Protokoll der Sitzung vom 22.02.2018

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Berlin hat eine den Bürgerinnen und Bürgern dienende Verwaltung. Dafür sorgen wir. Dafür haben auch die Beschäftigten in der Berliner Verwaltung ihren eigenen Anspruch und ihr Engagement, um das zu erfüllen. Und das, glaube ich, sollten wir nicht diskreditieren am Beginn einer solchen Debatte über eine Enquete-Kommission.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

(Frank-Christian Hansel)

Seit Jahrzehnten wird in regelmäßigen Abständen über die Struktur und die Funktionsweise der Berliner Verwaltung beraten, und auch über Ihre Ziele wurde schon zu Beginn der Neunzigerjahre ausführlich diskutiert. Es ging um die Funktionsverteilung in der dezentralen Einheitsgemeinde, das Verhältnis zwischen Hauptverwaltung und den Bezirken, Teilzeit- versus Vollzeitparlament und um die Frage: Was sind die besten Strukturen für die Verfassungsorgane. Weil das alles nichts Neues ist, reißt uns jetzt Ihr Antrag nicht vom Hocker. Er enthält auch tatsächlich nichts wirklich Neues.

Dennoch kann man – auch und gerade gegen Ende dieser Dekade – darüber nachdenken, ob die wachsende Stadt, der Bedeutungszuwachs beim öffentlichen Dienst und vielleicht auch gestiegene Erwartungen an die öffentliche Verwaltung Strukturveränderungen verlangen. Dabei lohnt es sich, einige wesentliche Prinzipien der Berliner Verwaltung kurz zu betrachten, die sich seit Beginn der Neunzigerjahre herausgebildet haben. Ich will nur drei Beispiele nennen: einmal das Verhältnis der Hauptverwaltung zu den Bezirken nach der Verfassung und nach der Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Bezirke – mit der Folge, dass wir seitdem praktisch nur noch die Rechtsaufsicht haben, aber keine Fachaufsicht. Was bedeutet das für die Umsetzung wichtiger Programme wie das der Schulsanierung und andere? Funktioniert das im Zusammenwirken der verschiedenen Ebenen ausreichend effizient und schnell, oder gibt es Defizite? Braucht man etwa anstelle einer Fachaufsicht doch nicht vielleicht eine Art Durchgriffs- oder Evokationsrecht, jedenfalls irgendeinen Hebel der Zentrale, um etwas zu forcieren, wenn es nicht läuft? Das ist eine offene Frage.

Der zweite Themenkomplex, der sich zu erörtern lohnt, ist die Kosten- und Leistungsrechnung. Auch sie wurde zu Beginn der Neunzigerjahre eingeführt, und zwar nach der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung, die das erfunden bzw. miterfunden hat. Haben wir das neue Steuerungsmodell der Verwaltung, dem die KLR dienen sollte, erreicht? Funktionieren die Leistungs- und Verantwortungszentren, wie sie damals geplant waren, oder nicht? Ist diese Reform in ihrer Theorie, wie sie angedacht war, in der Praxis tatsächlich gelungen oder nicht? Das darf man sicher untersuchen.

Der dritte Themenkomplex: Müssen wir die Struktur unserer Verfassungsorgane einer Revision unterziehen? Auch das ist eine uralte Diskussion. Ist es besser, ein kleineres Parlament zu haben oder nicht? Wird es dadurch noch professioneller, als es jetzt ohnehin schon ist? Kann die Effizienz das ausschlaggebende Kriterium sein, oder müssen noch andere Kriterien gelten?

Über all diese Fragen kann man verschärft nachdenken, aber eines lässt sich nicht ausblenden: Am Ende sind politische Abwägungen zu treffen, an denen mehr Beteiligte als nur eine Enquete-Kommission mitwirken müs

sen, damit es gelingen kann. Deshalb sind wir noch nicht davon überzeugt, dass eine Enquete-Kommission dafür das richtige Format ist. Aber wir werden darüber beraten.

Wir haben auch kein Erkenntnisdefizit darüber, was die Reibungsverluste in der Berliner Verwaltung betrifft. Ich bin sicher, dass allen der Verbesserungsbedarf bewusst ist. Deswegen handelt der Senat an bestimmten drängenden Punkten auch vorrangig. Wir haben heute Morgen schon Beispiele gehört, z. B. Bürgerämter, wo es mit dem 14-Tage-Ziel spürbare Verbesserungen gibt, oder auch die Kfz-Zulassung mit dem Ein-bis-zwei-ArbeitstageZiel. Das sind Dinge, die schon konkret verbessert werden. Dazu bedarf es keiner langen Beratung mehr, sondern das ist bereits erkannt und wird umgesetzt.

