Protokoll der Sitzung vom 14.12.2017

Für die Fraktion der CDU hat jetzt die Abgeordnete Frau Seibeld das Wort. – Bitte schön!

(Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Staatssekretär sagte neulich im Ausschuss, man sei bemüht, und Frau Radziwill sagt jetzt, sie hoffe, dass man Stellen wieder entfristen kann. Damit haben Sie sich Ihre Kopfnote im Zeugnis schon selber gegeben. Dazu muss man kaum noch etwas sagen.

[Ülker Radziwill (SPD): Da klatscht nicht mal Ihre eigene Fraktion!]

Grundsätzlich lässt sich zum Einzelplan 11, der Integration, sagen, dass hier vieles gut gemeint ist, aber wenn man mit dem Gießkannenprinzip arbeitet, reicht es eben für alles nicht so richtig, und vieles vertrocknet. Schwerpunktsetzung ist hier leider Fehlanzeige. Auch das Lob des Regierenden Bürgermeisters, der sich ja nicht immer vor seine Senatoren gestellt hat, kann an der Bestandsaufnahme im Integrationsbereich wenig ändern.

Der Personalrat des LAF sieht sich gezwungen, einen Brandbrief zu schreiben und die für die Mitarbeiter unerträgliche Situation im LAF anzuprangern. Die Betreiber von Flüchtlingsunterkünften warten nach wie vor auf ihre Betreiberverträge, und wenn sie diese haben, warten sie auf die Bezahlung ihrer Rechnungen. Der Vertrag mit dem EJF existiert nicht mehr. Wohnungen an Flüchtlinge werden nur noch in wenigen Fällen vermittelt. Und für weitere Unterkünfte, die erst noch gebaut werden müssen, sucht der Senat weiter nach Grundstücken – wie bereits seit zwei Jahren.

Integration von Flüchtlingen in den ersten Arbeitsmarkt oder zumindest in unser Ausbildungssystem: Fehlanzeige. Lediglich einige wenige schöne Beispielsfälle gibt es, die jedoch zumeist von Ehrenamtlichen vermittelt worden sind und eher trotz des Senats als wegen des Senats geklappt haben.

[Beifall bei der CDU]

Die innovativen Ansätze, die vorhin angemahnt worden sind, gibt es ja, nur die Koalition hat sie sämtlichst abgelehnt. Das Pilotprojekt Flüchtlingslotse haben Sie im Ausschuss angelehnt und werden Sie auch heute ablehnen, jedem Flüchtling einen Ehrenamtlichen an die Seite zu stellen, diesen auch mit Rechten und Pflichten auszustatten und ihn vor allem wertzuschätzen. Es war es Ihnen offenbar nicht wert, für bessere Integration in unserer Stadt zu sorgen.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Stattdessen haben Sie mit Verweis auf die Stadtteilmütter das Projekt abgelehnt. Ich habe Sorge, dass Sie weder wissen, was das eine, noch, was das andere ist, denn das eine hat mit dem anderen so viel zu tun wie Äpfel und Birnen miteinander.

Ich will an einem weiteren Beispiel deutlich machen, wie sehr die Koalition an den Bedürfnissen dieser Stadt vor

beiregiert. Die antisemitischen Vorfälle an Schulen, auf der Straße und im öffentlichen Leben häufen sich. Jüdische Mitbürger raten ihren Kindern, sich in der Schule nicht mehr als Juden erkennen zu geben, und besprechen mit ihren Familien ernsthaft, wann sie unser Land, wann sie ihr Land verlassen müssen. Das ist ein Armutszeugnis, das unserer Gesellschaft, aber auch gerade dem Senat hier ausgestellt wird.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Als quasi traurige Krönung dieser bedrohlichen Stimmungslage brennen israelische Fahnen vor dem Brandenburger Tor, flankiert von unerträglichen antisemitischen Ausrufen.

Wir haben im Rahmen der Haushaltsberatungen beantragt, eine halbe Stelle für einen Antisemitismusbeauftragten einzurichten, um vor allem den Schulen im Bereich der präventiven Ebene etwas an die Hand zu geben, ihnen eine Unterstützung zu bieten, aber auch als Hilfe im Umgang mit antisemitischen Szenarien.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Walter?

Nein! – Und anstatt sich hier zu den quasi lächerlichen 50 000 Euro, die dafür vonnöten gewesen wären, durchzuringen, lehnt die Koalition den Antrag mit Verweis auf den Integrationsbeauftragten ab.

