Protokoll der Sitzung vom 08.03.2018

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Noch einmal ein herzlicher Glückwunsch auch meiner Fraktion zum Internationalen Frauentag! Ich wurde gebeten, keine Brandrede zu halten, und werde mich deshalb auch daran halten. Ganz kurz noch zu meinen Vorrednerinnen. Das waren jetzt keine Männer, sondern Vorrednerinnen. Einmal ist es natürlich gelogen, Frau Vogel, dass wir das Gleiche vorlegen wie im letzten Jahr. Kurz zur Erinnerung, denn ich habe an dem Antrag auch im letzten Jahr natürlich mitgeschrieben: Es ging um zwei Meilensteine, die wir Ihnen vorstellen wollten, die wir schon nach knapp drei Monaten der gemeinsamen Regierung erarbeitet hatten. Das war erstens, wenn ich Sie noch einmal erinnern darf – ich glaube, Sie wissen ganz genau, was darin stand –, das siebte Berliner Frauenhaus. Was Sie daran so schlimm finden, dass Berlin jetzt perspektivisch am Jahresende ein siebtes Berliner Frauenhaus bekommt, kann ich nicht nachvollziehen. Aber das können Sie mir nach der Rederunde gern noch einmal erklären.

Punkt zwei war, dafür haben wir sehr lange gekämpft, dass es eine Unterstützung gegen Cybergewalt, Gewalt im Internet speziell gegen Frauen und Mädchen gibt. Was daran jetzt ein Schaufensterantrag war, weiß ich nicht, denn die Gelder sind da. Das Projekt FRIEDA hat einen großen Teil dieser Gelder bekommen, hat Leute eingestellt und macht eine ganz hervorragende Arbeit. Dankenswerterweise hat der Innensenator eine Kampagne aufgelegt: Wie wehre ich mich gegen Gewalt im Netz. – Dafür möchte ich mich hier auch noch einmal herzlich bedanken. Das kam auch gerade rechtzeitig vor dem 8. März 2018.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Innensenator! „Wehr dich. Gegen Cyberstalking“ heißt diese Kampagne. Sie war dringend notwendig. Was das jetzt mit diesem Antrag zu tun hat, das weiß ich nicht. Wir haben natürlich schon wieder perspektivisch bis zum Ende der Legislaturperiode gedacht – das erwartet man übrigens auch von uns – und haben aber auch zwei ganz konkrete Punkte aufgenommen. Das war uns auch sehr wichtig. Wir wollten auch konkret etwas vorlegen, was wir 2018 jetzt auch ausführen werden.

Wir fordern Sie auf, diskutieren Sie doch mit uns. Das wird doch interessant. Dieser Antrag wird sofort abgestimmt, weil sich die Koalition darauf verständigt hat, dass wir das jetzt sofort in Angriff nehmen werden. Aber wir bitten Sie, reden Sie mit uns über Gleichstellung und nicht nur über Plattitüden. Da kommt die Kollegin daher und sagt: Ja, die Frau, die „Nein heißt Nein“ sagt und sich vielleicht gegen – ja, was könnte es sein – Vergewaltigung wehrt, die legt einen Keuschheitsgürtel an. Das fasse ich nicht mehr. Wir kann man so etwas im Jahr 2018 denn behaupten,

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

ich wehre mich gegen sexuelle Belästigung, und dann bin ich eine Spielverderberin? Das kann doch wohl nicht wahr sein. Wir möchten mit Ihnen auf niveauvolle Art und Weise diskutieren. Das ist doch nur ein Aufschlag, eine Entschließung, die wir Ihnen heute vorlegen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Vallendar?

Bei Herrn Vallendar, für den Fall, dass er sich meldet, habe ich mir aufgeschrieben: Besser keine Frage als eine schlechte Frage. Deshalb muss ich das leider ablehnen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Wir werden zwei Punkte ganz konkret umsetzen. Wir werden nach dem Hamburger Vorbild diese Information veröffentlichen. Darüber haben gerade die Kolleginnen dankenswerterweise schon länger ausgeführt. Das mache ich jetzt nicht noch einmal en détail. Das wurde in Hamburg rechtlich geprüft. Da gibt es keine Beanstandungen. Das ist eine Unterstützung der Ärztinnen und Ärzte. Das ist alles, was wir machen. Ich freue mich natürlich, wenn trotzdem darüber geredet wird. Man soll über gute Sachen, die man macht, auch reden. Das haben Sie für uns dann miterledigt. Vielen Dank dafür! Ich denke, das ist verhältnismäßig unproblematisch. Sollten Sie Beanstandungen haben, sind wir jederzeit gern bereit, mit Ihnen darüber zu reden. Wir haben einen Ausschuss, Gesundheit, Pflege, Gleichstellung. Dorthin gehört das. Da werden wir das gern noch einmal aufrufen. Wenn Sie damit nicht einverstanden sind, melden Sie einfach einen Besprechungspunkt an. Es ist doch ganz einfach.

