Thomas Isenberg
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Last Statements
Lieber Kollege Stroedter! Können Sie sich Situationen vorstellen, in denen Ihre Ablehnung eines weiteren Lockdowns nicht haltbar sein mag?
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir genießen die Sonnenstrahlen, wir genießen, dass die Erfolge der Eindämmungspolitik der letzten über eineinviertel Jahre langsam sehr gute Effekte zeigen, und wir sehen, dass die Strategie, die eingangs bemängelt worden ist, genau die richtige gewesen ist – nämlich, jetzt dazu zu kommen, zu testen, zu testen und zu testen und zu sehen, dass diejenigen, die dann positiv sind, herausgefiltert werden –, sodass es durch diese Teststrategie möglich gewesen ist, auch schneller Einrichtungen zu öffnen, als es sonst der Fall gewesen wäre.
Der Antrag, der hier vorgelegt wird, über das Testen zu diskutieren, ist aber richtig. Er ist in der Form wie von der AfD vorgelegt natürlich überhaupt nicht übernahmefähig, denn Sie wollen, dass nur noch in Apotheken und Arztpraxen getestet wird. Dafür gibt es keinen Grund. – Wichtig ist aber, dass dort, wo getestet wird, Regeln eingehalten werden. Wir haben von der Senatorin heute gehört, dass wir mehrere Tausend Menschen in Berlin durch diese freiwilligen Tests identifiziert haben, die sonst das Virus weiterverbreitet hätten. Es kann aber nicht sein, dass durch Regelungslücken des Bundes oder auch der Länder oder der Bezirke – und es ist mir egal, wer die Schuld daran hat – weiter mutwillig mit dem Testen Geld abgezockt werden kann, dass es Einfallstor für missbräuchliches Verhalten oder gar für korruptive Tatbestände oder für Betrug ist. Das ist unfair. Es kann nicht sein, dass die Berliner Bevölkerung in Geiselhaft genommen wird, dafür zu zahlen. Es kann nicht sein, dass diejenigen, die Anträge auf wirtschaftliche Hilfen gestellt haben, jetzt teilweise von den Staatsanwaltschaften verfolgt werden, obwohl sie sich selbst gemeldet haben und
das Geld zurückzahlen, und wir hier auf der einen Seite eine Kriminalisierung von gutmütigen Bürgerinnen und Bürgern haben und auf der anderen Seite eine Branche existent ist, durch die Geld abgezockt werden kann. Das darf nicht sein.
Mir ist egal, woran es liegt – ich erwarte am Montag im Gesundheitsausschuss eine detaillierte Darstellung darüber, was die Lücken sind, eine Darlegung dessen, was das Land Berlin auf Bundesebene getan hat, um beim Bundesgesundheitsminister entsprechende Neuregelungen zu erreichen, und gleichzeitig dazu, wie die Kontrolltätigkeit auf Berliner Ebene – egal, ob von der KV oder den Bezirksämtern – gestärkt werden kann, damit die Bürgerinnen und Bürger sicher sein können, dass man dort, wo immer man sich testen lässt, ein seriöses Ergebnis bekommt, und zweitens, dass hier keine Steuermittel zweckentfremdet werden.
Vor diesem Hintergrund möchte ich auch klar sagen: Die vorgelegten Rechtsverordnungen der Verwaltungen zur eingeleiteten Öffnungsstrategie unterstützen wir. An der einen oder anderen Stelle hätte man vielleicht noch ein bisschen zögerlicher sein müssen. Sie wissen, wir tasten uns heran – die Zwischenfrage lasse ich nachher zu – und hoffen, dass die Inzidenzen weiter fallen. Wir sehen zum Glück einen R-Wert, einen Reproduktionswert, der noch weit unter null –
unter eins ist. Wir sehen, dass sich das bundesweit momentan auf 30 bis 35 einpendelt, und wir hoffen, dass wir mit dieser Strategie gut über den Sommer kommen. Natürlich wissen wir aber nicht, wie sich das Infektionsgeschehen im Herbst weiter entwickelt. Insofern müssen wir weiter auf der Hut sein. Wir dürfen auch nicht in einer Sicherheitsillusion leben. Das sage ich ganz klar für jede Bürgerin und jeden Bürger des Landes Berlin: Halten Sie sich weiter an Abstands- und Hygieneregelungen! Wir sind noch nicht durch. Es ist momentan der gute Weg eingeleitet, aber es kann im Herbst auch schnell die Situation kommen, in der sich alles wieder dreht. – Zwischenfrage, sehr gerne!
Die Gesundheitssenatorin ist meiner Kenntnis nach entschuldigt, weswegen der Staatssekretär hier ist. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass sie sich im Nachgang das Protokoll durchliest und die Debatte natürlich auch online anschauen wird,
um dann am Montag auch genau diesen Bericht zu diesen Auslassungen, die ihr der Staatssekretär sicherlich vorab schriftlich zusammenfassen wird, im Gesundheitsausschuss liefern zu können. – Herzlichen Dank für diese Frage!
Seien wir weiter auf der Hut! Ich habe schon vor einem halben Jahr gesagt: Wir wissen nicht, ob es eine vierte Welle gibt. Wir sind noch nicht durch. Ich gehe auch davon aus, dass die Situation eintreten kann, dass wir im Herbst/Winter Booster-Impfungen brauchen, gerade für diejenigen, die jetzt schon einen Impfschutz haben – auch dies ist ein Punkt, wo wir weiter Fairness in der Gesellschaft brauchen. Ich habe Schwierigkeiten, den chronisch Kranken, die bei mir im Wahlkreisbüro anrufen und sagen, sie seien Chroniker, noch nicht geimpft und wüssten nicht, wann sie den Impftermin im Juli bekommen können, zu sagen, dass alles in Ordnung sei, weil jetzt die Betriebsärzte an die Reihe kommen und Impfstoffe bekommen, dass die Schülerinnen und Schüler demnächst alle geimpft werden, obwohl sie vielleicht gar nicht asthmakrank sind – aber: Du als chronisch Kranker bist noch nicht dran, und wir wissen auch nicht, wann du geimpft wirst. – Wir haben an dieser Baustelle ein Fairnessproblem. Auch hierzu erwarte ich im Gesundheitsausschuss am Montag eine Darlegung, wie wir gerade für die Bevölkerungsgruppen, die einen gesundheitlich prioritäres Impfbedürfnis haben, einen schnellen Zugang zu Impfungen bekommen können.
Sie sehen, wir sind optimistisch, den Sommer gut zu gestalten, aber wir müssen die Fairness, die wir der Bevölkerung abgerungen haben, auch weiter ausgestalten. Das geht nicht, wenn sich in den nächsten Wochen die Ellbogen durchsetzen, sondern nur, wenn der Zusammenhalt weiter gewahrt wird und wir alle auf der Hut bleiben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, es ist ein großer Erfolg, den die Berlinerinnen und Berliner errungen haben, nämlich das Sinken der Inzidenzwerte. Das ist wahrhaftig ein langes Leiden, das wir über Eineinvierteljahr durchschritten haben, und wir sehen jetzt, dass diese notwendigen Einschränkungen erfolgreich gewesen sind. Die Inzidenz galoppiert diesmal nach unten und nicht nach oben: ca. 30 Prozent weniger Neuinfektionen innerhalb von sieben Tagen.
Dieser Trend setzt sich nach gegenwärtigen Erkenntnissen fort, und deswegen ist es natürlich logisch – nicht alles auf einmal, Herr Czaja, da vergaloppieren Sie sich und gehen unnötige Risiken ein –, Schritt für Schritt
(Sebastian Czaja)
weitere Öffnungen durchzuführen. Und ausdrücklich das, was der Senat macht, reflektiert die Debatte der Mehrheit dieses Hauses, nämlich nicht nach politischem Opportunismus zu sagen: Wir gehen wieder in einen Überbietungswettbewerb rein, so wie im letzten Jahr. – Sondern wir haben aus den politischen Fehlern der Debatte des letzten Sommers gelernt, und eröffnen Schritt für Schritt.
Das Leitbild dabei ist ganz gut, nämlich erst mal im Außenbereich zu beginnen und dann sukzessive – wie die Zahlen noch besser werden, wie die Impfungen auch weiter voranschreiten – auch im inneren Bereich zu einer Normalisierung zu kommen.
Das Thema ist die siebte Verordnungsänderung der zweiten Infektionsschutzverordnung. Siebte Veränderung der zweiten! Sie sehen, hier ist ein regelmäßiger politischer Justierungsbedarf. Genau deswegen werden wir dem als Koalition zustimmen und haben keinen weiteren Änderungsbedarf zum gegenwärtigen Zeitpunkt.
Es ist eine freudige Nachricht – und da muss man auch den Senat loben und auch die meisten anderen Landesregierungen und auch die Bundesregierung –, dass wir gemeinsam, auch durch die politischen Debatten hier im Hause und die Ressourcen, die wir alloziert haben, in der Lage sind, diese Wege zu gehen. Ich darf daran erinnern: Biontech – Produktionsausweitung in Marburg – wird demnächst 1 Milliarde Dosen im Jahr produzieren. Wir haben jetzt eine weitere massive Steigerung der Impfstoffverfügbarkeit, vom Bund immer wieder angekündigt und hoffentlich auch geliefert, und in dem Sinne funktioniert auch die Strategie des Landes.
Herzlichen Dank an die Senatsverwaltung für die erfolgreiche exekutive Finanzierung dieser notwendigen Maßnahmen, die Umsetzung der Testungen, die wir haben, der Testressourcen und der Impfstrategie! Das, was wir gefordert haben – der Zugang zum Testen muss so normal sein, wie das tägliche Frühstücksei oder die Tasse Kaffee –, haben wir erfolgreich aufgebaut.
Gerade mit dieser Infrastruktur ist es jetzt möglich, schneller als es sonst möglich wäre, im Innenbereich und im Außenbereich Öffnungen durchzuführen. Ganz herzlichen Dank an den Senat für dieses kraftvolle Bemühen in diese Richtung!
Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass es natürlich immer noch Debatten geben kann: Warum zieht man das eine und das andere vor? – Aber die Logik, erst mal im Außenbereich zu beginnen und sukzessive in den Innenbereich hineinzugehen und auf dem Weg dorthin auch Hygienedetailkonzepte zu berücksichtigen, ist genau das, was der Senat in der Diskussion momentan vorhat.
Genau deswegen sind die Museen geöffnet, genau deswegen werden auch wieder Veranstaltungen im Innenbereich möglich sein, bei Tests noch mehr Menschen als sonst an dem Ort. Wenn ein gutes Belüftungs-, ein Umluftkonzept vorliegt, werden auch weitere Kulturveranstaltungen, auch in geschlossenen Bereichen, möglich sein, immer im Lichte dessen, was auch die Wissenschaft empfiehlt.
