Cornelia Seibeld

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen am 25. November sprechen wir heute über Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen. Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist durch überhaupt nichts zu rechtfertigen.
Der Großteil dieser Gewalt findet nach wie vor im Verborgenen statt, und zwar ausgerechnet in dem Bereich, den man als persönliche Schutzzone wahrnimmt, und wo Liebe und Sicherheit normal sein sollten, nämlich in der eigenen Familie.
2014 ist die Istanbul-Konvention in Kraft getreten. Sie definiert einen europaweit einheitlichen Rahmen für Prävention, Opferschutz und Strafverfolgung. Hierin sind Maßnahmen des Gewaltschutzes und der Unterstützung für die Opfer, aber auch rechtliche Regelungen zur Ermittlung und Verfolgung von Straftaten sowie ein Monitoring und statistische Erhebungen manifestiert. Seit 1. Februar 2018 gilt die Istanbul-Konvention auch in Deutschland.
Aber wo stehen wir aktuell? – Ich möchte gerne mit einigen Zahlen beginnen. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gibt an, dass jede dritte Frau in Deutschland mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von physischer und/oder sexualisierter Gewalt ist. Etwa jede vierte Frau wird mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt durch ihren aktuellen oder einen früheren Partner.
Den Umfang und die Ausprägung von Gewalt in Paarbeziehungen zeigt die kriminalistische Auswertung des Bundeskriminalamts jährlich seit 2015 auf. Erst in der vergangenen Woche sind die Zahlen für das Jahr 2019 veröffentlicht worden. Fast 115 000 Frauen bundesweit sind Opfer entsprechender Gewalt – in der Partnerschaft sogar 81 Prozent dieser Frauen – gewesen. Die Hälfte der Opfer lebt mit dem Täter in einem gemeinsamen Haushalt. Dabei sprechen wir über Delikte in dem Spektrum
von Körperverletzung bis hin zu Mord. Mehr als 300 Frauen mussten im vergangenen Jahr aufgrund von Gewalt in der Partnerschaft sterben. Diese Zahlen sind nicht nur erschreckend, sie sind alarmierend. Hinzu kommt, dass es nur die Hellfelddaten sind; wir wissen gar nicht, wie hoch die Dunkelziffer ist.
In diesem Jahr kamen noch die Coronapandemie und der Lockdown hinzu, die das Problem verschärft haben. Kontaktbeschränkungen, Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, finanzielle Sorgen, wenig Rückzugsmöglichkeiten, häusliche Stressfaktoren – all das sind Punkte, die die Gefahr häuslicher Gewalt noch verschärft haben. Die Gewaltschutzambulanz in der Charité, die Verletzungen niederschwellig und auch ohne polizeiliche Anzeige dokumentiert und untersucht, meldet besonders viele Verletzungen. Und zwar gab es auf dem Höhepunkt der Lockerungen im Juni infolge des Lockdowns aus dem März und April im Vergleich zum Vorjahresmonat einen Anstieg der Fälle um 30 Prozent.
Wenn viele Opfer vor einer Anzeige bei der Polizei zurückschrecken, müssen wir zumindest die niedrigschwelligen Angebote für Frauen und Mädchen so ausgestalten, dass diese auch an den Mut finden, sich dort zu melden. Aus diesem Grund ist es absolut richtig, dass das Thema Gewalt gegen Frauen wieder stärker in den Fokus der Öffentlichkeit und auch der Politik tritt.
Der vorliegende Antrag widmet sich der Ergreifung wichtiger Maßnahmen zum Schutz von Frauen und Mädchen in dieser Situation. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Forderungen, wie sie nun in diesem Antrag niedergeschrieben wurden, nicht neu sind, und das Thema auch nicht erst seit der Coronapandemie aktuell ist. Im Rahmen der vergangenen Haushaltsberatungen fehlte im Landeshaushalt die Umsetzung der Istanbul-Konvention vollständig.
Ich möchte in diesem Zusammenhang an einen Antrag der Koalitionsfraktionen aus dem März dieses Jahres erinnern, wonach ein ressortübergreifendes Gremium einberufen werden sollte, das die Umsetzung der Istanbul-Konvention in Berlin ausarbeiten sollte. Schon damals haben wir uns gefragt, warum es eines Koalitionsantrags bedarf, der in dieser Legislaturperiode nicht mehr umgesetzt werden wird, um geltendes Recht umzusetzen.
Nichtsdestotrotz tragen wir den vorliegenden Antrag gerne mit. Ich sage aber auch im Namen meiner Fraktion deutlich, dass unser Anspruch ist, die darin aufgezählten Maßnahmen nun auch zügig umzusetzen. Präventionsarbeit ist wichtig, um die Eskalation von Gewalt von vornherein zu unterbinden. Aber auch der Ausbau und die Verstetigung weiterer Frauenhausplätze gemäß IstanbulKonvention und die Stärkung der schon bestehenden Häuser in Berlin muss schnellstmöglich vorangetrieben werden, um insbesondere Frauen in akuten Notsitua
(Dr. Ina Maria Czyborra)
tionen helfen zu können. Frauen und Mädchen verdienen unseren Schutz und unsere Hilfe und Unterstützung, und zwar nicht erst, wenn es zu spät ist.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag hat zwei Aspekte, die eng miteinander zusammenhängen, nämlich einmal die Frage: Wie sind unsere Gesundheitsämter in Berlin eigentlich aufgestellt? – und zum anderen die Frage: Auf welcher Datenbasis, auf welcher Erkenntnisbasis beschließen wir eigentlich in diesem Land beziehungsweise beschließt der Senat – denn so war es ja bisher – Verordnungen zur Frage des Umgangs mit Corona?
Die bezirklichen Gesundheitsämter – und dazu hatte der Senat jetzt fast acht Monate seit dem ersten Lockdown Zeit – sind fast genauso schlecht ausgestattet wie vorher, und das gilt sowohl in personeller Hinsicht als auch in materieller Hinsicht. Auch die Technik, Rechner, Anschlüsse ans Berliner Datennetz oder das Datennetz der Bezirke, Laptops, gar VPN-Tunnel, die ja offenbar im öffentlichen Dienst viel länger brauchen als in der freien Wirtschaft, um sie zur Verfügung zu stellen oder zu erwerben – alles Fehlanzeige, sodass die Arbeitsfähigkeit der Gesundheitsämter in den Bezirken sehr beschränkt ist.
Der Senat hat nicht etwa die acht Monate genutzt, um diese Situation zu verbessern, sondern leistet sich, in der eigenen Koalition beteiligt, einen Grünen Bezirk, Friedrichshain-Kreuzberg, wo in den Gesundheitsämtern keine Bundeswehrsoldaten gewollt werden, um die Arbeit der Gesundheitsämter nachzuverfolgen.
Und es wird noch besser – Frau Gebel, es wird auch nicht besser, wenn Sie dazwischenrufen –: Sie sind einer der
(Sebastian Walter)
Bezirke mit den höchsten Inzidenzen Berlins und eines der am schlechtesten ausgestatteten Bezirksämter.
Es ist ja nicht etwa so, dass Frau Herrmann dafür Alternativen hätte und sagen würde: Wir sind an anderer Stelle personell oder technisch besser ausgestattet – sondern Friedrichshain-Kreuzberg leistet sich auf Kosten der Gesundheit der Berlinerinnen und Berliner einen Sonderweg, ausschließlich aus ideologischen Erwägungen.
Danke, ich würde gern weiter ausführen.
Friedrichshain-Kreuzberg hat jetzt immerhin vier Bundeswehrsoldaten, in den anderen Bezirken sind zwischen 20 und 30 Bundeswehrsoldaten vorhanden.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sie können mir ja gern, liebe Frau Gebel, im Rahmen Ihrer Zwischenbemerkung erklären, wie viele Bundeswehrsoldaten jetzt in Friedrichshain-Kreuzberg eingesetzt sind und wie viele Bundeswehrsoldaten in den anderen Bezirken eingesetzt sind und was genau die in Friedrichshain-Kreuzberg eigentlich tun, insbesondere, ob sie etwas mit der Infektionskettennachverfolgung zu tun haben.
Damit komme ich zum zweiten Aspekt dieses Antrages: § 28 des Infektionsschutzgesetzes setzt voraus, dass wir wissen, wo Infektionen entstehen und Infektionsketten nachverfolgen können. Notwendige Maßnahmen – und genau das sagt § 28 Infektionsschutzgesetz, nicht etwa
nützliche oder vielleicht nützliche Maßnahmen – setzen voraus, dass wir nachweisen können oder jedenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit wissen: Wo kommen die Coronainfektionen in Berlin eigentlich her? – Dass die Gerichte diesen Schwachpunkt der Verordnungen erkannt haben, das müssen Sie doch, meine Damen und Herren von Rot-Rot-Grün, festgestellt haben, als Ihnen die Verwaltungsgerichte Ihre Sperrstunde um die Ohren gehauen haben, und zwar nicht, weil die Sperrstunde nicht sinnvoll sein kann, sondern weil Sie nicht begründen können, warum Sie Einschränkungen in dieser Stadt vornehmen, weil Sie gar nicht wissen, woher die Infektionen in dieser Stadt kommen.
Ich prognostiziere – und ich wünschte, dass es anders wäre –, dass Ihnen das auch mit Ihrer letzten Verordnung passieren wird, weil Sie im Trüben fischen, weil Sie nicht wissen, auf welcher Grundlage Sie irgendwelche Maßnahmen derzeit verordnen in dieser Stadt. Deswegen rate ich Ihnen ganz dringend: Versetzen Sie die Gesundheitsämter in den Bezirken in einen Zustand, dass sie Infektionsketten wieder nachverfolgen können, dass sie in der Lage sind zu erkennen, wo Infektionen herkommen, und machen Sie dann vernünftige rechtssichere und gerichtsfeste Verordnungen, mit denen wir dieser Pandemie in Berlin Herr werden können, und bemühen Sie sich wenigstens, die Grundsätze dafür zu schaffen.
