Katina Schubert
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Vielen Dank! – Ich frage den Senat Folgendes: Der „Tagesspiegel“ hat kürzlich über mögliche Unregelmäßigkeiten bei der Bewilligung und der Umsetzung des Zuwendungsprojekts „Berlin hilft“ an das Stadtteilzentrum Steglitz berichtet. Wie ist da der aktuelle Verfahrensstand zur Widerrufs- und Rechnungshofprüfung?
Gibt es irgendwie einen Zeitplan, wie lange so eine Prüfung dauern kann?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dregger! Ich lese Ihren Antrag so, dass Sie den Senat auffordern, beim Auswärtigen Amt zu intervenieren, dass die Lageberichte zur Situation in Syrien doch bitte manipuliert werden. Das finde ich einigermaßen skandalös.
Das hat mit gesellschaftlicher Mitte und mit Rechtsstaat wenig zu tun.
Ich nehme die Lageberichte des Auswärtigen Amts ernst. Das sind nicht die Berichte von Amnesty International oder Pro Asyl, das sind die des Auswärtigen Amts. Wenn ich das richtig gelesen habe, gibt es in Syrien keine sicheren Gebiete. Das hat ganz viel damit zu tun, was Assad für ein Regime führt. Das hat auch damit zu tun, dass dort, wo Assad nicht herrscht, islamistische Freischärler oder andere herrschen. Das hat ganz viel damit zu tun, dass die übrigens alle mit Waffen, die vor vielen Jahren mal aus dem Westen gekommen sind, ausgerüstet sind.
Auch aus Russland übrigens, ja. – Auch das ist falsch, dass es so ist, dass diese Waffen dorthin geliefert werden, weil dieser schmutzige Bürgerkrieg, der in Syrien stattfindet, dazu geführt hat, dass es nirgendwo sichere Gebiete gibt, dass jetzt noch etwa 9 Millionen Menschen in diesem Land leben und davon die Hälfte unter Hunger leidet, dass sie nicht in der Lage sind, mit der Coronapandemie umzugehen. Corona schlägt dann noch einmal viel deutlicher zu als hier. Und da sagen Sie, der Senator soll darauf hinwirken, dass die Lageberichte des Auswärtigen Amts manipuliert werden, damit Sie Ihr Süppchen kochen können? – Das ist skandalös!
Es gibt einen guten Grund, warum es verboten ist, in Staaten abzuschieben, in denen Folter herrscht – das ist in Syrien der Fall –, warum es verboten ist, in Staaten abzuschieben, in denen Menschen nicht sicher sind. Und in Syrien ist niemand sicher.
Das hat doch überhaupt nichts damit zu tun, dass man glaubt, damit islamistischen Terror und islamistische Gewalt bekämpfen zu können. Wenn man sagt, Leute dahin abzuschieben würde helfen, den Islamismus zu bekämpfen, dann ist das purer Populismus, und dass Sie sich so an die AfD anwanzen, finde ich sehr schade.
Das, was wir an Terror und an Gewalt durch Islamisten erleben, lässt sich durch Abschiebung nicht klären. Die Gewalttäter von Dresden, von Nizza, von Wien gehören vor Gericht, da gehört sauber ermittelt. Dann gehören sie verurteilt und bestraft. Das Aufenthaltsrecht ist kein Strafrecht.
Deswegen ist das der falsche Weg. Wir sollten auch nichts tun, was den vielen Geflüchteten, die sich seit fünf Jahren von Syrien hierher gerettet haben, die viel getan haben, um hier Fuß zu fassen – auch mit viel Unterstützung der Berliner Zivilgesellschaft –, signalisiert: Eigentliches ist euer Land sicher. Erst schieben wir die einen ab und dann die anderen.
Es wird auf viele Jahre hinaus nicht möglich sein, nach Syrien zurückzugehen. Es ist zentral wichtig, dass man den Menschen, die hierhergekommen sind, die hier übrigens ihre Arbeitskraft, ihr Wissen, ihre Expertise einbringen – übrigens auch im medizinischen Bereich –, deutlich macht: Ihr seid hier willkommen. Das, was ihr hier an Kraft in diese Gesellschaft einbringt, wird gewertschätzt. Wir wollen euch hier haben. Ihr habt hier eine Perspektive.
Und diejenigen, die sich Verbrechen schuldig machen, die straffällig sind, die gehören vor Gericht und müssen sich auch genau dort für das verantworten, was sie tun. Das ist das Prinzip des Strafrechts und nicht des Aufenthaltsrechts.
Insofern werden wir Ihren Antrag ablehnen – und natürlich den der AfD sowieso. Die haben nur ein Thema, insofern kommt das sowieso gebetsmühlenartig. Das kann ich schon nicht mehr ernst nehmen. – Vielen Dank!
[Beifall bei der LINKEN –
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was ich erst einmal gut finde oder was uns mit der demokratischen Opposition eint, ist das Entsetzen über die Bilder, die wir im Moment aus Moria bekommen. Das ist schon einmal ein guter Schritt.
Was uns offensichtlich nicht eint, sind die Konsequenzen, die daraus zu ziehen sind. Denn, was wir jetzt lernen können aus dem, was gerade geschieht, ist, dass die Stra
tegie einer Festung Europa gescheitert ist, dass die Strategie, mit EU-Hotspots die Flüchtlinge von Europa fernzuhalten, gescheitert ist, und dass das Griechenland alleine als Außenposten der Europäischen Union nicht stemmen können wird – auch das haben wir aus diesen Ereignissen gelernt.
Und ja, wir sind unbedingt dafür, Fluchtursachen zu bekämpfen, Herr Dregger! Fluchtursachen sind Krieg, sind Verfolgung. Aber wir sind nicht dafür, Flüchtlinge zu bekämpfen. Deswegen muss mit dieser Form der EUHotspots, die als geschlossene Lager – als QuasiGefängnisse – auf den griechischen Inseln gehalten werden, Schluss sein.
Die Situation ist nicht nur in Moria schrecklich, die ist auch auf Samos schrecklich, die ist auf Chios schrecklich, die ist auf Kos schrecklich. Die Menschen dort haben keine Perspektive. Es dauert zum Teil Jahre, bis eine Asylentscheidung getroffen worden ist, weil die griechischen Behörden überfordert sind, und weil es die EU nicht schafft – was sie eigentlich wollte –, dort unterstützend zu wirken.
Deswegen haben wir in Moria jetzt 13 000 Menschen. Das Lager war einmal ausgelegt für 3 000 Menschen. Die Situation war auch vor dem Brand verheerend; und genauso ist es auch auf den anderen griechischen Inseln.
Deswegen bin ich froh, dass Berlin bereit ist von den griechischen Inseln – nicht nur aus Moria – aufzunehmen. Das ist ein wichtiger Schritt, auch wenn es erst mal nicht viele sind. Es ist ein wichtiger Schritt, deutlich zu machen: Wir können nicht weiter zugucken, wie Menschen in diesen Lagern ihre Zukunft verlieren.
Da sind Kinder, da sind Jugendliche, da sind so viele Menschen, die noch was in ihrem Leben wollen, und sie vegetieren in diesen Lagern vor sich hin. Das kann es nicht sein. Das ist eine Schande für Europa.
Europa war ein Friedensprojekt – die Europäische Union – und jetzt ist es ein Lagerprojekt. Das dürfen wir so nicht stehenlassen!
Und: Ja, Herr Dregger, wir wollen auch eine europäische Lösung, aber eine europäische Lösung kann nicht sein: geschlossene Lager, Gefängnisse und dass Flüchtlinge ausgehungert werden und nichts zu trinken kriegen. Eine europäische Lösung muss sein, dass wir ein Aufnahmeregime finden, dass sich daran alle Länder beteiligen, dass
(Hanno Bachmann)
den Flüchtlingen Zukunftsperspektiven, Integrationsmöglichkeiten, Partizipationsmöglichkeiten geboten werden – in Europa, in dieser Europäischen Union.
Nein danke! – Nein, nicht Berlin blockiert eine europäische Lösung, Herr Seehofer blockiert seit Monaten die Aufnahme von Geflüchteten.
Seit Weihnachten bemüht sich der Innensenator darum, dass wir endlich die Zusage bekommen, dass wir aufnehmen können. Nichts ist passiert. Jetzt bewegt sich ein kleines bisschen was.
1 500 angesichts der vielen Menschen, die in den Lagern sind, sind tatsächlich auch nur ein erster Schritt.
Es muss das Ziel sein, dass der Druck, den jetzt Berlin, Thüringen und Bremen entfachen, den die Bundesregierung und auch andere Regierungen entfachen, zu einem Dominoeffekt führt, sodass die gesamte Europäische Union bereit ist, aufzunehmen und zu einem Flüchtlingsregime zu kommen, das humanitär und an den Menschenrechten orientiert ist.
