Aber wie sieht es derzeit in der Praxis aus? – Ja, es gibt eine Bedarfsplanung für KV-Ärzte, aber gemäß FDPAntrag wohl für Gesamtberlin. Und wenn man sich die Verteilung innerhalb unserer Stadt genau ansieht, dann werden facharztbezogen mitunter ganz enorme Unterschiede im Versorgungsgrad offengelegt. Es ist aber mitnichten so, wie die FDP in ihrer Begründung vielleicht insinuiert, dass sich die ambulant arbeitenden Ärzte seit der Aufhebung der zwölf Planungsbereiche nun ihren Sitz innerhalb Berlins quasi aussuchen können. Es gibt selbstverständlich nach wie vor Steuerungsmöglichkeiten – das hat Herr Dr. Albers eben freundlicherweise schon aufgezeigt.
An dieser Stelle möchte ich meine Redezeit aber auch kurz nutzen, um den Bürgern drei der eklatantesten Auffälligkeiten innerhalb Berlins zu präsentieren – immer ausgehend von einem wünschenswerten Versorgungsgrad von 100 Prozent. So ist die Berufsgruppe der Psychotherapeuten in Charlottenburg-Wilmersdorf laut Statistik mit 452 Prozent deutlich überrepräsentiert, in MarzahnHellersdorf mit 49 Prozent jedoch weit unterrepräsentiert. Sind die Menschen in Marzahn-Hellersdorf nun psychisch gesünder und weniger bedürftig? – Denken Sie sich Ihren Teil selbst! Oder nehmen wir die Neurologen, dem Laien auch als Nervenarzt bekannt. Diese Facharztgruppe schlägt im schönen Charlottenburg-Wilmersdorf mit satten 202 Prozent zu Buche. In Treptow-Köpenick hingegen müssen die Patienten länger suchen, denn dort beträgt die Abdeckung nur 71 Prozent. Zu guter Letzt seien noch die Kinderärzte erwähnt. So gibt es in Steglitz-Zehlendorf eine Versorgung von 181 Prozent, in Neukölln, einem der kinderreichsten Bezirke, nur von 95 Prozent.
Insgesamt ist für Berlin aus meiner Sicht aber folgendes Fazit zu ziehen: Es gibt keinen Grund zur Panik hinsichtlich der ambulanten ärztlichen Versorgung. Vielleicht will die FDP auch einfach nur mal wieder auf hohem Niveau meckern. Denn streng genommen muss nämlich, wenn man sich die nackten Zahlen anguckt, facharztübergreifend in Berlin eher von einer Überversorgung ausgegangen werden als von einer Unterversorgung – die CDU hat zuvor bereits davon gesprochen.
Ja, es ist zutreffend, dass bezirks- und stadtteilbezogen mitunter deutliche Versorgungsunterschiede bestehen. Und genau hier gilt es auch, gemeinsam zu überlegen, wie gegebenenfalls nachgesteuert werden kann. Aber wenn man sich die Situation im ländlichen Bereich vergegenwärtigt, beispielsweise in Mecklenburg-Vor
pommern, dann dürfen wir uns in Berlin, was die Arztdichte betrifft, nun wahrlich glücklich schätzen. Jedenfalls müssen wir keine gefühlte Weltreise unternehmen, um überhaupt zum Facharzt zu gelangen. Auf eine uns alle erhellende Expertenanhörung zum vorliegenden Antrag im Ausschuss bin ich jedenfalls gespannt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Pieroth-Manelli jetzt das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die ärztliche Versorgung in Berlin ist wichtig. Das Problem sind bekanntlich nicht die fehlenden Praxen, sondern die ungleiche Verteilung der Praxen über unsere Stadt. Hier
einmal ein persönliches Beispiel: Ich bin bei der Techniker Krankenkasse versichert. Mein langjähriger Augenarzt hat eine Praxis in Steglitz-Zehlendorf. Im Dezember habe ich mich dort um einen Termin bemüht. Ich habe auch einen bekommen – im April dieses Jahres. Vier Monate auf den Facharzttermin zu warten, das geht nicht nur mir so, das geht Herrn Standfuß so und vielen Berlinerinnen und Berlinern. Hier wird die ungerechte Verteilung der Praxen besonders deutlich.