Wir haben zu diesem Antrag direkt Abstimmung beantragt. Die Koalition hätte gern die Überweisung in die Ausschüsse. Ich prognostiziere Ihnen auch an dieser Stelle: Wenn Sie es in den Ausschüssen beraten haben, wird die Zeit Sie wieder einmal überholt haben, und wir werden ganz andere Probleme haben. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat: Welche Konsequenzen zieht der Senat aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts in der vergangenen Woche zum Berliner Neutralitätsgesetz und für den Schulfrieden, und bekennt sich der Senat nach wie vor zur Neutralität des Staates?
Vielen Dank, Frau Senatorin, für diese klaren Worte! Darf ich davon ausgehen, dass das Bekenntnis für das Neutralitätsgesetz Ihrerseits für den Senat erfolgt ist und nicht nur für das Schulressort?
Vielen Dank! – Lieber Kollege Kohlmeier! Sind Sie mit mir der Auffassung, dass es der Verfolgung von Tierrechten jedenfalls helfen würde, wenn der Rechtsstaat insofern funktionieren würde, dass die Verfahrenslaufzeiten sich reduzieren würden, dass Aktenzeichen vergeben würden und dass vielleicht die IT auch an den Berliner Gerichten funktionieren würde?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schon der Text des Antrags, liebe Kollegen von der AfD, ist nicht zustimmungsfähig, denn schon staatstheoretisch wird dem Abgeordnetenhaus wohl keine Möglichkeit zukommen, dem Senat öffentliche Äußerungen zu verbieten. Es ist zwar richtig, dass das Abgeordnetenhaus den Senat kontrolliert, aber eben nicht zensiert, und es ist vielleicht Teil Ihres verqueren Denkens, das auch in diesem Antrag zum Ausdruck kommt.
Mit Ihrem Antrag schüren Sie Angst und Sorgen in der Bevölkerung, statt konstruktiv Politik zu betreiben. Das ist überflüssig, unnötig und hilft niemandem, weder den Menschen an der Grenze noch den Berlinerinnen und Berlinern.
Derzeit steht es überhaupt nicht zur Debatte, dass Berlin oder Deutschland im Alleingang Flüchtlinge aufnimmt. Das Heft des Handelns liegt ausschließlich bei der Bundesregierung und bei der EU, keinesfalls bei einzelnen Nationalstaaten und schon gar nicht bei Bundesländern.
Aber Sie vermitteln mit Ihrem Antrag den Berlinerinnen und Berlinern absichtlich eine verfälschte Sicht der Dinge, um es politisch zu nutzen, statt inhaltliche Politik zu machen – Gott sei Dank ist die Besuchertribüne nicht mehr allzu voll!
Selbstverständlich darf und wird sich 2015 nicht wiederholen. Die Außengrenzen der EU sind gesichert und werden auch weiterhin gesichert werden. Aber zuständig für diese Frage ist nicht die AfD in Berlin und auch nicht die AfD in Deutschland. Richtig ist, dass eine unkontrollierte Einwanderung wie im Jahr 2015 zumindest zeitweise die Ressourcen in Deutschland weit überfordert hat, dass wir darauf nicht vorbereitet waren und dass ein unkontrollierter Zustrom von Menschen in unser Land sich in dieser Form nicht wiederholen kann.
(Dr. Nicola Böcker-Giannini)
Aber hier sind europäische Lösungen gefragt, keine nationalen Alleingänge und Alleingänge einzelner Bundesländer. Die Position der Bundesregierung, die für Außenpolitik zuständig ist, ist hier auch eindeutig, sodass es populistischer Anträge an dieser Stelle nicht bedarf.
Richtig ist allerdings auch, dass auch Politiker der Grünen mit ihren Forderungen nach Aufnahme von Minderjährigen aus Lesbos und den griechischen Inseln Populismus betreiben.
Denn die Situation der Minderjährigen auf Lesbos ist nicht neu, und tatsächlich werden hier bewusst Situationen, die nichts miteinander zu tun haben, genauso vermischt, um politische Stimmung zu verbreiten. – Im Ergebnis werden wir diesem Antrag sowohl aus formalen als auch aus inhaltlichen Gründen nicht zustimmen. – Danke schön!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein bisschen stelle ich mir die Frage, warum wir heute hier, noch dazu in der Priorität, zu diesem Antrag reden. Im Ausschuss haben alle Fraktionen außer der AfDFraktion dem Antrag schon zugestimmt. Es ist auch sicherlich ein hehres Ziel. Vieles Wichtige ist dazu schon gesagt. Eines möchte ich dennoch sagen: Wir haben in Berlin, und das ist auch gut so, 211 Integrationslotsinnen und -lotsen. Dass die eine sehr heterogene Ausbildung und Qualifikation haben und dass es wenig Möglichkeiten gibt zu sagen, von den 211 passt vieles auf alle, da sind sich auch alle einig. Das heißt, wir reden hier heute, übrigens zum zweiten Mal, und in den Ausschüssen über eine Anzahl von 40, vielleicht 50 Menschen, für die wir ein Extra-Programm auflegen, um das Ganze dann als großartigen Integrationserfolg zu verkaufen. Das ist ein bisschen wie das Projekt Arrivo, das auch durch die Gegend geistert, als sei das der großartigste Integrationserfolg, den wir in den letzten Jahren gefeiert haben.
Was in dem Antrag steht, ist richtig, eine Priorität wird es damit allerdings allemal nicht. Und ein großer Integrationserfolg wird es auch nicht. Ich bitte, liebe Kolleginnen von der Koalition, zu bedenken, dass Sie wenigstens inhaltlich stringent argumentieren. Wenn es ein Berufsbild Integrationslotse geben soll, dann brauchen wir keine Qualifikation, um den Einstieg in den öffentlichen Dienst für die Integrationslotsen zu ermöglichen. Wenn es eine Qualifikation für die Integrationslotsen und -lotsinnen
(Hakan Taş)
sein soll, dann ist die Begründung des Antrags schlicht falsch, weil da drinsteht, wir wollen sie im öffentlichen Dienst beschäftigen. Sie müssten sich schon überlegen, was Sie mit den Anträgen wollen. Wir wollen unsere Integrationslotsen und -lotsinnen gerne fördern und fordern, und wir brauchen sie in dieser Stadt. Wir hätten in der Flüchtlingskrise 2015 ohne die Arbeit der Integrationslotsinnen und -lotsen ganz schlecht dagestanden, noch schlechter, als es so schon der Fall gewesen ist. Aber Sie müssen sich schon überlegen, in was für eine Richtung Sie wollen, und vielleicht dann doch keine Politik für kleine Einzelgruppen machen, sondern sich die große ganze Linie überlegen. Nichtsdestotrotz bleibt die Intention des Antrags richtig. Deswegen haben wir auch bereits in den Ausschüssen signalisiert, zuzustimmen. Dabei wird es auch bleiben. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selten, wirklich ganz selten steht man hier vorne und vertritt einen Antrag, bei dem es eigentlich selbstverständlich wäre, dass alle hier im Haus vertretenen Fraktionen zustimmen.
Worum geht es? – Wer eine staatliche Förderung erhält, der soll sich schriftlich und verbindlich zu drei Punkten bekennen: der freiheitlich demokratischen Grundordnung,
einer den Zielen des Grundgesetzes entsprechenden Arbeit und dem Existenzrecht des Staates Israel.
Ich vermute und hoffe, es gibt in diesem Raum niemanden, der diesen drei Punkten für sich selbst nicht zustimmen könnte. Und doch trauen wir uns nicht – anders kann man es leider nicht nennen –, ein solches Bekenntnis bei der Vergabe von staatlichen Zuwendungen abzufragen. Warum eigentlich nicht? – Es muss doch selbstverständlich sein, dass derjenige, der Geld von diesem Staat entgegennimmt, sich auch zu den Zielen unseres Landes bekennt.
Und wenn er sich nicht zu den Zielen unseres Landes bekennen kann, dann ist es schlimm genug. Jedenfalls muss er dann aber seine Finanzierung anderweitig gewährleisten. Weder in der Extremismusprävention noch in der Jugend- und Familienarbeit noch in der politischen Bildungsarbeit und vielen anderen Bereichen darf es hier ein Vertun geben. Wer die Abgabe eines solchen Bekenntnisses als eine Vorverurteilung – wie die Koalitionsfraktionen es gerne sehen – empfindet, der hat nicht verstanden, in welcher Gefahr sich unsere Werte und unsere Demokratie derzeit befinden.
Ein Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung, zu unserem Grundgesetz und dem Existenzrecht Israels ist keine Zumutung; es ist eine Selbstverständlichkeit.
Es fördert und festigt unseren Staat und unsere Werte und macht deutlich, worauf die Bundesrepublik Deutschland aufgebaut ist. In Zeiten leider immer weiter zunehmender antisemitischer Übergriffe, sogar und gerade am 27. Januar, wie wir es gerade erleben konnten, können Zeichen und Symbole nicht die Probleme lösen. Aber sie machen ein Selbstverständnis unseres Staates deutlich; sogar von uns allen muss dieses Zeichen ausgehen.
