Ich sage es noch einmal: Ein Verschieben von Verantwortlichkeiten in unterschiedlichen Legislaturperioden bringt uns nicht weiter. Hier hilft nur eines: handeln, handeln, handeln. – Ich danke Ihnen!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Debatte zeigt die beiden Seiten einer Medaille auf. Ich freue mich sehr darüber, dass das Thema Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit endlich auch bei den Oppositionsfraktionen angekommen ist. Gleichzeitig ärgere ich mich jedoch darüber, dass diese Debatte dermaßen von diskriminierenden und ausgrenzenden Werturteilen überschattet ist.
Die FDP fordert in ihrem Antrag, das Gartendenkmal zu schützen, Recht und Ordnung wiederherzustellen, Straftaten zu ahnden und die Polizeipräsenz zu erhöhen. Ziemlich ähnlich klingt auch der Antrag der CDU-Fraktion. Diese will keinen neuen Kriminalitätsschwerpunkt zulassen, indem Straftaten unterbunden, Gefahren abgewehrt, Identitäten der Obdachlosen festgestellt und diese Menschen gegebenenfalls einfach in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden. Diese Anträge tragen nichts, aber auch gar nichts zur Lösung der bestehenden Konflikte bei. Sie gehen an der Realität vorbei und schüren ausgrenzende Vorurteile.
Wir haben eine schwierige Situation mit der stetig wachsenden Zahl an wohnungslosen und obdachlosen Menschen in Berlin. Wohnungs- und Obdachlosigkeit entsteht erstens, wenn sich nicht genug um Menschen in schwierigen Lebenslagen gekümmert wird und zweitens, wenn Menschen oder Menschengruppen von bestehenden Sozialleistungen ausgeschlossen werden. Immer mehr Menschen aus Osteuropa leiden enorm unter dieser Herange
hensweise. Es gibt keine Perspektiven und schwierige Verhältnisse in der Heimat. Prekäre und ausbeuterische Arbeitsverhältnisse in Deutschland sind oft die Vorgänger eines Abdriftens in die Obdachlosigkeit.
Gerade jene Menschen werden zu allem Überfluss eben mit der geltenden Rechtslage seit Dezember 2016 trotz Freizügigkeit auch von existenzsichernden Sozialleistungen ausgeschlossen. Somit wird in Berlin einfach nur sichtbar, was passiert, wenn man bestimmte Menschengruppen aus der Existenzsicherung diskriminiert. Sie verschwinden nicht einfach. Nun meint die CDU, man solle einerseits die Hilfsangebote für Obdachlose ausbauen und andererseits diese Politik mit einer harten Ausweisungs- bzw. Abschiebepolitik verbinden. Im Klartext heißt das: Die ausländischen Obdachlosen sollen abgeschoben werden, während die deutschen Obdachlosen stärker unterstützt werden sollen.
Nein! Keine Zwischenfragen, danke! – Ich bin es erstens leid, dass heute noch zwischen solchen und solchen Obdachlosen je nach Nationalität unterschieden wird. Zweitens ist die Forderung inhaltlich einfach völliger Blödsinn. Jeder Mensch weiß doch, dass die ausgewiesenen Menschen einige Tage später wieder auf der Matte stehen werden, um ihr Recht auf Freizügigkeit geltend zu machen. Insofern, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, wissen Sie es entweder nicht besser, dann sind Sie unfähig, oder aber Sie wissen, und wollen dennoch Ängste schüren und so tun, als ob Abschiebungen irgendwelche Probleme lösen könnten. Dann aber handeln Sie bösartig und niederträchtig.
Insofern, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte ich alle, insbesondere auch Sie, Herr Wansner, in der Debatte um die ökonomisch und sozial schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft besonders sensibel zu sein. Jeder muss begreifen, dass man soziale Probleme nicht abschieben kann. Wir wissen, dass repressive Anwendungen von Rechts- und Sicherheitspolitik keineswegs zur Lösung der Probleme beitragen werden, dass Straftaten nicht geduldet und unverzüglich geahndet werden. Darin gibt es in diesem Hause keinen Dissens. Allerdings wissen wir – und das zeigt auch die Arbeitspraxis –: Nur psychosoziale Betreuung, vernünftige Hilfsstrukturen und ein angemessener Umgang mit den Menschen bringt die Obdachlosen von der Straße wieder zurück in ein geregeltes Leben.
