Letzte Anmerkung: Fatih Ben M., den Sie hier genannt haben, war nie als Gefährder eingestuft. Der ist auch aufenthaltsrechtlich keine Sache Berlins, das ist alleinige Zuständigkeit Sachsens und damit auch alle aufenthaltsbeendenden Maßnahmen. Nicht die Berliner sind dafür zuständig, sondern Sachsen. Hier liegen Sie auch daneben. Bei Licht betrachtet bleibt von Ihrem ganzen Antrag nicht viel übrig. Deswegen sollten wir den entscheidenden Punkt aufnehmen, nämlich im Bund zu klären, wo Verbesserungen nötig sind oder nicht. Herr Dregger, hinten in der Fraktion zu sitzen, heißt nicht, Hinterbänkler zu sein, sondern auch Sie tragen Verantwortung, nämlich nicht Desinformation zu betreiben, sondern Aufklärung. Das ist mein Appell an Sie. Danke schön, Herr Kollege!
Vielen Dank, Frau Vorsitzende! – Ich weiß nicht, wo Sie Polemik bei mir erkannt haben. Ich habe ausschließlich Zahlen und Fakten vorgetragen. Sie haben darauf hingewiesen, dass die politische Verantwortung dafür, dass wir keine Abschiebehaftplätze haben, angeblich bei der CDU liegt. Ich will diese Legende jetzt ein für alle Mal ausräumen. Wir haben gemeinsam entschieden, die Berliner Haftanstalt aus haushalterischen Gründen zu schließen, und dabei gleichzeitig dafür Sorge getragen, dass es gemeinsam mit Brandenburg ein Ausweichquartier gibt. Das ist Fakt. Es gab immer ausreichende Abschiebehaftplätze bis zum Frühjahr 2017, nach Ihrem Regierungsantritt. Und dann hat die brandenburgische Landesregierung einseitig erklärt, aus irgendwelchen baulichen Gründen müsse diese Anstalt geschlossen werden, ohne einen Ersatz anzubieten. Und seitdem hat Ihr Innensenator hier nichts unternommen. Und dann müssen Sie mir schon gestatten, dass ich die Tatsache thematisiere, dass wir für diese von mir zitierten gefährlichen Personen keine Abschiebehaftplätze besitzen. Dies liegt in Ihrer politischen Verantwortung, und dafür mache ich Sie politisch haftbar.
Noch ein zweiter Punkt ist mir wichtig. Sie sind oberkorrekt bei der Frage, warum ich eigentlich Abschiebungshaft beantragen und gerichtlich anordnen lassen darf. Selbstverständlich dient die Abschiebungshaft der Sicherung der Abschiebung. Aber ich sage Ihnen mal ganz ehrlich, wenn die Voraussetzungen der Abschiebungshaft
vorliegen, dann beantrage ich die und nutze damit jedes rechtsstaatlich mir zur Verfügung stehende Mittel, um gefährliche Personen aus dem Verkehr zu ziehen. Das hat selbstverständlich auch einen gefahrenabwehrrechtlichen Aspekt, und wenn Sie den nicht wahrnehmen, dann müssen die Berliner sich nicht wundern, dass die Zahlen runtergehen und dass weiterhin gefährliche Personen in unseren Straßen unterwegs sind. Und das können wir nicht verantworten.
Dritter und letzter Punkt: Der Fall der Susanne F., den Sie angesprochen haben, der Mord in Tiergarten im September. Der Hauptverdächtige hätte drei Monate vor Erreichen seiner Volljährigkeit, also im Mai 2017, in Abschiebungshaft genommen werden können. Das ist von Ihrer Senatsverwaltung oder der entsprechenden Behörde nicht beantragt worden, und damit hat man sich um ein rechtsstaatlich zur Verfügung stehendes Mittel gebracht, um für Sicherheit zu sorgen.