Wer nun meint, hinter diesem Minimalkonsens könne man sich nicht versammeln, der muss sich fragen lassen, auf welchem Konsens unsere Gesellschaft künftig agieren will. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegin Helm! Wie erklären Sie sich, nach dem, was Sie gerade gesagt haben, den Beitrag Ihres Kollegen Jahnke, der gesagt hat, er halte es für eine Vorverurteilung, es sei unzumutbar, und deswegen könne man den Forderungen nicht zustimmen – wenn das Ganze in diesem Haus schon gemeinsam und fraktionsübergreifend beschlossen worden ist? Das scheint mir nicht zusammenzupassen. Entweder ist es eine Vorverurteilung und unzumutbar, oder wir haben das Ganze miteinander schon beschlossen.
Im Übrigen haben wir keinesfalls gemeinsam beschlossen, dass die drei Punkte, die hier enthalten sind, über den Kulturbereich hinaus auch für die Jugendarbeit, die Familienarbeit, die Extremismusbekämpfung, die politische Bildung und andere Fragen gelten sollen. Den Widerspruch in Ihrer Koalition, den müssten Sie vielleicht mal auflösen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind seit mehreren Stunden unzweifelhaft mit der Beratung des Haushalts befasst,
aber worüber reden wir heute eigentlich? – Wir reden über das Geld, und zwar über das Geld der Berlinerinnen und Berliner. Sie haben ein Recht darauf zu wissen, wie vernünftig dieses Parlament mit ihren Steuergeldern umgeht.
Fünf Jahre liegt der Beginn der Flüchtlingskrise zurück, und wir bringen heute noch immer Menschen in Gemeinschaftsunterkünften unter, weil wir nicht genug Wohnungen in Berlin haben. Wir nehmen diesen Menschen sehenden Auges die Möglichkeit zur Integration, weil wir sie nicht integriert unterbringen können inmitten der Bevölkerung.
Und weil Frau Lompscher beim Wohnungsbau nicht weiterkommt, weil er jetzt de facto durch den Mietendeckel auch noch aktiv abgewürgt wird, werden für viele Millionen Euro MUFs gebaut, die sogenannten Modularen Unterkünfte für Flüchtlinge.
R2G ist mit der Unterbringung von Flüchtlingen kaum weniger gescheitert, als es damals in den Turnhallen der Fall war, nur dass man jetzt reichlich Zeit zur Planung hatte. Es ist die zu starrem Stein gewordene provisorische Lösung, aus der dieser Senat nicht mehr herauskommt.
Ich plädiere an dieser Stelle schon länger für andere Lösungen, vor allem für ein Konzept aus einem Guss für die ganze Stadt, das zusammen mit Wohnungsbaugesellschaften und privaten Projektträgern einen echten Startschuss für integriertes Wohnen in ganz Berlin gibt.
Stattdessen werden viel zu oft gegen die durchaus berechtigten Einwände der Bevölkerung weitere MUFs gebaut. Der Senat gibt bei der Errichtung eines MUFs durchschnittlich zwischen 50 000 und 60 000 Euro Baukosten für einen einzigen Unterbringungsplatz aus. Dazu kommen jährlich 1 000 bis 1 600 Euro für Nutzungs- und Instandsetzungskosten pro Platz.
Wir müssen von diesen geldfressenden Unterkünften, die sich nicht am Wohle aller Berlinerinnen und Berliner orientieren, wegkommen. Ich fordere den Senat auf, hier endlich sinnvolle Lösungen zu finden und nicht weiter abgeriegelte große Unterkünfte gegen den Willen der
Anwohner und der Bezirke ohne einen Plan zur Integration zu bauen.
Da hilft es in der Gesamtschau auch nicht, wenn der Haushalt manch richtige Entscheidung beinhaltet – vom Ausbau der Integrationslotsen über bessere Sprachkurse und bessere Informationen für die nach Berlin kommenden Menschen. Zu guter Letzt hat der Streit zwischen Frau Breitenbach und Herrn Geisel über die Frage, ob, wann und unter welchen Voraussetzungen die Polizei zwecks Abschiebung Flüchtlingsunterkünfte betreten darf, zur Verunsicherung auf wirklich allen Seiten gesorgt.
Wenn Sie hier nicht besser regieren, dann werden noch in 20, 30 Jahren Regierungen das heute angerichtete Desaster in dieser Stadt ausbaden müssen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Liebe Frau Böcker-Giannini! Als Ersatzstandort für den Osteweg ist der Dahlemer Weg benannt worden. Wenn Sie hier Fragen einzelner Standorte diskutieren, wäre es schön, wenn wir sie vollständig diskutieren könnten.
Tatsächlich war der Osteweg – das haben Sie selbst gesagt – vor zehn Jahren schon einmal als Schulstandort geplant. Es liegt weniger daran, dass jetzt der Senat mit der Idee eines MUF um die Ecke kommt, sondern es liegt mehr daran, dass, seitdem Rot-Rot-Grün regiert, ein erheblicher Bedarf an Schulplätzen besteht und deshalb Schulstandorte in dieser Stadt wieder viel relevanter geworden sind
als sie es in den vergangenen Jahren waren.
Aber zurück zum AfD-Antrag: Richtig an dem AfDAntrag ist allein, dass wir am Osteweg einen Schul- und Sportstandort brauchen und kein MUF. Was wir allerdings nicht mitmachen – und entsprechend gibt es einen Änderungsantrag –: Wir werden uns nicht daran beteiligen, Kinder und Eltern gegen Flüchtlinge auszuspielen oder umgekehrt. Auch die Bürgerinitiative hat sich regelmäßig dagegen verwahrt, für die Ideen und Vorstellungen der AfD instrumentalisiert zu werden.
Schon insofern finde ich den Antrag, den Sie hier heute vorlegen, verwunderlich.
Was ich auch ungewöhnlich finde – ich hoffe, dass hält in diesem Haus keinen Einzug – ist, dass wir Einzelfallregelungen für einzelne Standorte besprechen und offenbar den Anspruch, für ganz Berlin Konzepte und Lösungen zu finden, vollständig aufgegeben haben. Deswegen
(Dr. Nicola Böcker-Giannini)
fordert auch die CDU-Fraktion mit ihrem Änderungsantrag, dass wir ein Gesamtberliner Konzept zur Unterbringung von Flüchtlingen und selbstverständlich zur Absicherung von Schul- und Sportstandorten finden und nicht nach einzelnen Kiezen und Bezirken sortiert gucken, wo man die einen gegen die anderen ausspielen kann.
Allerdings sehen auch wir den Umstand, dass man die jetzt vorhandenen MUF-Unterkunftsplätze von 22 000 fast auf das Doppelte, nämlich 39 000, ausbaut bei der derzeitigen Situation und den derzeitig nach Deutschland kommenden Flüchtlingen in dieser Form nicht als notwendig an, zumal der eine oder andere Tempohomestandort durchaus noch eine Weile weitergenutzt werden kann und, liebe Frau Böcker-Giannini, wenn Sie sich einmal mit den Flüchtlingen vor Ort unterhalten, viele Flüchtlinge keinesfalls in die MUFs 2.0 ziehen wollen, sondern vergleichsweise gern in den Tempohomes wohnen bleiben, weil sie tatsächlich ihren eigenen Eingang haben, weil sie viel mehr Selbstständigkeit haben, weil sie viel mehr Unabhängigkeit haben als in den relativ kleinen und tatsächlich nicht komfortabel ausgestatteten Appartements, die Sie jetzt in den MUFs bauen.
Uns geht es tatsächlich um Wohnraumbeschaffung mit einem Gesamtberliner Konzept. Das würden wir vom Senat gerne hören, auch für Flüchtlinge. Deswegen hätten wir gern ein Konzept zusammen mit den Wohnungsbaugesellschaften und privaten Trägern und keine isolierten MUFs, keine isolierte Unterbringung von Flüchtlingen, sondern integrierten Wohnungsbau, der es den Flüchtlingen ermöglicht, sich in diesem Land und dieser Stadt zu integrieren und in normalem Wohnumfeld ihr Leben hier zu meistern. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Bronson! Ich darf zunächst zurückweisen, nur fürs Protokoll, dass das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf Gastgeber des al-Quds-Marsches ist.
Das ist es weder rechtlich noch formell noch in sonst irgendeiner Art und Weise. Das Einzige, das zutreffend ist, ist, dass es der Bezirk ist, in dem es stattfindet.
Heute vor nahezu einem Jahr, ziemlich taggenau, hat dieses Haus den Antrag „Gegen jeden Antisemitismus! – Jüdisches Leben in Berlin schützen“ einstimmig beschlossen. Neben vielen richtigen und wichtigen Feststellung enthält die Beschlussfassung auch ein klares Bekenntnis zum Staat Israel und zu seinem Existenzrecht. Dieser Beschluss erteilt allen antisemitischen Organisationen eine klare Absage. Antisemitismus hat in unserer Stadt keinen Platz, nirgends, und das weder in Schulen noch in Familien, weder im öffentlichen Raum und auf der Straße noch in Moscheevereinen, Kultureinrichtungen oder auf Konzerten.
In diesem Kontext hat dieses Haus auch bereits zum sogenannten al-Quds-Tag beschlossen, die Versammlungsbehörde aufzufordern, alles rechtlich Mögliche zu tun und sämtliche Auflagen auszusprechen, um Hetze gegen Israel, antisemitische und strafbare Handlungen während des Aufzugs zu verhindern. Der Kollege Zimmermann hat dazu schon einiges gesagt.
Was im Mai 2018 richtig war, ist genauso im Mai 2019 immer noch richtig.