Deswegen brauchen wir eine solidarische Lösung in Europa. Dazu hat Berlin einen Anstoß gegeben, und das ist gut. Wir sind nicht alleine; Bremen und Thüringen habe ich schon benannt. Es sind viele Städte, in Europa übrigens, die Solidarity Cities, die bereit sind aufzunehmen, ob Barcelona oder Palermo; Bettina Jarasch hat sie schon erwähnt. Das ist der Kern und der Schlüssel. Wir haben über 120 Kommunen in Deutschland, die auch bereit sind; sie haben sich zu sicheren Häfen erklärt. Wir haben Platz.
Wir können die Menschen jetzt aufnehmen.
Wir können diesen Dominoeffekt in Gang setzen.
Dass Seehofer sich überhaupt bewegt, ist auch nur dem Druck der R2G-Länder und dieser Städte und Gemeinden zu verdanken.
Zur Behauptung, die Aufnahmebereitschaft sei ein PullFaktor: Das ist Quatsch! Die Leute sind doch schon geflohen.
Sie brauchen jetzt eine Perspektive, deswegen müssen wir jetzt sehr schnell handeln. Wir haben Platz in Berlin. Wir haben Platz in vielen, vielen Gemeinden in dieser Republik.
Wir haben viel Platz in Europa. Wir sollten mehr 2015 wagen und mit der Zivilgesellschaft sagen: Refugees welcome! – Vielen Dank!
Dieser Beitrag war von nicht viel Kenntnis geprägt, das muss ich leider schon mal feststellen. Die Partei heißt Syriza und ist keine kommunistische Partei,
sondern eine linke Sammlungspartei.
Da sind Grüne drin, da sind Sozialdemokraten drin, da sind ordentliche demokratische Sozialistinnen und Sozialisten drin. Das ist ein Bündnisprojekt, das in der schweren griechischen Krise unter einem massiven Druck der Troika stand. Sie wissen das alles noch: Griechenland stand damals vor einer sehr, sehr schwierigen wirtschaftlichen Situation
und war damit in einer Position, dass es schlicht und ergreifend erpresst wurde, diese EU-Hotspots einzurichten.
Das war das Problem der Europäischen Union und nicht von Griechenland, nicht von Tsipras und nicht von Syriza. Umso wichtiger ist es, jetzt ein solidarisches Regulationsregime zu finden, und daran sollten wir gemeinsam arbeiten. Dass Sie daran nicht arbeiten, ist völlig klar.
[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Marc Vallendar (AfD): Stalin war auch nur eine linke Sammlungsbewegung! – Zuruf von der AfD: Wir arbeiten für Deutschland!]
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob die FDP es nicht mitgekriegt hat: Aber Berlin ist mitnichten das verschnarchteste Bundesland oder das verschnarchteste Land in Europa, sondern das Bundesland in Deutschland mit dem liberalsten Ladenöffnungsgesetz – Kollege Düsterhöft hat es gesagt: Sechs Mal die Woche kann man 24 Stunden einkaufen; muss man nicht.
Was Sie hier von uns verlangen, ist schlicht rechtswidrig, denn das Ladenöffnungsgesetz Berlins sagt sehr klar: Der Senat darf eine Allgemeinverfügung erlassen. Da darf er acht Sonntage im Jahr an irgendwelche Events gebunden festlegen plus zwei Sonntage, die die Bezirke festlegen dürfen. Wenn man davon ausgeht, dass das Jahr etwa 52 Sonntage hat, sind wir fast schon bei einem Fünftel aller Sonntage, wo die Läden sowieso schon offen haben.
Da zu behaupten, man dürfe nie einkaufen, ist, ehrlich gesagt, echt vermessen. Das ist in Hinblick auf den
(Jürn Jakob Schultze-Berndt)
Verfassungsrahmen, der schon angeführt wurde – mit der Sonntagsruhe und der seelischen Erhebung –, wirklich viel.
Wir wissen, dass es sowieso viele Menschen in dieser Stadt gibt, die sonntags arbeiten müssen: bei der Polizei, der Feuerwehr, den Krankenhäusern, in den Museen und Theatern.
Überall gibt es Menschen, die sonntags arbeiten müssen. Es ist für Familien, für Freundschaften ohnehin schon schwierig, sich auf einen Tag in der Woche zu verständigen, an dem man gemeinsam etwas unternehmen kann. Das muss man jetzt nicht noch weiter fragmentieren, indem man auch noch die Läden öffnet und das Shoppingerlebnis zum alleinigen gemeinsamen Erlebnis erklärt. Ich glaube, diese Gesellschaft ist weiter und kann mehr.
Ich komme zur Frage der Umsatzsteigerungen, wenn man sonntags einkaufen kann: Natürlich haben die Geschäfte durch Corona erheblich gelitten. Das ist überhaupt keine Frage. Und natürlich haben sehr viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jetzt deutlich weniger Einkommen, weil sie zum Beispiel sich immer noch in Kurzarbeit befinden oder sogar arbeitslos geworden sind. Wir haben sehr viele Menschen, eine steigende Zahl von Menschen in Berlin, die Transferleistungen beziehen. Wenn eine Bundesregierung sagt, sieben Euro im Monat mehr ist genug, können Sie kaum erwarten, dass damit die Kaufkraft großartig gesteigert wird, um sonntags auch noch einkaufen gehen zu können. Das wird nicht funktionieren.
Aber was würde denn dem Handel helfen? – Es würde ihm helfen, wenn man sich einmal die Gewerbemieten anguckt, wenn man sich anschaut, welche Entwicklungen es gerade in den Kiezen gibt. Laufen Sie einmal durch Kreuzberg oder Neukölln!
Da werden Sie sehen, wie viele Läden von Verdrängung bedroht sind, weil sie die Mieten nicht mehr bezahlen können, weil es keine Regulierung der Gewerbemieten gibt, weil da von einem auf den anderen Tag die Miete von 7 Euro auf 23 Euro steigen kann. Das kann kein Laden aushalten, noch nicht einmal die großen – von den Kiezläden ganz zu schweigen. Wenn Sie denen helfen wollen, dann schaffen Sie eine Regulierung der Gewerbemieten auf Bundesebene.
Nein, danke schön! – Was ihnen auch helfen könnte, wäre eine Kampagne, vor Ort einzukaufen. Natürlich ist der Anreiz, bei den Datenkraken wie Amazon einzukaufen, groß, denn es ist ja so schön bequem. Noch fieser ist es, in den Einzel-, in den Fachhandel zu gehen, sich dort schön beraten zu lassen, um dann billig, billig bei Amazon einzukaufen.
Wichtig wäre, dass auch solche Unternehmen wie Amazon und andere tarifgebunden werden, dass sie den Einzelhandelstarif bezahlen.
Dann sind sie nicht mehr billiger und auch nicht bequemer. Das Gebot der Stunde ist also neben der Regulierung der Gewerbemieten, dass diese Logistikunternehmen, wie sie sich selbst nennen,
die aber letztlich nur eine Konkurrenz zum Einzelhandel sind, endlich in eine Tarifbindung kommen, damit es dort Wettbewerbsgleichheit gibt, um in Ihrer Terminologie zu bleiben. Ferner müssen wir uns darauf orientieren, die Kiezläden zu stärken, indem wir dort einkaufen und indem die Mieten abgesenkt werden.
Nein, danke schön! Ich bin dann auch fertig. Danke!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Vermutlich hat Anfang des Jahres, als wir die Nachrichten aus China bekamen, niemand erwartet, dass wir in eine solch tief greifende Pandemie und in eine solch tief greifende gesellschaftliche, soziale und wirtschaftliche Krise hineingeraten. Die Infektionszahlen sind in Berlin und in Deutschland vergleichsweise niedrig. Zum Glück! Das liegt vermutlich daran, dass die Politik, dass unser Senat frühzeitig Maßnahmen ergriffen hat, um die Pandemie einzudämmen.
(Präsident Ralf Wieland)
Wenn es nach Ihnen ginge, wären gar keine Maßnahmen ergriffen worden.
Sie nötigen uns hier sogar, eine namentliche Abstimmung ohne Rücksicht auf Hygieneregeln durchzuführen. Halten Sie einfach den Mund!
Der Shutdown, die Schließung von Geschäften, Kultureinrichtungen, Sportstätten, im gesamten Hotel- und Gaststättenbereich, die Einschränkung bei den körpernahen Dienstleistungen bis hin zu den Zahnärztinnen und Physiotherapeuten hat die Kurzarbeit und die Erwerbslosigkeit in Berlin in schon lange nicht mehr bekannte Höhe getrieben. Erstmals seit fünf Jahren haben wir wieder eine zweistellige Arbeitslosenzahl. Mehr als 38 000 Firmen haben Kurzarbeit angemeldet. 47 000 Menschen haben während der Krise ihre Arbeit verloren. Die coronabedingten Kündigungen liegen in Berlin über dem Bundesdurchschnitt. Warum ist das so? – Berlin ist Dienstleistungsmetropole, und Berlin ist immer noch Hauptstadt prekärer und oft auch nur bedingt existenzsichernder Arbeit. In dieser Krise zeigen sich in unserer Stadt die dramatischen Folgen der Niedriglohnstrategie, die jahrelang von den verschiedenfarbigen Bundesregierungen verfolgt wurden. Wer nur den Mindestlohn oder nur knapp über den Mindestlohn verdient und jetzt Kurzarbeiter- oder Arbeitslosengeld bekommt, der oder die kann davon nicht leben. Der Weg führt direkt zum Jobcenter zu ergänzendem Hartz IV.
