Protokoll der Sitzung vom 22.03.2018

Noch bauen die Vorstände den Flughafen.

[Beifall und Lachen bei der CDU und der FDP – Zurufe von der CDU und der FDP]

Ja, das ist Ihr irres Politikverständnis! Einerseits rufen Sie nach Privatwirtschaft, und andererseits tun Sie so, als ob der Regierende Bürgermeister als Aufsichtsratsvorsitzender baut. Das ist doch absurd! Sie müssten mal Ihre eigene Strategie überprüfen!

Was folgt daraus? – Wir wollen einen Untersuchungsausschuss nicht blockieren. Sie haben das Recht dazu. Wir wollen ordnungsgemäß darin arbeiten, auch wenn wir ihn für unnötig halten. Aber wir werden keinen Auftrag akzeptieren, der daraus eine Wahlkampfveranstaltung für die nächsten zwei, drei Jahre macht, sondern ein Untersuchungsausschuss – es bleibt dabei – guckt zurück. Für andere Dinge haben wir andere Ausschüsse. Deshalb, Herr Evers – Sie können ja noch mal reden –: Sagen Sie mal, ob Rissmann noch gilt oder ob jetzt der Politstil Evers die CDU beherrscht! Ich fände es schade.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von Christian Gräff (CDU)]

Herr Evers, Sie haben die Möglichkeit der Erwiderung! – Bitte schön!

Lieber Herr Kollege Stroedter! Ich fange mal damit an, Ihnen den Kollegen Rissmann zu erläutern.

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Erstens: Wir haben aus guten Gründen am damaligen Antrag der Piratenfraktion an bestimmten Punkten das Bestimmtheitsgebot verletzt gesehen. Wir haben im Rechtsausschuss dazu beigetragen, dass sehr sensibel und zurückhaltend an den richtigen Stellen eingegriffen wurde. Wir haben uns dann gemeinsam in der großen Koalition – vielleicht erinnern Sie sich noch; wir hatten damals

den Anstand – enthalten, als es um die Einsetzung des Untersuchungsausschusses ging, gerade weil nicht alle unsere Bedenken, was die Bestimmtheit des Antrag anging, ausgeräumt waren.

Zweiter Punkt: Ich finde es spannend, dass Ihre Koalition schon so sehr in Auflösung befindlich ist, dass Sie sich mitten im Wahlkampf fühlen. Für uns ist das kein Wahlkampfinstrument, sondern ein Aufklärungsinstrument.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Ich habe schon gesagt, dass diese Aufklärung nicht nur das Parlament, sondern vor allem die Berlinerinnen und Berliner verdienen.

Dritter Punkt: Sie wollen mir ernsthaft mit Moral kommen?

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Wenn wir diesen Untersuchungsausschuss brauchen, um auch den größten Politskandal Ihrer bisherigen Regierungszeit mit Rot-Rot-Grün, nämlich die krasse Missachtung des Volksentscheids zu Tegel, die Sie gerade noch einmal perpetuiert haben, aufzuarbeiten, dann haben Sie mit politischer Moral wirklich gar nichts mehr am Hut. Natürlich bewegt uns das.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von der CDU: Bravo!]

Natürlich schulden wir auch der Million Berlinerinnen und Berliner, die aus guten Gründen für die Offenhaltung von Tegel gestimmt haben, eine Antwort darauf, welche Rolle der Senat und die Flughafengesellschaft dabei spielen, ihren Willen zu hintertreiben. Das gucken wir uns jetzt an und nicht, wenn der Flughafen fertig ist. Denn mit Verlaub: Ich weiß nicht, ob Sie und ich noch diesem Parlament angehören, wenn es soweit ist.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Frank-Christian Hansel (AfD): Wir werden auf jeden Fall noch da sein!]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Zillich. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn sich Fraktionen entschließen, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu beantragen, dann sollte man meinen, sie täten dies aus gewichtigen Gründen und wohlgeprüft, denn dieses Instrument ist in der Tat ein hohes parlamentarisches Gut, und niemand sollte ein Interesse daran haben, es zu beschädigen. Es ist klar ein Minderheitenrecht, und dazu stehen wir.