Zumindest aber in dieser Legislaturperiode bedarf es auch keiner weiteren inhaltsgleichen Beschlussfassung durch
(Frank Zimmermann)
dieses Haus, auch wenn die Beschlussfassung im Ergebnis richtig war und richtig bleibt.
Gefordert ist jetzt der Senat, sind wir alle in diesem Haus und sind auch die Berlinerinnen und Berliner, dem Landeskonzept gegen Antisemitismus auch entschlossen zur Umsetzung zu verhelfen. Leider hat sich die AfD in ihrem Antrag – und hier wird eben auch die eigentliche Intention des Antrags deutlich – mit den konkreten Fragen des al-Quds-Marsches gar nicht befasst und auseinandergesetzt, denn die versammlungsrechtlichen Problemstellungen sind kompliziert. Ich habe gar keinen Anhaltspunkt anzunehmen, dass der Innensenator und seine Behörde hier nicht alles, was rechtlich möglich ist, auch veranlassen.
Unsere Demonstrationsfreiheit ist aus gutem Grund sehr weitreichend und gut geschützt. Aber statt hier konstruktive Vorschläge zu unterbreiten und sich mit dem rechtlich Möglichen auseinanderzusetzen, beschränkt sich die AfD auf die Erklärung, worum es beim al-Quds-Tag eigentlich geht und einen allgemeinen Aufruf.
Das ist mir, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist uns zu dünn.
In der Sache selbst gibt es weder, was das Bekenntnis zum Existenzrecht Israels angeht, noch in der Bewertung der Demonstrationen zum sogenannten al-Quds-Tag einen Dissens. Ganz im Gegenteil engagieren sich Vertreter meiner Fraktion auch hier in den letzten Jahren bei der Gegendemonstration. Auch in diesem Jahr wird Burkard Dregger wieder bei der Gegendemonstration als Redner auftreten.
Aber wo wir nicht einer Meinung sind, und deswegen werden wir uns auch bei beiden Anträgen enthalten, das ist die Art und Weise, wie die AfD mit dem Thema Antisemitismus umgeht, denn es taugt weder zur eigenen Profilierung noch zum Aktionismus. Gefragt sind hier Überzeugung und Nachhaltigkeit und am besten Mehrfraktionenanträge. Stattdessen beantragen Sie hier, was bereits Beschlusslage des Hauses ist. Sie können auch beantragen, dass morgens die Sonne aufgeht oder dass 9 Uhr in der Regel eine Stunde nach 8 Uhr stattfindet. Beides hätte ungefähr die gleiche Wirkung, wie dieser von Ihnen vorgelegte Antrag.
Doch eines ist Ihr Antrag nicht, zielführend im Kampf gegen den Antisemitismus, und genau darum sollte es uns allen hier gehen. – Vielen Dank!
Lieber Herr Hansel! Ich sage es noch einmal: Es gibt schon einen Mehrfraktionenantrag. Den haben wir vor ziemlich exakt zwölf Monaten in diesem Haus beschlossen. Es bedarf keiner weiteren Einzelanträge einzelner Fraktionen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Haus hat, wie Sie sich alle erinnern werden, im Mai letzten Jahres den fraktionsübergreifenden Entschließungsantrag gefasst: „Gegen jeden Antisemitismus! – Jüdisches Leben in Berlin schützen“.
Diese Entschließung war und ist ein starkes Signal an die Berliner Juden. Es war sehr gut, dass die Entschließung mit so großer, fraktionsübergreifender Mehrheit gefasst werden konnte. Und hierzu hatte der Senat bis zum 28. Februar 2019 ein Konzept vorzulegen. Das hat nicht ganz geklappt, aber ich bin sehr dafür, lieber gründlich und gut als schlecht und schnell zu arbeiten, und in Berlin ist man ja schon dankbar, wenn die angepeilte Jahreszahl noch erreicht wird.
Nun liegt er also vor, der Bericht des Senats. Zwar scheint es im Senat noch Unstimmigkeiten über die Urheberschaft zu geben – Behrendt oder Chebli –, aber darauf kommt es für die Inhalte ja nicht an. – Herzlichen Dank also an den Senat für diese umfangreiche Arbeit. Es ist gut und wichtig, dass das Landeskonzept da ist, und es
enthält auch vieles Richtige, aber die vor uns allen liegende Aufgabe – die Bekämpfung des Antisemitismus – wird uns wohl leider viel Kraft kosten und mehr als Konzepte erfordern.
An der einen oder anderen Stelle hätte ich mir dann tatsächlich auch mehr Mut und mehr Konkretes gewünscht. Gestolpert bin ich schon ganz zu Beginn, nämlich bei der Frage der Auswirkungen auf den Haushalt. Dort heißt es – ich darf zitieren –:
Die aufgeführten Maßnahmen sind im Haushaltsplan 2019 berücksichtigt. Über die künftigen Maßnahmen wird anlässlich der Haushaltsplanaufstellung 2020/2021 zu entscheiden sein.
Ich hoffe sehr, dass damit nicht gemeint ist: Wir machen 2019 mal weiter wie bisher, wir haben ja jetzt ein Landeskonzept. – Das, meine Damen und Herren von der Koalition, ist nicht das, was unser Entschließungsantrag erreichen wollte. Der Kampf gegen Antisemitismus und Israel-Hetze darf und muss Geld kosten, und ich hoffe sehr, dass wir uns an dieser Stelle auch einig sind.
Ausgesprochen erfreulich ist, dass sich der Senat nun endlich der CDU-Forderung angeschlossen und sich zu einem Antisemitismusbeauftragten durchgerungen hat. Ich hätte mir gewünscht, dass dieser, wie im CDU-Antrag vorgesehen, auch als konkreter Ansprechpartner für Schulen, Jugendeinrichtungen und Ähnliches zur Verfügung steht und nicht in erster Linie koordinierend und administrativ tätig ist. Aber hier geht die Entwicklung auf jeden Fall in die richtige Richtung.
Problematischer finde ich einen anderen Aspekt. Immer wieder schimmert durch das Landeskonzept die irreführende Vorstellung, Antisemitismus sei eine weitere Form der Diskriminierung, so z. B. auch bei der Zuständigkeitsbeschreibung der Antidiskriminierungsbeauftragten für Schulen, wie auf antisemitische Vorfälle zu reagieren ist. Tatsächlich ist Antisemitismus zwar selbstverständlich auch eine Form der Diskriminierung, geht darüber aber weit hinaus und kann daher auch nicht in einen Topf mit anderen Formen der Diskriminierung geworfen werden.
Denn Antisemitismus zielt letztendlich auf die Vernichtung des Staates Israel und auf die Vernichtung der Juden, und zudem hat der Antisemitismus andere, auch historische Ursachen als andere Formen der Diskriminierung. Ihm muss daher auch anders begegnet werden, und dieser traurigen Besonderheit trägt das Landeskonzept noch zu wenig Rechnung.
(Sebastian Walter)
Zudem hätte ich mir gewünscht, dass gerade im Bereich der Bildung auch Pflichtfortbildungen für Lehrer und gern auch Erzieher eingeführt worden wären, denn häufig erkennt man den beginnenden Antisemitismus ja nicht sofort an dem Punkt, an dem ein Entgegenwirken vielleicht noch möglich wäre. Freiwillige Angebote sind selbstverständlich gut und richtig, erreichen am Ende aber nur diejenigen, die ohnehin sensibilisiert und engagiert sind, und im Rahmen der universitären Lehrerausbildung hat der Senat die Notwendigkeit von Pflichtveranstaltungen ja durchaus erkannt und gehandelt.
Im Bereich Justiz und innere Sicherheit ist ein erster wichtiger Schritt mit der Antisemitismusbeauftragten bei der Berliner Staatsanwaltschaft, Frau Vanoni, getan. Aber hier liegt noch vieles, zu vieles im Argen. Von 440 eingeleiteten Ermittlungsverfahren mündeten nur 65 in einem gerichtlichen Verfahren. Das hat viele Ursachen, z. B. auch die anonyme Begehung im Internet. Aber diese Zahlen schaffen kein Vertrauen bei den Betroffenen. In der Folge der geringen Ermittlungserfolge sind viele Betroffene gar nicht erst bereit, überhaupt Anzeige zu erstatten. Die Dunkelziffer ist extrem hoch. Dass Juden in Berlin antisemitische Straftaten gar nicht erst anzeigen, weil sie nicht von einer effektiven Strafverfolgung ausgehen können, darf es nicht geben.
Berlin muss die Verfolgung und Bestrafung von antisemitisch motivierten Straftaten durchsetzen und garantieren. Ein deutliches Signal zum Handeln ist auch die Entwicklung der Anzahl gewalttätiger antisemitischer Straftaten. Sie stieg von sieben im Jahr 2017 auf 27 im Jahr 2018 an. Das sind Alarmzeichen, die wir nicht ignorieren dürfen. Die Berliner Polizei muss dringend mehr Zeit und Energie darauf verwenden, die Hintergründe politisch motivierter Straftaten zu ermitteln.
In Berlin werden 80 Prozent der antisemitischen Vorfälle einem rechtsextremistischen Hintergrund zugeordnet. Dies widerspricht bundesweiten Umfragen, wonach der muslimisch motivierte Anteil deutlich höher liegen soll. In einer Studie der Uni Bielefeld gaben Opfer von antisemitischen Straftaten an, zu 81 Prozent von einem muslimischen Hintergrund der Täter auszugehen. In einer weiteren Umfrage der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte gaben die Opfer an, immerhin zu 41 Prozent einen muslimischen Hintergrund der Täter anzunehmen. Die Diskrepanz zu den Berliner Zahlen ist hier offensichtlich.