Ich schäme mich für die antisemitische Stimmung und die Hetze, die in Berlin zunehmend Raum greift. Und ich hätte mir niemals träumen lassen, dass sich solche Bilder, wie sie in den letzten Tagen durch das Fernsehen gegangen sind, erneut auf Berliner Straßen abspielen würden, in unmittelbarer Nähe zum Ort der Bücherverbrennung im Dritten Reich.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Frank-Christian Hansel (AfD), Georg Pazderski (AfD) und Karsten Woldeit (AfD) – Sebastian Walter (GRÜNE): Das ist heuchlerisch!]

Ich fordere den Regierenden Bürgermeister und die Koalition auf, es bei der Bekämpfung von Antisemitismus nicht bei bloßen Lippenbekenntnissen zu belassen, auch wenn der Regierende Bürgermeister sich heute immerhin zu einem klaren Statement durchgerungen hat. Gehen Sie wirksam gegen Antisemitismus vor! Richten Sie die Stelle des Antisemitismusbeauftragten ein – dazu ist es noch nicht zu spät –, und stellen Sie sich an die Seite der jüdischen Berlinerinnen und Berliner! Das sind Sie sich und vor allem unseren jüdischen Mitbürgern schuldig. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt das Wort die Abgeordnete Frau Schubert. – Bitte schön!

[Zuruf von der CDU: Das wird schlimm!]

Ja, das wird sicher schlimm, vor allen Dingen für eine CDU, die nicht zuhört.

Wir haben hier gerade sehr lange und sehr ausführlich in der Beratung des Justizeinzelplans gehört, dass alle Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit – und der Antisemitismus ist eine sehr spezielle Form der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit – in die Zuständigkeit der LADS und damit des Ressorts von Dirk Behrendt fallen. Und genau dort wird auch sehr genau an Strategien gearbeitet, wie Antisemitismus, und zwar jede Form von Antisemitismus, in dieser Stadt, wirksam bekämpft werden muss. Da braucht Dirk Behrendt, da braucht die LADS alle Unterstützung und keine Scheingefechte.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Das Gleiche gilt auch für den Vorschlag der Flüchtlingslotsen. Darüber haben wir im Ausschuss gesprochen.

[Heiko Melzer (CDU): Und Sie haben es abgelehnt!]

Ich bin sehr dafür, dass wir die ehrenamtlichen Strukturen des Willkommens unterstützen, und das tut der Senat. Wir können aber keinem Ehrenamtlichen vorschreiben, wie er seine Arbeit zu leisten hat. Und was sollen denn die Lotsen Ihrer Meinung nach tun? Sollen sie die Willkommenskultur der CDU anpreisen, wo es vor allem darum geht, die Leute wieder aus dem Land hinauszubefördern? Das kann ja wohl nicht der Sinn von Flüchtlingsprojekten sein.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Insofern glaube ich, Sie haben das Thema verfehlt, CDU setzen, sechs.

[Zurufe]

Der Einzelplan 11 ist ein guter, denn er setzt die richtigen Schwerpunkte, um die Ziele unseres Koalitionsvertrages umzusetzen. Ich beschränke mich jetzt einmal hier auf Arbeit, Integration und Geflüchtete. Gute Arbeit heißt, dass sachgrundlose Befristungen im öffentlichen Dienst abgeschafft werden. Auch die Beschäftigten der Zuwendungsempfänger sollen endlich tarifgerecht bezahlt werden. Carola Bluhm hat heute Morgen darüber gesprochen. Der Landesmindestlohn ist auf 9 Euro erhöht worden. Das ist noch nicht armutsfest, aber ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Die Zuschüsse für Jobcoaching und Qualifizierung und die für die berufliche Weiterbildung sind deutlich angestiegen. Das ist vor allem für Langzeiterwerbslose wichtig.

Wir wollen niemanden zurücklassen, schon gar nicht in Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit. Deshalb komme ich auch gleich zu einem Weihnachtswunsch in Richtung einer möglichen neuen Bundesregierung. Irgendeine der hier anwesenden Parteien wird wohl eine bilden.

[Zuruf: Ja, Sie nicht!]

Es bedarf nur eines kleinen Häkchens in unserem Haushalt, um die aktiven und passiven Leistungen für Langzeiterwerbslose zusammenfassen zu können, damit wir endlich Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren.

[Beifall bei der LINKEN]

Wenn das möglich wäre, wäre auch Geld aus Landesmitteln mobilisierbar, um hier in Berlin mehr in Richtung sozialer Arbeitsmarkt zu tun. Früher hieß das ÖBS. Das ist ein wichtiger und richtiger Schritt auch zur Arbeitsmarktintegration vieler Geflüchteter.

