Nun diskutieren wir ja nicht nur über die Verteilung von Mörtel, sondern wir wollen politisieren. Ich habe dazu ein schönes Zitat von Rem Koolhaas, dem weltweit bekannten Architekten, aus einem Text von 1996 mitgebracht, welches sich in der aktuellen „ARCH+“, einer bedeutenden Architekturzeitschrift, befindet – mit der Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich –:
Wir sollten uns ein Beispiel daran nehmen, wie die moderne Wissenschaft mit der Instabilität der Welt zurechtkommen und die damit verbundenen Prozesse zu erklären versucht. Wir Architekten müssen wohl die Demut an den Tag legen, uns als Teil einer übergeordneten Entwicklung zu betrachten, als Partikel, die anderen Gesetzen unterworfen sind als denen unserer eigenen Genialität... Ich glaube, es herrscht nach wie vor die völlig unreflektierte und deshalb zutiefst dogmatische Annahme, dass unsere Profession im Interesse der Stabilität operiere und dass Architektur zu den Instrumenten zähle, mittels derer Stabilität bewirkt werden kann. Doch gleichzeitig werden wir immer mehr zu Produzenten von Instabilität, ohne dass wir schon eine Agenda hätten, die definieren würde, wohin uns das führen könnte.
Das von einem Architekten zu hören, weist sehr klar darauf hin, dass wir neu denken müssen, und darum geht es. Wir wollen Kriterien der Angemessenheit, der Verteilungsgerechtigkeit, und deswegen braucht es auch neue Begrifflichkeiten. Der Begriff einer neuen Gründerzeit, wie sie mal als stadtentwicklungspolitische Strategie für Berlin entworfen wurde, trägt genau das nicht. Diese muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden.
Deshalb bauen wir und denken den heutigen und künftigen Bestand mit. Wir wollen Raum zurückgewinnen und sozial umverteilen. Ja, wir wollen umverteilen und sozial regulieren.
Wir wollen Verteilungsgerechtigkeit herstellen. Wir wollen neu bauen und einen neuen Städtebau. Das ist alles nicht einfach, aber wie sagt man so schön: Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden. – Vielen Dank!
[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Stefan Förster (FDP): Rom ist noch nicht einmal fertig! – Gunnar Lindemann (AfD): Sieben-Jahres-Plan!]
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Gennburg! Das Bauen hat Priorität für Die Linke. Da bin ich aber mal sehr gespannt.
Sie haben uns einen Antrag mit der Überschrift „Zügige Entwicklung neuer Stadtquartiere“ vorgelegt. Wenn man ihn sich durchliest, denkt man ein wenig an die eierlegende Wollmilchsau linker Stadtentwicklungspolitik.
Spannend ist nicht nur, was drinsteht, sondern auch, was nicht drinsteht. Es soll Ihnen um die zügige Entwicklung neuer Stadtquartiere gehen. Das können wir zunächst einmal als gemeinsames Anliegen festhalten. Ob aber der Inhalt Ihres Antrags dem Anspruch seiner Überschrift standhält, daran habe ich ganz erhebliche Zweifel.
Fangen wir mal bei den Stadtquartieren an, die Sie benannt haben, und reden vor allem über die, die Sie nicht benannt haben. Unter denen, die Sie nicht benannt haben, ist z. B. der Rangierbahnhof Pankow, bei dem Sie sagen: Da müsste man mal prüfen. – Ich kann dazu feststellen, dass es eine Vereinbarung über die dort vorgesehene
Entwicklung gibt. Vielleicht ist die inzwischen in Änderungsanträgen der Koalition für die Ausschussberatung vorgesehen, und Ihr Antrag ist in der Hinsicht veraltet, aber ich bitte doch dringend darum – wenn es schon nach langem, nach viel zu langem und zähem Ringen gelingt, diese Entwicklung positiv anzustoßen –, den Rangierbahnhof Pankow in Ihre Aufstellung aufzunehmen und nicht zu sagen: Hier prüfen wir noch monate-, womöglich gar jahrelang, ob wir die Entwicklung in Angriff nehmen wollen.
Dann stelle ich fest: Obwohl wir uns in verschiedenen Anträgen dieses Hauses damit auseinandergesetzt haben, welches Entwicklungspotenzial es gerade auch für Wohnungsbau in dem ja auch nicht zu vernachlässigenden Quartier in der Nachbarschaft zum Bahnhof Zoo, dem Campus Charlottenburg gibt, verlieren Sie dazu kein Wort. Da wundere ich mich schon sehr. Im Umkehrschluss kann ich daraus nur lesen, was ich ehrlicherweise schon im Anschluss an die Debatten im Abgeordnetenhaus vermutet habe, dass Ihnen die Entwicklung auch dieses innerstädtischen Areals, eines Schlüsselareals für die Entwicklung der City-West, in keiner Weise am Herzen liegt.