Ich verweise noch mal auf das Robert-Koch-Institut. Ja, man kann sagen: Ich möchte an der Stelle ein bisschen schneller vorangehen oder an der Stelle. – Diese Debatte ist aber zu kleinteilig, wenn man sie pauschal führt, Herr Czaja. Natürlich wäre es gut, wenn die Beschulung beispielsweise noch schneller gehen würde, aber auch das Robert-Koch-Institut empfiehlt ausdrücklich, den Wechselunterricht, so wie wir ihn in dieser Koalition beschlossen haben, beizubehalten.
Der Einstieg in Öffnungen für das Hotelgewerbe ist auch in den Debatten des Senates vorgesehen, momentan avisiert für den 18. Juni. Wenn die Zahlen so weit herunterrasen wie bisher, ist es vermutlich auch eher möglich, als zum 18. Juni. Das Gleiche betrifft natürlich auch die Frage: Ab wann kann in den Innenbereichen der gastronomischen Einrichtungen wieder eine Bewirtschaftung stattfinden, mit 100 Prozent, mit der Hälfte der Tische oder mit weniger der Tische? Auch das sind Debatten, die wir in diesem Hause zukünftig fortführen und auch mit den zukünftigen Änderungsverordnungen beschließen werden.
Für heute hat der Senat mit der Vorlage der Änderungsverordnungen seine Hausaufgaben gemacht, und die weiteren Debatten werden genau in dem Geist, wie die Koalition es sukzessive debattiert hat, umgesetzt. Herzlichen Dank an den Senat dafür! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Werter Herr Kollege Czaja! Ihre Behauptung, der Regierende Bürgermeister habe gesagt, dass Hotelöffnungen definitiv vorgezogen werden, ist falsch. Die Aussage ist, dass es, wenn sich die Zahlenlage weiter so schnell so gut entwickelt wie jetzt, sein kann, dass wir die Hotels eher öffnen können. – Das ist der Zusammenhang.
Wir sehen zum Glück, dass die Inzidenz in den letzten sieben Tagen um 30 Prozent nach unten gegangen ist. Wenn sich dieser Trend zwei Wochen lang fortsetzt, sind wir in einem guten Zielkorridor. Genau das ist der Sinn einer nicht starren Vorgabe eines Plans. Sie sollten doch verstehen, dass Planwirtschaft auch negative Aspekte haben mag. Deswegen haben wir gesagt, wir setzen in einem stufenweisen Verfahren fort, in dem klar ist, dass demnächst auch die Hotels an die Reihe kommen müssen – dann beispielsweise nur mit der Hälfte der Belegung – und natürlich auch das Öffnen der Gastronomie im Indoorbereich ein Thema ist. Es ist eben eine Kaskade an Schritten. Es kann auch sein, dass es eine Woche eher oder später geht als momentan diskutiert, aber es hängt von der Gesamtlast und den Zahlen ab, die wir dann haben.
Das ist der Vorteil dieses flexiblen Handelns – anders als in Ihrem Antrag, wo Sie pauschal ganze Regelungen streichen, die Zahlen meiner Meinung nach willkürlich besetzen und immense Risiken eingehen. Sie gefährden das Vertrauen nicht nur der Wirtschaftsbeteiligten, sondern auch der Bürgerinnen und Bürger, die uns dies gemeinsam in den letzten Monaten mit einer immensen Kraftanstrengung zurückerobert haben. Dann müssen wir auch seriös Schritt für Schritt weiter öffnen.
Letztendlich noch ein Punkt, werter Kollege Czaja: Es kommt auch nicht darauf an, jetzt im Kleinteiligen zu suggerieren, man wüsste ausschließlich, was das Beste ist. Wir lernen doch, dass man sich auch an Szenarien heranarbeiten muss. Natürlich ist es die Aufgabe der Opposition, den Finger in die Wunde zu legen. Bitte tun Sie aber nicht so, als ob Sie die ausschließliche Wahrheit gepachtet hätten! Wir leben auch von einem Herantasten an die neuen Realitäten, ohne zu gefährden, was wir uns wieder aufgebaut haben. Insofern handelt der Senat hier sehr verantwortungsvoll. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! – An meinen Vorredner gerichtet: Ich warne Sie davor, die Autorengruppe, die Sie eben genannt haben, quasi zu missbrauchen, indem Sie sie für Ihre wirre Argumentation einsetzen; das sage ich ganz deutlich. Argumente zu verdrehen, so wie es in Ihre jeweilige Rhetorik hineinpasst, zeigt auch, dass Sie skrupellos sind.
Von dieser Autorengruppe, die Sie genannt haben, namhafter, exzellenter, seriöser, kritischer Medizinwissenschaftler und Gesundheitssystemsforscher ist nicht der Beleg geliefert worden für das, was Sie gern sähen, nämlich für Ihre Coronaleugnungspolitik. Das ist nicht die Intention dieser Gruppe. Lesen Sie sich alle Papiere durch, und Sie werden feststellen: Auch diese Autorengruppe sah und sieht immer den Bedarf eines adäquaten Handelns zur Abwehr der Coronawelle, so, wie wir es getan haben.
Diese Autorengruppe nennt aber zwei, drei zentrale Punkte – und das ist jenseits Ihrer Diskussion –: Sie konstatiert eine Überversorgung mit Intensivbetten in Deutschland im europäischen Kontext und leitet daraus ab, dass die Dramatik in Deutschland weniger gering war als beispielsweise in Frankreich oder in Italien. Diese Autorengruppe stellt eine systemische Frage, nämlich: Wie viel öffentliche Infrastruktur in den Intensivbetten und Krankenhausbetten soll eine Gesellschaft leisten, und sind wir in Deutschland vielleicht luxusausgestattet? – Das ist eine relevante Fragestellung, wenn man über Krankenhausbedarfsplanung redet, wo man investieren muss. Die Autorengruppe sagt aber mitnichten, dass wir es hier mit einem Fake zu tun hätten, was Corona betrifft, sondern belegt auch, dass dreimal eine Coronawelle über Deutschland gelaufen ist.
(Andreas Wild)
Zweitens: Die Autorengruppe fordert in der nationalen Gesundheitspolitik mehr Evidenzbasierung. Das bedeutet, auch Fallstudien, Kohortenstudien zu machen, die noch präzisere Daten über Geschlechter und über andere Merkmale von Patienten und Patientinnen liefern. Man kann wissenschaftstheoretisch sehr wohl in diese Richtung nacharbeiten, aber mitnichten sind diese Autoren für Sie verwertbar für Ihre Coronaleugnungspolitik. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach über einem Jahr existenzieller Krise in der ganzen Welt und auch in Berlin wird endlich klar, es ist Licht zu sehen, die dritte Welle scheint, wenn wir die Entwicklung jetzt so fortsetzen und die Disziplin noch ein wenig halten, gebrochen zu sein. Impfungen – herzlichen Dank an alle Bemühungen von jeder Regierung der Länder und des Bundes, hier vorwärtszukommen! – scheinen ein wirksames Instrument zu sein, sodass vor der Prämisse keiner Supermutation zunehmend eine neue Normalität gestaltet werden kann. Wir sehen, der Schutz von Leben hat sich gelohnt.
Unsere Anstrengung und Kraft aller demokratischen Parteien in diesem Lande war zielführend zur Abwehr einer immensen, noch größeren Katastrophe. Wir hätten dann nicht leider dreieinhalbtausend Tote in Berlin zum jetzigen Zeitpunkt zu verzeichnen, sondern ein Vielfaches davon, vermutlich über 20 000, 30 000 Stück. Insofern, meine Damen und Herren der AfD, Ihr Antrag „Wenn alles nicht hilft, muss alles auf“ zeigt genau den Geist Ihrer Anträge Ihrer Partei und offenbart, entlarvt Sie ganz eindeutig. Wegducken vor Verantwortung, Desinformation und Leugnen und Bürgertäuschung – das ist das, was
Sie praktizieren, kontinuierlich und auch in diesem Antrag.
Schauen Sie doch an, wo wir stehen! Dieses Haus hat die letzten Jahre jede Maßnahme abgewogen.
Da gibt es unterschiedliche Prioritäten. Wie weit soll geöffnet werden? Wie stark darf man in Freiheitsrechte eingreifen?
Reden wir über ein Ausgehverbot, ja oder nein? Wann kann Gastronomie wieder aufgemacht werden?
Wir haben diese Güterabwägung hier mit allen demokratischen Parteien seriös, im Lichte auch unterschiedlicher wissenschaftlicher Debatten, geführt und auch immer wieder gesehen: Wie verhält sich das auch zu wirtschaftlichen Schäden, für die wir dabei sind und auch nach dem Sommer noch mehr Wirtschaftshilfen organisieren werden?
Wie verhält sich das zu den Einzelschicksalen der betroffenen Bürgerinnen und Bürger? Sie hingegen von der AfD ducken sich weg vor dieser abwägenden Verantwortung.
Sie haben immer nur eine einzige Antwort: Corona gibt es in der Form gar nicht. – Und alle Maßnahmen, die alle anderen Parteien diskutieren, stellen Sie infrage und wollen das nicht haben.
Kommen wir zur Desinformation und zum Leugnen! Sie schreiben in Ihrem Antrag, die bisherigen Maßnahmen haben ihre Wirkung nicht entfaltet.
Sie seien eine Übung zum Gehorsam. Meine sehr geehrten Damen und Herren von der AfD! Wo stehen Sie? Vielleicht mögen Sie das ja wünschen, dass das eine Übung zum Gehorsam wäre. Das war es aber nicht.
Das war eine Übung zur Selbstreflektion, Infragestellung von uns jedem zur täglichen Abwehr. Wie gestalte ich die nächsten 24 Stunden mit meiner Familie allein? Wie komme ich damit zurecht, dass ich zwischen Gesundheitsschutz und persönlichen Risiken abwägen muss, denen ich mich aussetzte?
(Georg Pazderski)
Und wie kann ich trotzdem versuchen, ein ordentliches Leben weiter zu leben?
Nein! – Die bisherigen Maßnahmen haben genau dazu geführt, dass wir die Krise in Deutschland und auch in Ländern, die diese Maßnahmen beschritten haben, weitgehend eingedämmt haben.
Alles andere wäre eine Eskalation gewesen. Das haben wir in jeder Plenarsitzung hier debattiert. Ich nehme es hier zur Kenntnis, die AfD leugnet die Realität und desinformiert die Öffentlichkeit.