Und dass Fatih Ben M. kein Gefährder ist, mag so sein. Aber immerhin hat das Amtsgericht Tiergarten ihn als solchen bezeichnet. Ich habe in meinem Antrag gar nichts Entsprechendes behauptet. Es ist jedenfalls eine gefährliche Person, gegen die elf Ermittlungsverfahren laufen, die sich mehrfach der Abschiebung entzogen hat, die 18 Aliasidentitäten missbraucht hat, und da muss ich Ihnen ehrlich sagen, wenn ich dann politische Verantwortung trage, nutze ich jedes rechtsstaatlich mir zur Verfügung stehende Mittel, um diese Leute aus dem Verkehr zu ziehen und abzuschieben. Und das können Sie leider nicht leisten. Da sind Sie gescheitert. – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Herr Kollege Dregger! Zunächst mal muss ich Ihnen sagen, dass wir selbstverständlich alles beantragen, wenn die rechtliche Prüfung ergibt, dass es nötig und möglich ist, Abschiebungshaft zu beantragen. Wir werden aber immer auch berücksichtigen, wie die Rechtsprechung aussieht. Was Sie als oberkorrekt bezeichnen, ist der Grundsatz der Rechtmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, zu dem die Verwaltung verpflichtet ist. Sie muss dabei auch die aktuelle Rechtsprechung beachten. Das können Sie nicht einfach so beiseite wischen, und das macht die Verwaltung.
Der Fall des Tschetschenen war genau so ein Fall, wo es darauf ankam, ob er als damals noch Minderjähriger zurückgeführt werden konnte oder nicht. Es kam auf die Kooperation der russischen Behörden an. Da die nicht
vorlag, war die Prognose, dass es nicht möglich war, einen erfolgreichen Antrag zu stellen. Das war der entscheidende Punkt, warum dort nicht weiter vorgegangen werden konnte.
Sie sollten aufhören, hier Einzelfälle so darzustellen und so zu drehen, zu deuten, zu interpretieren, als sei damit beweisbar, dass wir hier angeblich nicht zielgerichtet, effizient oder engagiert genug vorgehen. Es liegt an der Beteiligung verschiedener Verfahrensbeteiligter, so wie die anderen Länder, hier z. B. Sachsen, beteiligt sind, so wie die Staatsanwaltschaft beteiligt ist, so wie ein Richtervorbehalt für die Anordnung der Haft gegeben ist. All diese Stellen müssen zusammenarbeiten, und Sie glauben doch nicht, dass wir hier durch irgendeine politische Vereinbarung alle diese Institutionen beeinflussen, indem wir nicht gegen kriminelle Ausländer vorgehen. Das ist absurd, und das weise ich hier für uns auch zurück.
Letzte Anmerkung: Sie werden ja wohl nicht bestreiten wollen, dass wir hier auf rechtsstaatlichen Verfahren bestehen. Ich glaube nicht, dass Sie etwas anderes wollen. Genau das ist die Linie dieser Koalition und dieses Senats. Wir werden alles tun, um auch bei Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zum Schutz der Allgemeinheit die richtigen und nötigen Instrumente anzuwenden. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Vielen Dank, Herr Zimmermann, für diesen hochinteressanten Redebeitrag! Und vielen Dank auch, Herr Dregger, für die insgesamt sehr aufschlussreiche Redeführung in diesem Punkt! Wissen Sie, es zeigt sich hier das eigentliche Dilemma. Ich kann Ihre besondere Herausforderung nachvollziehen, Herr Zimmermann! Sie sind in einer Koalition, die keine Abschiebungshaft und keinen Abschiebungsgewahrsam haben möchte.
Sie sind in einer Koalition, die offensichtlich auch gar keinen politischen Willen zu diesen Maßnahmen hat, wo der innenpolitische Sprecher der Linkspartei gesagt hat, jede Abschiebung sei eine Abschiebung zu viel,
und wo Frau Katina Schubert, immerhin die Landesvorsitzende der Linkspartei, vor zwei Monaten hier im Plenum sinngemäß erklärt hat, ihr sei es doch eigentlich egal, ob ein Anschlag in Deutschland oder im Ausland passiert. Das ist die Haltung des Senats. Dass Sie da natürlich in die Bresche springen müssen und dass Sie da zwischen Baum und Borke stehen, das ist schwierig, aber Sie sind in dieser Koalition, und diese Verantwortung tragen Sie. Da können Sie sich hin und her winden, das ist Ihre Verantwortung, Herr Kollege Zimmermann!
Es ist auch nicht zielführend, wenn Sie dann der CDU Polemik vorwerfen. Es ist genauso wenig zielführend, wenn der Kollege Dregger vorhin in der Aktuellen Stunde in seiner – ich will es mal so sagen – nicht optimalen Performance, man hält sich ja an die Gepflogenheiten, uns eine fehlerhafte Themenbesetzung anheftet, wir würden quasi nur das Parlament missbrauchen, um irgendwie zu polarisieren. Herr Dregger! Ich finde es schon mal sehr gut, dass Sie mit dem heute vorliegenden Antrag eines gemacht haben, Sie haben nämlich bestätigt, dass die politische Linie der AfD-Fraktion vollkommen richtig ist.