Es ist gut investierte Ermittlungsarbeit, sich mit den Hintergründen ernsthaft zu befassen, statt zu stereotypen Feststellungen zu kommen. Dies gilt in alle Richtungen,
aber natürlich ist dazu auch mehr Personal bei der Berliner Polizei und der Staatsanwaltschaft erforderlich.
Die geplanten Aus- und Fortbildungen bei der Staatsanwaltschaft und der Polizei sind sinnvoll und unerlässlich. Selbstverständlich richtig ist die Untersagung antisemitischer Symbole und Parolen bei Versammlungen, so auch am sogenannten Al-Quds-Tag. Nicht durchringen konnte sich der Senat leider zur Frage der Strafbarkeit des Verbrennens israelischer Fahnen. Der entsprechende Antrag liegt ja auch, von der Koalition geparkt, noch im Rechtsausschuss, und über die Bundesratsinitiative kommt die Koalition offenbar zu keiner gemeinsamen Auffassung.
Ausgesprochen erfreulich ist, dass die Senatskulturverwaltung sich entscheiden konnte, Zuwendungsbescheide nur noch mit einer auf dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz fußenden Klausel zu erteilen, mit der jeglicher, auch rassistischer oder antisemitischer Diskriminierung eine Absage erteilt wird. Die Vergabe von Räumen oder finanziellen Mitteln an die BDS-Kampagne oder vergleichbare Strömungen kann damit hoffentlich zukünftig im Kulturbereich tatsächlich effektiv ausgeschlossen werden.
Es bleibt die Frage: Warum ist dies in den anderen Senatsverwaltungen nicht möglich oder aber nicht gewollt? Und warum findet sich in dem Papier nirgends die Zusage einer Demokratie- bzw. Extremismusklausel in Zuwendungsbescheiden? – Hier hält sich das hartnäckige Argument, man dürfe niemand vorverurteilen. Wenn sich ein freier Träger, der Zuwendungen vom Land bekommt, nicht zu Demokratie und gegen Extremismus bekennt, dann ist das keine Vorverurteilung mehr.
Dann gibt es zu Recht kein Geld vom Staat. Unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung ist das Fundament, auf dem unser Land gebaut wurde. Unser nunmehr 70 Jahre altes Grundgesetz ist großartig und garantiert allen hier lebenden Menschen Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat. Wer sich hierzu nicht bekennen will, der muss sich um seine Finanzierung anderweitig bemühen.
Zahlreiche Träger in Berlin leisten hervorragende Arbeit im Bereich der Antisemitismusprävention. Der Senat stellt zutreffend fest, dass Antisemitismus ein seit Jahrhunderten tief verwurzeltes Problem ist, das auch nicht kurzfristig zu beseitigen sein wird, und umso mehr würde ich mir in der Konsequenz wünschen, dass die Präventionsarbeit der zahlreichen Träger zumindest in begrün
deten Fällen nicht ausschließlich projektbezogen und für den haushaltsrelevanten Zeitraum von zwei Jahren abgesichert wird, sondern hier auch längere Finanzierungszeiträume ins Auge gefasst werden.
[Bettina Jarasch (GRÜNE) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]
Nein, danke!
Nur so kann abgesichert werden, dass auch über längere Zeiträume die finanzielle Absicherung erfolgen kann und die Präventionsarbeit dauerhaft abgesichert ist. Eine solche Finanzierung muss nicht der Regelfall sein, da die Haushaltswirtschaft dem entgegensteht, sollte aber in begründeten Fällen möglich sein.
Alles in allem ist das Landeskonzept ein erster und längst überfälliger Schritt in die richtige Richtung – gar keine Frage. Es wird in ein bis zwei Jahren zu evaluieren sein, was von diesem Konzept tatsächlich in die Umsetzung gelangt ist. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Aus leider durchaus aktuellem Anlass beraten wir heute einen Antrag, der sich zum einen mit dem eigentlich selbstverständlichen Bekenntnis zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung befasst, zum anderen aber vor allem mit dem klaren Bekenntnis zum Existenzrecht des Staates Israel. Aufgrund der leider immer wieder öffentlich agierenden BDS-Kampagne – das ist eine Kampagne für den Boykott, die Desinvestitionen und die Sanktionen gegen Israel – erscheint es uns zwingend geboten, dafür Sorge zu tragen, dass die Vergabe staatlicher Zuwendungen, letztlich in sämtlichen Bereichen, in den Zuwendungsbescheiden von einem klaren Bekenntnis zu Israel und dessen Existenzrecht abhängig gemacht wird.
Die BDS-Kampagne strebt eine wirtschaftliche, kulturelle und politische Isolation Israels an. Das Land Berlin darf nicht einmal in den Verdacht geraten, nicht alles unternommen zu haben, um hier jegliche – auch mittelbare –
Zusammenarbeit unterbunden zu haben. Gerade bei der Raumvergabe, aber auch bei verschiedenen anderen gemeinsamen Aktivitäten kann derzeit in Berlin leider gerade nicht ausgeschlossen werden, dass eine zumindest indirekte Zusammenarbeit des Landes Berlin – nämlich über Dritte – mit der BDS-Kampagne besteht.
Insbesondere in den Bereichen der Extremismusprävention und der Demokratieförderung, der Jugend- und Familienarbeit, der politischen Bildungsarbeit, der Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten sowie im Kulturbereich ist es unerlässlich, sicherzustellen, dass staatliche Zuwendungen nur unter den Voraussetzungen der Unterzeichnung einer sogenannten Demokratieklausel sowie des Bekenntnisses zum Existenzrecht des Staates Israel gewährt werden.
Wer auf staatliche Förderung angewiesen ist, muss sich zu diesen beiden Säulen unseres Staates auch bekennen.
Es ist schlechterdings für mich nicht vorstellbar, dass beispielsweise in der Jugendarbeit ein freier Träger sich nicht zum Existenzrecht Israels bekennt, auch und gerade unter Einbeziehung von beispielsweise Integrationsarbeit. Denn wer an dieser Stelle faule Kompromisse eingehen und sich die Zusammenarbeit mit israelfeindlichen Institutionen oder Personen offenhalten möchte, der hat unsere deutsche Geschichte nicht verstanden, der hat nicht verstanden, welche Verantwortung Deutschland Israel und den Juden gegenüber trägt.
Diese Verantwortung erstreckt sich selbstverständlich auch auf den bedingungslosen Erhalt unserer freiheitlichdemokratischen Grundordnung. Die sogenannte Demokratieklausel ist daher bereits heute in vielen Zuwendungsbescheiden gängige Praxis. Beispiele wie die Absage einer Veranstaltung mit syrischen und israelischen Künstlern im Pergamonmuseum im Jahr 2016, nachdem eine aus dem Libanon agierende Boykottkampagne gegen Israel massiv mit Drohungen aufgetreten war, machen den bestehenden Handlungsdruck deutlich. Hier zeigt sich, dass der Senat gerade auch im Kulturbereich gefragt ist, den Austausch beispielsweise zwischen israelischen und nichtisraelischen Künstlern zu fördern.
Wenn es uns an dieser und an anderer Stelle nicht gelingt, jüdischen Deutschen das sichere Gefühl zu geben, dass das Existenzrecht Israels in Deutschland nicht verhandelbar ist, dann ist das nicht nur Ihr und unser aller Versagen gegenüber unseren jüdischen Mitbürgern, sondern gegenüber unserer Demokratie, unserer Freiheit und unserem Rechtsstaat.
Selbst wenn es nicht Hunderte von betroffenen Zuwendungsbescheiden sein werden, glauben Sie mir: Manchmal schaden auch deutliche Symbole nicht. – Vielen Dank!
Liebe Frau Kollegin Helm! Ich werde es nie verstehen – oder Sie werden es nie verstehen; da bin ich mir noch nicht ganz so sicher: Wen stelle ich denn unter Generalverdacht? – Ich halte es für nahezu ausgeschlossen, dass in diesem Land tatsächlich freie Träger Bedenken haben, sich zum Existenzrecht Israels zu bekennen.
Und wenn es solche gibt, dann bekommen sie verdammt noch mal kein Geld von diesem Staat, weil es falsch ist, weil es mit unserer Vergangenheit nicht in Einklang zu bringen ist. Da wird niemand unter Generalverdacht gestellt. Es ist eine Selbstverständlichkeit, die man noch einmal bekundet – nicht mehr und nicht weniger.
Herr Kollege! Sehen Sie es nicht auch so, dass es bedauerlich ist, dass nicht nur die zuständige Staatssekretärin, sondern auch noch der Regierende Bürgermeister nicht mehr anwesend sind?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Schubert! Ich hatte gehofft, ich werde, wenn ich Ihnen zuhöre, klüger, was Sie uns mit diesem Antrag eigentlich sagen wollen. Das ist leider nicht so.
Die Überschrift klingt durchaus verheißungsvoll – so habe ich den Antrag auch gelesen. Sie haben selber gesagt, die Integrationslotsinnen und -lotsen sind die ehemaligen Stadtteilmütter: Wenn Sie uns in der Historie zurückschauen lassen, dann war die Idee ursprünglich, dass Menschen mit Migrationshintergrund in ihren Kiez hineinwirken, zu Familien, die wir vom Staat her nicht erreichen, um Integration zu betreiben. Das ist ein guter und richtiger Ansatz, der sich in Berlin tausendfach bewährt hat.
Wenn Sie allerdings jetzt, jedenfalls habe ich es so verstanden, die Integrationslotsen auch in staatliche Aufgaben bringen wollen: Was ist das dann? Eine Abkehr von diesem Konzept? Und wenn es eine Abkehr von diesem Konzept ist, dann sagen Sie es, und dann schreiben Sie es rein! Dann muss man darüber reden, ob das vernünftig ist oder ob es nicht vernünftig ist.