Viele Beschäftigte im Hotel- und Gaststättenbereich bekommen noch nicht einmal Kurzarbeiter- oder Arbeitslosengeld. Als geringfügig Beschäftigte oder mit Minigehältern plus Schwarzgeld landen sie direkt in Hartz IV. Der Senat hat auf die Krise schnell reagiert und verschiedene Hilfsprogramme für die Unternehmen, die Kultur, die Soloselbstständigen, die sozialen Einrichtung aufgelegt. Das ist gut und notwendig. Dafür vielen Dank!
Jetzt ist der Zeitpunkt, wo wir darüber nachdenken müssen, wie wir weitere Förderungen auch in gesellschaftlich sinnvolle und notwendige Kriterien binden können. Dazu zählen gute Arbeit, tarifliche Bezahlung, Bereitschaft zu betrieblicher Ausbildung, ökologische Nachhaltigkeit und Klimagerechtigkeit. Wie kann es sein, dass die Bundesregierung 9 Milliarden Euro zur Rettung eines einzigen Konzerns bereitstellt, ohne dass diese Kriterien wirklich erfüllt werden? 9 Milliarden für die Lufthansa, und die kündigt jetzt Arbeitsplatzabbau an. Ich glaube, das geht nicht.
Auch im Konjunkturpaket der Bundesregierung von gestern Abend konnte ich nichts zu guter Arbeit, Tarifbindung, Pflege oder Anerkennung der großen Leistung der Beschäftigten in der Krise lesen.
Ich weiß – ich habe das Konjunkturpaket gut gelesen –, dass die SPD echt gekämpft hat. Aber wer mit der CDU und der CSU regieren muss, bekommt halt nicht das heraus, was er herausbekommen würde, wenn wir als Rot-Rot-Grün regieren würden.
Ein Beispiel: Der Hotel- und Gaststättenbereich ruft lautstark nach weiteren staatlichen Hilfen.
Das kann ich nachvollziehen, weil die Situation in diesem Bereich dramatisch ist, der auch für unsere Stadt so wichtig ist. Aber gerade hier darf es keine bedingungslose Förderung geben. Wie heißt es immer so schön: In jeder Krise liegt eine Chance. Hier haben wir die Chance, wirklich umzusteuern, gute Arbeit und ökologische Nachhaltigkeit in den Dienstleistungen zu verankern und zur Bedingung für staatliches Geld zu machen. Das muss für uns hier in Berlin genauso gelten wie auf Bundesebene. Beide, Bund wie Länder, müssen bereit sein, schnell in Arbeit und Beschäftigung zu investieren.
Wenn die Coronakrise nicht zu einer neuen Welle von struktureller Erwerbslosigkeit führen soll, brauchen wir sinnvolle Konjunktur- und Arbeitsmarktprogramme für all diejenigen, die vor allem auf absehbare Zeit nicht zurück in ihrer alten Jobs können, weil sich ihre Branchen beispielsweise massiv verändern. Ich nenne nur als Beispiel den ganzen Bereich der Reiseunternehmen, des Businessverkehrs. Videokonferenzen machen viele Reisen demnächst unmöglich. Da werden sich richtige strukturelle Veränderungen andeuten. Darauf müssen wir reagieren.
Schon vor der Coronakrise hatten junge Menschen deutschlandweit die schlechtesten Chancen, einen betrieblichen Ausbildungsplatz zu erhalten. Nur 11 Prozent der Berliner Betriebe bilden aus. Viele Unternehmen haben jetzt angekündigt, ihr Ausbildungsengagement im neuen Ausbildungsjahr verringern zu müssen. Wir dürfen nicht einen ganzen Jahrgang zurücklassen. Es ist schon gut, dass die meisten Azubis im letzten Ausbildungsjahr trotz widriger Bedingungen ihre Abschlüsse machen können. Aber das reicht nicht. Auszubildende, deren
Betrieb den Ausbildungsvertrag gekündigt hat, brauchen bei der Suche nach einem neuen Ausbildungsbetrieb Hilfe durch die Kammern, die Bundesanstalt für Arbeit, durch die Verbundberatung, durch die Berufsagentur.
Nein! – Es ist richtig, dass aufnehmende Betriebe dann auch eine Unterstützung bekommen, wie es jetzt auch das Konjunkturpaket der Bundesregierung vorsieht. Es ist gut, dass der Senat das Berliner Ausbildungsprogramm ausweiten will. Für die duale Berufsausbildung brauchen wir aber die Unternehmen. Auch in der Krise können sie sich ihrer Verantwortung für die jungen Menschen und der Sicherstellung ihres eigenen Fachkräftebedarfs nicht entziehen. Deshalb bitten wir die landeseigenen Unternehmen ebenso wie den öffentlichen Dienst selbst, jetzt über den Bedarf auszubilden und Vorbild zu sein.
Die Verbundausbildung ermöglicht es auch kleinen Betrieben, sich an der Ausbildung zu beteiligen. Ich appelliere an die Unternehmen, das im Interesse der jungen Menschen zu nutzen. Wer aber partout nicht ausbildet, auch wenn er es könnte, der sollte sich finanziell an der Ausbildung der Fachkräfte der Zukunft beteiligen.
Leave no one behind – lass niemanden zurück, das gilt auch für die Jugend in Berlin. Schon jetzt ist die Jugendarbeitslosigkeit überproportional angestiegen. Das ist Gift für eine solidarische Stadtgesellschaft. Auch die Menschen mit Einwanderungsgeschichte sind überproportional von der neuen Arbeitslosigkeit betroffen. Deswegen ist es gut, dass sowohl die Arbeits- wie die Bildungsverwaltung mit den Sozialpartnern auf Hochtouren arbeiten, um in der Ausbildung
und mit der Schaffung neuer schulischer und überbetrieblicher Ausbildungsmöglichkeiten Neues zu schaffen.
Besonders getroffen sind die Beschäftigten in den Werkstätten für behinderte Menschen. Viele Werkstätten sind geschlossen, Aufträge bleiben aus. Da die dort Arbeitenden nicht offiziell als Beschäftigte gelten, bekommen sie weder Kurzarbeiter- noch Arbeitslosengeld. Der Senat hat für sie einen Rettungsschirm in Höhe von 500 000 Euro vorgesehen; das ist schon mal gut. Es ist aber jetzt schon deutlich absehbar, dass es weitere Mittel brauchen wird,
denn wir dürfen die behinderten Menschen nicht zurücklassen.
In einer solchen tiefgreifenden Krise ist es überhaupt nicht egal, wer regiert. Ich bin froh, dass der Senat sichergestellt hat, dass die Träger in den sozialen, kulturellen und beschäftigungspolitischen Bereichen weiterarbeiten können und konnten und die Chance bekamen, neue digitale Formate auszuprobieren.
Die Krise hat aber auch deutlich gemacht, wie tief die soziale Spaltung unserer Gesellschaft geht. Der Aufforderung, zu Hause zu bleiben, können obdachlose Menschen nicht nachkommen. Der Maßgabe, Abstandsregelungen einzuhalten, können Menschen, die in Gemeinschaftsunterkünften leben, kaum gerecht werden. Auch hier hat der Senat gezeigt, dass er kreativ Politik gestalten kann. Bundesweit einmalig hat die Senatorin dafür gesorgt, dass drei 24/7-Einrichtungen für obdachlose Menschen eingerichtet wurden. Dort können sie sich nicht nur aufhalten und die Hygieneregeln einhalten, sondern sie bekommen auch Wiedereingliederungsangebote. Die Coronakrise zeigt: Sammelunterkünfte sind nicht pandemietauglich. Wir müssen den Weg hin zu Unterkünften in Wohnungs- und Appartmentstrukturen beschleunigen. Wir brauchen die Grundstücke von den Bezirken für den Bau von modularen Bauten. Das gilt nicht nur für obdachlose und geflüchtete Menschen, sondern für alle, die in Gemeinschaftsunterkünften leben.
Diese Krise zeigt, wie wichtig das Öffentliche ist, wie wichtig es ist, dass wir mit Vivantes und Charité leistungsfähige landeseigene Kliniken haben, die die Krankenversorgung sicherstellen. Jetzt muss es darum gehen, dass für die Beschäftigten insgesamt im Gesundheitssektor gute Arbeit und bessere Arbeit geschaffen wird. Deshalb unterstützen wir den Krankenhauspakt von Verdi.