[Beifall von Anne Helm (LINKE) – Beifall von Stefan Evers (CDU)]

(Jörg Stroedter)

Der beantragte Untersuchungsausschuss wäre, wenn ich mich nicht verzählt habe, der fünfte oder vierte zu dem Thema. – Jutta, du wirst es wissen. Ich glaube es sind fünf. – Das ist in der Tat rekordverdächtig. Angesichts des andauernden Desasters um den BER ist das auch nicht überraschend. Auch die Empörung darüber ist allgemein und verständlich. Auch verständlich ist die Empörung über die gewisse politische Ohnmacht im Umgang mit diesem Thema, die man konstatieren muss.

Allerdings reicht Empörung allein nicht aus, um einen Untersuchungsausschuss zu begründen. Sie reicht aus, um eine politische Debatte zu führen, aber nicht, um einen Untersuchungsausschuss zu begründen. Es ist ein Missverständnis, wenn ein Untersuchungsausschuss einfach nur als Krone der parlamentarisch-politischen Eskalation betrachtet wird. Das ist ein Missbrauch des Untersuchungsausschusses.

Der Untersuchungsausschuss gibt uns scharfe strafprozessuale Instrumente in die Hand. Wir können damit zwangsweise Beweise erheben, Aussagen erzwingen.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Und er verschiebt die Stellung des Parlaments im System der Gewalten. Er ermöglicht es uns, anders als das normale parlamentarische Kontrollrecht, in Sphären der Exekutive einzudringen, und das ist auch notwendig. Weil das aber so ist, muss der Untersuchungsausschuss strengen formalen Kriterien unterzogen werden. Deswegen muss das, was untersucht werden soll, bestimmt und nicht uferlos sein. Es muss bestimmt und abgeschlossen sei, und zwar sowohl in sachlicher Hinsicht als auch in zeitlicher. Das ist der entscheidende Punkt.

[Beifall von Melanie Kühnemann (SPD)]

Viele der Fragen, die Sie aufführen, richten sich nicht in die Vergangenheit. Keineswegs! Wie ist der derzeitige Zustand? Was ist aktuell dieses und jenes? Manches richtet sich in die Zukunft. Gerade weil Sie angeblich so sensibel mit dem vergangenen Untersuchungsausschuss umgegangen sind, fragt man sich doch, warum Ihnen das nicht aufgefallen ist. Warum reichen Sie hier einen Untersuchungsauftrag ein, der genau an dieser Stelle offensichtlich dieses Instrument nicht in der angemessenen Art und Weise gebraucht?

[Zuruf von Stefan Evers (CDU)]

Hinzu kommt, dass Sie Spekulatives erfragen. Eine Frage im Untersuchungsauftrag, den Sie hier vorlegen, lautet: Was wäre gewesen, wenn? Es ist doch klar, dass sich spekulative Fragen einer Sachverhaltsaufklärung entziehen.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Schon deswegen muss das, was Sie hier vorgelegt haben, einer rechtlichen Prüfung unterzogen werden. Dazu sind wir als Parlament verpflichtet. Dafür tragen wir die Ver

antwortung. Genau das wird im Rechtsausschuss auch passieren.

[Beifall bei der LINKEN und der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Haben Sie das auch beantragt?]

Es gibt natürlich nicht nur rechtliche Fragen, sondern auch Fragen der politischen Bewertung. Die politische Bewertung kann selbstverständlich Ihr Einsetzungsrecht nicht betreffen, aber sie ist trotzdem nötig. Ich will Ihnen schlaglichtartig ein Beispiel nennen. Sie fragen nach den Umständen und Gründen des Rauswurfes von Mühlenfeld. Ich kann Ihnen die Frage beantworten, auch wenn ich an dem Prozess nicht beteiligt war, und zwar, weil es allgemein bekannt ist. Der Geschäftsführer hat sich auch öffentlich mehr und mehr von den Vorgaben der Gesellschafter entfernt. Die standen vor der unerquicklichen Abwägung: Wollen wir uns von dem auf der Nase herumtanzen lassen, oder wollen wir ihn rausschmeißen, was nicht gerade ein Erfolgsmodell beim BER war?