Offenbar ist die Überschrift für diesen Antrag: Wir wollen den Integrationslotsinnen mal etwas Gutes tun! – Das ist grundsätzlich ehrenwert und lässt sich auch hören, allein: Ich habe gar nicht verstanden, was Sie Ihnen Gutes tun wollen. Da schmeißen Sie alles durcheinander: Menschen mit akademischem Abschluss, Menschen mit Berufsabschluss, Menschen mit Schulabschluss, Menschen ohne Schulabschluss – und allen soll der Einstieg
in den ersten Arbeitsmarkt ermöglicht werden. Ja, natürlich, aber: Wie wollen Sie das im Bereich der Integrationslotsen machen? Wie stellen Sie sich das mit dem Berufsbild vor?
Mein Highlight dieses Antrags ist der Satz – und ich darf zitieren, Frau Präsidentin: Stattdessen
soll der Senat in Verhandlungen mit den dafür in Frage kommenden Akteuren treten.
Und dabei geht es um die Frage, ob Integrationslotsinnen in den Jobcentern tätig sind. – Liebe Kollegen von der Koalition! Wenn Sie nicht einmal wissen, wer die Akteure sind, mit denen Sie darüber reden wollen oder mit denen der Senat darüber reden will: Was wollen Sie uns denn mit diesem Antrag sagen?
Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder es hat Sie nicht interessiert oder es war mangelnder Fleiß, was Sie hier zu Papier gebracht haben. Und ich weiß noch gar nicht, was schlimmer wäre.
Nichtsdestotrotz ist das Thema richtig, und die Überschrift hatte mich, wie gesagt, hoffen lassen, dass durchaus etwas Gutes dabei rauskommt. Lassen Sie uns das Ganze im Ausschuss beraten! Lassen Sie uns vielleicht eine Anhörung dazu machen! Vielleicht kann man es noch so verbessern, dass am Ende etwas Brauchbares dabei rauskommt. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Selten ist ein Antrag – und sogar eine Bundesratsinitiative – einer Oppositionsfraktion in diesem Hause mit so großer Mehrheit angenommen worden.
Das liegt – anders, als der eine oder andere Journalist, von denen allerdings keiner mehr da ist, vermuten mag – nicht daran, dass die Betroffenheit bei nahezu zwei Dritteln der Parlamentarier vorhanden sein muss, sondern an den krassen Gesetzeslücken, die im Zuge dieser Erkenntnisse deutlich geworden sind und die die Bürger in Deutschland beim Identitätsdiebstahl weitgehend schutzlos zurücklassen.
Ich darf mich, bevor ich inhaltlich einsteige, ganz herzlich für die gute, kollegiale Zusammenarbeit bedanken, die in den letzten zwei Jahren mit diesem Antrag, mit der Bearbeitung dieses Problems und letztlich auch mit der Findung der Lösungsansätze, die sich jetzt in der Bundesratsinitiative niederschlagen, verbunden war.
Die jeweiligen Fallkonstellationen dürften – inzwischen jedenfalls – jedem in diesem Hause hinreichend bekannt sein. Es funktioniert relativ simpel: Die Ware wird im
Versandhandel unter einer richtigen Identität an eine falsche Adresse bestellt. Die Ware wird von Betrügern abgefangen. Der Versandhandel bemerkt von alledem zunächst nichts. Irgendwann, wenn die Ware nicht bezahlt wird, wird die Forderung an ein Inkassounternehmen abgetreten. Dieses ermittelt zunächst den eigentlichen Inhaber der Identität, mahnt dann mit erheblichem Druck, und in Einzelfällen kommt es sogar zur Zwangsvollstreckungen aus niemals rechtmäßig zustande gekommenen Titeln. – So weit der kurze Sachverhalt.
Auch die Schufa Holding AG spielt in diesem Szenario eine unschöne Rolle. Mit ihren zum Teil nicht nachvollziehbaren und intransparenten Machtinstrumenten
hat sie es in der Hand, erhebliche Nachteile für die Bürger auszulösen; genannt seien gesperrte Kreditkarten, gekündigte Dispoverträge, die Verweigerung beim Abschluss von Miet-, Leasing-, Mobilfunkverträgen usw.
Letztlich geht es in der Bundesratsinitiative um fünf Aspekte, mit deren Umsetzung der Betrug zu fast 90, 95 Prozent beendet werden könnte. Genau hierum geht es im Interesse der Verbraucher und Verbraucherinnen in Deutschland: dass sie auch alleine – ohne rechtlichen Beistand – und ohne auf den Kosten sitzen zu bleiben, nicht mehr in solche Situationen geraten.
Erster Punkt ist das Agieren der Schufa Holding AG und anderer mit Bonitätsauskünften befasster Unternehmen. Hier müssen mehr gesetzliche Voraussetzungen her. Die Voraussetzungen für einen Eintrag bei der Schufa müssen im Sinne der ZPO glaubhaft gemacht und nicht nur schlicht behauptet werden.
Der zweite Punkt ist die Sachkunde und Seriosität der Inkassounternehmen inklusive ihrer Mitarbeiter. Hier muss auf den Prüfstand, wer hier als Aufsicht tätig ist. Das sind bisher die Amtsgerichtspräsidenten. Wer ernsthaft glaubt, dass ein Amtsgerichtspräsident eine geeignete Aufsichtsinstitution ist, der muss sich auch nicht wundern, dass es quasi keine Aufsicht gibt.
Der dritte Punkt ist die Zusendung von Waren bei einer Erstbestellung, die bislang auch auf Rechnung – und genau das ist das Problem – erfolgen kann. Würde die Erstzustellung nur gegen Vorkasse, PayPal, oder Kreditkarte erfolgen können, käme es zu dem ganzen Geschäftsmodell nicht, und ein Großteil der Probleme wäre bereits gelöst.
Viertens: Es muss gesetzlich geregelt werden, dass die Verfahrenskosten, die außergerichtlichen wie die gerichtlichen, dem Verbraucher erstattet werden.
Fünftens muss geregelt werden, dass auch die negative Feststellungsklage des Verbrauchers gegen die Inkassounternehmen möglich ist, und selbstverständlich gegen Kostenerstattung.
Dass wir mit unserem Antrag zum Schutz vieler Verbraucher in Deutschland genau richtig liegen, zeigt die vehemente Verweigerung von Teilen des Versandhandels, an der Situation etwas zu ändern. Die Wichtigkeit unserer Bundesinitiative zeigt sich aber noch deutlicher an den Aktivitäten, die Inkassounternehmen plötzlich in den vergangenen 24 Monaten gegenüber Mitgliedern dieses Hauses entfaltet haben. Ich nehme an, jeder von Ihnen ist schon zu Frühstücken, Empfängen oder ähnlichen Veranstaltungen eingeladen worden, hat Schreiben von Inkassounternehmen bekommen, von denen er niemals vorher gehört hat, und die es auch in den letzten zehn Jahren in diesem Haus noch nicht gegeben hat. Erkenntnis: Die Beunruhigung bei den Inkassounternehmen ist hoch.
Tatsächlich steht zu befürchten, dass durch die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen ein durchaus florierendes Geschäftsmodell verloren ginge, das aber ganz überwiegend am Gewinninteresse des Handeln statt an den berechtigten Schutzinteressen der Verbraucher ausgerichtet ist. Denn hier sind nicht etwa Verbraucher betroffen, die persönliche Daten in großem Umfang und sorglos im Internet hinterlassen, nein, es trifft Verbraucher, die keinesfalls ihre Daten sorglos hinterlassen haben. Das Einzige, was der Versandhandel, die Betrüger und die Inkassounternehmen brauchen, ist das Geburtsdatum, und das ist von jedem von uns und von jedem Bürger sehr einfach zu ermitteln.
In Zeiten umfassenden Verbraucherschutzes können wir es uns nicht länger leisten, diese Risiken für Verbraucher einfach fortbestehen zu lassen. Deswegen freue ich mich, dass diese Bundesratsinitiative zustande gekommen ist und hoffe, dass wir auch zu einer zeitnahen Umsetzung auf Bundesebene kommen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Regierenden Bürgermeister: Sie haben in Ihrem Senat eine Bildungssenatorin und einen Justizsenator, die sich beim Kopftuchstreit öffentlich widersprechen. Der Justizsenator kommentiert unzutreffend das Urteil des Landesarbeitsgerichts und verpasst anschließend der von der Bildungsverwaltung beauftragten Anwältin Seyran Ateş einen Maulkorb. Wer hat in Ihrem Senat eigentlich das Sagen?
Vielen Dank, Frau Senatorin, für diese sehr eindeutigen Worte! Ist das denn die Auffassung des gesamten Senats und auch des Justizsenators?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit Jahren sucht der Senat, mehr oder minder erfolgreich, Standorte für die Unterbringung von Flüchtlingen in den Bezirken. Fakt ist, dass die Anzahl möglicher Immobilien begrenzt und der Nutzen von reinen Flüchtlingsunterkünften für die Integration ohnehin fraglich ist. Menschen integrieren sich nicht, indem man sie gemeinsam mit weiteren Flüchtlingen möglichst isoliert unterbringt. Zur gelingenden Integration braucht es den Zugang zum ersten Arbeitsmarkt, zu regulärem Wohnraum und möglichst viel Kontakt mit den Nachbarn.