Schließlich haben wir eine Senatskommission, die an weitergehenden Überlegungen arbeitet, ob es nötig ist, strukturell etwas zu tun. Ich würde raten, dass wir uns die Arbeiten der Senatskommission angucken und deren Ergebnisse abwarten, um das in eine Entscheidungsfindung einzubeziehen. Wir sollten das jedenfalls nicht völlig ignorieren. Dann kann man gucken, ob man hier im Haus mit einem weiteren Format weiterkommt oder nicht. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Abgeordnete Goiny das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus bekennt sich zur Zweistufigkeit der Berliner Verwaltung und zur Existenz und Aufgabenerfüllung der Berliner Bezirke. Wir haben – darauf hat der Kollege Zimmermann hingewiesen – in der Tat kein Erkenntnisproblem. Es gab die Scholz-Kommission und verschiedene Expertenrunden, die sich mit der Frage der Verwaltungsstruktur dieser Stadt in den letzten Jahrzehnten beschäftigt haben. Wir haben daraus auch Konsequenzen gezogen. Die Bezirksfusion war eine ganz wichtige Strukturentscheidung, mit der man auf Veränderungen reagiert hat. Insofern ist es richtig, dass wir uns hier noch einmal die Arbeit der Senatskommission angucken wollen. Dann sehen wir, was es da für Veränderungen gibt. Das ist ein Prozess, der aus unserer Sicht aber keine Enquete-Kommission erfordert.

Wir sind übrigens auch der Auffassung, dass die Frage von Funktionalität und Leistungsfähigkeit der Berliner Verwaltung – das diskutieren wir an ganz vielen Tagesordnungspunkten – im Wesentlichen ein Problem von Personalausstattung und Qualifikation von Mitarbeite

(Frank Zimmermann)

rinnen und Mitarbeitern ist. Das haben wir im Unterausschuss Stellenplan in der Vergangenheit immer wieder thematisiert. Wir glauben, dass wir hier durchaus in der Lage sind, die Berliner Verwaltung leistungsfähiger zu machen.

Wir bekennen uns auch zum Berliner Halbtagsparlament. Ich sage immer, wir als Halbtagsabgeordnete arbeiten zwölf Stunden am Tag. Ich finde das auch angemessen und richtig. Ich glaube, wir sind mit dem, was wir hier machen – das mag Ihre Fraktion anders handhaben –, fleißige Parlamentarier, sowohl hier im Berliner Abgeordnetenhaus als auch in unseren Wahlkreisen. Was der Vorteil daran sein sollte, dass weniger Parlamentarier für die Interessen der Berlinerinnen und Berliner eintreten, haben Sie auch nicht erklärt. Richtig entlarvend wird Ihr Antrag in dem letzten Absatz der Begründung, wo Sie schreiben:

Die anstehenden Herausforderungen unserer Stadt bedürfen keines aufgeblähten Parlaments, sondern einer effizient arbeitenden Volksvertretung.

Damit unterstellen Sie, – erstens – wir seien hier aufgebläht, und – zweitens –, wir seien nicht effizient. Das weise ich zumindest für uns in aller Deutlichkeit zurück.

[Beifall bei der CDU, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Da schließen Sie möglicherweise von Ihrer Arbeitsweise auf andere. Die Unterstellungen, die Sie in Ihrem Vortrag vom Stapel gelassen haben: Angesichts von Doppelmandaten, die es in Ihrer Fraktion gibt, oder strafrechtlich verurteilen Abgeordneten, die sich weigern, ihr Mandat abzugeben, sollten Sie sich besser an Ihre eigene Nase fassen. Hier kommt jedenfalls der Geist Ihres eigenen Antrags durch, nämlich das Bestreben, die parlamentarische Demokratie madig zu machen, schlecht zu reden und auszuhöhlen.

[Georg Pazderski (AfD): Quatsch!]

Dafür geben wir uns nicht her.

[Georg Pazderski (AfD): Was ist denn das für ein Niveau?]

Das ist Ihr Niveau, das hier deutlich wird. – Wir bekennen uns dazu, dass Abgeordnete auch dazu da sind, sich in ihren Wahlkreisen für die Menschen einzusetzen. Ich verstehe auch gar nicht, warum es schlecht sein soll, eine gewisse Zahl von Abgeordneten zu haben. Es wird immer so getan, als seien mehr Abgeordnete schlimm für die Demokratie.