Die Krise zeigt auch, wie wichtig eine handlungsfähige Stadt ist. Für uns gilt: Wir werden nicht in die Krise hineinsparen. Wir brauchen weitere Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, in den Schulbau, in unsere soziokulturelle Infrastruktur. Wir wollen eine solidarische, weltoffene und gastfreundliche Stadt bleiben, in der niemand zurückgelassen wird. Das wird uns in den nächsten Jahren vor noch größere Herausforderungen stellen. Umso wichtiger ist es, dass wir jetzt für Strukturveränderungen sorgen, die Berlin als lebenswerte Stadt erhalten. Dafür brauchen wir im Bund ein Umdenken. Es kann jetzt nicht um Steuersenkungen gehen, sondern darum, die Vermögenden an der Finanzierung der Krise zu beteiligen.
Es ist gut, dass sich der Senat für eine Anhebung des Hartz IV-Satzes einsetzt; 100 Euro mehr sind schon wichtig. Leider findet sich nichts davon im Kulturpaket.
Wer bezahlt die Krise? Das wird die entscheidende politische Frage der nächsten Monate. Für uns ist klar: Es dürfen nicht die Transfergeldbeziehenden, die Niedrigverdienenden, die Kinder, die Alleinerziehenden, die Rentnerinnen und Rentner sein. Umverteilung von oben nach unten ist das Gebot der Stunde.
Warum ich jetzt über das Konjunkturpaket entlastet werde, kann ich nicht richtig nachvollziehen. Ich glaube, da müssen wir noch deutlicher und schärfer werden in dem, was Umverteilung heißt. – Danke schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was sich auf den ersten Blick sozial anhört, ist es in Wirklichkeit nicht und zeugt im Übrigen von wenig Kenntnis der sozialen Sicherungssysteme und der Systematik, mit der wir es hier zu tun haben.
Letztlich geht es der FDP mal wieder darum, Unternehmen zu entlasten, auch dann, wenn sie in den vergangenen Jahren gut gearbeitet und gute Gewinne gemacht haben, und die Kosten zu sozialisieren. Es sind nicht zwingend die großen Unternehmen, die das KuG aufstocken. Es sind vor allen Dingen die tarifgebundenen Unternehmen, und die schließen mit den Gewerkschaften einen entsprechenden Tarifvertrag zur Aufstockung des Kurzarbeitergelds, und das ist wichtig. Unser Problem ist die Vielzahl an Unternehmen, die nicht tarifgebunden sind, und diesen Prozess der Tarifflucht umzukehren, ist ein wichtiges Ziel. Die Tarifautonomie ist im Übrigen kein sozialistisches Teufelszeug, sondern eine der tragenden Säulen einer sozialen Marktwirtschaft, und deswegen müssen wir auch in der Krise dafür sorgen und dafür werben, dass Unternehmen tarifgebunden werden und wieder in die Tarifgemeinschaften einsteigen.
Dass viele betroffene Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter davon nicht leben können, ist auch Folge der Niedriglohnstrategie gerade von Parteien wie der FDP. Das ist jetzt keine Parteipolitik, wenn ich das sage, sondern das ist einfach eine Tatsache.
Die Stärkung der Tarifbindung ist ein zentrales Ziel, und wenn Unternehmen dann eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes nicht zahlen können, dann ist es sinnvoll, Überbrückungshilfen des Bundes und/oder des Landes anzubieten. Zudem finden wir die Forderung der Gewerkschaften sinnvoll, die Höhe des Kurzarbeitergeldes möglicherweise auch krisenbefristet auf 90 Prozent anzuheben und das dann aber auch im SGB III so festzuschreiben. Das ist Sache des Bundes. Was aber nicht geht – was die Kolleginnen und Kollegen der FDP fordern –, ist, aus Landesmitteln Leistungen zu finanzieren, die eigentlich der Bund zahlen müsste. Bei allem Verständnis für unbürokratische Lösungen: Dieser Vorschlag ist weder unbürokratisch noch eine Lösung. Es gibt weder eine Rechtsgrundlage im SGB III, noch hat das Land eine Regelungskompetenz oder Weisungsbefugnis gegenüber der BA, die ja das Geld auszahlen soll.
Ja, wir finden es auch dramatisch, wenn Menschen jetzt zum Jobcenter müssen oder Wohngeld beantragen müssen. Sie können mir glauben, ich weiß aus meinem unmittelbaren Umfeld, was diese Krise bedeutet: Eine Kündigung, Reiseverkehrsbranche, von jetzt auf gleich, von einem sowieso geringen Verdienst auf 60 Prozent!
(Jürn Jakob Schultze-Berndt)
Einmal Kurzarbeitergeld, weil Erzieher ohne Notbetreuung! Gleichzeitig drei Krankenpfleger, bei denen brummt es, und einmal eine Beratungsstelle für sexualisierte Gewalt, da brummt es auch! Also es ist tatsächlich jetzt angezeigt, vernünftige Lösungen zu finden, aber keine Schnellschüsse, die nicht überlegt sind. Deswegen müssen wir darüber nachdenken – und auch das müssen wir mit dem Bund gemeinsam tun –, ob es eine Variante ist, zu sagen, wir brauchen zeitlich befristet so etwas wie ein Coronagrundeinkommen. Das kann ich mir vorstellen, auch wenn ich sonst eher zu den Skeptikerinnen des bedingungslosen Grundeinkommens innerhalb meiner Partei gehöre. Aber darüber lässt sich diskutieren, und das müssen wir mit dem Bund zusammen machen.
Wichtig ist – und das ist zentral, auch um den Menschen Sicherheit zu geben, die gerade von all diesen Ängsten und Schwierigkeiten betroffen sind –, dass wir Lösungen finden, damit niemand in Armut gedrängt wird, aber das muss Hand und Fuß haben, und es muss mit dem Bund und den Ländern gemeinsam gehen. Auf den Weg müssen wir uns machen. – Danke schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin immer wieder fasziniert, wie Herr Schultze-Berndt immer wieder auf das gleiche Thema kommen kann, egal, von wo wir anfangen. Aber das ist Ihr Markenzeichen, und es ist auch in Ordnung. Natürlich müssen wir alles dafür tun, um weniger Schulabbrecher zu bekommen, aber das hat nichts mit dem Mindestlohn zu tun. Und das ist auch nicht der Grund, warum wir hier den Landesmindestlohn erhöhen.
Menschen sollen von ihrer Arbeit leben können, und das geht eben nicht mehr von 8,50 Euro die Stunde, und das geht auch nicht von 9,35 Euro. Und da wäre ich dann ganz froh gewesen, wenn Sie mal vernünftige Beispiele genommen hätten. Die Schulreinigung wird in der Regel nach Tarif bezahlt; wenn nicht, ist es ein Skandal. Die Tariflöhne im Reinigungsgewerbe liegen noch mal deutlich höher als der von uns vorgeschlagene Landesmindestlohn. Also haben Sie ein Problem mit der Zahlung von Tariflöhnen? – Ein Problem ist, wenn in der Schulreinigung Minijobs angeboten werden. Das ist ein Problem. Auch davon müssen wir weg. Deswegen arbeiten und diskutieren wir sehr ernsthaft über Möglichkeiten der Rekommunalisierung und der guten Arbeit auch im Bereich der Schulreinigung.
Und wenn es so ist, dass 9,35 Euro, was jetzt der Bundesmindestlohn ist, nicht ausreichen, um die Existenz zu sichern, und weit davon entfernt ist, um vor Armut im Alter zu schützen, dann ist es zwingend geboten, den Landesmindestlohn jetzt deutlich anzuheben, und zwar synchron mit dem Vergabemindestlohn. Dieser Notwendigkeit kommen wir jetzt nach. Und das so was auch mal ein bisschen dauert, das hat etwas damit zu tun, dass wir es synchron mit dem Vergabemindestlohn machen wollen und dass das Vergabegesetz ein kompliziertes Gesetz ist, wo es einen breiten Beteiligungsprozess im Vorfeld der Phase gab, bevor es ins Abgeordnetenhaus gekommen ist. Zum Vergabegesetz kommen wir nachher noch, deswegen lasse ich das jetzt mal weg. Aber das erklärt so ein bisschen die Zeitabläufe. Ich nehme mal an, dass auch Sie in der CDU-Fraktion ein hohes Interesse daran hatten, dass es diesen Beteiligungsprozess der Senatsverwal
(Jürn Jakob Schultze-Berndt)
tungen mit den Unternehmensverbänden, mit den Gewerkschaften gegeben hat. Insofern dauert das halt mal ein bisschen länger.
Doch, es ist sogar wesentlich besser geworden, das Landesmindestlohngesetz, weil wir jetzt zumindest in die Nähe der Existenzsicherung kommen und in die Nähe der Sicherung vor Armut im Alter. Der Mindestlohn ist auch kein Angriff auf die Tarifautonomie; Frau Radziwill hat es gesagt. Er orientiert sich an der untersten Lohnstufe des TV-L, und damit ist er eine Sicherung gegen Armut oder soll es werden. Die Ausweitung des Niedriglohnsektors, die Ausweitung von prekären Arbeitsverhältnissen wie Minijobs, wie Leiharbeit, wie erzwungene Teilzeitarbeit, die hat immer mehr Beschäftigte in existenziell bedrohliche Situationen gebracht, und zwar auch schon vor der Coronakrise. Und jetzt, in der Coronakrise, sieht man einmal mehr, wie zentral wichtig es ist, dass gute Arbeit auch gut entlohnt werden kann und dass Menschen von ihrer Arbeit leben können.