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Schneider?

Ja, bitte!

Herr Schneider, bitte, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Herr Kollege Zillich! Können Sie mir erklären – ich bin da noch nicht schlau geworden –, warum es CDU und FDP so vehement abgelehnt haben, dem guten Brauch folgend, gemeinsam zum Schutz dieses wichtigen parlamentarischen Instrumentariums den Wissenschaftlichen Parlamentsdienst mit der Prüfung der vorgelegten Fragen im Sinne einer Konsensfindung zu beauftragen?

Verehrter Kollege Schneider! Ich kann es Ihnen nicht erklären, aber Sie haben recht, dass es so ist.

[Beifall von Katalin Gennburg (LINKE)]

Insofern wird sich aber diese rechtliche Überprüfung nicht erledigen, denn wir werden sie vornehmen. An dem, was Sie jetzt sagen, und den Bedenken, die Sie jetzt vortragen, zeigt sich Ihr mangelnder Aufklärungswille. Das haben Sie wieder wunderbar vorgetragen. Das ist eine absurde Scharade. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Wer hier einen Untersuchungsauftrag vorlegt, wer Fragen hat, die nicht bestimmt oder spekulativ sind oder deren

Antwort allgemein bekannt ist, der muss sich die Frage stellen lassen, wie ernst er sein eigenes Aufklärungsinteresse nimmt. So rum geht es doch.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Nein, der Untersuchungsausschuss ist kein Instrument für die aktuelle politische Auseinandersetzung. Es zeigt Ihre eigene politische Hilflosigkeit, wenn Sie ihn in dieser Art und Weise einführen. Wir werden im Rechtsausschuss prüfen, was rechtlich geht, und dann werden wir das Ergebnis bewerten und uns dazu verhalten. Aber prüfen werden wir, denn so, wie es hier vorgelegt wurde, geht es sicherlich nicht.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Stefan Evers (CDU) – Zuruf von Steffen Zillich (LINKE): Die Freiheitspartei! Was habt ihr zu verbergen? Das ist bezeichnend!]

Für die AfD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Herr Hansel das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kollegen! Liebe Gäste! Herr Zillich! Worum muss es der Berliner Politik heute gehen, wenn wir über Flughäfen reden? – Es muss darum gehen, ein zukunftsfähiges, der wachsenden Nachfrage des Weltluftverkehrs Rechnung tragendes Flughafensystem für die Metropolregion Berlin-Brandenburg zu schaffen, das mindestens für die nächsten 30, 40 Jahre trägt. Und das, liebe Kollegen der kleinen Oppositionskoalition schaffen wir nicht mit einem auf vergangenes Fehlverhalten gerichteten Untersuchungsausschuss, sondern nur mit einem parlamentarischen Sonderausschuss, der sich unter Einschluss echter Branchenexperten um die eigentlichen Zukunftsfragen kümmern muss, die bisher unbeantwortet geblieben sind.

Das Drama ist kurz beschrieben: Hatte Berlin bis 1995 noch ein Flughafensystem mit drei Flughäfen und sechs Start- und Landbahnen, so soll ab 2021 ein Flughafen mit nur zwei Pisten den gesamten Berliner Flugverkehr abwickeln. Das funktioniert mit dem BER alleine nicht. – Sie erinnern sich, Kollege Stroedter, Sie haben die Anhörung gerade angesprochen: Ohne eine dritte Startbahn wird es nicht gehen. Das war das eindeutige Votum des Flughafenplaners Faulenbach da Costa, der sein ganzes Berufsleben in der Airportwelt lebt und weiß, worum es geht, anders als Ihr Lütke Daldrup, der nur glaubt zu wissen, wo es lang geht, obwohl er es aus professioneller eigener Anschauung nicht selbst wissen kann.