Die FDP behauptet nun, dass die Änderung des Planungsraums durch den gemeinsamen Bundesausschuss die Ursache für die Wanderungsbewegung der Ärzteschaft in Berlin war. Vordergründig kann das sein. Aber wir müssen uns doch fragen, warum die Ärztinnen und Ärzte denn überhaupt auf Wanderschaft gehen. Warum verlassen sie eine gut eingerichtete Praxis mit festem Personal und einem Stamm an Patientinnen und Patienten? – Das liegt schlicht und einfach daran, dass es in einigen Teilen unserer Stadt mehr Privatpatientinnen und Privatpatienten gibt als in anderen, und daran, dass Ärztinnen und Ärzte an Privatversicherten mehr Geld verdienen. Da können Sie Versorgungsbereiche sonst wie stricken, diesen Umstand werden Sie dadurch nicht ändern können. Diesen Umstand können wir nur mit einer Bürgerinnen- und Bürgerversicherung ändern.
Wenn Ärztinnen und Ärzte aus monetären Gründen keine Unterschiede in der Versorgung machen, dann gibt es auch keinen Grund, in einen reicheren Stadtteil zu ziehen. – Meine Damen und Herren von der FDP, aber auch die CDU sollte das aus Berlin an Herrn Spahn mitnehmen! Die Lösung für Ihr Problem ist nach wie vor in erster Linie die Bürgerinnen- und Bürgerversicherung.
Das heißt natürlich nicht, dass man auf Landesebene nicht auch etwas tun kann. Das 2013 eingerichtete gemeinsame Landesgremium beschreitet da den richtigen Weg. Herrn Czajas Letter of Intent zeigt heute erste Erfolge. Die ganz große Wanderungsbewegung ist gestoppt und ein neuer Weg in der Steuerung der Versorgung eingeschlagen. – Lieber Sebastian Czaja! Ich habe selbst Geschwister. Manchmal kann es schwierig sein, das anzuerkennen, was Ihr Bruder da auf den richtigen Weg gebracht hat. Er ist die ersten positiven Schritte gegangen.
Diesen guten Weg geht unsere Senatorin jetzt weiter und setzt noch einen obendrauf. So hat sie Sonderzulassungen für zehn pädiatrische Praxen erwirkt. Dabei wird auch meine Fraktion mit darauf achten, dass diese Praxen dort aufgemacht werden, wo der Bedarf am größten ist. Wir teilen das Ziel einer gerechten, flächendeckenden ärztlichen Versorgung in Berlin. Und das werden wir auch hinbekommen.
Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.
Ein Update für den Rundfunkstaatsvertrag – Digital- und Spielekultur durch Verzicht der Lizenzierungspflicht lebendig halten
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als im letzten Jahr vereinzelte Landesmedienanstalten damit begonnen haben, Onlineangebote wie von PietSmiet, Angebote von Youtubern oder Twitch als lizenzpflichtige Rundfunkprogramme einzustufen, entflammte im Wahlkampf unter allen Parteien eine hitzige Debatte darüber, welche Rolle Onlineinhalte in der bestehenden, immer noch analog geprägten Medienwert nach Lesart des Rundfunkstaatsvertrages einnehmen sollten. Geblieben ist vom Aufschrei der Parteien aus allen Bundesländern nicht mehr viel. Wir, die Freien Demokraten, wollen dies nunmehr ändern und auch auf Bundesebene die Thematik mit der heutigen Initiative erneut auf die politische Tagesordnung setzen.
Die Welt ändert sich durch Digitalisierung, auch und insbesondere die Medienwelt. Wir fragen, ob die im Rundfunkstaatsvertrag festgelegte Definition für Rundfunk im Zeitalter digitaler Medien nicht einer neuen Begriffsbestimmung bedarf, und wir wollen die Diskussion im Land Berlin darüber neu entfachen. Die rechtlichen Vorgaben, unter denen digitale Inhalte produziert und konsumiert werden, müssen in Anbetracht der digitalen Veränderungen neu verhandelt werden.