Dass Niedriglöhne und Prekarität auch ein Angriff auf die Menschen sind, die unter solchen Bedingungen arbeiten müssen, das erleben wir gerade jetzt noch mal besonders heftig. Wir haben vorhin von denen gesprochen, die in Kurzarbeit gehen. Minijobber kriegen das alles gar nicht. Und viele müssen jetzt zum Jobcenter gehen.
Nein! – Deswegen ist für uns der Einsatz für einen existenzsichernden Mindestlohn auch ein Einsatz für die Anerkennung und Wertschätzung der geleisteten Arbeit, der Einsatz für Armutsvermeidung gerade im Alter, der Einsatz für ein gutes Leben. Und was gar nicht geht, ist, dass jetzt schon wieder Unternehmen nach der Aussetzung des Mindestlohns rufen. Wir können und dürfen die Coronakrise nicht auf dem Rücken von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern austragen. Wer hält denn gerade das Land aufrecht? – Klar, es ist der Gesundheitsbereich.
Es sind die Pflegerinnen und Pfleger. Die bekommen mehr als den Mindestlohn, aber viel zu wenig. Aber diejenigen, die in den Krankenhäusern putzen, die die Sterilisierungen vornehmen, bei der CFM beispielsweise, kriegen unter 12 Euro. Das heißt, mit dem Landesmindestlohn werden auch sie schnell deutlich besser bezahlt, und das ist, glaube ich, das Gebot der Stunde.
Bei allen Problemen, die wir jetzt haben, darf es nicht sein, dass die Menschen mit der niedrigsten Bezahlung die Krise wegtragen. Wir werden diese Krise nur dann bewältigen, wenn das Gebot der Solidarität für alle gilt, und das gilt auch für diejenigen, die wenig verdienen. – Danke!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Öffentliches Geld nur für gute Arbeit, nur für Fairtrade, nur für ökologische Nachhaltigkeit – so will es unser Koalitionsvertrag, und so ist es wirtschafts- und gesellschaftspolitisch vernünftig.
Die öffentliche Hand muss in ihren Vergaben ihrer Vorbildfunktion gerecht werden, gerecht handeln und Lohndumping, Ausbeutungsverhältnisse und Naturzerstörung mit ihren Ausschreibungsbedingungen ausschließen. Es darf nicht allein der Preis sein, der für öffentliche Vergaben zählt. Deshalb ist uns der Vergabemindestlohn sehr wichtig – das haben wir ausführlich diskutiert, deswegen begründe ich das nicht noch einmal –, wir haben ihn synchron mit dem Landesmindestlohn ausgelegt.
Genauso wichtig ist uns die Tariftreueregelung. Schon 2008 ist Berlin mit seinen Tariftreueregeln vorangegangen, bis das durch das sogenannte Rüffert-Urteil gekippt wurde. Damals herrschte noch die neoliberale Wettbewerbsdoktrin, die Tariftreue als Wettbewerbsverhinderung denunzierte. Die EU hat diese Politik mit der Entsenderichtlinie 2018 zum Glück korrigiert, sodass wir jetzt eine gute Tariftreueregelung aufnehmen konnten. Es kommen nun nicht nur allgemeinverbindliche Tarifverträge zur Anwendung, sondern auch der Tarifvertrag, der für die betreffende Branche repräsentativ und anwendbar ist. Das gilt auch für Auftragnehmer mit Sitz im Ausland, was zentral wichtig ist für EU-weite Ausschreibungen. Wir haben damit gerade viel Erfahrung – ich bin ja auch flüchtlingspolitische Sprecherin –, wenn eine Unterkunft europaweit ausgeschrieben werden muss. Dabei nehmen wir Qualitätskriterien genauso wichtig wie andere Kriterien. Warum ist uns das so wichtig? – Die Zahl tarifgebundener Unternehmen in Berlin hat in den letzten Jahren dramatisch abgenommen, und zwar zulasten der Beschäftigten. Wir möchten mit dieser Tariftreueregel und den damit verbundenen Anreizwirkungen mehr Unternehmen dazu bewegen, sich wieder – oder neu – in einen tariffähigen Arbeitgeberverband zu begeben. Tarifflucht ist dann nämlich bei öffentlichen Aufträgen kein Wettbewerbsvorteil mehr.
Das schönste Gesetz nutzt nichts, wenn seine Einhaltung nicht kontrolliert wird. Deswegen ist es gut, wenn die Kontrollkapazitäten gestärkt werden. Ein Diskussionspunkt waren die Wertgrenzen. Das ist auch normal, solch ein Gesetz ist kontrovers, und vor allen Dingen unsere Umweltpolitikerinnen und Umweltpolitiker – ich glaube, aus allen drei Fraktionen von Rot-Rot-Grün – hätten sich niedrigere Wertgrenzen gewünscht. Politik ist aber immer auch die Suche nach dem Kompromiss. Der Kompromiss ist die Evaluationsklausel, wonach die Wirksamkeit der
Wertgrenzen überprüft werden muss, und das nicht irgendwann, sondern wenn das Gesetz eine Weile in Kraft ist und wir beobachten können, wie sich das Vergabewesen entwickelt.
Gar nicht geht übrigens, dass wir jetzt den Forderungen der Unternehmensverbände nachkommen und das Vergabegesetz gleich ganz aussetzen. Ja, die Coronakrise trifft viele Unternehmen in Berlin hart. Deswegen hat das Land – und hat der Bund – umfassende Hilfspakete auf den Weg gebracht. Das haben wir heute ausführlich diskutiert. Ich bin mir ganz sicher, sowohl das Land wie auch der Bund werden alles dafür tun, dass das auch so bleibt, und im Zweifelsfall nachschießen. Das kann aber nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geschehen, nicht unter Missachtung aller Qualitätsanforderungen in Sachen ökologischer Nachhaltigkeit oder Fairtrade. Die Bewältigung der Coronakrise – damit wiederhole ich mich, aber es ist mir wichtig – muss solidarisch gelingen, oder sie wird nicht gelingen. Deswegen bitte ich Sie herzlich um Zustimmung zu diesem Ausschreibungs- und Vergabegesetz.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat, welche Vorkehrungen und Vorbereitungen er getroffen hat und trifft, um Maßnahmen zu ergreifen angesichts der humanitären Katastrophe in den Lagern auf den griechischen Inseln und an der deutschgriechischen Grenze.
Griechisch-türkischen Grenze, meinte ich. Entschuldigung!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass den Herrschaften von rechts der Faschist Höcke besser gefallen hätte als Bodo Ramelow, das glaube ich sofort.
Zum Glück war das Parlament in Thüringen klug genug, gestern diesem Treiben ein Ende zu bereiten.
(Christian Buchholz)
Der Zynismus dieser Herrschaften von rechts, wenn Sie von Sozialindustrie sprechen, wenn es darum geht, soziale Infrastruktur sowohl durch staatliches wie auch durch zivilgesellschaftliches Engagement zu organisieren,
zeigt, dass Sie mit bürgerlicher Politik nun gar nichts zu tun haben, sondern dass Sie einfach zynisch sind, zynisch und auch noch selbstgerecht, und dass Sie mit sozialer Politik überhaupt nichts am Hut haben.
Ich wünsche mir sehr, dass diese Phase AfD in allen Bundesländern und im Bund so schnell wie möglich beendet wird.
Warten Sie es ab!
Nun können wir leider dem Antrag der CDU auch nicht zustimmen, weil er falsch ist. Es ist auch falsch zu sagen, man hätte so etwas wie die öffentlich geförderte Beschäftigung schon in Form von Ein-Euro-Jobs gehabt. Die EinEuro-Jobs waren nämlich auch falsch. Das Gute am Solidarischen Grundeinkommen ist, dass es dabei um reguläre Arbeit geht, dass es dabei um tariflich entlohnte Arbeit geht, dass es dabei um freiwillige Arbeitsverhältnisse geht und dass es darum geht, gesellschaftlich sinnvolle Arbeit zu organisieren und damit Menschen, die arbeitslos sind, eine neue Perspektive zu verschaffen. Da darf man das eine Instrument nicht gegen das andere ausspielen, vielmehr hat jedes Instrument seine eigene Zielgruppe. Es ist unsere dringende Aufgabe, für jede dieser Zielgruppen die geeigneten Instrumente zu haben. Das ist die Kunst.
