu haben wir uns auch im Koalitionsvertrag bekannt. Aus Anhörungen wissen wir, dass es hier noch dringend Verbesserungsbedarf gibt. Da muss etwas passieren.

[Beifall bei der LINKEN]

Man muss es immer wieder sagen: Zu versuchen, Tegel offen zu halten, wäre in jeder Hinsicht fahrlässig, aufgrund des Lärms, der Schadstoffe, des Risikos einer Flugzeugkatastrophe in der Innenstadt einerseits, andererseits, weil dadurch eine riesige Fläche mitten in der Stadt blockiert würde, eine Fläche, die wir für sozialen Wohnungsbau, für Bildung, für Gewerbe,

[Frank-Christian Hansel (AfD): Ist langweilig!]

aber auch für Grünflächen und den Erhalt des erträglichen Stadtklimas dringend brauchen.

Was wir sicher nicht brauchen, ist, dass sich in dieser Stadt billiger Populismus durchsetzen kann.

[Lachen bei der CDU, der AfD und der FDP]

Weil wir das Instrument des Volksentscheids so wichtig finden

[Holger Krestel (FDP): Jetzt kommt der Werbeblock!]

und weil wir die Berlinerinnen und Berliner in ihrer Abstimmungsentscheidung ernst nehmen, ist es auch so ärgerlich, dass FDP, CDU und AfD verantwortungslos mit diesem Instrument umgehen, indem sie, wissend, dass es in der Sache nicht geht, das Gegenteil behaupten und die Leute versuchen, bewusst hinter das Licht zu führen.

[Georg Pazderski (AfD): Dann sollten Sie aufhören zu reden!]

Wer so eine sich selbst erfüllende Prophezeiung der Politikverdrossenheit provoziert, darf nicht gewinnen. Deshalb lassen Sie nicht zu, dass FDP, CDU und AfD am 24. September damit durchkommen. Berlin bleibt ehrlich. Stimmen Sie mit Nein!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Lachen bei der FDP]

Für die AfD-Fraktion hat jetzt der Kollege Hansel das Wort.

Danke sehr! Herr Präsident! – Liebe Abgeordnete! Liebe Kollegen! Liebe Gäste, liebe Presse und Medienvertreter! Bevor wir über Zukunft und Luftschlösser reden, die 29 Millionen Euro in der Planung gekostet haben, reden wir erst einmal über das Heute. Die Wahrheit ist, Berlin würde heute schon 50 Millionen Passagiere zählen und die entsprechenden Wohlfahrtsgewinne generieren können, wenn es die Flughafenkapazitäten dafür hätte. Hier haben Sie alle, die Sie hier in den letzten 27 Jahren regiert haben, SPD, CDU, Linke und Grüne, versagt. Wir könnten längst viel weiter sein. Ich rede nicht nur von den Touristen, die von den verbürgerlichten, wohlstandsangegrauten Grünen verachteten Ryanair-Touris, die sich in

den letzten Jahren mit einer Größenordnung von immerhin 5 Millionen jungen Leuten in Schönefeld einfliegend mit Berlin bekannt gemacht haben. Nein, ich rede auch und gerade von Geschäftsleuten und Konzernbossen, die interkontinental einfliegen hätten können, um sich zu überlegen, in Berlin einen Konzernsitz ihres Unternehmens zu etablieren. Ich rede von Leuten, die Sie genau jetzt glauben, auf dieses Fleckchen Tegel anlocken zu müssen, damit sie produktiv werden und Arbeitsplätze schaffen. Das hätten die alles schon machen können, wenn Sie eine verantwortungsvolle Politik für unser Berlin gemacht hätten.

[Beifall bei der AfD]

Jetzt, nachdem Sie dieses Stück Zukunft vergeigt haben, das eigentlich unsere Gegenwart hätte sein müssen, versuchen Sie, diese Hypothek des vergeigten Stücks Zukunft als neue Zukunft zu verkaufen. Nein, liebe Freunde von der Koalition, wir reden nicht von Vergangenheit, wenn wir über den Flughafen Tegel reden, auch wir reden von der Zukunft, die Sie für ganz Berlin gefährden, wenn Sie Tegel schließen wollen, ohne dass der Willy-BrandtFlughafen vom Start weg höhere Abflugkapazitäten hat.