Innerhalb der letzten fünf Jahre hat die Verbreitung von linear programmierten audiovisuellen Inhalten immer mehr an Bedeutung gewonnen. So hat Youtube bei allen Jugendlichen das klassische lineare Fernsehen als Leitmedium komplett abgelöst. Und wer hätte gedacht, dass
einmal Tausende von Menschen anderen im Livestream zuschauen, wenn sie Minecraft, League of Legends, Overwatch oder Counter-Strike spielen? Mit den bestehenden Regulierungen der analogen Radio- und Fernsehepoche werden wir die Chancen und Herausforderungen der digitalen Zukunft, des digitalen Zeitalters nicht mehr stemmen können.
Wir wollen neue, wir wollen schnelle und wir wollen unbürokratische und pragmatische Wege für diejenigen Menschen eröffnen, die Meinungsvielfalt aktiv mitgestalten wollen, die Lust an der digitalen Kommunikation haben. Aus diesem Grund fordern wir die Aufhebung der Lizensierungspflicht für Livestreaming und WebTV.
Wir glauben im Übrigen auch, dass man durchaus über eine komplette Reform des Rundfunkstaatsvertrages nachdenken muss. Das Regelwerk muss auf die Möglichkeiten und Gegebenheiten des Internets angepasst werden. Was wäre denn daran schädlich, wenn kein Zymer mehr eine kostenpflichtige Rundfunklizenz beantragen müsste, sondern stattdessen lediglich beispielsweise Informationen zu seiner Person und zum Programminhalt an die Landesmedienanstalt mitteilen müsste? Was wäre denn, wenn wir stärker auf die Verbreitung wahrer Inhalte setzen und Fake-News wirkungsvoll auch mit Meinungsvielfalt im Internet bekämpfen würden?
Ich glaube, dass Angebotsvielfalt einen Gewinn darstellt; und wir sollten sie fördern. Jeder User sollte die Möglichkeit haben, Livestreams zu produzieren und ins Netz zu stellen, ohne dafür zusätzliche Kosten tragen zu müssen. Ich freue mich auf einen offenen und konstruktiven Diskurs. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Seitdem sich die digitalen Technologien in unserem Alltag selbstverständlich verbreitet haben und weite Teile der Gesellschaft über die praktischen Möglichkeiten verfügen, rund um die Uhr online zu sein, beobachten wir einen Strukturwandel der Öffentlichkeit, dessen Folgen wir auch 15 Jahre nach Einführung von Facebook und Youtube nicht abschließend beurteilen können. Sicher ist, dass die digitalisierte Kommunikation weiterhin
wachsende Bedeutung hat – für unsere Wissens- und Meinungsbildung, für unsere sozialen Beziehungen oder auch nur für die Art, wie wir unsere Freizeit organisieren.
Gerade die Beurteilung von neuen Technologien stellt unsere gesetzlichen Instrumente immer wieder auf die Probe. Die neuerliche Änderung des Rundfunkstaatsvertrages entspricht dieser Tatsache. Seine Novellierung soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass seine Festlegungen im Großen und Ganzen richtig sind. Auch der im Rundfunkstaatsvertrag definierte Rundfunkbegriff ist nützlich. Videokanäle und Streaming-Fernsehangebote gehören demnach zu den Rundfunkangeboten, weil sie über ein Medium verbreitet werden, mit dem sie mehr als 500 Personen erreichen – Rundfunk eben.
Rundfunk muss verantwortungsbewusst behandelt werden, weil er viele Bürger zugleich anspricht. Darum sind auch Web-TV- und Streaming-Anbieter verpflichtet, bei den Landesmedienanstalten ihre Prüfung und Zulassung zu beantragen und eine Gebühr zu entrichten, die in einem verhältnismäßig niedrigen Bereich liegt. Zugegeben, die Zulassungspflicht von Web-Video-, Web-TV- und Streaming-Angeboten betrifft vielleicht ein paar Dutzende Kanäle, die tatsächlich ein Publikum von 500 und mehr Usern erreichen und eher in der Lage sind, die Zulassungsgebühr aufzubringen. Sie betrifft daneben aber ungleich mehr Anbieter und Kanäle, die wenig Publikum haben, niemals Einnahmen erzielen werden und dennoch einen Beitrag für ein freies und offenes Internet als Grundlage für gesellschaftliche, wirtschaftliche und demokratische Teilhabe leisten.