Jetzt komme ich zum entscheidenden Punkt.
Dabei können auch jenseits der grundsätzlichen Möglichkeit einer Öffnung zeitlich befristete Übergangsregeln und ein stufenweises Vorgehen sinnvoll sein.
Frau Präsidentin, ich habe mir erlaubt zu zitieren aus dem letzten Absatz des vorgelegten AfD-Antrags.
Dabei können auch jenseits der grundsätzlichen Möglichkeit der Öffnung …
die Sie noch gefordert haben in ihrer Überschrift –: Sie sagen: Wenn alles nichts hilft, muss sofort geöffnet werden. Was schreiben Sie in Ihrem Antrag im Kleingedruckten? Sie schreiben: „grundsätzlich“ und „stufenweise“.
Ich hoffe auch, die Öffentlichkeit nimmt das wahr. Auf der einen Seite sind Sie plakativ, agitieren hier in einer quasi verleumderischen, quasi bürgertäuschenden Art und Weise
und sagen, es muss alles geöffnet werden. Alles andere hat nichts geholfen.
Dann kommen Sie im Kleingedruckten und sagen, etwas zeitlich Abgestuftes ist nötig.
Das ist genau das, was dieses Haus mit allen anderen demokratischen Fraktionen regelmäßig debattiert in unterschiedlicher Konnotation, in unterschiedlicher
Schwerpunktsetzung, auch was der Senat und die Landesregierungen und die Bundesregierung kontinuierlich abwägen, wie wir zu einer stufenweisen weiteren Öffnung kommen können.
Sie wissen, dass der Regierende Bürgermeister hier die nächsten Maßnahmen angekündigt hat. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bundesweit müssen wir leider erkennen: Die dritte Welle hat begonnen, und zwar nicht mit dem alten Virus, sondern mit dem mutierten Virus. Das ist das Problematische, von dem wir im Moment nicht wissen, wie es sich entwickelt,
auch wenn es in Berlin noch ein bisschen besser aussieht. Die Bedrohung ist aber real.
Sie ist real, weil das mutierte Virus tendenziell einen höheren Reproduktionswert hat, und zwar im positiven Bereich, sodass wir bundesweit sehen, dass der R-Wert steigt. Da haben wir im Moment keine Angst vor der Inzidenz oder vor anderen Zahlen in den nächsten drei Wochen; das einzig Relevante ist: Wie entwickelt sich die Reproduktionsrate?
Wir haben gerade von der Senatorin gehört: In Berlin dominieren die Mutanten schon jetzt und in zwei Wochen erst recht. Genau deswegen unterstützen wir die Strategie des Senats und der Ministerpräsidentenkonferenz sehr, Schritt für Schritt vorzugehen, mit Bedacht zu handeln und zu schauen, was man an Öffnungen möglich machen
kann, um nicht in eine explodierende dritte Welle hineinzugaloppieren. Die Koalition unterstützt die Rechtsverordnung, wie vom Senat vorgelegt – herzlichen Dank dafür!
Wir sehen, dass gerade die nächsten zwei, drei Wochen eine extrem kritische Phase in der Pandemiebekämpfung darstellen, auch für die Sicherung der Erfolge, die wir alle gemeinsam erarbeitet haben. Es tut mir auch leid, wenn ich durch die Parks gehe, an den Restaurants vorbeigehe und sehe: Die Restaurantbesitzer warten auf Kunden. Wir selbst würden uns gerne in den Außengastronomiebereich setzen. Die Ladenbetreiber sind so etwas von engagiert, ihre Geschäfte herzurichten; sie hoffen auf jeden Kunden, der jetzt über Click & Buy hineingeht. Sie hätten gerne ihre Läden schneller geöffnet.
Wir alle streben und sehnen uns nach mehr Normalität. Ob wir uns das aber leisten können – und vor allem wann –, wissen wir heute noch nicht. Insofern ist es ganz wichtig zu sehen, was am 23. März bei der nächsten MPK-Diskussion an Erkenntnissen zutage tritt, gerade vor dem Hintergrund der galoppierenden dritten Welle, die wir sonst hätten – oder eindämmen können. Wir haben beide Optionen. Keiner von uns ist Opfer und muss sich hoffnungslos dem ergeben, was nicht kontrollierbar ist. Wir können es gestalten, es hängt aber sehr stark von den nächsten drei Wochen ab, wie die nächsten drei, vier Monate werden.
Vor diesem Hintergrund – bedacht und Schritt für Schritt voranzugehen – begrüßen wir sehr die Strategie der GMK und wie sie exzellent in Berlin vorgelegt worden ist, nämlich Räume und Rahmenbedingungen zu schaffen, um an den einzelnen Orten, in den Geschäften und Lebensräumen möglichst wenig Virenlast und einen möglichst sicheren Aufenthalt, ein sicheres Leben zu haben. Das geschieht dadurch, zu testen, testen, testen, zu impfen, wann immer es möglich ist, und Rückverfolgbarkeit und Kontrollsysteme aufzubauen. Das ist die Aufgabe, die sich der Senat gestellt hat, und wir sehen: Das geschieht mit dem Ausrollen der Testkampagne – vielen Dank auch dafür an den Senat! –, mit Hunderten Testmöglichkeiten in den nächsten Wochen – die ersten paar Dutzend sind schon da, weitere werden lizensiert, Apotheken sind dabei; da kann man über Details und darüber, wie man das noch verbessern kann, reden. Der Weg ist der, dass wir, obwohl die Virusmutation wesentlich bedrohlicher ist, mit der neuen Infrastruktur die Chance haben, die Leitplanken so zu setzen, dass wir uns in den nächsten Monaten einen guten Korridor auch von Öffnungen weiter erarbeiten. Lassen Sie uns gemeinsam dieses Ziel vor Augen haben! Resignieren wir nicht! Lassen Sie uns kämpfen, dass das ermöglicht wird, auch durch weiteren Verzicht – leider – in den nächsten zwei, drei Wochen!
(Senatorin Dilek Kalayci)
Ich frage Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der FDP: Wollen Sie mit dem unnötigen Vorpreschen, mit Ihren Empfehlungen, die weit über die MPKBeschlüsse hinausgehen,
die erst recht weit über die Empfehlungen des RobertKoch-Instituts hinausgehen, all das Erreichte jetzt zur Disposition stellen? Wollen Sie das Risiko eingehen? Wollen Sie diese Erfolge zugunsten einer billigen Wahlkampfpolemik opfern? – Ich hoffe nicht!
Ich frage Sie, und ich frage die Bevölkerung: Was ist Ihnen lieber – in den nächsten drei Wochen den Sonnenstrahl in der Außengastronomie genießen zu können
und nicht zu wissen, ob Sie im Sommer Urlaub machen können, ob es eine Chance auf einen Pfingsturlaub gibt, und erst recht nicht zu wissen, was Ostern möglich oder nicht möglich ist?
Wollen Sie das riskieren? Oder wollen Sie noch mal einhalten? Das ganze Jahr, das wir geopfert haben! Es gilt, jetzt noch durchzuhalten, um die Chance zu haben, dass wir alle ein gutes Osterfest, einen guten Sommer erleben, und zu wissen, dass wir uns das erarbeitet haben.
Lassen Sie uns den Weg der Vernunft gehen! Herzlichen Dank, wenn Sie das unterstützen!
Ich lasse keine Zwischenfragen zu.
Ich frage die Gastronomen und die Geschäftsinhaberinnen und -inhaber – ich verstehe ihre Wut und Enttäuschung –: Was ist Ihnen lieber? Ist Ihnen ein dauerndes Öffnen und Schließen, ein Pingpongspiel mit etlicher Planungsunsicherheit lieber, mit auch einer Verlängerung der Möglichkeit des Nichtöffnens? Oder ist Ihnen eine nachhaltige Öffnungsstrategie lieber, die uns allen gemeinsam langsam einen Weg zurück in ein neues Normal ermöglicht?
Und ich frage noch einmal die Berlinerinnen und Berliner und dieses Haus: Was wollen Sie? Wollen Sie pokern, oder wollen Sie Sicherheit?
Ich frage Sie alle: Warum wollen Sie pokern? Setzen Sie auf Sicherheit und Stabilität, das ist der beste Weg! Oder wollen Sie etwas anderes?
In dem Zusammenhang, noch einmal: Die MPKBeschlüsse sind richtig. Es ist auch richtig, jetzt nicht schon alles mit einer Verbindlichkeit für Ende März auszustatten, sondern zu schauen, wo wir dann stehen, um dann nachzujustieren und im Zweifelsfall natürlich auch schnell wieder zu reduzieren, wenn nötig. Wir brauchen weiterhin eine Solidarität. Wir müssen uns darauf verlassen können, dass wir ein gutes Regierungshandeln derjenigen haben, die in Verantwortung auf Bundes- und Länderebene sind. Das bedeutet: Es ist ein Erfolg, dass wir die schutzbedürftigsten Gruppen – die über 80-Jährigen, die in Pflegeheimen oder anderswo leben – fast alle mit den Impfungen erreicht haben, obwohl es leider zu wenig Impfmaterial insgesamt auf Bundesebene gibt. Das aber haben wir gewährleistet. Wir brauchen weitere Solidarität. Wir haben 1,2 Millionen Menschen alleine in Berlin, die entweder über 70 Jahre alt oder stark chronisch krank sind. Sie sind die Nächsten, die ein erhöhtes Risiko einer Erkrankung haben. Das mag dann nicht immer die Einlieferung in ein Krankenhaus und eine intensivmedizinische Behandlung bedeuten, aber es bedeutet ein Überleben von Corona mit langfristigen individuellen Schäden, die für diese Personengruppen wahrscheinlich sind.
Dann haben wir die über 60-Jährigen, die auch noch risikobehaftet sind; hier gibt es weitere chronisch Kranke – noch einmal mehrere Hunderttausend Menschen allein in Berlin.
Genau deswegen ist es wichtig, dass der Staat weiterhin Vertrauen stiftet. Das hat die Senatsgesundheitsverwaltung exzellent umgesetzt, sich auch auf Bundesebene für eine weiter geltende Impfverordnung einzusetzen. Vertrauen setzt aber Verlässlichkeit, setzt auch voraus, dass man glaubt, dass derjenige, der handelt, nicht in eigenem Interesse handelt. Ich bin über das, was wir an Meldungen von der Bundesebene bekommen haben, schockiert, dass man sich fragt, ob Politikerinnen und Politiker vertrauenswürdig sind oder nicht. Da hat in dem Falle die CDU-Fraktion, aber unter Umständen haben noch mehr Fraktionen auf Bundesebene einiges aufzuarbeiten.