Wenn wir jetzt hingehen und überlegen: Was ist für wen sinnvoll? –, dann ist es für die einen sinnvoll, nach dem Teilhabechancengesetz einen Lohnkostenzuschuss für den ersten Arbeitsmarkt zu kriegen. Für andere, die in der schnelllebigen Gesellschaft möglicherweise so nicht mehr mitkommen, aber trotzdem Talente, Können und Wissen haben, ist es sinnvoll, in einem anderen Bereich zu arbeiten. Für sie ist das Solidarische Grundeinkommen genau richtig. Sie werden dann auch fitgemacht, um wieder im ersten Arbeitsmarkt bestehen zu können. Das ist genau das, worum es geht. Deswegen glaube ich, dass der Antrag der CDU auch ein bisschen der eigenen Ideenlosigkeit geschuldet ist, denn Ihnen geht es gar nicht um die Langzeitarbeitslosen. Ihnen geht es auch nicht um Fachkräfte, sondern Ihnen geht es darum, die Hartz-IV-Logik aufrechtzuerhalten, Druck, Druck, Druck, und das ist
genau die falsche Logik. Wenn wir mehr Fachkräfte haben wollen, wenn wir all diese Ressourcen heben wollen, die bei den Langzeitarbeitslosen sind, dann brauchen wir den Instrumentenmix, dann brauchen wir Chancen für alle. In diesem Sinne werden wir diesen Antrag ablehnen.
Es tut mir ja leid, feststellen zu müssen, dass es ein bürgerliches Gericht war, das festgestellt hat, dass man Herrn Höcke „Faschist“ nennen darf. Insofern darf ich mir das, glaube ich, auch erlauben. – Punkt 1!
Punkt 2 – Nein, das ist falsch! Es hat niemand auf dieser Konferenz gefordert, dass Reiche zu erschießen sind.
Zuhören bildet! Wenn Sie sich das anhören, werden Sie das auch feststellen. – Nichtsdestotrotz war auch diese Anmerkung, die dort gefallen ist, völlig unangemessen, weil solche Vergleiche immer hinken. In meiner Partei will niemand irgendjemanden erschießen.
Und der dritte Punkt: Wer von Sozialindustrie spricht, wer all diese verächtlich macht, die dort arbeiten,
sowohl als Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber als auch als Beschäftigte, wer davon so spricht, der ist entweder zynisch oder hat das Prinzip des Sozialen in dieser Stadt nie verstanden.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich wollte ja üben, mich nicht immer über die AfD aufzuregen. Aber es fällt schwer bei so viel dummem Zeug, was Sie zu Papier bringen und von sich geben; das ist schwer zu toppen.
[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Georg Pazderski (AfD): Aber wir wollen keine 800 000 Menschen erschießen! Ihr seid das! Ihr seid Kommunisten! Stalin lässt grüßen!]
Ihre Leute fordern Schießbefehle an der Grenze; Frau von Storch, Frau Petry – Sie haben damit angefangen! Also halten Sie einfach mal besser den Mund, weil das genau jetzt an der griechischen Grenze passiert! Dort wird irgendwie ausgeführt, was Ihre Leute schon gefordert haben. Und das ist erbärmlich und zutiefst traurig für diese Europäische Union, die wir so sehr brauchen und die so notwendig ist.
Falls es noch nicht aufgefallen ist: In Idlib herrscht Krieg, und da sind Tausende von Menschen zwischen die Fronten von Erdoğan und Assad und ihren Truppen geraten, und die rennen vor dem Krieg weg.
Was will Erdoğan? – Er will diese Flüchtlinge zu Faustpfändern machen, um die EU und die Nato in seinen Krieg einzubinden, und das können, wollen und dürfen wir nicht mitmachen!
Diese Menschen, die dort fliehen, brauchen Hilfe, und deswegen brauchen wir EU-weite Lösungen für die Menschen und dürfen Griechenland damit nicht allein lassen. Aber was Griechenland dort tut – das Asylrecht auszusetzen –, das darf auch nicht sein; das ist schlicht Unrecht. Und wenn Push-Backs passieren auf hoher See, dann ist das auch Unrecht und muss aufhören!
Aber worüber wir hier in Berlin diskutieren – und das diskutieren wir nun schon seit letztem Herbst –, ist die Aufnahme von besonders schutzbedürftigen Menschen und Geflüchteten aus den EU-Hot-Spots, aus den Lagern auf den griechischen Inseln, die dort im Zuge des EUTürkei-Deals eingerichtet worden sind, um die Flüchtlinge aus Deutschland wegzuhalten. Was sich dort abspielt, ist nicht zu beschreiben,
und Kinder können nichts dafür, was ihnen passiert ist. Was dort auch mit Frauen, was dort auch an Gewalttätigkeiten passiert in diesen Lagern, die jetzt von Rechtsextremisten überfallen werden – Ihren Freundinnen und Freunden –, das kann und darf nicht sein!
Deswegen hat Berlin gesagt: Wir sind bereit, geflüchtete Menschen, besonders Schutzbedürftige, minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge aus diesen Lagern zu holen. Deswegen muss die Bundesregierung diesem Ansinnen von über 140 Städten, die sich zu sicheren Häfen erklärt haben, und der Bundesländer, die gesagt haben, wir sind bereit, nachgeben. Wir brauchen EU-weite RelocationProgramme. Aber wir brauchen auch die solidarischen Städte in Deutschland und Europa, die jetzt Griechenland und den Flüchtlingen unter die Arme greifen.
Wenn wir ein Europa der Solidarität wollen, dann muss es genau hier anfangen. Wir dürfen die Leute nicht alleine lassen, und da können Sie so viel herumkrakeelen, wie Sie wollen! Sie sind der Inbegriff der Unmenschlichkeit!
Sie sind der Inbegriff des Verabscheuungswürdigsten; Sie sind einfach eklig!
[Beifall bei der LINKEN, der SPD und
den GRÜNEN –
(Cornelia Seibeld)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben den Antrag hier schon ein paarmal beraten, sowohl hier im Plenum aus auch im Ausschuss. Ich denke, es ist ein guter und vernünftiger Antrag. Wenn man sich die Ereignisse der letzten Wochen und Monate ansieht, dann ist er umso notwendiger. Bevor jetzt wieder der Einwand kommt, wir müssten uns um alle psychisch erkrankten Menschen in Berlin kümmern, wir müssten für alle psychisch erkrankten Menschen ein vernünftiges System haben, ja, das ist so. Trotzdem ist es so, dass bestimmte Gruppen bestimmte Bedarfe und bestimmte Notwendigkeiten haben. Geflüchtete haben eine Geschichte hinter sich, die andere nicht hinter sich haben. Sie haben auf ihrer Flucht Dinge erlebt, haben Traumata erlitten, die andere so nicht erlebt haben. Deswegen ist nicht eine Behandlung gleich wie die andere, deswegen gibt es unterschiedliche Bedarfsgruppen.
Wir haben in dem Antrag mehrere Forderungen erhoben, die notwendig sind, um eine bedarfsgerechte psychosoziale Versorgung für Geflüchtete zu garantieren. Das bezieht sich sowohl auf Übergangsstrukturen wie auch auf die Regelsysteme, das bezieht sich auf Aktivitäten, die auf bezirklicher Ebene organisiert werden müssen, genauso wie auf die der Landesebene. Was ausgesprochen erfreulich ist, ist, dass es uns mit den Haushaltsberatungen und mit dem Haushalt 2021/2022 gelungen ist, tatsächlich auch schon diese Übergangsstrukturen und die Verstetigung des Übergangs in die Regelsysteme haushaltsmäßig abzusichern und strukturell vorzuklären.
(Florian Kluckert)
Wir haben es geschafft, dass die Mittel für die Arbeit mit den geflüchteten Menschen auf der bezirklichen Ebene in den Regelstrukturen gestärkt werden, dass es mehr Personal gibt. Wir haben es auch geschafft, dass wir die Clearingstelle bei der Charité überführen konnten in das Berliner Netzwerk für besonders Schutzbedürftige, die das im Bereich der Erstaufnahme, der Erstidentifikation von Bedarfen, Behandlungsbedarfen, Therapiebedarfen, Beratungsbedarfen übernommen haben.
Unsere große Herausforderung, vor der wir stehen, ist das Thema Sprachmittlung. Egal, worum es jetzt geht, in der Beratungsarbeit, in der Unterstützungsarbeit, aber in diesem Bereich natürlich ganz besonders, wo es auch um sehr innere Dinge geht, sehr emotionale Dinge, wo ganz persönliche Erlebnisse verarbeitet werden müssen, kommt es sehr darauf an: Können diejenigen, die behandeln, auch verstehen, was der Mensch sagt, der behandelt werden muss? Deswegen haben wir uns auch entschieden, weil das nicht mit dem Google-Übersetzer geht, und weil das nicht irgendwie mit Radebrechen und Hand- und Fußzeichen geht, dass wir einen Pool aufbauen mit Sprachmittlerinnen und Sprachmittlern für die unterschiedlichen Anforderungen. Das wird unser nächstes großes Vorhaben sein, und dann, denke ich, werden wir es auch hinbekommen, in Berlin ein sehr effizientes, gutes, menschengerechtes und vernünftiges System der psychosozialen Versorgung aufzubauen. – Danke schön!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser AfD-Antrag ist mal wieder Zeugnis davon, dass Sie Interessen und Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausspielen wollen. Das ist einfach ekelhaft.