Wäre der derzeitige Senat seinem Ziel, 200 000 Wohnungen bauen zu wollen, in den letzten Jahren auch nur etwas näher gekommen, würden für alle Berlinerinnen und Berliner möglicherweise nicht ausreichend, aber jedenfalls doch mehr Wohnungen zur Verfügung stehen.
Stattdessen beschäftigt sich die, zumindest dem Hörensagen nach, zuständige Senatorin, Frau Lompscher, damit, erfolgreich voranschreitende Bauprojekte unter der Überschrift „Gesamtstädtische Belange“ an sich zu ziehen und damit weiter zu verzögern. Regulärer Wohnraum kommt allen zugute, Flüchtlingen, Studenten und Wohnungslosen. Was wir nicht brauchen, sind weitere modulare Flüchtlingsunterkünfte, denn tatsächlich stehen zahlreiche der sogenannten MUFs und Tempohomes leer. Als Beispiele seien genannt die Leonorengärten, die Bäkestraße, die Seehausener Straße in Hohenschönhausen, der Rohrdamm und viele mehr. Derzeit verfügen wir in den bestehenden Unterkünften über eine Leere-Kapazität von rund 4 400 Plätzen. Ein deutlicher Anstieg der Flüchtlingszahlen ist kurzfristig nicht zu erwarten, und selbst bei Schließung der Notunterkünfte und großzügigerer Nutzung der vorhandenen Unterkünfte bleibt ein erheblicher Kapazitätsüberschuss. Diesen, sehr geehrte Frau Sena
(Paul Fresdorf)
torin Breitenbach, gilt es zu nutzen, anstatt die Bezirke weiter vor nicht lösbare Herausforderungen bei neuen Flüchtlingsunterkünften mit Infrastruktur – Schule, ärztlicher Versorgung usw. – zu stellen.
Angeblich sollen zahlreiche leerstehende MUFs auch deswegen leer stehen, weil im Rahmen der Ausschreibung noch kein Betreiber gefunden worden ist. An dieser Stelle muss sich die Senatsverwaltung aber fragen lassen, ob die Ausschreibungskriterien und die einseitigen Pflichten, die den Betreibern auferlegt werden, hier eine Rolle spielen.
Wäre das LAF nicht in den letzten zwei Jahren personell kaputtgespart worden, anstatt weiteres qualifiziertes Personal in das LAF hineinzugeben, würden auch diese und andere Verfahren unter Umständen effizienter und schneller bearbeitet werden können. Im LAF stehen keine Schlagen von Flüchtlingen mehr für die Erstregistrierung, aber die Aufgaben, die die dortigen Mitarbeiter zu bewältigen haben, sind nicht weniger und schon gar nicht einfacher geworden. Nur die Anzahl der vorhandenen Mitarbeiter ist deutlich geringer geworden.
Berlin verdankt den ehrenamtlichen, aber auch den engagierten Mitarbeitern im LAGeSo bzw. im LAF in den Jahren 2015 bis 2018 sehr viel. Diese Menschen nun in einer Überforderungssituation mit einem hohen Krankenstand, einer erheblichen Fluktuation in andere Behörden alleinzulassen, entspricht nicht dem, was ich von einer rot-rot-grünen Landesregierung erwartet hätte,
einer Landesregierung, die sich auf die Fahne geschrieben hatte, Missstände abzubauen und besser zu regieren. Falls besser Regieren nicht eine Zustandsbeschreibung für interne Verhältnisse im Senat sein soll, sondern den Menschen in dieser Stadt zugutekommen sollte, haben Sie jedenfalls Ihr Ziel bislang verfehlt.
Frau Senatorin! Wir fordern Sie auf: Statten Sie das LAF personell ausreichend aus! Dann kann von dort auch das Belegungsmanagement für die Flüchtlingsunterkünfte erfolgreich geführt werden. Weiterer MUFs bedarf es hierfür jedenfalls nicht. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! – Nein! Es geht nicht um Clearingstellen, sondern ich frage den Senat: Wie gedenkt der Senat die Vergabeverfahren für Betreiber von Flüchtlingsunterkünften zukünftig rechtssicherer und effizienter zu gestalten; und das auch vor dem Hintergrund der gescheiterten Vergabe an ZOF e. V., bei der öffentlich bekannte Informationen offensichtlich keine Berücksichtigung gefunden haben? – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Frau Senatorin! Wenn nichts schiefgegangen ist bei dem Ausschreibeverfahren, wird es dann künftig immer so laufen, dass erst auf die Hinweise anderer Betreiber das LAF oder die Senatsverwaltung ermitteln und dann der Vertrag, für den der Zuschlag erteilt worden ist, wieder gekündigt wird?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Ziel, verfolgte Jesidinnen im Rahmen eines Sonderkontingents aufzunehmen, eint dieses Haus und, soweit ich das sehen kann, auch alle Fraktionen. Aber, liebe Kollegin Jarasch, wenn Sie davon sprechen, wie froh Sie sind, dass die Koalition gerade jetzt diesen Antrag stellt: Wir haben schon Anfang des Jahres darüber gesprochen, und zwar über die Fraktionen hinweg, einen solchen Antrag zu stellen. Wir haben jetzt Ende September, acht Monate hat die Koalition gebraucht, um sich dazu durchzuringen, einen Antrag zu stellen für ein Sonderkontingent von 100 Menschen im Jahr. Und dann können Sie sich, anders als die Brandenburger, eben nicht durchringen zu sagen, wen Sie eigentlich hierherholen wollen, insofern habe ich durchaus ein gewisses Verständnis für die Änderungsanträge, die auf dem Tisch liegen
Natürlich gibt es besonders Schutzbedürftige, nicht nur im Nordirak, nicht nur in Syrien, sondern auf die ganze Welt verteilt, das ist ja gar keine Frage. Aber wenn Sie ein Sonderprogramm mit einem Sonderkontingent auflegen wollen: Wie wollen Sie denn die Menschen hier betreuen und wie wollen Sie denn damit umgehen, wenn Sie Schutzbedürftige aus allen Teilen der Welt hierherholen und keinesfalls auf die Besonderheiten der jeweiligen Schutzbedürftigen eingehen? Wenn Sie auch aus anderen Teilen und aus anderen Religionen Menschen hierherholen wollen, dann machen Sie das gerne, dann beantragen Sie das mit einem gesonderten Antrag und begründen Sie das gesondert, aber stellen Sie keine Anträge, die so unsubstanziiert sind, dass nachfolgende Senate gar nicht mehr in der Lage wären zu beurteilen, was mit diesem Antrag eigentlich gemeint wäre!
Gleich, gerne. – Bei der Frage, wen Sie tatsächlich meinen, waren Sie doch selber ganz klar: Sie haben zwei Drittel Ihrer Redezeit dazu verbraucht zu erklären, warum Jesiden in einem Sonderprogramm hierherkommen müssen, was ich vollkommen richtig und überzeugend finde, und wenn wir es gemeinsam mit dem Nachbarland Brandenburg machen können, dann ist das in Anbetracht der Situation vor Ort auch vollkommen unstreitig. Aber einigen Sie sich in der Koalition darauf, wen Sie eigentlich meinen. – Jetzt gerne die Zwischenfrage!
Soweit ich sehen kann, haben Sie die Anträge aus BadenWürttemberg und Brandenburg, was die Frage angeht, wer wählt aus und wie kommen sie hierher, abgeschrieben. Dass Sie dafür ein Dreivierteljahr brauchen, wundert mich.
Aber die gute Nachricht ist: Ich gehe davon aus, dass Sie das Programm, nachdem Sie sich jetzt so gut vorbereitet haben, dann unmittelbar in der übernächsten Ausschusssitzung beraten, und dann können wir unmittelbar noch in diesem Jahr durchstarten, und noch Ende 2018 werden die ersten 100 Menschen hier sein. Darauf freue ich mich.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute soll ein Antrag als Priorität behandelt werden, der nach Ansicht der Anmelder so prioritär ist, dass er erst sehr kurzfristig auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Dass die Dekade bereits im Jahr 2015 begann und im Jahr 2017 auch von der Bundesregierung aufgegriffen wurde, ist an den Anmeldern offenbar vorbeigegangen.
Davon unabhängig fordert der Antrag den Senat auf, unter Einbeziehung von Akteuren der Zivil- und der Stadtgesellschaft Maßnahmen zur Umsetzung der internationalen Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft zu entwickeln und diese dann umzusetzen. Wer genau die Akteure der Zivil- und der Stadtgesellschaft sein sollen und welche besondere Expertise diese dazu befähigen soll, bei der Umsetzung des Antrags behilflich zu sein, bleibt allerdings das Geheimnis der Antragsteller.
In der Begründung zum Antrag findet sich der Hinweis darauf, dass sich die Antragsteller bereits im Koalitionsvertrag darauf verständigt hätten, sich an der Umsetzung der sogenannten Dekade zu beteiligen. Konkret heißt es hierzu auf Seite 112 des Koalitionsvertrages:
Berlin beteiligt sich in Kooperation mit den Selbstorganisationen an der UN-Dekade „People of African Decent“ und wird in diesem Zusammenhang Maßnahmen ergreifen, die geeignet sind, die Diskriminierung schwarzer Deutscher zu erfassen.
Ein Blick in Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes wie auch ein Blick in die Verfassung von Berlin zeigt, dass hier eine falsche, wenn nicht sogar eine verfassungswidrige Schwerpunktsetzung vorliegt.
Das gilt erst recht vor dem Hintergrund der neu geschaffenen und bei der Justizverwaltung angesiedelten Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung. Man kann angesichts des Antrags nur den Eindruck gewinnen, dass das Vertrauen in die eigens geschaffene Stelle nicht großgeschrieben wird und offensichtlich die Sorge besteht, dass die Stelle den an sie gestellten Anforderungen und Aufgabenbereichen nicht gerecht wird.