Vertrauen bedeutet auch: Wir leben nicht in einer Günstlingswirtschaft, in einer Vetternwirtschaft, wie es in totalitären Regimen der Fall ist. Deswegen ist es wichtig, die Impfreihenfolge einzuhalten. Es ist wichtig, dass man darauf vertrauen kann, dass sich nicht der Stärkste durchsetzt, nicht derjenige, der sich den Impfstoff am schnellsten organisiert, nicht die Gruppe von 3 000 Menschen oder da noch mal 2 000 Menschen, die in allen möglichen Bundesländern – in dem einen mehr, in dem anderen weniger – an irgendwelchen Rechtsverordnungen vorbei vorgezogen werden,
sodass sich die Mehrheit der Bevölkerung, die anderen fragen: Warum die und nicht ich? Warum soll ich solidarisch sein? – Die Impfverordnung gilt, und sie wird eingehalten. Vielen Dank, Frau Senatorin, dass Sie das auch
in den Verhandlungen mit den Kassenärzten durchgesetzt haben, dass auch die Kassenärztliche Vereinigung Sie jetzt beim Impfen unterstützt, die Grundlage auf Bundesebene aber diese Impfreihenfolge ist!
Die Empfehlungen der Ministerpräsidentenkonferenz, die über die GMK mit dem Bundesminister für Gesundheit über die Impfstoffverteilung vereinbart worden sind, stiften auch Vertrauen, wenn es denn schneller geht. Die gute Nachricht ist, dass heute auf europäischer Ebene ein weiterer Wirkstoff die Empfehlung sogar zur Zulassung als Einmalimpfung bekommen hat. Das heißt, eventuell geht es demnächst sogar noch schneller.
Lassen Sie uns weiter solidarisch sein. Die chronisch Kranken werden von uns, die nicht chronisch krank sind, unterstützt – Gesunde für chronisch Kranke, Geimpfte mit noch nicht Geimpften, dass auch sie die nächsten Monate noch ein wenig Verzicht üben. Lassen Sie uns den Lastenausgleich weiter organisieren zwischen denen, denen es wirtschaftlich gut geht, und denen, die leiden müssen, die unverschuldet ihre Existenz momentan nicht führen können, weil die Geschäfte nicht geöffnet haben.
Lassen Sie weiter nicht die Ellenbogen siegen.
Lassen Sie uns die nächsten Wochen solidarisch gestalten und die nächste Phase dieser Krise meistern, sodass wir im hoffnungsvollen Fall ab Sommer zu einem neuen „Normal“ gekommen sein werden. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Hansel! Das ist schon fast menschenverachtend, was Sie hier sagen.
Sie sagen, die letzten Monate waren umsonst. Sie sagen, es wäre vergebliche Liebesmüh gewesen. Das ist nicht faktenorientiert.
Fakt ist, wenn wir gemacht hätten, was Sie schon im Herbst gefordert haben, was Sie jetzt wiederholt haben: Macht auf! –, dann hätten wir über Hunderttausend Tote mehr gehabt,
weil Sie dies ganz klar an den Zahlen nachvollziehen können, sowohl die vom Robert-Koch-Institut als auch die von anderen europäischen und internationalen Regierungen. Das ist faktenorientiert.
Was Sie jetzt wiederum sagen: Macht einfach jetzt auf, und die Welt ist wieder in Ordnung –, ist auch eine Verkennung der Herausforderungen.
Anders wird ein Schuh daraus. Wenn die Welt wieder in Ordnung sein soll, wenn wir das, was wir alle wollen, Freiheit genießen, im Optimalfall so wie vor anderthalb, einem Jahr, dann bedeutet das, dass wir das tun müssen, was wir eingeleitet haben: sichere Orte aufbauen, die geschützt sind durch Tests, beispielsweise als Grundlage, um in Konzerte gehen zu können, so wie Herr Albers eben ausgeführt hat, wie es der Geist der Senatsvorlagen ist, und dass wir täglich die Menschen befähigen, selbst befähigen, sich sicher in ihren Lebenswelten zu bewegen, dass dort eben auch die Rahmenbedingungen durch eine Rückverfolgbarkeit
gegeben sind, dass man nicht Angst haben muss, sich zu infizieren und dann auch zu sterben oder zu erkranken.
Und, was ich Ihnen eben erläutert habe, was Sie völlig ignorieren, ist: Wir haben allein in Berlin 1,5 Millionen Menschen, die chronisch krank sind.
Die bedürfen unserer Hilfe. Das bedeutet, sich nicht zu infizieren, durch das, was Sie wollen, öffnen, und jeder der chronisch krank ist, ist potenziell Opfer. Nein, die chronisch Kranken haben auch eine Risikowahrscheinlichkeit, ins Krankenhaus eingeliefert zu werden; nicht so, wie bei den alten Menschen, die wir jetzt schon geschützt haben.
Aber die nächste Gruppe, die wir jetzt schützen müssen, sind die Chroniker und Chronikerinnen. Wenn eine Durchimpfung gegeben ist, wenn wir die Schutzplanken durch ein strategisches Testen, durch eine Rückverfolgbarkeit aufgebaut haben – auch als Eintritt in beispielsweise Gastronomie und in Kultureinrichtungen –, dann können wir weiter öffnen, dann ist Freiheit für alle da und nicht auf Kosten von einigen Wenigen. Das müssten Sie intellektuell mal nachvollziehen, bevor Sie sich hier als Anwalt der Entrechteten hinstellen und die Entrechteten, die Sie meinen zu vertreten, ins Verderben hineinjagen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Senatorin, ganz herzlichen Dank, dass Sie uns die Elemente der Rechtsverordnung erläutert haben, der wir ja nicht zustimmen müssen, aber zustimmen können! Das haben wir uns ja als Recht zu eigen gemacht. Ich sage es für die Koalition vorweg: Wir werden dieser Rechtsverordnung zustimmen. Wir halten sie für angemessen in der Form, wie vorgelegt.
Ich sage auch ganz klar – Sie haben das ja ausgeführt –, dass wir noch nicht genau wissen, wo wir stehen. Jede Maßnahme, die wir für eine Erleichterung vorsehen, muss mit Bedacht gewählt werden, genauso wie jede Verschärfung auch. Sie haben gerade ausgeführt, Frau Senatorin, dass wir in Berlin inzwischen einen Anteil von 65 Prozent an Mutanten haben. Das würde bedeuten, dass in über einer Woche quasi der Mutant die einzige Viruslast ist, die hier bei Covid-19 relevant ist, und insofern ist es auch wichtig, jetzt noch mal in den nächsten zwei Wo
chen zu schauen, wie sich der Trend, den wir ja sehen, dass nämlich der Wert in Berlin nicht weiter sinkt, sondern sich eher einpendelt oder sogar weiter erhöht – so wie bundesweit auch –, dann weiter auswirkt.
Ich sage das durchaus mit Bedauern, denn ich glaube, wir alle spüren, wie viel Kraft es uns allen, auch der Bevölkerung, abnötigt, weiter unter einem Infektionsregime, so sage ich mal, zu leben –
unter dem Primat des gesundheitlichen Verbraucherschutzes, des Gesundheitsschutzes, der die Kliniken und die Ressourcen für kranke Menschen in Berlin weiter zugänglich macht. Wir sehen, dass sich viele Menschen als Opfer der Pandemie fühlen, denn die vielen Menschen, die z. B. ihr Gewerbe aufgebaut haben, die ihren Klein-Kiosk betreiben, viele abhängig Beschäftigte in kleinen Unternehmen, die auch nicht mehr unbedingt von Kurzarbeitergeld oder anderen Instrumenten effizient erreicht werden, können ja nichts dafür. Keiner kann etwas dafür, dass er jetzt leider leiden muss: die Eltern, die eine wahnsinnige Last aufgebürdet bekommen haben, die Kinder, auf deren Rücken die Aufgabe der Bildung in dieser Zeit der Pandemie zu bewältigen ist! – Ich glaube, wir spüren alle: Es nervt. Es nervt, und wir wollen da alle raus.
Gerade in den Zeiten des schönen Wetters, des Frühlings, der kommt, wo wir die Energie der Natur sehen, wo wir die Energie in uns spüren, wenn wir spazieren gehen: Wie schön wäre es, wenn man irgendwo einen Kaffee kaufen könnte, sich hinsetzen könnte unter Hygieneabstandsbedingungen, mit AHA-Regeln, wenn als erster Schritt des Alltagslebens wieder eine Außengastronomie möglich wäre.
Das wäre ja schön, wenn wir das machen würden, aber mit Bedacht. Die nächsten Schritte müssen mit Bedacht gegangen werden, und insofern bin ich froh – das sage ich ganz offen –, dass das Robert-Koch-Institut hier gestern sehr differenzierte Cluster und einen differenzierten Plan vorgelegt hat, wie einzelne Settings anzuschauen sind und wie man dann auch evaluieren kann, wie sich eine Öffnung oder später ein Reduktion, falls denn notwendig, auswirkt. Es ist nötig, so differenziert an die einzelnen Cluster heranzugehen, und, ja, das bedeutet auch, dass wir noch alle Kraft brauchen. Es ist noch nicht vorbei, aber es lohnt sich, die Kraft zu haben, denn sonst hätten wir hier in ein paar Wochen, noch vor Ostern Chaos hoch drei.
Vor dem Hintergrund auch ganz herzlichen Dank für die Haltung des Berliner Senats, der jetzt auch in Clusterstrategien denkt! Ich bin sehr hoffnungsvoll, dass der Regierende Bürgermeister auch in der Ministerpräsidenten
(Senatorin Dilek Kalayci)
konferenz und uns ein ausgewogenes Tableau präsentieren wird mit den nächsten Maßnahmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte es noch einmal sagen: Maßhalten, aber dennoch die Chancen, die es mal geben mag, wo sie verantwortbar sind, zu ergreifen, das ist, glaube ich, das, was in den nächsten Wochen ansteht.