Alle Bezirke sind seit 2018 gebeten, jeweils zwei Standorte für MUFs anzugeben. Es funktioniert eben nur sehr unvollkommen. Wir haben in Landesbesitz ungefähr 24 000 Unterbringungsplätze, in MUFs, in Tempohomes und Einrichtungen des Landes. Da leben etwa 11 000
Geflüchtete, die gar nicht mehr in die Zuständigkeit des Landes gehören, sondern die statusgewandelt sind und damit von den Bezirken unterzubringen sind. Was würde denn geschehen, wenn das Land jetzt sagen würde: Jetzt kümmert euch einmal selbst, Bezirke? – Dann ginge es wahrscheinlich ganz schnell mit der Ausweisung von Standorten.
Das ist aber nicht unser Ansatz, sondern wir wollen einen integrierten Ansatz. Wir wollen nicht die Verantwortung hin- und herschieben. Aber das heißt, dass Land und Bezirke zusammenarbeiten müssen und dass es nicht geht, dass ein Standort nach dem anderen infrage gestellt wird.
Ja, Frau Seibeld, natürlich wollen wir ein integriertes Wohnen und natürlich wollen wir, dass alle in vernünftige Wohnungen kommen. Deswegen werden die MUFs auch in Wohnungsbauweise gebaut, damit es Wohnungen sind und sie in den normalen Wohnungsmarkt integrierbar sind, wenn die Mietzeit mit dem LAF zu Ende ist. Selbstverständlich werden diese MUFs so gebaut, dass dort Kitas mitgedacht werden, dass da soziale Infrastruktur mitgedacht wird, dass die Nachbarschaften eingebunden werden. Deswegen sind BENN und andere Netzwerke dort unterwegs, um ganz schnell dafür zu sorgen, dass es ein Umfeld für diese MUFs gibt und die Menschen dort nicht isoliert wohnen. Das ist das, was jetzt schon alles passiert.
Aber wenn Bezirke, und es sind immer wieder die CDUgeführten Bezirke, es torpedieren, dass MUFs gebaut werden, dann werden Sie irgendwann die Konsequenzen tragen müssen. Dann muss der Senat handeln, und es ist richtig, dass der Senat handelt.
Zum Osteweg wurde jetzt schon vieles gesagt. Der war nie als Schulstandort ausgewiesen. Selbst Ihr eigener Sozialsenator zu seligen Zeiten, Czaja, hat ihn als MUFStandort festgelegt. Dann fällt plötzlich einer Bürgerinitiative ein: Och nee, wir hätten da lieber gern eine Schule.
Nein, keine Zwischenfrage! – Nur ein Schelm, der Böses dabei denkt. Es gibt immer wieder neue Gründe, warum keine MUFs gebaut werden sollen. Mal sind es die Bäume, mal sind es die Schulen, dann hat man Angst um den Wohnwert der eigenen Häuser. Was ist denn das für eine Unterstellung, dass ein Haus weniger wert ist, weil Geflüchtete nebenan wohnen? Das ist doch an sich schon ein rassistisches Ressentiment,
das in einer Stadt der Vielfalt, wie wir sie hier haben, überhaupt nicht geht.
(Cornelia Seibeld)
Deswegen werden wir auch diesen Änderungsantrag der CDU ablehnen. Denn natürlich wollen wir ganz viel Integration, aber wir brauchen dieses MUFs, solange wir nicht genügend andere Wohnungen haben. Solange es immer noch ganz viele Vermieterinnen und Vermieter gibt, die nicht an Menschen vermieten, die einen fremdländischen Namen haben, die vielleicht einen Romahintergrund haben oder die einen Geflüchtetenhintergrund haben. Solange das so ist, solange es Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt gibt, solange werden wir von Staats wegen dafür sorgen müssen, dass alle Menschen eine Unterbringung finden. So ist es auch gesetzlich geregelt.
Leider brauchen wir dafür auch noch MUFs. Deswegen ist es gut, dass die MUFs dort wenigstens ein Minimum an Privatsphäre haben
Frau Seibeld! Sie sagen, die Geflüchteten leben lieber in den Containern. Ja, sie wohnen so lange in den Containern, bis die Rott sind. Sie haben leider eine nicht so lange Lebensdauer wie die MUFs, nach drei bis Jahren zieht es dort durch, denn es sind eben Container und keine Häuser. Insofern brauchen wir Nachfolgelösungen für die Container, und deswegen ist es notwendig, dass der MUF-Bau jetzt beschleunigt wird und dass diese Blockade in einigen Bezirken aufhört. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Dank geht erst einmal an all die Menschen, die sich zivilgesellschaftlich in der Flüchtlingshilfe engagieren, die überhaupt erst die große Aufnahmebereitschaft, die Willkommenskultur möglich gemacht haben. Mein ganz besonderer Dank gilt all denen, die gebürgt haben, damit Menschen einreisen können, ohne auf gefährliche Routen angewiesen zu sein – über das Mittelmeer oder über die Landroute, von der wir jeden Tag neue Nachrichten erhalten, was dort an Gewalt und Willkür herrscht. Insofern kann man gar nicht genug für den Mut, die Bürgschaften zu übernehmen, danken.
Nein, danke schön! – Ich beantworte keine Zwischenfragen der AfD.
Wir haben hier in Berlin eine ziemlich große Infrastruktur an zivilgesellschaftlicher Unterstützung. Auch der Senat und die Bezirke organisieren sehr viel, damit die Menschen, die über den Weg der Bürgschaft eingereist sind, über die Landesaufnahmeprogramme, aber auch auf anderen Wegen, auch schnell einen Weg in unsere Stadtgesellschaft finden.
In diesem Zusammenhang passiert sehr viel bei den Kitas und Schulen, bei der Ausbildung und Erwerbsarbeit. In dem Moment, wo die geflüchteten Menschen Teil dieser Gesellschaft sind, wo sie selbst ihr Geld verdienen, wo sie selbst für ihr Auskommen sorgen, sind die Bürgen nicht mehr erforderlich. Es muss unser Ziel sein, diesen Weg sehr schnell zu gestalten. Dabei sind wir auf einem guten Weg.
Der AfD-Antrag ist schon jetzt überholt. Insofern ist es besonders albern, diesen auch noch zur Priorität zu erheben. Die Weisungslage ist mittlerweile eine ganz andere als diejenige, die in dem Antrag formuliert ist. Aber das ist Ihnen auch egal. Die Kollegin Böcker-Giannini und auch Herr Lenz haben sehr gut ausgeführt, dass es Ihnen gar nicht um die Sache geht, sondern darum, wieder einen Anlass zu finden, um gegen geflüchtete Menschen zu hetzen.
Selbstverständlich gibt es hier auch Bonitätsprüfungen. Aber Lebensverhältnisse können sich ändern, auch diejenigen von Menschen, die Bürgschaften geben. Sie können krank werden oder arbeitslos, all das passiert in unserer Gesellschaft. So können sich Verhältnisse ändern. Damit müssen wir auch umgehen als eine Gesellschaft, die sich noch immer als offene und solidarische Gesellschaft versteht.
Es gibt einen Verein namens „Flüchtlingspaten Syrien“, in dem viele von uns Mitglied sind. Man muss übrigens kein Linker sein, um Mitglied zu werden. Man muss ebenso kein Linker sein, um Nächstenliebe zu praktizieren und als wichtig zu erachten.
Es ist ja auch nicht so, dass die Bürginnen und Bürgen, diejenigen, die sich zivilgesellschaftlich engagieren, Mitglied einer linken Partei sind – ganz im Gegenteil. Wenn ich mir angucke, was in den Kirchen und anderen
(Stephan Lenz)
Religionsgemeinschaften an Engagement vorhanden ist, dann hat das nichts mit Gutmenschentum zu tun, sondern mit Aufrichtigkeit und Anständigkeit.
Die Bürgschaften an sich sind ein problematisches Instrument, denn eigentlich darf humanitäres Engagement nicht dazu führen, dass Menschen in die Gefahr geraten zu verarmen. Das ist ein Stück weit die Gefahr bei solchen Bürgschaften. Deswegen ist es so wichtig und richtig, dass es in dem Moment, in dem eine Bürgschaft nicht mehr aufrechtzuerhalten ist, staatliche Unterstützung gibt. Flüchtlingshilfe ist vor allen Dingen eine Frage staatlicher Organisation – guter Organisation – und zivilgesellschaftlichen Engagements.
Insofern sind wir sehr überzeugt davon, dass dieser Antrag nicht nur abzulehnen ist, sondern dass wir auch prüfen müssen, inwieweit wir zu einem System kommen, wo solche Bürgschaften nicht mehr nötig sind, wo es möglich wird, dass Flüchtlinge sicher einreisen
und ihr Verfahren hier durchgeführt werden kann, dass wir sichere Fluchtwege haben, dass das Elend, das sich im Mittelmeer und an den Landgrenzen abspielt, endlich ein Ende hat
und legale Einreisen besser möglich werden. – Danke!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Ahnungslosigkeit der AfD ist wirklich erschütternd. Offensichtlich haben Sie noch nicht einmal den Antrag gelesen, denn es geht hierbei tatsächlich um eine Überführung in die Regelsysteme der sozialen und psychosozialen Versorgung.