In diesem Bereich ist der Senat insbesondere im Verantwortungsbereich der Sozial- und Integrationssenatorin Elke Breitenbach auf einem mehr als nur guten Weg.
Aktuell wird das Angebot der Kältehilfe auf 1 000 Plätze aufgestockt. Es werden zusätzliche Plätze in den ganzjährigen Notunterkünften geschaffen. Die Kapazitäten für Frauen und Familien werden von 30 auf 100 Plätze mehr als verdreifacht, und die Leitlinien der Wohnungslosenhilfe werden mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen auch überarbeitet. Hier werden also im Bereich der Wohnungslosen- und Obdachlosenhilfe neue Standards geschaffen. Die Opposition ist gut beraten, im Sinne aller Wohnungs- und Obdachlosen unserer Stadt endlich Partei zugunsten der Ärmeren und Schwächeren zu übernehmen. Ich weiß, bei Obdachlosen ist in der Regel keine Stimme zu holen. Das mag den einen oder anderen in diesem Hause auch davon abhalten, sich für deren Lebensbedingungen einzusetzen.
Komme ich gleich! – In diesem Zusammenhang möchte ich meine Rede gerne mit einem Zitat von – und jetzt passen Sie gut auf, Herr Wansner und Herr Dregger – Helmut Kohl zu Ende bringen – mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin. Dieser sagte in einer Rede folgenden Satz:
Die Menschlichkeit einer Gesellschaft zeigt sich nicht zuletzt daran, wie sie mit den schwächsten Mitgliedern umgeht.
In diesem Sinne eignet sich unser Umgang mit Obdachlosen nicht für billige Stimmungsmache. Deshalb werden wir die Anträge der FDP- und der CDU-Fraktion heute hier ablehnen. – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Taş! Es ist interessant, dass Sie, bevor ich gesprochen habe, schon wissen, dass wir undifferenzierte Reden halten.
Ich wollte eigentlich eine differenzierte Rede halten und lasse mich auch durch Ihre Voreingenommenheit nicht davon abhalten. Das aber nur als Vorbemerkung!
Wir haben hier zwei Problembereiche, und auf die wollten wir mit dem Antrag hinweisen. Es sind nicht nur die
Fragen Sicherheitsbedürfnis, Kriminalität, Obdachlosigkeit, sondern es geht auch um die Frage: Wie geht man mit Berlins ältester öffentlicher Grünanlage um? – Der große Tiergarten, immerhin 200 Hektar, der berühmte Landschaftsgarten von Knobelsdorff, die Flaniermeile, die uns mit ihren Sandsteinskulpturen antiker Götter die berühmte Formulierung „bis in die Puppen“ einbrachte, weil die Berliner damals dort flanieren gingen, das berühmte Gartendenkmal, das im Übrigen 1991 von der damaligen Grünen-Senatorin Michaele Schreyer unter Schutz gestellt wurde – die sich sehr dafür engagiert hat, das muss man dankbar anerkennen!
Und dann muss man aber auch fragen: Warum wird denn der Aspekt der Grünflächenpflege, der Aufenthaltsqualität in einem Gartendenkmal so wenig beachtet?
Das ist das eigentliche Problem. Der Hilferuf auch des Bezirksbürgermeisters von Mitte, Herrn von Dassel, bezieht sich nicht nur auf campierende Obdachlose, sondern er macht auch auf personelle Mängel und andere Probleme in der Grünflächenpflege aufmerksam. Auch die Neueinteilung der Pflegeklassen, wie sie jetzt ansteht, wird das Problem nicht beheben, dass die Grünflächenpflege in Berlin bei großen überregionalen Grünanlagen nicht ausreichend ist. Bei einem Gartendenkmal muss ich mehr als 36 Cent pro Quadratmeter in die Pflege stecken. Auch das bezahlen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler dieser Stadt, und sie haben ein Recht auf gepflegte Grünanlagen.