[Georg Pazderski (AfD): Dann können wir auch 500 nehmen! 1 000 sind noch besser!]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Woldeit?

Ich glaube, das macht keinen Sinn. Ich möchte im Zusammenhang ausführen. – Ich glaube, wenn man ein bekennender Demokrat ist – –

[Georg Pazderski (AfD): Sie haben eine Logik!]

Mit dieser Rolle haben Sie offensichtlich Schwierigkeiten. Das erleben wir in diesem Haus öfter.

[Beifall bei der CDU, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Stefan Förster (FDP)]

Wenn man bekennender Demokrat ist, dann sind Abgeordnete nichts Schlimmes. Ich glaube, die Abgeordneten, die hier im Haus sitzen – vielleicht mit Ausnahme Ihrer Fraktion –, nehmen ihre Aufgaben hier auch entsprechend wahr. Deswegen müssen wir uns auch keine solchen Unterstellungen von Ihnen anhören. Deswegen ist ein solcher Antrag der Versuch, unserem parlamentarischen System zu schaden.

[Georg Pazderski (AfD): So ein Quatsch!]

Sie versuchen mühsam, das durch einige Inhalte zu kaschieren. Dafür geben wir uns nicht her.

[Beifall bei der CDU, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Stefan Förster (FDP) – Georg Pazderski (AfD): Haben Sie so viel Angst um Ihr Mandat?]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Abgeordnete Herr Schlüsselburg das Wort. Gestatten Sie mir an der Stelle noch, dem Abgeordneten zur Geburt seiner Tochter Lara Helene Victoria am 2. Februar sehr herzlich zu gratulieren. – Alles Gute für Sie!

[Allgemeiner Beifall]

Danke schön! – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste!

Das Abgeordnetenhaus hat das Recht …, zur Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche oder bedeutsame Sachverhalte in einem Lebensbereich Enquete-Kommissionen einzusetzen.

So heißt es etwas verkürzt in § 24 der Geschäftsordnung. Entsprechend sind Enquete-Kommissionen nach allgemeinem Verständnis überfraktionelle Arbeitsgruppe, die langfristige Fragestellungen lösen sollen, in denen unterschiedliche juristische, ökonomische, soziale oder auch ethische Aspekte abgewogen werden müssen. Entsprechend gründlich sollten Enquete-Kommissionen die ihnen gestellten Aufgaben bearbeiten. Keinesfalls sind nach unserer Auffassung Enquete-Kommissionen dafür

(Christian Goiny)

gedacht, im Schnellschussverfahren zentrale Elemente unserer repräsentativen Demokratie auszuhebeln, wie es hier von der AfD mit diesem Antrag versucht wird.

[Zuruf von der AfD: So ein Quatsch!]

Offensichtlich ist sich die AfD-Fraktion selbst nicht ganz klar darüber, was sie mit ihrem Antrag eigentlich will. Ich weiß gar nicht, ob Sie den Antrag gelesen haben.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Ich habe ihn geschrieben!]

In Punkt 3 des Antrags heißt es: Der Abschlussbericht soll im Herbst 2019 vorgelegt werden

[Frank-Christian Hansel (AfD): 2020!]

also in anderthalb Jahren. In der Begründung des Antrags wiederum heißt es, dass es keinen Zeitdruck bei der Arbeit geben soll, und ebenso heißt es in der Begründung, es solle ohne Entscheidungszwänge gearbeitet werden. Zugleich wird aber im Antragstext selbst schon sehr weitgehend versucht, das Arbeitsergebnis der Kommission vorherzubestimmen.

[Zuruf von Karsten Woldeit (AfD)]

Der Antrag ist nicht nur in sich widersprüchlich, sondern zeigt auch die weitgehende Unkenntnis oder Missachtung der AfD für zentrale Verfassungsgrundsätze. Exemplarisch will ich hier nur die von der AfD angedachte Aushöhlung des Subsidiaritätsprinzips nennen. Das Subsidiaritätsprinzip besagt, dass den jeweils unteren Einrichtungen zur Behandlung und Entscheidung vorbehalten bleiben soll, was sie in der Lage sind zu behandeln und zu entscheiden. Mit Ihrem Verstoß dagegen, werte AfD, wollen Sie die Bezirke durch Bezirksausschüsse im Abgeordnetenhaus weitestgehend entmündigen. Ich sage Ihnen: Das ist mit der Linken und mit der Koalition nicht zu machen!