Protokoll der Sitzung vom 31.05.2018

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der CDU, der LINKEN und der FDP]

Für die Fraktion der FDP hat jetzt der Abgeordnete Herr Förster das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Die heutige Debatte hier im Berliner Abgeordnetenhaus sendet ein klares und unmissverständliches

Signal in die Stadtgesellschaft hinein. Wir werden jeder Form des Antisemitismus, in welcher Gestalt und mit welcher vermeintlichen Begründung er auch immer sichtbar wird, wirkungsvoll entgegentreten und das breite zivilgesellschaftliche Engagement in diesem Bereich unterstützen und stärken.

[Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Heiko Melzer (CDU)]

So wichtig dieses deutliche Bekenntnis ist, so traurig macht mich aber auch die Tatsache, dass wir uns überhaupt mit dem in letzter Zeit wieder verstärkt auftretenden Phänomen des Antisemitismus befassen müssen. Es wird mir immer unverständlich bleiben, dass es Personen gibt, die Mitmenschen nach ihrer Herkunft und Religion beurteilen und nicht ihr Handeln und ihren Charakter, ihre Rolle im Gemeinwesen zur Richtschnur ihrer Beurteilung machen.

[Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Florian Graf (CDU)]

Die Blütezeit jüdischen Lebens im 18. und 19. Jahrhundert bescherte Berlin eine beispiellose Vielfalt im gesellschaftlichen Leben. Man denke nur an die vielfältigen Einflüsse in Kunst, Kultur oder Literatur. Man denke an Moses Mendelssohn, Fanny Hensel, Rahel Levin oder Henriette Herz, die entscheidende Impulse für die kreative Ader dieser Stadt lieferten. Aber auch weitere Namen wie Moritz Veit, Wilhelm Baer, Paul Singer, Samuel Fischer, Leopold Ullstein oder Max Liebermann sind bis heute untrennbar mit der Entwicklung Berlins – auch zu einer geistigen Metropole – verbunden. Berlin war in seiner rund achthundertjährigen Geschichte also stets eng mit jüdischem Leben verbunden. Es gehört somit auch zur DNA dieser Stadt.

[Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Dr. Kristin Brinker (AfD) und Frank-Christian Hansel (AfD)]

Zur DNA gehört aber auch das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte, denn in den zwölf Jahren der NS-Diktatur wurden von Berlin ausgehend nicht nur der Zweite Weltkrieg entfesselt, der in seiner Endphase mit voller Wucht zurückkam, sondern auch die Auslöschung jüdischen Lebens, die systematische Vertreibung jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger, der millionenfache Mord – all dies wurde auch maßgeblich von Berlin aus organisiert und gesteuert. Daraus erwächst eine besondere Verantwortung. Auch wenn wir alle hier im Haus schon zu den Nachkriegsgenerationen gehören und diese schrecklichen Jahre persönlich nicht erlebt haben, haben wir doch eine große moralische Verpflichtung, uns dieser Vergangenheit immer wieder aufs Neue zu stellen und die richtigen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.

[Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Der heute hier vorliegende interfraktionelle Antrag ist mehr als eine Resolution, die eindeutig jede Form von Antisemitismus verurteilt und diesem zivilgesellschaftliches Engagement entgegenstellt. Sie ist vor allem auch ein ganz konkreter Maßnahmenplan, wo in neun Punkten deutlich gemacht wird, in welcher Bandbreite gegen den Antisemitismus vorgegangen wird und künftig auch noch verstärkt vorgegangen werden soll.

Neben der konsequenten Verfolgung von unstrittig strafbaren Handlungen, die von verbalen Beleidigungen bis hin zu gewalttätigen Übergriffen reichen, ist es genauso wichtig, unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit geführte Stammtischdebatten nach dem Motto: Man wird ja noch mal sagen dürfen! – im Blick zu haben. Vieles, was dort mitunter geäußert wird, ist unerträglich und vor allem inhaltlich totaler Quatsch. Aber Verschwörungstheorien sind nicht per se strafbar und können auch nicht ohne Weiteres unterbunden werden. Aber unsere Verpflichtung ist es, wenn wir dies mitbekommen, dies nicht unkommentiert stehenzulassen und auch im Gespräch deutlich zu machen, dass es so nicht geht.

[Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU, der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Dr. Kristin Brinker (AfD) und Frank-Christian Hansel (AfD)]

Natürlich kann und darf die israelische Regierung kritisiert werden, aber das Existenzrecht Israels im selben Atemzug infrage zu stellen, ist genau eine dieser subtilen Formen des Antisemitismus, der entgegenzutreten ist. Es würde auch niemand, der die Regierung Orbán in Budapest kritisiert, auf die Idee kommen, das Existenzrecht des ungarischen Staates infrage zu stellen. Hier zeigt sich dann schnell der Unterschied, und das ist genau der Antisemitismus, der auf subtile Art und Weise daherkommt, der genau so zu benennen und zu kritisieren ist.

[Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU, der LINKEN und den GRÜNEN]

Die konsequente Bekämpfung des Antisemitismus ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe; ihr sollten sich alle alten und neuen Berlinerinnen und Berliner verpflichtet fühlen. Das ist auch ein Appell an die Menschen, die aus allen Teilen der Welt neu zu uns gekommen sind und – das sind bei Weitem nicht alle und auch nicht die Mehrheit, aber zu viele – aus ihren Herkunftsländern auch antisemitisches Gedankengut mitgebracht haben. Sie werden nur dann einen dauerhaften Platz in unserer Gesellschaft haben und hier heimisch werden können, wenn sie akzeptieren, dass das jüdische Leben integraler und wichtiger Bestandteil dieser Stadt ist. So, wie sie erwarten, dass wir ihre Überzeugungen und religiösen Vorstellungen, sofern mit dem Grundgesetz vereinbar, achten und akzeptieren, so gilt dies umgekehrt auch für das jüdische Leben und die jüdische Religion.

[Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU, der LINKEN und den GRÜNEN]

Berlin ist im Jahr 2018 eine vielfältige, tolerante, weltoffene Metropole, zu deren geschichtlichem, kulturellem und gesellschaftlichem Selbstverständnis auch das jüdische Leben in all seinen Facetten gehört. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass dies auch so bleibt, und tun wir alles dafür, dass Antisemitismus keinen Platz in Berlin hat! – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU, der LINKEN und den GRÜNEN]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Antragsteller haben die sofortige Abstimmung beantragt.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der AfDFraktion abstimmen. Wer dem Änderungsantrag der AfDFraktion Drucksache 18/1061-1 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das ist die AfDFraktion. Gegenstimmen? – Bei Gegenstimmen sämtlicher anderen Fraktionen ist der Änderungsantrag damit abgelehnt. Dann komme ich zur Abstimmung über den Antrag. Wer dem Antrag Drucksache 18/1061 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen. Damit ist der Antrag einstimmig beschlossen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.3:

Priorität der Fraktion der CDU

Tagesordnungspunkt 25

Von der Pike auf: Mit starken Bezirken zu einer leistungsfähigeren Verwaltung in Berlin gelangen

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/1068

In der Beratung beginnt die Fraktion der CDU und hier der Kollege Stephan Schmidt. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Berlin wächst rasant, und damit wachsen auch die Anforderungen an eine moderne und bürgernahe Verwaltung. Die Probleme hierbei sind vielfältig und altbekannt: behäbige Verwaltungsprozesse, Personalmangel vor Ort, aber vor allem völlig unklare Zuständigkeiten. Es ist heute im Berliner Verwaltungsdschungel für die Bürgerinnen und Bürger, aber auch für Unternehmen und mittelständische Betriebe kaum noch erkennbar, wer wann wo und wofür zuständig ist. So kann es nicht weitergehen! Wir müssen das Problem endlich grundlegend angehen.

[Beifall bei der CDU]

Der Schlüssel dazu, die Verwaltung endlich wieder leistungsfähiger und verständlicher zu machen, liegt in einem klaren Bekenntnis zu den Berliner Bezirken. Nur wenn die Bezirke in ihrer Verantwortung wieder eigenständiger agieren können, kann das Berliner Verwaltungswesen von der Pike auf runderneuert werden. Die Bezirke müssen eigenständige Einheiten bleiben, denn in ihnen spiegeln sich die Vielfalt und auch die Besonderheit Berlins wider. Jedoch ist bisher in Berlin leider das Gegenteil der Fall. Schauen Sie sich nur den Bezirk Pankow an: Es ist schlicht nicht mehr zeitgemäß, dass der Bezirksbürgermeister dort für mittlerweile über 400 000 Einwohner verantwortlich ist – das ist Platz 16 der größten deutschen Städte –, aber deutlich weniger Kompetenzen besitzt als ein Bürgermeister jeder durchschnittlichen deutschen 160 000-Einwohner-Kommune. Man muss in Berlin insgesamt leider feststellen: Die Bezirke hatten noch nie einen so geringen politischen Einfluss und einen so kleinen Entscheidungsspielraum, wie es heute der Fall ist. Und schuld daran ist vor allen Dingen die SPD, die mit ihren regelmäßigen zentralistischen Anwandlungen daherkommt.

[Zuruf von der SPD: Wer sonst!]

Da werden immer wieder klare Vor-Ort-Aufgaben der Verantwortung der Bezirke entrissen. Prominentestes Negativbeispiel ist die völlig ineffiziente Verkehrslenkung Berlin, aber auch andere wichtige Zuständigkeiten oder Aufgaben z. B. in der Bauplanung wurden den Bezirken ohne triftigen Grund entzogen, wie zuletzt geschehen in Spandau.