Vor dem Hintergrund, Frau Senatorin, die ausdrückliche Unterstützung auch bei der Fortschreibung, aber auch Veränderung der Rechtsverordnung beispielsweise im Pflegebereich, wo ja die ersten Öffnungsschritte gegangen werden. Was ist das bisher schon traurig gewesen, dass Menschen nur sehr eingeschränkt besucht werden können, weiter besucht werden können, aber auch besucht worden sind in den letzten Monaten. Es ist ein Eingriff, übrigens auch in das Recht auf soziale Teilhabe, was wir hier Tausenden von Menschen zumuten. Sie kennen die Berichte der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen. Sie kennen die Berichte der BIVA und anderer Institutionen, auch deren Rechtsgutachten, in denen gesagt wird, der Staat habe zwei Güter zu verteidigen: Das sind das Schutzgut auf Gesundheit in dem Setting Pflege, aber es ist natürlich auch das Recht auf soziale Teilhabe des Menschen, der sich dort in eine Obhut begeben hat. Der ist ja nicht entmündigt. Er ist ja voller Staatsbürger, leider pflegebedürftig, zerbrechlich und krank. Insofern sehr richtig, jetzt zu schauen, dass die Heimmitwirkungsrechte, die Bürgerinnen und Bürger in der Situation haben, auch weiter gelebt werden können.
Auch richtig zu schauen, wo Tests jetzt das Neue sind, was wir anbieten können, flächendeckend, was jetzt auch in dem Setting schon ausgerollt ist, plus die Impfungen in dem Bereich der Menschen, die sich in unseren Schutz begeben haben, in den Pflegeeinrichtungen, dort zu schauen, dass man eben nicht mehr zwanghaft das ganze Heim für Besucher schließen muss, sondern dass es eine Maßnahme sein kann, wo aber andere Instrumente zuerst zu prüfen und umzusetzen sind, bevor denn ein Besuchsstopp greifen würde. Also, der richtige Weg, hier zu Lockerungen zu kommen, das ist human. Herzlichen Dank für diesen Weg in eine normale Humanität zurück, ein Stück weit, soweit es verantwortlich ist, auch im Krankenhaus übrigens.
Beim Krankenhaus ist es natürlich auch richtig, jetzt erst einmal die Vorhalteressourcen nur vorzuhalten, also die Quoten des Nichtoperierens der planbaren Operationen nicht ewig zu verlängern, sondern erst mal zu schauen: Das machen wir bis zum 9. März. Weil wir dann sehen, wie der Trend ist, der jetzt unter Umständen kommt oder nicht kommt durch die nächste Infektionswelle. Aber, das ist auch eine Zumutung für die Bevölkerung. Viele chronisch Kranke, viele Menschen, die jetzt an Krankheiten leiden, bekommen ihren Operationstermin nicht, eben aufgrund dieser Prioritätenentscheidung, zu der ich stehe.
Ökonomisch ist es auch eine Zumutung. Aber es ist richtig, dass wir in der Verordnung sagen: Die Krankenhäuser müssen jederzeit wieder angewiesen werden können, mehr Notfallressourcen für Coronafälle ausweisen zu können, wenn nötig. Deswegen ist es auch richtig, in der Modellierung dieser Rechtsverordnung, diese Option beizubehalten.
Ökonomisch haben wir aber alle die Verantwortung, dass die Krankenhäuser nicht den Bach runtergehen. Dazu zählt auch der Bund. Wir müssen weiter auf Bundesebene Druck machen, dass Ausgleichszahlungen an die Krankenhäuser auch von der Bundesebene kommen, die jetzt nicht anders wirtschaftlich tätig sein konnten in dem leider kommerziellen Krankenhausmarkt. Ansonsten haben wir am Ende des Jahres nicht mehr die Krankenhausinfrastruktur, die wir brauchen für die NachCoronazeit. Hier bleibt es eine gemeinsame Kraftanstrengung des Landes, aber auch des Bundes, die auskömmliche nicht nur Investition, sondern auch laufende Defizitfinanzierung der Krankenhäuser zu bewerkstelligen. Vielen Dank auch für Ihre Hinweise in diese Richtung, Frau Senatorin.
Lassen Sie mich aber noch auf zwei andere Aspekte eingehen. Wir haben in der letzten Plenarrunde oftmals schon die Bedeutung des Themas Impfen erwähnt. Impfen, Hygiene einhalten und Testen sind die drei Säulen, die wir haben. Wir haben gute Beschlüsse zum Thema Impfen hier gefällt. Insofern ist es folgerichtig und auch gut, dass die Koalition einen weiteren spannenden Antrag hier einreicht, den wir beschließen werden, mit der Bundesratsinitiative, dass Deutschland mehr als bisher auf internationaler Ebene seinen Verpflichtungen nachkommt, einen adäquaten Impfschutz landesweit, aber auch international verfügbar zu halten. Das ist eine Anstrengung, der kann sich niemand entziehen. Vielen Dank auch für den Antrag, wie wir ihn hier diskutiert haben.
Astrazeneca ist der neue Hoffnungsträger, um mit deren Präparat hier schnell zu einer Erhöhung der Impfquoten in Berlin zu kommen. Ich sage: Ich würde mich sofort damit impfen lassen, wenn ich dran käme.
Ich sage es noch mal: Ich möchte hier nicht in einer Wildwestmentalität leben. Ich möchte nicht das Vertrauen der Bevölkerung zerstören in gute, kluge Entscheidungen. Wir leben auch nicht in einem Obrigkeitsstaat oder in einer Diktatur. Genau deswegen bin ich froh, dass es die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission gibt, die sich das individuelle Risiko angucken, ab wann bedarf es denn möglichst schnell eines Zugangs zu einem Impfstoff und wann muss geimpft werden. Ich möchte nicht, dass wir Vertrauen zerstören, indem sich der Stärkste durchsetzt, indem derjenige, der gesund, aber stark ist, eher den Impfstoff bekommt als derjenige, der gebrechlich und vielleicht 64 oder 65 oder 55 Jahre alt ist
oder später als Risikogruppe drankäme. Genau deswegen sage ich es ganz deutlich: Ein weiterer Weg über Vorziehen von einzelnen Personengruppen, eine Privilegierung in der zeitlichen Abfolge des Zugangs zu Präparaten wird es mit mir künftig nicht mehr geben. Wir können uns hier nicht einlassen, das Vertrauen der Bevölkerung zerstören, indem jeder misstrauisch ist und sagt: Warum bekommt die Gruppe Impfstoff und die andere nicht? Und: Ich muss ewig warten, meine Geschäfte gehen den Bach runter, ich fühle mich krank, ich bin auch krank – nicht ich persönlich, aber 30 Prozent der Bevölkerung – und ich bekomme das vorenthalten. – Das geht nicht.
Da muss jeder seinen Beitrag leisten, auch die Kassenärztliche Vereinigung. Die Kassenärztliche Vereinigung ist aufgerufen, ihre ambulante Infrastruktur zu öffnen, damit nicht der Engpass die Medikamente sind, oder nur sind, sondern auch der Engpass Personal beseitigt werden kann. Ich sage es ganz deutlich – Frau Senatorin hat es vorgestellt in der Fragestunde, wie denn da die Verhandlungen noch laufen und dass es noch keine Lösung gibt für die nächsten Wellen des Impfens im ambulanten Bereich.
Nein! Ich komme auch gleich zum Ende. – Wenn die Kassenärztliche Vereinigung hier nicht ihrem Auftrag als Körperschaft des öffentlichen Rechtes nachkommt, eine Infrastruktur im ambulanten Bereich bereitzustellen, dann empfehle ich der Senatorin und unterstütze sie völlig dabei, der Kassenärztlichen Vereinigung einen Staatskommissar vor die Nase zu setzen. Das ist ein Instrument, das ordnungsrechtlich geht. Es kann nicht sein, dass die Senatsverwaltung nicht die Antworten von der Kassenärztlichen Vereinigung bekommt, welche Praxen wollen impfen, wie macht man da mit, wie wird das Impfattest ausgestellt. Hier kann nicht mehr länger gepokert werden. Die Zeit des Pokerns ist vorbei. Entweder die Kassenärztliche Vereinigung handelt oder wir müssen das legislativ oder per Verordnung machen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was gescheitert ist, sehen wir weltweit in vielen Bundesländern, in Deutschland, in anderen Staaten. Was gescheitert ist, ist eine repressive Drogenpolitik. Der Kampf gegen Drogen, Herr Dregger, nur mit dem Holzhammer, wirkt nicht. Der Kampf ist gescheitert. Die Repression als Instrument ist gescheitert.
Insofern möchte ich auf einen Satz hinweisen, den das von Ihnen hervorgehobene Städtenetzwerk selbst auslobt. Der Drogenkonsum sollte in erster Linie durch gesundheitliche und soziale Maßnahmen sowie durch Alternativen zur Inhaftierung angegangen werden. – Dem kann ich zustimmen. Eine Kriminalisierung desjenigen, der Drogen konsumiert, in welchem Maß auch immer, ist der Irrweg, den wir beenden müssen. Wir brauchen entgegen dem, was hier vorherrschend ist, einen souveränen Kon
sum von Rauschmitteln, der die Grenzen kennt, Kollateralschäden nicht entwickeln lässt und eben nicht denjenigen, der Konsument und teilweise auch krank und abhängig ist, kriminalisiert, sondern auch die Polizei entlastet. Diese soll sich besser als bisher um die Dealer und um die organisierte Kriminalität kümmern können.
Und genau deswegen teile ich nicht Ihre Meinung, dass wir diesem seltsamen Städtenetzwerk beitreten sollten; weil das Leitbild, das sich dort auch auf der Programmseite wiederfindet, ist die drogenfreie Gesellschaft. Und eine drogenfreie Gesellschaft – sei es Alkohol, sei es Nikotin, seien es Internetsüchte, seien es Cannabis oder andere, problematischere Suchtmittel – ist eine Fantasie, eine Fantasie von Puritanern, die es niemals in der Realität in der Umsetzung geben wird.
Deswegen kommt es darauf an, meine sehr geehrten Damen und Herren auch in der Opposition, dass Sie die Realität anerkennen.
Die Realität ist die Lebenslage der jeweiligen Leute. – Keine Zwischenfragen! – Daran müssen wir ansetzen und dem Individuum helfen, entweder befreit zu sein, da wo Probleme es erdrücken – wie beispielsweise jetzt die Covidfolgen, die wir auch abfedern müssen, den ein oder anderen in Depressionen und auch in viel zu schnelle Einnahme von Medikamenten oder eben auch von Rauschmitteln drängen –, oder eben Therapie- und Hilfeangebote aufzubauen, um den Menschen zu befähigen, ein emanzipiertes Leben zu führen.
Genau das haben wir in dieser Koalition getan: Ausgehend von einer akzeptierenden Drogenpolitik, die die individuelle Realität des Konsumenten, der Konsumentin anerkennt, zu schauen, wie wir helfen können. Es ist eben, wie gesagt, gescheitert, nur mit dem Knüppel auf den Konsumenten einzuhauen, sondern im Gegenteil: Wir haben die Fachstelle für Suchtpolitik wesentlich gefördert. Die Fachstelle bekommt mehr Mittel, um in Zielgruppen, auch in der Kinder- und Jugendarbeit tätig zu sein, weil natürlich müssen wir schauen, dass der Zugang zu Suchtstoffen, Suchtmitteln in jeder Form so spät wie möglich erfolgt, gerade bei den Substanzen, die nicht per se harmlos sind, insbesondere nicht, wenn sie zu jung genommen werden. Wir stärken die Präventionsarbeit auch in den Schulen.