Wir haben genau diese Thematik vor zwei Monaten hier im Plenum gehabt, und das war auch richtig und notwendig. Ich freue mich, dass sogar die CDU mittlerweile lernt und der politischen Wegführung der AfD folgt. Dafür sage ich: Herzlichen Dank, Herr Kollege!
Was Ihnen mitunter in diesem Kontext missfällt, sind in der Tat die harten Zahlen. Wir haben in Berlin nicht einen ordentlichen Haftplatz im Abschiebungsgewahrsam. Was Sie mit Tegel ansprachen, ist quasi nichts anderes als ein Kompromiss. Wir haben aber in der Tat – und das haben die Zahlen der letzten Anfragen gezeigt – über 11 700 vollziehbar ausreisepflichtige Asylantragsteller. Wir haben nur im Land Berlin 40 000 abgelehnte Asylverfahren. Wir haben natürlich in diesem Kontext, wenn wir im Schwerpunkt sehen, dass es halt nicht die klassische syrische Familie mit den beiden Mädchen und den Kulleraugen war, sondern es ist eine Tatsache, dass es sich größtenteils um junge Männer von 18 bis 29 Jahren handelt, mitunter aus den Maghreb-Staaten.
Wenn diese Menschen keine Perspektive haben, wo geht es denn hin? – Es geht in die Illegalität. Es ist ein Fakt, dass wir ein immenses Sicherheitsrisiko haben. Noch mal: 11 700 vollziehbar Ausreisepflichtige.
Wir haben vorhin schon den einen Punkt rausgestellt. Das war der Punkt Fatih Ben M. Da hatte ich eine sehr komische Überlegungsweise im Rahmen der Aussage eines
Leitungsbeamten vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Untersuchungsausschuss – ich bin gleich fertig, keine Zwischenfragen jetzt –, der uns erklärte, dass der sogenannte EASY-Gap – den muss ich kurz erläutern: EASY ist ein Verteil- und Dokumentationssystem im Rahmen von Asylantragstellern – komplett aufgearbeitet ist, solche Dinge wie Mehrfachidentitäten könnten eigentlich nicht mehr auffallen, das sei jetzt alles geregelt und nachgearbeitet. Ich konfrontierte ihn übrigens auch noch mal mit einer Schriftlichen Anfrage von mir, wie denn der Stand in Berlin ist, wo der Senat sinngemäß gesagt hat, wir wissen gar nicht, wie viele hier in Berlin sind.
Nach dieser Aussage, wir haben alles aufgearbeitet, kommt so ein Fall: ein Tunesier, 18 Aliasse, 11 Strafermittlungsverfahren, mehrfach der Abschiebung entzogen, und er wird festgesetzt. Wir haben dementsprechend auch die Umstände: Fluchtgefahr, Verdunklungsgefahr, eventuell Gefahr im Verzug. Und was passiert? – Er wird auf freien Fuß gesetzt. Das Versäumnis liegt nicht bei der Polizei. Das Versäumnis liegt in den Umständen der Politik. Hier ist der politische Wille nicht da. Das ist ein Fakt, Herr Zimmermann!
Dann führen Sie eine Stellvertreterdebatte. Die ist vollkommen falsch. Es geht doch nicht darum zu sagen: Ja, was ist denn mit dem Opferbedenken, wenn einer eine Straftat begangen hat, die dann nicht gesühnt wird, oder Ähnliches? Ist es eine Frage, ob er Gefährder ist und kein Gefährder? Ist es eine Frage, ob er aufenthaltsrechtlich in Sachsen oder NRW – im Fall Amri – oder Berlin geführt ist? – Das ist vollkommen irrelevant.
Die Menschen wollen Sicherheit. Wenn sich Hinterbliebene vom Terroranschlag nach dieser Schlagzeile bei mir melden und aufgrund dieses Umstands erschüttert sind, kann ich das nachvollziehen. Das kann jeder vernünftige Mensch nachvollziehen. Noch mal mein Appell: Kommen Sie der Verantwortung nach und sorgen Sie für die innere Sicherheit! – Danke!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Dregger! Richtig zitieren können Sie ja.
Die Koalition hält Abschiebungshaft und Abschiebungsgewahrsam grundsätzlich für unangemessene Maßnahmen und wird sich deshalb auf Bundesebene für deren Abschaffung einsetzen.