Gebracht hat das alles nichts. Die Effizienzleistung der Verwaltungsstrukturen in Berlin hat sich bis heute kein Stück verbessert – ganz im Gegenteil. Da ist es schon ein starkes Stück, wenn der Regierende Bürgermeister, der nicht anwesend ist, Anfang des Jahres ernsthaft behauptete, dass es ein Fehler gewesen sei, dass der Senat das Durchgriffsrecht gegen die Bezirke abgegeben hat. – Herr Müller! Ein Fehler ist ein Weniger an Verantwortung für die Bezirke. Falsch ist es, gegen die Menschen und Gegebenheiten vor Ort durchregieren zu wollen. Wir sagen ganz deutlich: Den Plänen der SPD, dem Senat ein Eingriffsrecht in wichtige Bezirksangelegenheiten einzuräumen, erteilen wir eine klare Absage!

[Beifall bei der CDU]

Die Wahrheit ist: Wenn das Land rechtzeitig auf die Bezirke hören würde, etwa, als sie früh vor dem Schulsanierungsstau gewarnt haben, oder bei der Personalnot der Bürgerämter, dann wäre der Stadt viel Ärger erspart geblieben. Wir erwarten deshalb endlich wirkungsvollere Maßnahmen zur Stärkung der Bezirke, und wir schlagen in unserem vorliegenden Antrag auch eine ganze Reihe davon vor.

(Stefan Förster)

Zunächst einmal muss die Aufgabenverteilung zwischen Senat und Bezirken einer dauerhaft kritischen Prüfung unterzogen werden. Die Expertengruppe um Heinrich Alt hat hier bisher leider nur ungenügende Ergebnisse geliefert. – Bitte keine Zwischenfragen! –

[Frank-Christian Hansel (AfD): Darum brauchen wir eine Enquete-Kommission!]

Und als der Zwischenbericht kam, war davon die Rede, dass beispielsweise Kfz-Zulassungen in Berlin zwei Tage dauern sollen. Die Effizienz dieser Expertengruppe scheint mindestens fragwürdig zu sein. Heute steht mit 27 Arbeitstagen Wartezeit im Prinzip der Beweis in der Zeitung, dass Verwaltungsreformen in diesem Land nicht richtig vorankommen.

Wir wollen es den Bezirken letztlich erleichtern, eigene Schwerpunkte zu setzen. Für uns ist klar: Indem wir die Gestaltungsmöglichkeiten der Bezirke stärken, machen wir Verwaltungsstrukturen insgesamt besser. Dazu gehört im Übrigen auch, dass Bezirke auskömmlich finanziert werden – ohne nachträgliche Basiskorrektur und ohne die Situation, dass die Bezirke wie das Kaninchen vor der Schlange sitzen und auf die nächste vom Senat oft willkürlich veranschlagte Basiskorrektur starren müssen. Damit die Verwaltung insgesamt schneller wird, möchten wir auch die Prozessdauer verkürzen. Wir wollen klare Zielvorgaben. Wir wollen, dass diese Zielvorgaben auch für den Senat gelten. Wir wollen ein Bonussystem einführen, dass die Bezirke mit Prämien dafür belohnt werden, wenn vereinbarte Ziele fristgerecht erreicht wurden. Wir wollen, dass Schluss mit dem Personalmangel in den Bezirksämtern ist. Wir fordern eine schnellere Stellenbesetzung und eine Anhebung des Besoldungsniveaus auf Bundesebene, damit sich auch die Bezirke endlich gut ausgebildetes Personal leisten können.

[Beifall bei der CDU]

Wir wollen den Rat der Bürgermeister, den RdB, mit einem Vetorecht ausstatten und ein echtes Mitspracherecht der Bezirke, und wir wollen die Verantwortung für alle wichtigen Entscheidungen in den Bezirken belassen – weniger Fachaufsicht, mehr Eigenverantwortung.

Wenn wir all diese Reformmaßnahmen konsequent umsetzen, schaffen wir in Berlin ein neues, positives Denken von unten, das die Bezirke dazu ermutigt, auf Augenhöhe mit dem Senat eigene Akzente zu setzen. Dass das dann den Ansprüchen einer wachsenden Stadt entspricht, davon sind wir überzeugt. Wir wollen eine Dynamik, in der sich die ureigene, besondere Berliner Identität widerspiegelt, mit einem verständlichen, bürgernahen und damit leistungsfähigeren Ansatz, einer Verwaltung vor Ort. Ich lade Sie alle ein, in den Fachausschüssen mitzudiskutieren, um gemeinsam Lösungen für diese Stadt hinzubekommen! – Vielen herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Becker das Wort!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Schmidt! Es grenzt schon fast an ignorante Frechheit, dass Sie hier jetzt so tun, als hätten Sie mit dem ganzen Thema überhaupt nichts zu tun.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Grundsätzlich deckt sich Ihr Antrag mit den Vorstellungen meiner Fraktion, dass unsere Berliner Verwaltung leistungsfähiger und die gesamtstädtische Steuerung moderner werden muss.

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]