Angesichts dieser vielfältigen Problemlagen haben wir in unserer Koalitionsvereinbarung selbstverständlich auch die Novellierung des Rundfunkstaatsvertrages aufgenommen. Unter anderem debattiert Berlin gemeinsam mit den anderen Ländern auch die Frage, die sich im Antrag der FDP wiederfindet. Denn viel weiter wagt sich die liberale Medienpolitik nicht, als die Streaming-Anbieter – wie es die Medienanstalten auch selbst schon vorgeschlagen haben – wie Digitalradio zu behandeln und die Zulassungspflicht in eine Anzeigepflicht umzuwandeln.
Wir durchdenken die Variante, die Zulassungspflicht für Rundfunkangebote, die über herkömmliche Übertragungstechnologien verbreitet werden, beizubehalten und gleichzeitig die Anzeigepflicht für Streaming
Fernsehangebote zu normieren. Wir prüfen also, ob und inwieweit der aktuelle Rundfunkbegriff und die daran gekoppelte Zulassungspflicht für Streaming-Angebote im Internet noch zeitgemäß ist. Und wir denken auch über weitergehende Liberalisierungsmöglichkeiten nach. Angesichts deutlich gewachsener Internetnutzung, aber auch in Anbetracht der Tatsache, dass die Regelung, die die FDP vorschlägt, nicht technologieneutral wäre und die Frage aufwirft, ob sie mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz in Artikel 3 des Grundgesetzes vereinbar ist, gilt es,
über den Tellerrand des FDP-Antrags zu schauen. Darum ist es auch sinnvoll, die Zulassungspflicht einer generellen kritischen Überprüfung zu unterziehen, denn wir wollen erreichen, dass der Rundfunkstaatsvertrag ein zeitgemäßes Regelwerk ist, das die Rechte und Pflichten von Rundfunk festlegt. Aus diesem Grund unterstützen wir die Beratung, die Berlin im Verbund mit den anderen Ländern führt. Den FDP-Antrag unterstützen wir nicht.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussion zu dem Thema gibt es ja unabhängig von Anträgen einzelner Fraktionen hier im Hause. Das haben diejenigen, die sich schon länger mit Medienpolitik beschäftigen, ja auch in der Vergangenheit erfahren. Die Spannbreite der Diskussion ist in der Tat relativ groß. Wir haben die Diskussion über die Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in diesem Land, wir haben die Interessen der Verleger, die diese natürlich auch im Netz gewahrt sehen wollen, und wir haben die vielen anderen, die – wenn man so will – zum ersten Mal mit dem Thema Rundfunkbegriff in Berührung kommen, weil sie entsprechende Angebote im Netz präsentieren. Genauso vielfältig, wie die Diskussionslage ist, die sich daraus ergibt, muss man diese Diskussion am Ende des Tages auch führen. Da gibt es interessante Diskussionsbeiträge, die aus unterschiedlichen Staatskanzleien und Bundesländern kommen, von denen aber noch keiner der Weisheit letzter Schluss ist, wie wir finden. Ich glaube, es ist auch richtig, dass man das hier nicht mit einer simplen Antwort beantwortet.
Waren in der Vergangenheit das Thema Frequenzknappheit und die entsprechend hohen Marktzugangsmöglichkeiten klare Gründe dafür, warum man hier eine entsprechende Lizenzierungspflicht hatte, trifft das natürlich heute im Netz nicht mehr so zu, weil Kapazitäten und Möglichkeiten dort unbegrenzt vorhanden sind. Auf der anderen Seite hat auch das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit immer wieder darauf hingewiesen, dass insbesondere Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft des Rundfunks eine besondere Reglementierung rechtfertigen. Wenn es tatsächlich so ist, dass das Internet immer mehr die Verbreitungsmöglichkeit und die Plattform wird, auf der auch Informationen und Nachrichten wahrgenommen werden, dann stellt sich sowohl für die, die das dort privat anbieten, als auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Frage: Kann eine Anzeigepflicht allein ausreichen, oder gibt es weitergehende Regelungen?