Wir finden, dieser § 219a ist wirklich rückwärtsgewandt. Er kommt aus dem Jahr 1933. Vielen von uns sagt das was und nichts Gutes. Er kann natürlich mit dem Inhalt, den er damals transportieren wollte, im Jahr 2018 nicht auf dem Stand sein. Das ist doch selbstverständlich. Solche Paragrafen aus diesen Jahrgängen müssen überprüft werden. Es geht nicht um Werbung, es geht um Information. Das wurde hier schon häufig gesagt. Genau das werden wir als Argument stark machen. Ich bedanke mich da auch beim Justizsenator und bei der Gleichstellungssenatorin, dass sie sofort die Initiative ergriffen haben und gleich Anfang Dezember diese Bundesratsinitiative gestartet haben. Vielen Dank auch dafür! Da werden wir eine Lösung finden.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Sie haben natürlich recht, das wirklich dicke Brett ist natürlich das Gesetz zur paritätischen Besetzung von

Parlamenten. Das bedroht auch sehr viele Menschen aus dem Spektrum, ich sage einmal: von der Mitte ausgehend nach rechts, weil da ganz viele Frauen sitzen. Ich verstehe da auch Ihre Angst. Es geht nämlich um Ihre Sitze. Das ist völlig klar. Sie haben dabei unsere Aufmerksamkeit. Wir sind sehr gespannt, wie Sie argumentieren wollen. Eines ist klar, eine Quote muss her. Sie ist schon 2002 in Frankreich eingeführt worden. Ich weiß gar nicht, ob Sie in der letzten Zeit, in den letzten 15 Jahren, einmal in Frankreich waren.

[Georg Pazderski (AfD): Frankreich hat ein Burka-Verbot!]

Ja, Frankreich ist nicht untergegangen, obwohl sie ein Parité-Gesetz haben.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Das sollte uns zu denken geben, aber auch beflügeln in unserem Bemühen, modernes Wahlrecht einzuführen, denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, seien wir doch einmal ehrlich: Das Berliner Wahlrecht hat so einige Schwächen. Eigentlich dürfte es bei 130 Parlamentssitzen maximal 65 Direktwahlkreise geben, damit es auch hinkommt. Es gibt natürlich auch einen Grund, warum wir hier zu 160 hocken. Wenn wir jetzt einmal 30 abziehen wollen – ich gehe einmal von ganz rechts aus und ziehe 30 Plätze ab –, wäre es auch nicht schlecht, wenn wir das einmal so rechnen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Deshalb hat es sehr viele Vorteile, sich mit dem Paritätsgesetz zu beschäftigten. Wir werden dieses Gutachten auswerten. Es wird noch ein paar Tage dauern, wir haben es ja gerade erst eingereicht, es sollte zum 8. März beim Wissenschaftlichen Parlamentarischen Dienst vorliegen. Alles in allem stehen da zwei sehr konkrete Sachen drin, die diese Gesellschaft wirklich verändern können und hoffentlich auch werden. Denn das ist die Arbeit, die hier R2G macht. Wir wollen wirkliche Veränderungen,

[Lachen von Georg Pazderski (AfD)]

wir wollen keine Schein- und Schaufensteranträge. Deshalb stehen in jedem unserer Entschließungsanträge mindestens zwei sehr konkrete Sachen drin.

Das andere, das Sie für einen Schaufensterantrag halten, dürfen Sie gerne immer weiter überprüfen und uns darauf ansprechen. Wir sehen uns im Ausschuss, Frau Vogel. Ich freue mich drauf.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Frau Abgeordnete Kofbinger! Ich muss Sie darauf hinweisen, dass es unparlamentarisch ist, andere, andere Abgeordnete des Lügens zu bezichtigen.

[Beifall von Stefan Evers (CDU)]

Darauf möchte ich Sie hinweisen.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Ach, so!]

Jetzt hat für die FDP Herr Schlömer das Wort. – Bitte!