Klar, Sie kommen jetzt jeden Tag mit neuen, plötzlich aus den Ärmeln geschüttelten Gutachten, die dieses und jenes belegen sollen, dass die Offenhaltung rechtlich gar nicht geht, dass die Kapazitäten des BER ausreichend wären, dass man auf Brandenburg mit angewiesen und abhängig sei. Natürlich kann man sich alles gutachterlich irgendwie herbeischreiben lassen. Es gibt aber eben immer auch gegenteilige Auffassungen.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Marcel Luthe (FDP)]

Zumindest für unsere Fraktion ist das so, es gilt der Primat der Politik:

[Torsten Schneider (SPD): Das Primat! – Steffen Zillich (LINKE): Welche Politik meinen Sie denn?]

Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Wir erleben am 24. September ein neues Stück von mehr Demokratie mit diesem Volksentscheid. Sie wissen auch, wie der ausgeht. Darum sollen Ihre Gutachten, Herr Zillich, nur eines: die Vorabbegründung dafür liefern, warum Sie nicht an den Primat des politischen Willens der Berliner Bürger halten wollen.

[Torsten Schneider (SPD): Aber der Primat ist problematisch!]

Ich sage: Nicht, weil Sie es nicht könnten, sondern weil Sie es nicht wollen.

[Beifall bei der AfD – Zuruf von Steffen Zillich (LINKE)]

Ich bleibe dabei. Gutachter und Fachleute sind sich einig, dass Berlin weitere hohe Zuwachsraten – Herr Zillich, Sie können sich noch so aufregen, es ist so – im Flugverkehr

erwartet und die bisher geplanten Abfertigungskapazitäten, sowohl land- als auch luftseitig, vom Start weg nicht ausreichen und auch durch den zusätzlichen Weiterbetrieb von Schönefeld nicht aufgefangen werden können. Sie können uns die Planungs- und Realisierungsschwächen des BER und die entsprechenden mittel- und langfristigen Kapazitätsengpässe nicht wegvergutachtern.

Vor dem Hintergrund des positiven Ausgangs des Volksentscheids ist die weitere parlamentarische Begleitung und Kontrolle der Senatspolitik im Bereich Luftverkehr und Flughäfen unabdingbar. Der Sonderausschuss, den wir hier und jetzt fordern, bietet die Möglichkeit, über Expertenanhörungen und Vergabe von Gutachteraufträgen ergebnisoffen über ein künftiges effizientes und nachfrageorientiertes Flughafen- und Luftverkehrssystem unter Einschluss der Option Tegel zu beraten.

Alles, was Sie als Koalition und als Finanzsenator hier, ich sage es einmal ganz deutlich, angstschürenden Horrorzahlen bisher geliefert haben, was das Offenhalten Tegels als Reinvestitionen kosten soll, wird sich im Realitätscheck, den wir alle miterleben werden, als aufgeblasener Popanz entpuppen,

[Beifall bei der AfD]

das alles ganz unabhängig davon, dass ohnehin jetzt schon in den Flughafen Tegel investiert werden muss, da der BER vor 2020 – merken Sie sich diese Zahl – garantiert nicht ans Netz gehen wird und der Lärmschutz für Tegel eigentlich schon ab heute angegangen werden müsste. Das ist auch so eine Wahrheit, der Sie sich bemüht verschließen.

[Beifall bei der AfD – Lachen bei der LINKEN]

Lernen Sie, mit der Bürgerentscheidung zu leben! Wir als AfD bieten Ihnen an, diesen Prozess im Parlament ideologiefrei und rein –

[Zurufe]

dass die Kommunisten darüber lachen, ist mir schon klar.

[Beifall bei der AfD]

Ich frage dazwischen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wesener zulassen.

Das machen wir auch nachher.

[Torsten Schneider (SPD): Überlegen Sie mal über „der Primat“! – Steffen Zillich (LINKE): Politikprimaten!]

Herr Schneider! Sie sind doch auch immer gern ideologiefrei. – sachorientiert mit Sachverständigen im Rahmen des von uns geforderten Sonderausschusses zu begleiten. Übrigens kann man dann auch in diesem Ausschuss den erst gestern in die Öffentlichkeit getragenen interessanten Vorschlag diskutieren, am Ende vielleicht doch einen komplett neuen und dann auch richtigen Großflughafen südlich von Sperenberg zu bauen, rein privat finanziert, der 2026 stehen könnte.

[Lachen bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Dann könnten im Wege der Nachnutzung im neuen Stadtteil auf dem frei werdenden Schönefelder Areal 250 000 neue Wohnungen entstehen. All das kann man seriös und unüberstürzt in diesem neuen Ausschuss diskutieren und beraten.