Wir haben das Drug-Checking aufgelegt, das jetzt auch zum Sommer starten kann, wo die Konsumierenden, die Ihre Pille leider werfen müssen oder in einer oftmals viel zu hohen Frequenz werfen – natürlich nicht gesundheitsfördernd –, aber sehen können, was sie nehmen. Die
(Burkard Dregger)
Beratungsangebote aus anderen Ländern zeigen, dass sich das auch positiv auf den Konsumtrend im Sinne einer Minimierung auswirkt.
Wir haben auch die Genesung von Betroffenen verstärkt, indem wir beispielsweise Hilfeangebote der Fachhilfedienste – Fixpunkte, Drogenkonsumräume – wesentlich ausbauen, damit die Menschen, die abhängig sind von Drogenkonsum, das wenigstens unter sozialen Bedingungen machen, wo sie nicht noch weitere Infektionen oder darüber hinaus noch mehr Probleme mit der Gesundheit bekommen, als sie leider ohnehin schon haben, sondern niederschwellig Zugang zu Therapie- und Hilfsangeboten erhalten.
Und schließlich haben wir ein Cannabismodellprojekt eingeleitet, in der Form, dass es auf Bundesebene beantragt worden ist. Die SPD-Bundestagsfraktion, die anderen Fraktionen – Bündnis 90, FDP –, die progressiven Fraktionen hier im Hause, sind sich darin einig: Wir brauchen eine Reform des Bundescannabisrechts, damit unsere Modellprojekte in den Kommunen umgesetzt werden können, damit wir eine bessere Abgabemöglichkeit bekommen, die den Dealer arbeitslos macht, die das Individuum von der Straße runterholt, und wir letztendlich schauen können, wie die Konsumtrends dort überhaupt besser stabilisiert werden können im Sinne eines besseren Lebens.
Dieses Cannabismodellprojekt ist leider abgelehnt worden. Wir klagen derzeit als Land Berlin beim Verwaltungsgericht dagegen und werden bis zur letzten Instanz gehen. Wir brauchen den Einstieg in eine kontrollierte Abgabe von Cannabis für Erwachsene. Die programmatischen Eckpunkte dieser Koalition in der Drogenpolitik sind emanzipatorisch; sind überwiegend nicht repressiv; sind repressiv da, wo es notwendig ist, um den Dealer und organisierte Kriminalität zu bekämpfen; sind progressiv, emanzipatorisch und damit gesundheitsfördernd, was den konkreten Verbraucher und Konsumenten oder Hilfebedürftigen betrifft. Meine sehr geehrten Damen und Herren: Ihr Antrag wird deswegen auch keine Unterstützung finden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Kollege Fresdorf! Nachdem wir vor ein paar Minuten gehört haben, warum elektronische Wahlen angeblich nicht gehen, stimmen Sie mir zu, dass Estland ein fantastisches Vorzeigeland dafür ist, dass elektronische Wahlen sicher durchführbar sind?
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Czaja! Wie war das mit dem Tiger und dem Bettvorleger? Land der Dichter und Denker – die Berliner FDP ist leider verkommen zur Partei der Dichter. So hat man den Eindruck, wenn ich Ihre Rede höre. Was sind das denn für neue Regeln, die Sie gerade den Berlinerinnen und Berlinern präsentiert haben? – Das meiste befindet sich durch tätiges Handeln im Aufarbeitungsprozess. Etwas grundsätzlich Neues haben Sie weiß Gott nicht präsentiert. Im Gegenteil: Sie suggerieren, es ginge den Berlinerinnen und Berlinern und der Wirtschaft besser, wenn etwas grundsätzlich anders gemacht worden wäre. Genau das Gegenteil wäre der Fall. Wo stünden wir denn dann? – Bundesweit Millionen Leute in Krankenhäusern; die Berliner Krankenstände wären hoch. Noch nicht mal Homeoffice wäre möglich. Die Firmen, die wir brauchen, wo die Bevölkerung arbeitet, wo Geld verdient wird, wo Wertschöpfung produziert wird, wären nicht mehr produktiv – in keiner Form. Distance-Learning in Schulen wäre nicht ansatzweise denkbar – geschweige denn die Chance, dass die Schulen in einigen Wochen wiederaufmachen. Die Infektionslast wäre noch höher als jetzt, und die Krankenhäuser würden deutschlandweit und auch in Berlin überflutet, lieber Herr Czaja. Das ist die Verantwortung, der Sie sich nicht stellen. Stattdessen bauen Sie hier, im Land der Dichter und Denker, als Partei leider ein Gedicht auf. Sie sind leider eine Partei der Dichter und nicht eine der Denker. Früher habe ich an der FDP immer geschätzt, dass es anders war.
Ein Jahr nach Corona ist es in Deutschland noch nicht vorbei. Es ist noch nicht vorbei. Wir sehen Mutationen.
Wir werden die nächsten zwei Wochen erleben, ob diese dramatischer werden oder nicht. Es besteht Hoffnung, aber wir wissen es noch nicht.
Wir sehen in anderen Ländern und in Europa, die nicht so gut eingedämmt haben wie wir, dass über die inzwischen eine dritte Welle rollt und sich für den Herbst unter Umständen eine vierte anbahnt. Wir hören vom Chef des Bundeskanzleramts eine richtige Einsicht, dass nämlich aus dieser gesundheitlichen Krise nicht galoppierend eine
wirtschaftliche Krise werden darf, die zu einer sozialen Krise wird. Deswegen ist der Hinweis auf ein längeres Außerkraftsetzen der Schuldenbremse in der Tat notwendig und wird uns hier sicherlich im Diskurs in der nächsten Legislaturperiode weiter beschäftigen,
um auch die Handlungsfähigkeit der Berliner Wirtschaft weiterhin zu sichern und zu stabilisieren, um Wertschöpfung nachhaltig zu sichern, um die Potenziale jetzt nicht zu zerstören, sondern für eine bessere Zukunft zu erhalten, auch was die wirtschaftliche Entwicklung betrifft, lieber Herr Czaja.
Vielen Dank, ich lasse überhaupt keine Zwischenfragen zu. – Darüber hinaus ist es so: Natürlich ist es eine wichtige Aufgabe für uns, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu sichern – auch durch das Ausschütten der Wirtschaftshilfen. Auch da muss auf Bundesebene vieles flotter werden als bisher, lieber Herr Czaja. Dazu haben Sie überhaupt nichts gesagt. Wahrscheinlich sehen Sie die Probleme der Wirtschaft noch nicht einmal wirklich.
Das Einzige, was hilft, haben wir aber gesehen; das sehen wir nach zwölf Monaten Coronabewältigung: Es kommt auf jeden Einzelnen an. Die AHA-Regeln werden auch in den nächsten Monaten bei allen variablen Öffnungskonzepten wesentlicher Bestandteil bleiben.
Zweitens: testen, testen und noch mal testen! Das wird eine Leitplanke sein, die bei allen Öffnungsszenarien noch mehr an Bedeutung gewinnt, als wir sie jetzt schon einbezogen haben.
Und drittens: impfen! Da können wir zum Glück sehen, dass die ersten Impfstoffe in einer wahnsinnig schnellen Zeit – in zwölf Monaten gab es das bei noch keiner anderen Epidemie – entwickelt worden sind. Das Schutzversprechen, das wir abgegeben haben, nämlich die älteren Menschen, die vulnerablen Gruppen als erste zu schützen, ist eine Prioritätenentscheidung, die wir gemeinsam gefällt haben. Wir haben gesagt: Wir wollen die Wellen möglichst lange in die Zukunft verschieben, möglichst flachhalten, in den Kliniken möglichst eine Behandlungsfähigkeit aufrechterhalten und gleichzeitig das Beste tun, um die älteren Menschen zu schützen. Das haben wir besser als in vielen anderen Ländern – Bundesländern, aber auch im globalen Kontext – erreicht. Herzlichen Dank an die Senatsgesundheitsverwaltung, dass trotz der extrem geringen Chargen an Impfstoffen, die wir
(Sebastian Czaja)
bekommen haben, inzwischen alle Bewohnerinnen und Bewohner von Altenheimen erstmalig geimpft sind, wir inzwischen sogar bei über 30 bis 40 Prozent Zweitimpfungen liegen und Ende des Monats alle Bewohnerinnen und Bewohner von Altenheimen in Berlin einen Immunschutz haben, an den vor einem halben Jahr noch keiner geglaubt hat.
Dieses Schutzversprechen haben wir gemeinsam als Kraftanstrengung des Landes Berlin, alle Parteien in diesem Haus, umgesetzt. Das waren wir der älteren Generation, die Deutschland aufgebaut hat, weiß Gott schuldig. Vielen Dank!
Jetzt kommt es darauf an, dass der Staat weiter handlungsfähig bleibt. Wir brauchen einen handlungsfähigen Staat. Wir brauchen das Vertrauen der Bevölkerung in die Rahmenbedingungen, die wir setzen – gerade bei den Zumutungen, bei den Eingriffsrechten, die wir bei den persönlichen Freiheiten ausüben. Umso problematischer, skandalöser ist es, dass sukzessive Vertrauen verspielt wird, indem eine Ankündigungsrhetorik auf Bundesebene vorangetrieben wird, dass Impfstoffe plötzlich da wären, und wir nicht hier in unserer Umsetzungsverantwortung die Berlinerinnen und Berliner schützen können, weil der Bund die Mengen nicht liefert. – Insofern haben Sie, Herr Regierender Bürgermeister, unsere volle Unterstützung, wenn Sie der Bundeskanzlerin in den nächsten Tagen erneut signalisieren: Wir brauchen einen nationalen Impfgipfel. Wir brauchen einen Impfgipfel, der Verlässlichkeit stiftet, der aber auch Transparenz über das stiftet, was bei uns gemacht werden kann, und welche Maßnahmen ergänzend ergriffen werden. Das ist etwas, wo die Bundesregierung liefern muss, wo auch die Verträge auf europäischer Ebene transparent zu machen sind.