Aber lesen bildet. Das ist keine Frage. Das haben Sie ausgelassen.
Ich war gestern, wie viele andere hier auch, bei der Ehrung zum 8. Mai, zum 74. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus. Dabei sind mir viele sehr alte Menschen begegnet, denen die Erlebnisse des Krieges noch sehr wach vor Augen stehen. Hätten die damals Möglichkeiten zur Traumabewältigung gehabt, wie wir sie heute haben, würde es ihnen wahrscheinlich heute anders und besser gehen. Ich glaube, wir sind in der Verpflichtung gegenüber Menschen,
die hierher geflohen sind aus Krieg, aus Folter, aus Gewaltverhältnissen – –
Halten Sie die Klappe! Jetzt bin ich dran! – Diesen Menschen die Hilfe zu ermöglichen, die tatsächlich verfügbar ist.
[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall von der SPD – Stefan Franz Kerker (AfD): Spenden Sie doch Ihr Vermögen! – Zuruf von Holger Krestel (FDP)]
Diese Menschen haben Dinge erlebt, die die meisten von uns hier zum Glück nicht erleben mussten.
Ich bin immer noch dankbar dafür, dass ich so etwas nicht erleben musste. Ich kann mir vorstellen, wie es ist, wenn man aus einem Bombenhagel geflohen ist. Ich kann mir vorstellen, welche Ängste man durchsteht, wenn man auf einem kleinen Bötchen auf dem Mittelmeer ist und nicht weiß, ob man ankommt. Ich kann mir vorstellen, was mit einem passiert, wenn man es dann endlich
(Herbert Mohr)
geschafft hat, hierherzukommen und kriegt dann solche Leute vor die Nase gesetzt, die einem erklären: Haut doch schnell wieder ab! Ihr habt hier nichts zu suchen! Was interessiert uns euer Leid. – Das ist beschämend, was Sie hier aufführen!
Diese ganzen Erfahrungen ziehen natürlich Traumata nach sich, und da muss man keine Psychologin, kein Psychologe sein, um zu ermessen, was da passiert.
Insofern ist es notwendig, dass wir weiter überlegen, wie wir eine psychosoziale Versorgung von Menschen, die geflüchtet sind, die hier Schutz und Aufnahme gefunden haben, organisieren können. Da haben wir gute Erfahrungen mit den Übergangssystemen der Clearingstelle in der Charité gemacht, aber wir müssen jetzt ein Stück weiterkommen. Natürlich ist es wichtig, dass die Erfahrungen, die dort gesammelt werden, sich auch tradieren, dass sie überführt werden in die Regelsysteme, dass wir es schaffen, die muttersprachliche, die kultursensible Begleitung auch der Traumabearbeitung, der psychosozialen Versorgung auszuweiten, dass diese psychosoziale Versorgung in der Lage ist, der multikulturellen Realität, die wir in unserer Stadt haben, auch zu entsprechen.
Wir haben natürlich noch ein anderes Problem. Viele der Geflüchteten, die noch keinen Status haben, die noch nicht statusgewandelt sind und in die Zuständigkeit des Asylbewerberleistungsgesetzes fallen, haben Anspruch auf Notfallbehandlung. Es ist immer noch umstritten, ob psychische Erkrankungen normale Krankheiten sind, ob sie dann eine vernünftige soziale Betreuung bekommen, wenn sie an Traumata leiden. Deswegen ist es wichtig, dass wir die Regelsysteme so öffnen, dass psychische Probleme und Traumata auf jeden Fall behandelt werden und dass die Erfahrungen und das Wissen, beispielsweise der Initiative für die Behandlung von Folteropfern, von Xenion, sich in den Regelsysteme tradiert.
In einem hat die CDU auch recht. Das Thema psychische Erkrankungen und der Ausbau der Versorgung ist etwas, was die gesamte Bevölkerung betrifft. Mittlerweile ist die psychische Erkrankung auf Platz 2 der Liste der häufigsten Erkrankungen. Immer noch ist es für viele tabuisiert. Es wird ungern darüber geredet. Da ist Gott sei Dank etwas aufgebrochen, dass es mittlerweile auch ein sprechbares Thema ist. Insofern sind wir gut beraten, diesen Antrag in den Ausschüssen sehr ernsthaft zu diskutieren, ihn umzusetzen und noch weitere Schritte zu gehen, denn Gesundheit ist nicht nur, wenn alle Beine, Arme und Organe funktionieren, sondern die Seele ist genauso ein Teil des menschlichen Körpers, und wenn es da hakt, dann funktioniert alles andere auch nicht. Wenn
wir wollen, dass Integration und Teilhabe funktionieren, dass alle Menschen sich wohlfühlen in dieser Stadt, dann muss es auch möglich sein, dass allen Menschen entsprechend ihrer Situation, ihrer Herkunft geholfen wird.
Das heißt kultursensibel. Das heißt demokratisch, und Sie haben keine Ahnung. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als Herr Schultze-Berndt und ich vorhin zum RBB gingen, sagte er zu mir: Sie sagen das, was Sie immer sagen, und ich sage auch das, was ich immer sage.
Das stimmt, das war auch so. Insofern kann ich mich jetzt ein bisschen kürzer halten. Mittlerweile ist es so, dass die Frage der Sanktionen beim Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung liegt. Wir können damit rechnen, dass es in den nächsten Monaten zu einer Entscheidung kommt, weil es zunehmend mehr Gerichtsurteile gibt, die sagen: Die Sanktionen im SGB II sind nicht korrekt, sind nicht verfassungsgemäß. Insofern sind wir gut beraten, auch in Berlin schon den Schritt nach vorne zu gehen und zumindest für drei Tatbestände die Sanktionen auszuschließen. Das ist natürlich nur ein erster Schritt.
Wir wissen, was in den letzten 14 Jahren seit Einführung des SGB II passiert ist: Die prekäre Beschäftigung ist erheblich angestiegen, der Niedriglohnsektor ist erheblich größer geworden, und was vom Fördern und Fordern geblieben ist, ist vor allem das Fordern in Form von Sanktionen. Deswegen ist es sinnvoll, das nach so vielen Jahren noch einmal zu überprüfen. Dass wir uns da gemeinsam als Koalition auf den Weg gemacht haben, ist eine gute Sache.
In Berlin haben wir noch etwa 150 000 Menschen, die erwerbslos sind, davon über 106 000 Personen, die nach wie vor im SGB II sind. Davon sind etwa ein Drittel langzeiterwerbslos und ungefähr 8 Prozent unter 25 Jahre sowie 17 Prozent über 55 Jahre alt. Für all diese Lebensverhältnisse gibt es gute Gründe. Zu glauben, man könnte die Menschen mit Sanktionen, mit Druck, mit Strafen dazu bringen, wieder zu arbeiten, führt in die Irre. Denn für die meisten stellt es sich so dar: Für das, was sie machen wollen, werden gerade leider keine Jobs angeboten.
Dann kann man sich überlegen: Kann man sie hineinzwingen? – Wenn dabei aber Qualifikation verloren geht und die Leute nicht mehr das machen können, was sie gelernt haben, wenn sie dabei heruntergestuft werden, wenn sie dabei entrechtet werden, dann sind die Sanktionen der falsche Weg.
Deswegen sagen wir: Es darf keine Sanktionen mehr für junge Menschen geben – sie müssen in Ausbildung kommen. Es darf keine Sanktionen mehr geben für Bedarfsgemeinschaften mit Kindern – denn das programmiert den Weg der Kinder in die Armut; Kinder sind
immer dann arm, wenn die Eltern arm sind. Das bringt keinen neuen Job, und er bringt niemanden in Arbeit, dieser Weg der Sanktionen.
Und am allerwenigstens dürfen wir Sanktionen für die Kosten der Unterkunft haben, denn damit produzieren die Jobcenter Wohnungs- und Obdachlosigkeit. Das kann nicht der Wille des Landes Berlin sein, dass hier noch mehr Menschen in die Obdachlosigkeit gehen, als das sowieso schon der Fall ist. – In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem wegweisenden Antrag. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass hier ein bisschen Aufregung herrscht, kann ich nachvollziehen. Die Ausführungen von Herrn Förster, Frau Chebli oder sonst jemandem nicht ausreichend Engagement gegen Antisemitismus zu unterstellen, ist unsäglich, und das weise ich für diesen Senat und diese Koalition auch zurück.
Integrationslotsinnen und -lotsen und die Stadtteilmütter vollbringen einen wichtigen Dienst für unsere Stadt und für diese Gesellschaft und das oft für wenig Geld. Dafür gebührt ihnen unser Dank – ich hoffe auch der Dank des ganzen Hauses.
(Frank-Christian Hansel)
Die Integrationslotsinnen und Integrationslotsen und die Stadtteilmütter öffnen Wege in diese Gesellschaft, in die Schule, in die Kita, in die Behörden, in die Erwerbsarbeit, in das Gesundheitssystem. Sie sind sozusagen die Mittlerinnen und Mittler zwischen Mehrheits- und Minderheitsbevölkerung.