Protokoll der Sitzung vom 22.03.2018

Was aber länger dauert, ist eine gute Politik für Kinder, Frauen und Eltern in Berlin in der Phase der Schwangerschaft und darüber hinaus. Deswegen bin ich froh, dass diese Koalition eine rot-rot-grüne Gesundheits-, Sozial- und Jugendpolitik aus einem Guss macht. Darauf können wir stolz sein.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Lachen bei der CDU und der FDP]

Das bedeutet, wir stärken die frühen Hilfen und den Schutz sofort nach der Geburt. Wir haben mit dem Haushalt 1,5 Millionen Euro im zweiten, 750 000 Euro im ersten Jahr für Babylotsen etabliert, dafür, dass nach der Geburt in jeder Geburtsklinik Hilfesysteme organisiert werden können.

Zweitens: In der Lebensphase danach stärken wir den öffentlichen Gesundheitsdienst, damit zukünftig sofort nach der Geburt ein Ersthausbesuch möglich ist und sichergestellt wird, um den Betroffenen zu helfen. Das ist eine gute Reformpolitik, aber Sie greifen das überhaupt nicht in Ihren Überlegungen auf.

Und wir sind stolz auf die neu geschaffenen Kinderschutzambulanzen und auf das verbindliche Einladungswesen, das damals schon Frau Senatorin Sandra Scheeres in dem Bereich mit aufgebaut hat, als sie noch Abgeordnete war. Der Erfolg gibt uns recht; die Teilnahme von Kindern und Jugendlichen an den Vorsorgeuntersuchungen ist ausgebaut.

Und wir haben die direkten Impfungen in der Schule eingeführt. Wir schützen die Kinder auch mit der Auflegung des Masern-Röteln-Eliminationsprogramms etc.

Sie sehen, meine Damen und Herren von der FDP, die Koalition kümmert sich umfassend um die Situation von Schwangeren und auch von Kindern vor und nach der Geburt.

[Zuruf von Stefan Franz Kerker (AfD)]

Herr Kollege! Ich darf Sie fragen, ob Sie noch eine Zwischenfrage zulassen.

Keine Fragen!

Keine Zwischenfragen!

Lassen Sie mich auf einen weiteren Punkt kommen, der uns sehr wichtig ist! Es kann doch nicht sein, dass die Frauen, die in Deutschland und in Berlin leben und keinen gesicherten Aufenthaltsstatus haben, unter Umständen genötigt wären, auf der Straße zu gebären. Deswegen haben wir bereits vor sieben, acht, neun Jahren eine anonyme Geburt im Krankenhaus eingeführt, damit Frauen keine Angst vor Abschiebung haben und zur Geburt ins Krankenhaus gehen können. Deswegen haben wir in der letzten Zeit, damals begonnen mit Rot-Rot, einen Fonds zur Erstattung der Kosten an die Krankenhäuser aufgelegt.

Jetzt kommt es darauf an, den nächsten Schritt zu gehen. Was passiert mit dem Kind, wenn es geboren worden ist? – Wir wollen nicht, dass diese Kinder keine Hilfe bekommen, dass Säuglinge nicht beim Arzt behandelt werden können. Deswegen führen wir die Clearingstelle und den anonymen Krankenschein ein. Und auch da: Herzlichen Dank an die Senatsgesundheitsverwaltung, die bereits nächste Woche im Senat eine entsprechende Vorlage für eine Clearingstelle, den anonymen Krankenschein und die anonyme Krankenversicherungskarte zur Hilfe für Säuglinge, Kinder und ihre Eltern, die ansonsten keine Hilfe in diesem Versorgungssystem bekämen, besprechen und beschließen kann. Das stellen wir sicher. Das ist eine Reformpolitik. Und ich kann deutlich sagen, ich bin froh, dass wir diesbezüglich nicht mehr genötigt sind, mit der CDU zu koalieren,

[Kurt Wansner (CDU): Wir auch!]

sondern dass wir bei dieser Baustelle entfesselt sind und Sozialpolitik für die Menschen in dieser Stadt machen können. Herzlichen Dank an die Koalition dafür!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von Paul Fresdorf (FDP)]

Lassen Sie uns auch ganz klar sagen: Es hängt auch davon ab, in welche Situation Kinder geboren werden. Der Willkommenswille der Eltern ist hier ganz zentral. Deswegen brauchen wir eine Information über Hilfesysteme. Wir fördern die Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen. Und jetzt kommt es darauf an, die unsägliche Bevormundungspolitik von Ihnen, von der CDU, die Sie mit dem Festhalten am § 219a an den Tag legen, auch noch abzuschaffen.

[Zuruf von Ülker Radziwill (SPD)]

Wir wollen erreichen, dass Eltern wissen können, welche Hilfe da ist, welche Arztpraxen Beratung und Hilfesysteme anbieten, wenn ein Kind ansonsten nicht geboren würden würde und könnte. Dieser Paragraf ist ein Bevormundungsparagraf. Die Koalition möchte, dass er auf Bundesebene abgeschafft wird. Das ist ganz klar.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Dr. Robbin Juhnke (CDU): Das ist eine Bevormundungskoalition!]

Ganz zum Schluss: Die Information muss möglich sein.

[Sebastian Czaja (FDP): Was ist denn mit den Hebammen? Bleiben Sie doch mal beim Thema!]