Wir erhöhen die Ansätze für Berufsorientierung und Berufsvorbereitung. Das Land investiert eine Menge Geld in die Berufsausbildung, in Ausbildungsmaßnahmen für junge Geflüchtete, für Schulabbrecherinnen und Schulabbrecher. Wir haben das Berliner Ausbildungsprogramm, wir haben Ausbildung in Sicht und speziell für die Belange der Geflüchteten Arrivo. Wir möchten, dass alle Berliner Jugendlichen die Chance und die Möglichkeit haben, eine Ausbildung oder ein Studium erfolgreich zu absolvieren. Selbstverständlich ist das nicht allein staatliche Aufgabe. Da sind die Unternehmen genauso gefordert. Ich beziehe mich dabei gern auf den Ausbildungsreport des DGB, der noch einmal explizit festgehalten hat, dass wir mehr Ausbildungsplätze brauchen, dass es mehr Qualitätskontrollen geben muss und dass wir bessere Rahmenbedingungen in der betrieblichen Ausbildung brauchen, um Abbrüche zu vermeiden.

Der Senat hat den Arbeitsschutz ins Visier genommen. Das ist hervorragend. Das LAGetSi, das Landesamt für Arbeits-, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit bekommt mehr Stellen, damit Arbeitsschutzmaßnahmen effektiv kontrolliert werden können. Die Idee, Unterstützungen und Beratungen auszubauen, damit Betroffene ihr Leben organisieren und sich gegen Ausbeutung und Diskriminierung wehren können, zieht sich durch den gesamten Einzelplan. So bekommt das Berliner Arbeitslosenzentrum mehr Mittel zur Unterstützung von Erwerbslosen. Die DGB-Beratungsstelle für entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhält mehr Geld. Auch das ist extrem wichtig. Viele der heute Obdachlosen aus Osteuropa sind hierhergekommen, um zu arbeiten.

[Gunnar Lindemann (AfD): Wichtig ist: keine Abschiebung!]

Wer sich einmal in der Beratungsstelle umtut, wird erfahren, in welche Ausbeutungsverhältnisse die Leute auch hier in Berlin geschickt werden. Wenn sie sich beschweren, verlieren sie nicht nur den Job, sondern gleich auch noch die Unterkunft und landen auf der Straße. Damit

muss endgültig Schluss sein. Es ist auch gut, dass der Senat eine Stelle gegen Schwarzarbeit eingerichtet hat.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall von der SPD und den GRÜNEN]

Berlin ist bunt und vielfältig. Das birgt eine Menge Chancen für die Entwicklung der Stadt, aber natürlich auch Konflikte. Deshalb ist es richtig, dass der Masterplan Integration fortgeschrieben und weiter entwickelt wird, und zwar ressortübergreifend. Wir wollen die schnelle Integration und Partizipation aller Neuberlinerinnen und Neuberliner. Deshalb ist es notwendig, dass die Mittel für die migrantischen Organisationen angehoben worden sind. Deshalb ist es auch richtig, dass wir den Aktionsplan Roma anheben und die Novellierung des Partizipations- und Integrationsgesetzes angehen.

Wir setzen deutliche Akzente für eine humanitäre Flüchtlingspolitik. Wir schaffen eine unabhängige Asylverfahrensberatung bei der Ankunft. Die Deutschkurse werden aufgestockt. Die Zuschüsse für XENION und BZFO, das Bundesbehandlungszentrum für Folteropfer, gehen hoch. Das hatte auch schon Ülker Radziwill angedeutet.

Der Regierende Bürgermeister hat es heute Morgen schon gesagt. Weil diese Sozialsenatorin einen Plan hat und Haltung zeigt, ist es gelungen, die Turnhallen und prekären Unterkünfte zu räumen. Jeden Tag wohnen weniger Geflüchtete in Notunterkünften. Das ist aber auch das Ergebnis guter Zusammenarbeit im Senat. Ich freue mich immer über Doppelkopfvorlagen. Das hat nichts mit Kartenspielen zu tun, sondern zeigt, dass dieser Senat nicht gegeneinander, sondern miteinander arbeitet. Das bringt gute Ergebnisse.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Deswegen werden wir auch die Probleme, die wir im LAF haben, in den Griff bekommen, auch wenn das dauert. Das ist auch eine Erfahrung. Man kann nicht aus einem Amt ein Einzelteil herausschneiden und glauben, nur weil es heute anders heißt, funktioniert es auch anders. Nein, das braucht Zeit, bis es funktioniert. Die Senatorin ist mit dem Personalrat genauso intensiv im Gespräch wie der Personalrat mit den Fraktionen. Ich gehe davon aus, dass daraus im gemeinsamen Miteinander von LAF, Personalrat und Senatsverwaltung eine schlagkräftige, eine gute Behörde wird. Mein Dank geht an die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Verwaltungen, im LAF, die das alles auch in diesem einen Jahr, in dem wir das hier machen, möglich gemacht haben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]