Stattdessen nehmen Sie Quartiere wie das SchumacherQuartier auf, bei dem Sie offensichtlich noch keine Klarheit darüber haben, wie groß es jetzt sein soll. Alle anderen haben Sie mit Hektarangaben unterlegt, das Schumacher-Quartier kann so groß sein, wie es gerne möchte. Da finde ich besonders spannend: Nachdem der Regierende Bürgermeister nach dem Volksentscheid den Berlinerinnen und Berlinern das Versprechen gegeben hat, dass die Senatsverwaltung zumindest erst einmal Stellungnahmen zur Umsetzung des Volksentscheids abgeben wird und dass man diese abschließenden Stellungnahmen dann auch von einem „Gutachter“ – wie auch immer man ihn nennen mag – bewerten und dem Haus zur Stellungnahme vorlegen wird, liegt jetzt ein Antrag vor, der bereits die Nachnutzung des Flughafens Tegel vorsieht, obwohl sich der Bürgerwille sehr klar und in deutlicher Mehrheit dafür ausgesprochen hat, Tegel weiterzubetreiben.
Zügige Entwicklung neuer Stadtquartiere – dem widerspricht aber in weiten Teilen auch, was Sie jenseits der Benennung der Stadtteile, die Sie gerne entwickelt hätten – und damit eben auch der Stadtteile, die Sie offenbar nicht gerne entwickelt hätten; die Entwicklung der Elisabeth-Aue kann ich hier Seite an Seite mit dem Regierenden Bürgermeister nur immer wieder anmahnen, aber das
Ja, das ist ja nichts als ein Beleg dafür, dass Bauen bei Ihnen offenkundig keine Priorität hat, jedenfalls nicht bei der Linken.
Nichtsdestotrotz: Zügige Entwicklung neuer Stadtquartiere – das war die Überschrift Ihres Antrags. Was Sie uns hier als Auflagen vorlegen, die Sie als Leitlinien formulieren, finde ich zum Teil sehr drastisch. Da wird sich zwar auch mancher Konsens in der Ausschussdebatte finden lassen. Ich würde mal sagen, der Hälfte dessen, was hier als Wünsch-dir-was beschrieben ist, kann man sich sogar anschließen; die wird unumstritten sein.
Aber: Einen Antrag, der sagt, wir wollen zügig entwickeln, zunächst einmal damit zu verbinden, dass dort, wo bereits vorangetriebene Planungen Ihren Vorstellungen nicht entsprechen, Ihnen nicht gefallen, noch einmal umfangreiche Nachverhandlungen stattfinden sollen, das hat mit zügigem Bauen, mit der zügigen Entwicklung von Stadtteilen nun wirklich überhaupt nichts zu tun.
Das Gleiche gilt auch für die weiteren Auflagen, die Sie formulieren. Wenn Sie sagen, Sie wollen in großem Umfang Vorkaufsrechte prüfen – ob das jetzt auf diese Gebiete bezogen sein soll oder nicht, oder ob es Ihnen ohne weiteren qualitativen Maßstab nur darum geht, Vorkaufsrechtsgebiete quantitativ auszuweiten, sei mal dahingestellt: Auch das ist nicht gerade ein Instrument, das dazu beiträgt, dass es ein größeres Vertrauen in die Planung von Stadtquartieren gibt, insbesondere bei denjenigen, die Sie in Ihrem Antrag auch wohlweislich ausschließen, ohne die es aber nicht gehen wird. Ich weiß, Sie würden die Stadt gerne alleine entwickeln. So wird es aber nicht funktionieren. Ich weiß, Sie ignorieren gerne, dass 90 Prozent des Baugeschehens in der Stadt nicht von öffentlichen Wohnungsbauunternehmen geleistet werden können, sondern dass es hierfür auch private Partner braucht. Die aber gleich auszuschließen und das in derart großem Maßstab, finde ich schon spannend.
Dass Flächen für den Wohnungsbau ausschließlich an städtische Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften und gemeinwohlorientierte Bauherrn Ihres Geschmacks vergeben werden sollen, finde ich schon problematisch. Und zu der Vergabepolitik, wie sie hier beschrieben wird, kann ich nur sagen: Uns kommt es darauf
an, dass die qualitativen Ziele, auf die man sich planerisch und planungsrechtlich verständigt, umgesetzt werden, und zwar egal, von wem.
Ich habe ja schon öfter angemahnt, dass das mantraartige Vortragen Ihrer Anwürfe nun nicht wirklich zur Klarstellung beiträgt.
Jetzt kommt die Frage, keine Sorge! – Ist es denn nicht so, dass sich das Modell der kooperativen Baulandentwicklung nur an Private richtet?
und dass ich es für absolut nicht zielführend halte, sich ausschließlich auf städtische Wohnungsbaugesellschaften zu konzentrieren. Das trage ich gerne immer wieder vor, und wenn es Ihnen als Mantra vorkommt, wird es hoffentlich auch irgendwann zu Ihnen durchdringen.