Es ist gut, wenn die Senatsgesundheitsverwaltung dieses demnächst auf ihrer Homepage veröffentlicht. Und sollte jemand dagegen klagen, dann unterstützen wir das bis zur höchsten Instanz. Die Menschen haben ein Recht auf informierte Selbstbestimmung. Ganz eindeutiger Fall!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Sie sehen, wir haben das im Blick. Wir stärken ein Aktionsprogramm gegen Armut, wir machen ein Aktionsprogramm für Hilfen für Alleinerziehende. Ein Drittel der Kinder – 100 000 – wächst in prekären Situationen auf. Wir sind ganz umfassend dabei, die Hilfe für Menschen, die Kinder bekommen, zu stärken und im Konkreten ein Aktionsprogramm für die Hebammenthematik aufzulegen, das konkrete Hilfen organisiert. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Dr. Ludewig das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!

[Torsten Schneider (SPD): Jetzt wird die Entbindung digitalisiert!]

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Isenberg! Man fragt sich, in welchem falschen Film man ist.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Sie sind sechseinhalb Jahre gesundheitspolitischer Sprecher, und Ihnen fällt jetzt irgendwann im sechsten Jahr auf, dass es Probleme bei den Hebammen gibt. Sie stellen seit anderthalb Jahren die Senatorin für diesen Fachbereich,

[Antje Kapek (GRÜNE): Und wer war vorher?]

die in dem Jahr Verantwortung übernommen hat, als die Geburtenzahlen die absolute Spitze erreicht haben. Und Ihnen fällt anderthalb Jahre später ein, dass Sie ein Aktionsprogramm machen müssen, und stellen sich hier als den Vorreiter hin! Lieber Herr Isenberg! Das war nichts als eine Bankrotterklärung zu Ihrer Politik der letzten Jahre!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Ich freue mich, dass wir das Thema jetzt endlich auf der Tagesordnung haben. Gemeinsam mit der FDP haben wir dieses Thema in den letzten Wochen und Monaten, im letzten Jahr immer und immer wieder sehr intensiv im Parlament nach vorne gebracht, mit Zwischenfragen, mit Anträgen, mit allem.

[Steffen Zillich (LINKE): Und warum vorher nicht?]

Und Ihre Senatorin? Was hat Ihre Senatorin geantwortet auf die Hinweise, es gebe Probleme bei den Hebammen, es gebe Probleme bei den Geburtsstationen, die Kapazitäten reichten nicht aus, Gebärende würden abgewiesen?

[Zuruf von Ülker Radziwill (SPD]

Da hat Ihre Senatorin gesagt, das seien alles Ammenmärchen, das passiere nicht, in Berlin gebe es kein Problem und deswegen keinen Handlungsbedarf. Deshalb hat sie in den letzten anderthalb Jahren in diesem Bereich auch nichts gemacht.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Ülker Radziwill (SPD): Und was hat Senator Czaja jahrelang gemacht? – Zuruf von Silke Gebel (GRÜNE)]

Man kann da gerne laut rufen! – Und das, obwohl es doch im Jahr 2016 mit über 42 600 Neugeborenen deutlich war, dass dringend Handlungsbedarf besteht.

(Thomas Isenberg)

Wir freuen uns ja, Frau Senatorin, dass Sie unseren Antrag vom 18. September 2016 sozusagen im Copy-andpaste-Verfahren übernommen haben und jetzt, anderthalb Jahre später, endlich in Aktion kommen. Wir freuen uns, weil es heißt: Besser spät als nie. Aber ehrlicherweise: Wo waren Sie eigentlich die letzten anderthalb Jahre, als die Eltern und die zu gebärenden Kinder Hilfe brauchten?

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Dieses Aktionsprogramm – ich habe es gerade schon gesagt – geht in wesentlichen Teilen auf unseren Antrag aus dem September 2016 zurück. Richtig, wir freuen uns, dass es mehr Geld für den Ausbau der Kreißsäle gibt. Wir freuen uns, dass es nun endlich mehr Ausbildungsplätze gibt. Wir freuen uns, dass Ihnen jetzt auch auffällt, dass dringend eine Akademisierung notwendig ist, die unsere Senatsverwaltung damals schon einen Modellstudiengang eingeführt hat, wo Sie im letzten Doppelhaushalt nicht in der Lage waren, sich diesem Thema anzuschließen.

[Beifall bei der CDU]

Aber besser spät als nie! Wir freuen uns ja, dass Sie jetzt inhaltlich da angekommen sind. Es wird höchste Zeit.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Super! Super! Super!]

Allerdings haben wir große Sorgen, ob das mit den 20 Millionen Euro nicht am Ende wieder nur ein Taschenspielertrick oder ein Etikettenschwindel ist, lieber Herr Isenberg!

[Hoi! von der CDU – Zuruf von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Jetzt sind sie groß angemeldet. Sind sie denn jetzt sichergestellt? Werden sie von den 30 Millionen Euro kommen, die Sie allen Krankenhäusern versprochen haben? Kommen daher die 20 Millionen Euro? Oder steht das etwa noch unter dem Finanzierungsvorbehalt, dass die ganzen 30 Millionen Euro nachher zum Deutschen Herzzentrum gehen? Sie werden sich daran messen lassen müssen, dass diese 20 Millionen Euro in diesem Jahr den Kreißsälen zur Verfügung stehen. Wenn das nicht der Fall ist, dann haben Sie politisch versagt, liebe Frau Senatorin.