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am heutigen Tag für die Rechte der Frauen stellen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft die Rolle der Frauen in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen und Erörterungen. Auch wir, die Fraktion der Freien Demokraten, haben hierzu eine eigene Initiative in die heutige Debatte eingebracht, auf die ich hier vorab gerne einmal verweisen möchte.

[Beifall bei der FDP]

Es geht uns sehr konkret um mehr Prävention und die Begegnung von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, ein wirklich lohnenswerter Antrag. Wir hätten uns sehr gefreut, wenn wir eine Abstimmung darüber zugelassen hätten; das haben Sie nicht getan.

[Holger Krestel (FDP): So sind Sie!]

Leider ist es nicht so bei Ihnen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von Rot-Rot-Grün! Obwohl lange bekannt und jedes Jahr erneut gewürdigt, muss der 8. März wohl für Sie sehr überraschend gekommen sein. Wie ist es sonst erklärbar, dass Sie mit einem solch inhaltsleeren Antrag aufwarten?

[Beifall von der FDP – Anja Kofbinger (GRÜNE): Was?]

Gleichstellung, Geschlechtergerechtigkeit, Gleichstellungspolitik, Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, Aufforderungen zum Frauenkampftag, so wie Sie es nennen, brauchen starke inhaltliche Forderungen und keine schwammigen Aussagen über Gesetze, die irgendwann einmal auf den Weg gebracht werden sollen. Und sie sollten zudem verfassungsgemäß sein.

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Antje Kapek (GRÜNE)]

Noch mehr Bürokratie durch noch mehr Gesetze, die im Übrigen niemandem helfen, das lehnen wir ab. Kennen Sie die Statistiken zum Lohntransparenzgesetz? – Erschreckend niedrige Werte. Solche Gesetze und Ihre Vorhaben entfalten keine Wirkung. Sie schaffen keine grundlegende Veränderung. Wirkliche Gleichberechtigung gibt es so nicht. Was wird denn von den Frauen hier erwartet? – Anpassung an männliche Agitation, hartes Verhandeln: Das kann es doch wohl nicht sein! Ihrer Ankündigung kann man nicht vertrauen.

(Anja Kofbinger)

Nachhaltige Geschlechtergerechtigkeit erreichen Sie anders. Seien Sie doch einmal mutig und ein wenig mehr kreativ! Schöpfen Sie Ihre Potenziale beispielsweise für den eigenen öffentlichen Dienst und mithilfe der Digitalisierung! Ein bisschen mehr Homeoffice, Abkehr von Präsenzzeit, mehr Freiheit und Selbstbestimmung für den öffentlichen Dienst in Berlin, flexible Arbeitszeiten auch in städtischen Unternehmen, das Angebot von Teilzeitkarrieren, die echten Aufstieg ermöglichen, Seiteneinstiegs- und Quereinstiegskarrieren, es gibt so viele Wege. Keinen davon beschreiten Sie.

[Beifall bei der FDP]

Unterstützen Sie doch einfach einmal diejenigen, die sich gleichberechtigt um ihre Kinder kümmern möchten, indem Sie endlich Behördengänge digitalisieren und vor allem mehr Personal einstellen! Dass Kitaplätze im Jahr 2018 noch immer nicht verlässlich per App gesucht und gebucht werden können, ist ein Armutszeugnis für Berlin.

[Beifall bei der FDP]

Dass Elterngeldanträge auf endlosen Papieren ausgefüllt werden müssen, dass Eltern ewig warten müssen, um Kindergeld zu bekommen, ist kein Ausdruck für echten Willen.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Kurt Wansner (CDU)]

Kümmern Sie sich doch beispielsweise doch einmal darum, dass Alleinerziehende nicht mehr monatelang warten müssen, um einen Unterhaltsvorschuss zu bekommen! Hier trifft es doch vor allen Dingen die Frauen.

[Zuruf von Anne Helm (LINKE)]

Wir müssen aber auch selbstkritisch sein innerhalb der Parteien, in allen Parteien und in allen Fraktionen, auch bei den Freien Demokraten. Wir motivieren für die Politik nicht genügend Frauen. Sie sind bei uns unterrepräsentiert. Selbst bei den Grünen sind nur 39 Prozent aller Parteimitglieder weiblich. Hier müssen wir uns alle viel stärker entwickeln. Passen unsere politischen Angebote für die Willensbildung? Schrecken unsere Parteikulturen ab? Was läuft falsch in unseren Debatten, in allen Parteien und Fraktionen?

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Vallendar?

Nein, das ist eben schon gut ausgeführt worden. Ich bin der gleichen Auffassung.