Transparenz schafft Vertrauen. Ich habe mich in den letzten Tagen mit vielen Industrieunternehmern und mit dem Spitzenverband der Branchenverbände – mit deren Chefs – unterhalten. Ich nehme die Argumentation wahr, dass die Firmen teilweise sehr begrenzte Lieferfähigkeiten haben. Ich nehme wahr, dass die Verfügbarkeit von Zuliefermöglichkeiten auch nicht gegeben ist, dass die Produktion wahrscheinlich nicht von heute auf morgen ausgeweitet werden kann. Aber es ist die Aufgabe der Bundeskanzlerin, systematisch zu erörtern, systematisch darzustellen – – Ich wüsste auch gerne die Antworten, die das Bundesgesundheitsministerium bei seiner Branchenabfrage über die Frage, wie die Industrie ausgeweitet werden kann, bekommen hat. Scheinbar haben viele Firmen geantwortet, sie brauchten neun Monate, um die Chargen auszubauen. Das ist natürlich viel zu lange. Ich wüsste aber auch gerne, wie wir als Staat wirtschaftspolitisch helfen können, wenn die Branche es unter Umständen nicht alleine hinkriegt, die Produktion wesentlich
auszuweiten. Darüber hinaus hat dieses Haus wichtige gesetzliche Empfehlungen beschlossen, und auch der Bundesminister und die EU haben Rechtsinstrumentarien, die gezogen werden könnten. Dazu haben wir beim letzten Mal einen guten Antrag beschlossen.
Darüber hinaus kommt es darauf an, dass wir auch auf Bundesebene Vertrauen durch eine Gesundheitsberichterstattung stiften, die ausgeweitet wird. Gerade wenn es so ist, dass die Bevölkerung damit rechnen muss, dass unter Umständen – wir hoffen, wir können es noch abwehren – neue Coronamutationen an Fahrt aufnehmen, die wesentlich aggressiver sind, ist es notwendig zu wissen, wo diese auftreten und wie die Infektionslast in Deutschland ist. Es ist gut, dass der „Tagesspiegel“ die Daten zusammenführt. Ich wünsche mir aber, dass das Robert KochInstitut und andere Behörden diese Transparenz auch stiften. Ich unterstütze ausdrücklich die Vorsitzende der Gesundheitsministerinnen und Gesundheitsminister,
unsere Gesundheitssenatorin, bei ihren Bemühungen, auf Ebene der GMK zu thematisieren, dass auch das Berichtswesen wesentlich verlässlicher werden muss.
Die Teststrategie wird fortentwickelt. Das haben wir beim letzten Mal im Sonderplenum beschlossen. Ich sage es noch einmal: Die SPD-Fraktion, ich selber, wir alle hier – zumindest die, die den Beschluss mitgetragen haben – möchten, dass das Testen genauso normal wird wie die tägliche Tasse Kaffee to go oder das tägliche Frühstücksei.
Dafür hat der Bund eine Umsetzungsverantwortung.
Ausgehend von den Beschlüssen dieses Hauses und vieler anderer Bundesländer hat der Bund die Aufgabe, die Verfügbarkeit für Heimtests zu schaffen. Der Bundesgesundheitsminister ist hier tätig geworden. Es wird nach seiner Ankündigung in der nächsten Zeit eine Zulassung von entsprechenden Heimtestkits erfolgen.
Auf Berlin bezogen ist es wiederum richtig, dass jedes Öffnungsszenario von mehr Tests begleitet werden muss. Ich nehme zur Kenntnis, dass die Bildungssenatorin gemeinsam mit der Gesundheitssenatorin sehr erfolgreich an einer flächendeckenden Schulteststrategie arbeitet, am Ausbau der mobilen Tests, die wir dort haben, hin zu zweimaligen Tests aller Schülerinnen und Schüler. Das sind 500 000 Personen, die zweimal in der Woche getestet werden, 5 Millionen im Monat. Das würde übrigens auch 5 Millionen Euro Kosten nach sich ziehen. Sobald die bundesrechtlichen Rahmenbedingungen für diese
Teststrategie gegeben sind, wird das wirken. Das ist genau die Rahmenstrategie für das, was Sie über die Eltern gesagt haben, Herr Czaja, nämlich dass die Eltern wieder Verlässlichkeit haben wollen, dass ihre Kinder gut geschult werden können und gleichzeitig ihre Gesundheit geschützt wird. Das wird greifen. Herzlichen Dank an die Schul- und Bildungsverwaltung für diese Strategie!
Darüber hinaus sind wir beim Schutz des Gesundheitspersonals tätig, das, wie wir sehen, ganz vorn an der Front kämpft. Die Gesundheitssenatorin ist dabei, nach den Erörterungen, die wir in diesem Haus, auch in den Fachkreisen, geführt haben, ein Konzept zu entwickeln, wie jetzt nicht nur das Personal des Humboldt-Klinikums, sondern darüber hinaus alle Beschäftigten in den Kliniken am Schichtende – insbesondere wenn sie in Schichten mit einer intensiveren Coronalast waren – getestet werden können, und auch vorsorglich zum Dienstbeginn.
Das ist notwendig, wie wir darüber hinaus natürlich die Konzepte der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz abwarten. Sie wissen, dass die MPK den Auftrag hat, Szenarien vorzubereiten, bei welchen Inzidenzwerten was wie geöffnet werden kann. Sie kennen den Entwurf aus Schleswig-Holstein, die Denke dieses Landes. Im Rahmen solch einer Flexibilisierungsstrategie – ganz gleich, bei welchen Werten man welche Maßnahmen ergreift, das werden wir noch politisch diskutieren müssen – ist es natürlich klar, dass mehr immer geht. Das muss die Maxime sein und auch das Signal aus diesem Hause: Mehr Schutz geht immer, weniger Schutz darf nicht sein!
Bei jedem Öffnungsszenario, das diskutiert wird, müssen Mindestgrenzen, Untergrenzen beschrieben werden. Es kann nicht sein, dass in einem regionalen Wirrwarr jeder nach Gutdünken die Gesundheit Deutschlands insgesamt und Europas gefährdet, indem man von den Untergrenzen abweicht.
Vielen Dank für den Hinweis! – Mehr Schutz geht immer, und das bedeutet dann natürlich auch ergänzende Tests in der Gastronomie, zum Maskentragen oder bei Besuchen von Kultureinrichtungen. Mehr Schutz durch Tests und Maskentragen immer, weniger nicht – das ist die erfolgreiche Strategie dieses Hauses und dieser Koalition. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich frage den Senat: Wie viele Personen sind bisher insgesamt – auch nach Bevölkerungsgruppen in Berlin aufgeteilt – geimpft worden? Wie sind die weiteren zeitlichen Planungen zum Erreichen einer angemessenen Durchimpfung in Berlin?
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Nachfrage ist: Wie viele Impfdosen könnten in Berlin täglich verabreicht werden durch die Impfzentren plus gegebenenfalls weitere ärztliche Ressourcen, wenn denn die Vakzine, die Impfstoffe überhaupt verfügbar wären, da wären? Also wie viel könnten wir mehr impfen, vom Personal, von der
Ausstattung der Impfzentren her, wenn denn die Mengen der Impfstoffe kämen?
Vielen Dank, Herr Kollege Fresdorf! Empfinden Sie es nicht als unverschämt, Familien, die notgedrungen den Kinderkrankentagegeldanspruch annehmen, Sozialversicherungsmissbrauch zu unterstellen, wie Sie es gerade getan haben?
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer hätte das vor circa elf Monaten gedacht, als wir uns zum ersten Mal über Corona unterhielten: Ungläubige Blicke über die Relevanz des Themas in diesem Hause, der allmählich zuwachsende Erkenntnisgewinn über die Dramatik der Lage, Hoffnungen, die sich auflösten, über eine regionale Eindämmung einer globalen Krise, über das Nichterfassen Kontinentaleuropas und der ganzen Welt. Das Weggehen der Illusion, dass Corona nicht mehr als eine leichte Grippe sei.
Wie viele von uns hat mich heute Morgen der Todesfall eines nahestehenden Mitglieds der SPD in meinem Wahlkreis erreicht. Ich gedenke der Toten, die diese Krise mit sich gebracht hat: 1 300 Tote in Berlin und inzwischen mehr, 38 000 Tote in Deutschland, täglich über 1 000 hinzukommend, 2 Millionen Tote weltweit. Wir haben die Spitze des Eisbergs noch nicht erreicht, erst recht nicht in der sogenannten Dritten Welt. Wachsende Armut, global zusammenbrechende Wertschöpfungsketten, alle Kollateralschäden, auch die der Nichtbehandlungsmöglichkeit von chronisch Kranken hier in den deutschen und europäischen Kliniken gar nicht erst benannt. Nur reduziert auf das Faktum des Lebensrettens, da, wo es notwendig ist, Behandlung zu garantieren, dieses weiter zu ermöglichen, ist Dramatik genug.
Wir spüren: Die Welt ist unsicherer geworden. Wir sehen, dass der Virus sich weiterentwickelt. Wir sind nicht sicher, ob Wohlstand im globalen Maßstab – auch nicht in Deutschland und Europa – aufrechterhalten werden kann, so wie wir es bisher gewohnt sind. Dennoch sehen wir, dass die Strategie des Senats, wie auch der anderen seriösen Regierungen in der Welt, bei weitem nicht erfolglos gewesen ist, sondern im Gegenteil: Sie war gewissermaßen alternativlos. Hätten wir sonst nicht schon
längst ein globales Chaos, nicht nur im gesundheitlichen, sondern auch im ökonomischen System und auch in der Verfasstheit des Staatensystems insgesamt? Insofern war die Strategie, die wir hier vor neun Monaten gemeinsam beraten haben, nämlich zu sagen, wir wollen, dass die erste Welle so gering ist wie möglich, dass die Kurve flach gehalten wird, dass eine zweite, dritte oder auch vierte Welle möglichst weit in die Zukunft geschoben werden kann, damit die Gesundheitssysteme qualifizierter sind, als sie es vor neun Monaten waren, damit eine Chance auf eine Behandlung besteht, genau die richtige. Vor diesem Hintergrund meine ausdrückliche Unterstützung in toto zu den Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz der letzten Tage.
Ich sage ganz klar: Unser Ziel ist es, mögliche Wellen in die Zukunft zu setzen. Es kann sein, dass es eine dritte Welle gibt. Es kann sein, dass es auch noch eine vierte Welle geben wird. Wir wissen nicht, wann die Maßnahmen wie zurückgeführt werden können und wann wieder eine alte Normalität hergestellt werden kann. Was wir aber wissen, ist, dass wir momentan abhängig vom Zugang zu Medikamenten, zu Impfstoffen, sind. Genau da ist erstmalig Licht am Ende des Tunnels.