Und dann muss man auch ausreichend Personal bereitstellen, auch in den Bezirken. Man muss vielleicht auch noch mal über die Bezahlung der Leute sprechen, die die Grünanlagen pflegen. Diese ist nämlich teilweise so unanständig niedrig, dass man dafür heute fast niemanden mehr findet, der dafür arbeiten möchte. Auch das gehört zur Wahrheit dazu.
Insofern ist der Grundgedanke, dass Leute sich in einem Park wohlfühlen wollen, auf einer sauberen Bank ohne Müll auf der Wiese sitzen können und dabei nicht in irgendeiner Weise belästigt werden, nichts Ideologisches, etwas ganz Normales, das eigentlich selbstverständlich sein müsste – auch wenn in Berlin nichts selbstverständlich ist.
Und dann kommen wir zu dem zweiten Aspekt, zu dem Sicherheitsbedürfnis! – Herr Dörstelmann! Wenn Sie im Plenum öfter anwesend gewesen wären, hätten Sie sich vielleicht daran erinnern können, dass ich zum Thema Obdachlosigkeit schon einmal hier geredet habe, in einem anderen Beitrag, und mich da auch sehr differenziert
Insofern hilft es manchmal, die Redebeiträge nachzuverfolgen, nachzulesen und sie abzuspeichern. Dann würde mancher Vorwurf ins Leere laufen.
Im Übrigen geht es hier nicht pauschal um Obdachlosigkeit. Leute, die in irgendeiner Form erreichbar sind für Hilfsangebote, die sie annehmen, um die müssen wir uns auch kümmern. Aber es geht – wie hat es Herr von Dassel so schön gesagt – um aggressive Obdachlose aus Osteuropa, die für keine Hilfsangebote erreichbar sind und hier kriminell werden. Er hat auch diesen schönen Satz gesagt – ich zitiere Herrn von Dassel –: Diese Gruppe, um die es dort geht, reagiert aggressiv auf alles, was in ihre Nähe kommt. Hier gelten nicht einmal hygienische Mindeststandards. Die Lage ist für unsere Mitarbeiter nicht mehr zumutbar. Sie werden angegriffen und beschimpft. – Das kann doch nicht ernsthaft Ihr Tenor sein, Herr Taş, dass wir sagen: Sollen Sie doch machen! Die Mitarbeiter müssen das aushalten. Aber wie geht ihr mit Obdachlosen um?
Auch von Leuten in dieser Form kann man zivilisatorische Mindeststandards erwarten. Und die gelten auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Grünflächenamts.
Und wer nicht in der Lage ist, diese zivilisatorischen Mindeststandards einzuhalten, wer für keinerlei Hilfsangebote erreichbar ist, auch trotz wiederholter Ansprache dafür nicht zugänglich ist – in diesen Fällen kann man erwarten, dass man sagt: Dann müssen sich die Heimatländer darum kümmern. – Rumänien oder Bulgarien als EU-Länder bekommen sehr viel Geld als Ziel-1-Fördergebiete und wären in der Lage, mit diesem Geld der Europäischen Union in ihren Heimatländern die Bedingungen zu schaffen, um sich um diese Leute zu kümmern. Tut mir leid, auch das muss man mal deutlich aussprechen.
Und wenn ich dann – zum Schluss – sehe, dass die Taskforce des Senates Mitarbeiter der Innen- und Justizverwaltung, des Ordnungsamtes sowie des Sozial- und des Gesundheitsamtes beinhaltet, frage ich mich: Warum niemanden aus dem Bereich Umwelt, warum niemanden aus dem Bereich Kultur, wo die Denkmalschutzbehörde angesiedelt ist? Wenn gerade die Stärkung von Denkmalschutz, Umwelt und Natur ein Ziel dieser Koalition war, dann spiegelt sich das in der Taskforce nicht wider, und
wir merken wieder einmal: Es wird ein Arbeitskreis gegründet, der vor sich hin arbeitet, aber nichts damit zu tun hat, die Probleme zu lösen. Denn dann wären alle Beteiligten an dem Tisch, und das sind sie nicht. – Herzlichen Dank!