Gleichwohl sind die Ziele des Antrags, Maßnahmen gegen Rassismus und Antidiskriminismus zu ergreifen, grundsätzlich zu unterstützen. Angesichts der gerade in Berlin herrschenden unerträglichen Situation, dass nahezu täglich neue Vorfälle von Antisemitismus an Schulen und im öffentlichen Raum bekannt werden, scheint der Antrag allerdings auf eine zu einseitige Schwerpunktsetzung zu setzen. Deswegen werden wir uns auch in der Abstimmung enthalten. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das ist so ein Antrag, bei dem man sich die Frage stellt, warum wir dazu um kurz vor 19 Uhr reden. Wir haben im November schon darüber gesprochen. Ich hatte kurz in Betracht gezogen, meine Rede aus dem November zu Protokoll zu geben. Das ist so ein Antrag, bei dem man im Plenum das erste Mal darüber redet. Dann redet man im Ausschuss das zweite Mal. Dann stellen alle fest, dass es Defizite gibt, und dann kommt der Antrag in der gleichen Fassung – wortgleich, unverändert, nur mit geändertem Berichtsdatum – wieder ins Plenum.
Ich sage jetzt im Kern noch einmal das, was ich im November auch schon gesagt habe: Das Ansinnen, hohe Qualitätsstandards zu schaffen, ist natürlich richtig; allein der Antrag taugt nicht, um das umzusetzen. Warum Sie in der Ziffer 2 Standards schaffen wollen, die Sie weder bei Obdachlosenunterkünften noch bei Kinder- oder Jugendeinrichtungen zum Maßstab machen, sondern die nur in psychiatrischen Einrichtungen, wo die Einschränkungen deutlich höher sind, gelten, ist nach wie vor nicht beantwortet. Das Gleiche gilt für Ziffer 3, in der Maßnahmen stehen, die Sie den Betreibern auferlegen wollen, auf die diese jedoch beim besten Willen keinen Einfluss haben, wie beispielsweise die Anbindung an die städtische Infrastruktur.
Welche Möglichkeit könnte der Betreiber einer Flüchtlingsunterkunft haben, dafür zu sorgen, dass ein Bus vor seiner Unterkunft entlangfährt? Und welche Möglichkeit könnte der Betreiber einer Unterkunft haben sicherzustellen, dass die Kinder der Flüchtlinge Zugang zu Kindertagesstätten haben? – Meine Damen und Herren von RotRot-Grün! Sie schaffen es doch nicht mal sicherzustellen, dass die Berliner grundsätzlich Zugang zu Kindertagesstätten haben, geschweige denn Menschen aus Flüchtlingsunterkünften!
Ich habe es beim letzten Mal schon gefragt: Was, um Himmels willen, wollen Sie damit erreichen, dass die Ergebnisse der Qualitätskontrollen im Internet veröffentlicht werden? Soll es einen Wettbewerb zwischen den Flüchtlingen geben, die sich künftig aussuchen können, in welcher Unterkunft es schöner ist oder in welcher Unterkunft die Standards besser sind?
Was tatsächlich sinnvoll gewesen wäre, die Frage der Hygiene, des Ungezieferbefalls und andere Fragen, die sich aus der Anhörung im Ausschuss ergeben haben, aufzunehmen. Das ist bei Ihnen einfach unter den Tisch
(Dr. Nicola Böcker-Giannini)
gefallen. Gut gemeint ist halt nicht immer gut gemacht. – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Frau Senatorin! Welchen Anteil hat der Senat an den 10 000 Stellen mit versicherungspflichtigen Jobs, oder ist das viel eher der Wirtschaft und den freien Trägern zu verdanken?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Berlin war vor dem Zweiten Weltkrieg eine Stadt mit reichem jüdischem Leben. Nach vielen Jahrzehnten ist Berlin nun wieder auf einem sehr guten Weg dahin, doch darf dieser Weg nicht in einer Sackgasse enden. Antisemitismus ist ein wachsendes Problem unserer Gesellschaft. Ausgrenzung, Beleidigung, körperliche oder seelische Angriffe auf Menschen jüdischen Glaubens sind auf das Schärfste zu verurteilen, egal, ob auf Schulhöfen oder am Pariser Platz, im Herzen Berlins.
In der deutschen Hauptstadt darf es keinen Platz für Antisemitismus geben!
Unsere Pflicht als Demokraten ist es, hier entschlossen Widerstand zu leisten. Die brutalen Übergriffe der letzten Zeit und das daraus resultierende Gefühl von Unsicherheit, ja, von Bedrohung, sowie der sich im Kleinen zunehmend durchsetzende alltägliche Antisemitismus gefährden den Weg Berlins in eine freiheitliche und vielfältige Metropole. Zunehmender Antisemitismus ist ein deutlicher Indikator dafür, dass das religiöse und gesellschaftliche Zusammenleben eines Gemeinwesens infrage gestellt wird. Es ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass der gesellschaftliche Frieden nicht nur zwischen Juden und Nichtjuden gestört ist. Die zutage tretenden Ressentiments sind häufig ein Ventil für viel tiefer liegende Spannungen.
Wir begrüßen daher den fraktionsübergreifenden Antrag, der letztlich in erfreulichem Einvernehmen zustande kam. Er definiert das gemeinsame Ziel, jedwede antisemitischen Übergriffe zu verurteilen und entschieden zu bekämpfen sowie den Antisemitismus als eine zentrale Gefährdung des Gemeinwesens abzulehnen, denn Antisemitismus ist kein Problem unserer jüdischen Mitbürger, sondern unser aller Problem.
Mir ist klar, dass ein solches Bekenntnis zum Existenz- und Selbstverteidigungsrecht Israels für einige Mitglieder der Regierungskoalition einen weiten Weg bedeutet. Umso mehr freue ich mich, dass wir diesen Antrag heute in dieser Form beschließen können. Ich freue mich besonders, dass unserer Forderung nach einem zentralen Antisemitismusbeauftragten oder auch dem „BerlinMonitor“ entsprochen werden kann.
(Dr. Susanne Kitschun)
Der heute zutage tretende Antisemitismus ist nicht nur ein Problem von dumpfen Skinheads oder ressentimentgeladenen Alt-Nazis. Wir müssen das Tabu brechen und auch offen über den Antisemitismus und die Israelkritik der in den letzten Jahren und Jahrzehnten aus dem arabischen Kulturkreis zu uns gekommenen Menschen sprechen.
Dabei spielt die Religion eine wesentliche Rolle. Unsere Verfassung garantiert dem Einzelnen Religionsfreiheit in Form der Freiheit von der Religion, aber auch als Freiheit zur Religion. Die Einbeziehung der Religion in der Frage der Begegnung des Antisemitismus scheint mir ein Alleinstellungsmerkmal der CDU zu sein; den Antisemitismus werden Sie nicht gegen die Religionen überwinden. Vielmehr müssen wir die Religionen einbinden. Wir sind der Auffassung, dass im Kampf gegen den Antisemitismus der Religion mehr Raum gegeben werden muss, da sich der Antisemitismus nicht nur weltlich erklärt, sondern häufig religiös begründet wird. Hier ist eine bessere religiöse Ausbildung nötig, denn religiöse Bildung tritt der Manipulation durch Religion entgegen. Religiöser Frieden setzt immer die fundierte Kenntnis der eignen Religion, aber auch anderer Religionen voraus. Eine Entfernung des Religiösen aus dem öffentlichen Leben unserer Stadt wird diesen Konflikt dagegen nicht befrieden. Die Sichtbarkeit von Religion verringert das Risiko religiöser Spannungen. Religiöse Radikalisierung basiert auf religiösem Unwissen. Die meisten Jugendlichen, auch die muslimischen, sind religiöse Analphabeten. Eine bessere Kenntnis der eigenen Religion stärkt das Selbstwertgefühl und verringert die Unsicherheit im Umgang mit anderen Religionen. Schon Schüler an Berliner Schulen brauchen eine bessere religiöse Ausbildung, um nicht einem religiös begründeten Antisemitismus auf den Leim zu gehen. Wir brauchen ein Wahlpflichtfach Religion auch und gerade für den Islam.
Die CDU-Fraktion steht nach wie vor zur Gründung eines Lehrstuhls für islamische Theologie. Die Muslime in Berlin brauchen eine fundierte theologische Ausbildung und keine Imame aus dem Ausland.
Wissenschaftlich ausgebildete deutsche Imame können ihren Beitrag zur Steigerung eines souveränen Selbstwertgefühls deutscher Muslime leisten.
Dennoch: Die Förderung religiösen Lebens als Privatsache des Einzelnen und die Beibehaltung des Berliner Neutralitätsgesetzes sind kein Widerspruch. Das aktuelle Berliner Neutralitätsgesetz hat sich bewährt, insbesondere Beamte mit hoheitlichen Aufgaben müssen die Neutralität des Staates sichtbar demonstrieren. Deutlich sichtbare bzw. im Eindruck dominierende Religionsbekundungen
von ausführenden Exekutivbeamten würden im Einzelfall den gesellschaftlichen Frieden gefährden, wenn der Eindruck der Vorteilsgewährung für Glaubensgenossen entstünde. Dieses Verhältnis von öffentlich gelebtem privaten Glauben und staatlicher Neutralität könnte sich in Berlin im Gegensatz zum Kruzifix in Bayern zu einem gemeinsamen Wertekonsens entwickeln. Für diese Diskussion reicht aber meine Redezeit heute nicht aus.