Wer hätte das gedacht, als die erste gute Botschaft, vor zwölf Monaten schon, in den Medien auftauchte, nämlich, dass die Gensequenz nach knapp acht Wochen identifiziert worden ist? Das ist die Grundlage für einen Impfstoff. Nach nur acht Wochen kannte die Welt die Gensequenz dieses Virus. Und jetzt haben wir die ersten Medikamente am Markt, und sogar schon Vorhalteressourcen der Firmen bevor eine Zulassung ausgesprochen worden ist. Das ist eine gute Nachricht. Aber dennoch, wir wissen nicht, wie lange es dauert, bis denn – gucken wir erst einmal in die sogenannte Erste Welt, bei uns beispielsweise in Deutschland – eine hinreichende Herdenimmunität durch Schutzimpfung gegeben ist. Das kann noch sehr lange dauern. Wir wissen auch nicht, wie lange die jeweiligen Impfstoffe vorhalten. Ist eine Zweitimpfung nach einem Jahr oder nach einem zweiten Jahr nötig? – Auch da gibt es zukünftig viel zu tun. Wir wissen auch nicht, was denn an Mutationen noch kommt. Wir sehen die Mutation aus England, welche, wenn sie denn dominierend würde auch in Deutschland, dann eine Beschleunigung des Infektionsgeschehens um einen wesentlichen Faktor, 40 bis 50 Prozent, als Ergebnis hätte, das heißt, unsere Eindämmungsbemühungen massiv konterkarieren würde.
Wir sehen eine Mutation aus Südafrika, welche nach den bisherigen Ergebnissen noch abgedeckt wäre von den Impfstoffen. Die Oberflächenproteine würden nicht so stark verändert sein, nach dem, was man im Moment weiß, dass die Impfstoffe, die wir jetzt kennen, nicht mehr wirken würden. Aber das ist Status quo nach einem Jahr Corona. Wir wissen, wir haben null Sicherheit, ob
(Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt)
und wann die erste Mutation kommt, die vielleicht sogar wesentlich alle Impferfolge schwächen würde.
Auch vor dem Hintergrund sind die Beschlüsse der MPK über Sequenzierung notwendig und richtig.
Aber wir wissen, dass das Einzige, was wirkt, im Moment eben der Zugang zur Impfung ist. Von daher, Herr Bundesgesundheitsminister, ich schätze Sie sehr, aber das transportieren Sie bitte auch in der Öffentlichkeit weiter. Herr Bundesgesundheitsminister ist quasi mutiert zu einem Bundesankündigungsminister. Das jüngste Beispiel, Moderna, ist doch solch ein Fall. 50 Millionen Dosen Impfstoffe in einem Jahr gesichert für Deutschland, 2 Millionen davon nur für Berlin im Jahr 2021, 88 000 im ersten Quartal, nur 44 000 Menschen, die wir hier überhaupt erreichen mit dem angeblichen Heilsbringer Moderna. Wir müssen auch sagen, wo wir stehen. Wir können nicht suggerieren, dass das Problem gelöst wäre, Herr Bundesgesundheitsminister Spahn. Seien Sie ehrlich, zerstören Sie nicht das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik. Die Wahrheit ist, wir wissen momentan nicht, wann eine Durchimpfung erreicht werden kann. Sie wird nicht in den nächsten drei Monaten erreicht sein.
Das Gleiche sehen wir bei anderen Themen. Die Länder haben ihre Hausaufgaben gemacht. Fantastisch, wir könnten momentan sofort, was angekündigt war, impfen. Deshalb ist es natürlich richtig, die Produktion auszuweiten. Es ist gut, wenn Bayer versucht, mit anderen Firmen eine Impfalley national aufzubauen. Aber das reicht erst recht im globalen Maßstab nicht aus. Da ist das Instrument der weiteren Lizensierung in der Tat notwendig und richtig.
Der Berliner Senat hat seine Hausaufgaben gemacht, auch mit den minimalen Chargen die Bevölkerung sehr gut zu schützen. Wir haben inzwischen rund 45 Prozent der Heime mit mobilen Impfteams erreicht. Das ist über das Doppelte, fast das Dreifache dessen, was der bundesweite Durchschnitt ist. So wie wir die Medikamente haben, kommt der Rest der Bevölkerung leider langsam, aber nach und nach dran.
Wir brauchen eine zweite Strategie, das ist der Zugang zu den Schnelltests. Ich möchte, dass die jährliche Impfung genauso normal wird wie die jährliche Geburtstagsfeier, und ich möchte, dass der regelmäßige Schnelltest so normal wird wie das tägliche Frühstücksei oder die morgendliche Tasse Kaffee. Klar ist, solange das unsere einzigen Instrumente sind – Hygiene, Testen und Schnelltests –, werden wir, wenn denn irgendwann mal in einem
halben oder einem Jahr eine hohe Durchimpfung in der Bevölkerung erreicht ist, uns natürlich auch auf ein neues Normal einstellen können müssen. Das mag dann bedeuten: Herstellung der Rechte, der Grundrechte für Geimpfte und insbesondere auch neue Zugangswege mit verpflichtenden Schnelltests. Aber noch mal: Wir wissen im Moment leider noch nicht einmal, ob denn jemand, der geimpft ist, obwohl er oder sie selbst geschützt ist, trotzdem jemand anderen anstecken kann. Auch das wissen wir noch nicht. Die ethische Debatte über ein neues Normal, die hat gerade erst begonnen. Die Aufgabe ist leider noch nicht bewältigt. Wir wissen auch nicht, ob es jederzeit noch dramatischer werden kann. Soviel gehört zur Wahrheit dazu. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Schneider hat eben richtigerweise ausgeführt, warum die Dramatik so groß ist, dass wir mehr Impfstoffe brauchen. Die Skalen sind dargelegt worden. Wir reden nicht nur über kleine Mengen, sondern global über ein Versorgungssicherheitsproblem.
Jetzt kann man ordnungspolitisch unterschiedlicher Meinung sein, was das richtige Instrument wäre, um ein Wirtschaftssegment zu reglementieren: Wie viel soziale Marktwirtschaft, und was sind die Leitplanken davon? Was sind die Leitplanken im Welthandelsrecht? Was sind die Leitplanken in der Verfügbarkeit über Patente? Wie viel Kapitalismus ist möglich, wie viel Sozialismus ist nötig?
Da kann man sich unterschiedlich nähern.
Man kann über Staatsmonopolkapitalismus reden, man kann ihn kritisieren. Wir schätzen die Vorteile einer pluralen Gesellschaft mit dem Wirtschaftssystem, das wir hier haben.
Fakt ist aber, dass nach dem internationalen Patentrecht und erst recht nach den Regelungen des Deutschen Bundestages, wenn die Versorgungssicherheit nicht mehr
gewährleistet ist, durchaus in das geistige Eigentum eingegriffen werden darf und kann, um eben eine souveräne Handlungsfähigkeit des Souveräns Staat XYZ sicherzustellen – dann kann eine Lizenz entzogen und genommen werden, dann kann eine Auftragsvergabe erfolgen, dann kann eine Zwangslizensierung erfolgen.
Ich sage nicht, dass das politisch ein Leitbild ist, was man haben muss oder was wir für die Industriepolitik im Bereich der Pharmaindustrie haben. Ich sage aber durchaus, dass wir uns vor dem Hintergrund der Coronakrise in einer Dramatik befinden – und das ist etwas anderes, als was Sie von der AfD gerade dargestellt haben –, die es notwendig macht – so wie damals schon die Debatte bei den HIV-Präparaten, den Medikamenten, wo das nur durch solche Eingriffe gewährleistet werden konnte, gerade in Dritte-Welt-Staaten.
Da reden wir von einer großen Dimension. Wenn die Industriebranche das nicht alleine hinbekommt – danach sieht es derzeit aus, schauen wir mal –, dann muss dieses Register gezogen werden. Das führt dann auch Erstattungsansprüche, das führt auch Verhandlungsfragen mit sich, aber es kann nicht sein, dass die Welt zuguckt und untergeht, während die einzigen Hoffnungsträger unter Umständen nicht global bereitgestellt werden.
Insofern ist die von der Koalition geforderte Debatte und der Handlungsrahmen, den wir hier einfordern, nicht unlogisch und auch nicht ideologisch, sondern er ist logisch. – Danke!
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Torsten Schneider (SPD): Die AfD liest mal das Gesetz! Das ist übrigens eine Erfindung von Herr Spahn. Er hat sich das gewünscht, er muss es sich nur erfüllen!]
Vielen Dank! – Sie haben ja gerade vom Senat sehr gut dargestellt, wie wir flott mit dem Impfen beginnen werden und wie die Impfchargen aufgeteilt werden, die zunächst verfügbar sind. Wenn wir jetzt von 380 000 – wie eben gesagt wurde – impfbaren Menschen im ersten Quartal ausgehen: Wie verhält sich das denn zu den Kategorien, die von der Impfkommission genannt wurden, also beispielsweise bei den über 75-Jährigen, dann Pflege- und Gesundheitspersonal – wie viel Tausend sind das denn in der Stufe eins, zwei, drei, wenn man diese medizinische Bedarfskategorie der STIKO als Messlatte hätte?
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich frage den Senat, wie die Vorbereitungen zur Berliner Impfstrategie ausschauen, und auch danach, nach welcher Priorität die Bevölkerung in welchem Zeitrahmen geimpft werden wird.
Vielen Dank für die erfreulichen Nachrichten!
Meine Nachfrage wäre konkret: Wie viele Menschen werden in der ersten Phase, über die Sie gerade berichtet haben, denn geimpft werden, und wie lange wird es vorbehaltlich der Verfügbarkeit der Impfstoffe dauern, bis dann beispielsweise 70 Prozent der Berlinerinnen und Berliner geimpft sein könnten?
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Seibeld! Was plustern Sie sich eigentlich hier auf? Sie stellen sich hier hin, werfen der Berliner Koalition Versagen vor, was die Rückverfolgbarkeit betrifft, tun so, als ob das eine koalitionsspezifische Sache in Berlin wäre und sagen, deswegen sind die Gerichte nur in der Lage so zu urteilen, wie sie sind.
Schauen Sie doch mal nach Nordrhein-Westfalen; schauen Sie doch mal beispielsweise, was Laschet dort macht mit seiner Bildungssenatorin. Solingen wollte gestern, um eine höhere Sicherheit zu haben, um die Empfehlung vom
(Cornelia Seibeld)
RKI umzusetzen, schon zu einem Schichtenmodell in den Schulen kommen, und Laschet holt das zurück über seine Bildungstruppe in Nordrhein-Westfalen.