Protokoll der Sitzung vom 14.06.2018

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Kollege Schultze-Berndt das Wort. – Bitte schön! – Ich kann eines nachholen, was ich vorhin, weil ich Sie, Herr Graf, nicht im Raum gesehen habe, noch nicht gemacht habe: Ich wollte mich noch für die angenehme Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren herzlich bei Ihnen bedanken! Ich denke, das kann ich auch für das ganze Haus sagen.

[Allgemeiner Beifall]

Herr Präsident! Liebe Vorrednerin! Das Beste von der Rede eben war der Schluss, der war aufmunternd im Sinne von: Nicht quatschen, sondern machen! Und wenn ich ehrlich bin: Ich bin hier in die Sitzung reingekommen und musste erst einmal fragen, welche Senatorin eigentlich sprechen wird, da der Regierende Bürgermeister nicht da ist. Ich habe gedacht, bei dem Thema Arbeitsmarkt in Berlin, Aufschwung für die Stadt, Prosperität und Entwicklung, da geht der Ruck durch das Parlament! Ich wusste nicht, dass zum Schluss die Arbeitssenatorin sprechen wird, da auch der bisherige Einschlag eher in die Richtung ging, Arbeitslosigkeit zu verwalten und zu moderieren statt zu sagen: Wie schaffen wir es, ein Aufbruch in diese Stadt hineinzubringen? Letzteres ist unser Ansatz!

Wir wissen gemeinsam – Lob an die Bundesregierung –: Deutschland hat die niedrigste Arbeitslosenquote seit der Wiedervereinigung. Das ist ein tolles Ergebnis. Da haben viele an vielen Stellen gemeinsam an einem Strang gezogen, in den Bundesländern, in den Kommunen, und viele Einflüsse sind auch von der EU gekommen, um uns in diese sehr positive Entwicklung zu bringen. Das ist toll! Dennoch hat Berlin im Bundesländervergleich immer noch die höchste Arbeitslosenquote, kurz vor Bremen, mit 10,1 Prozent. Aber wir haben ein Problem mit der Langzeitarbeitslosigkeit. Die Langzeitarbeitslosen, die über ein Jahr Leistungsbezieher sind, haben einen Anteil an den Arbeitslosen von knapp 30 Prozent der knapp 160 000 Menschen.

Und für diese 160 000 Menschen, aber vor allen Dingen für all diejenigen, die nicht arbeitslos sind, die noch nicht in Ausbildung sind, sondern die in dieser Stadt gerne groß werden, alt werden und gerne mit Wohlstand versehen sein wollen, müssen wir etwas tun, und zwar an allen Ecken und Enden in der Stadt.

Für uns als CDU ist es ein Herzensanliegen, insbesondere dafür Sorge zu tragen, dass nicht neue Menschen in die Arbeitslosigkeit hineinrutschen. In Brandenburg beginnt man diese Tage mit dem Aufbau eines neuen Bundeslandimages: „Es kann so einfach sein!“

Man kann zu dem Slogan und zu Brandenburg stehen, wie man will, aber wir von der CDU wollen eigentlich auch nur ganz einfache Dinge: Wir wollen erstens, dass alle Jugendlichen die Schule ausreichend qualifiziert mit einem Schulabschluss verlassen.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP – Beifall von Christian Buchholz (AfD)]

Es kann so einfach sein! Zweitens: Wir wollen, dass die Jugendlichen dann ausreichend informiert in eine duale Ausbildung in der Wirtschaft oder in den öffentlichen Dienst gehen können, wenn sie das wollen.

[Beifall bei der CDU]

Drittens: Wir wollen, dass diejenigen, die ein Abitur gemacht haben, ebenfalls im Anschluss an die Schullaufbahn in eine duale Ausbildung gehen oder unverzüglich mit dem Studium beginnen können.

[Paul Fresdorf (FDP): Verrückt!]

Ganz verrückte, drei einfache Forderungen! Es ist doch ein Skandal, dass wir in Berlin eine Einserschwemme beim Abitur haben und dann ein Großteil dieser Abgänger mit Abitur erst einmal in irgendwelchen Zwischenparksituationen die Zeit herumschlagen müssen, bevor sie nach mehreren Jahren dann an der Wunschuniversität in einem Wunschstudienfach zugelassen werden. Das kann doch nicht normal sein!

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Wer ist denn dafür verantwortlich?]

Zu unserem Wunsch – erstens: Wir wollen, dass alle Jugendlichen die Schulen ausreichend qualifiziert mit einem Schulabschluss verlassen. Da komme ich gerne ins Detail: 10 Prozent der Kinder verlassen die Schule ohne Schulabschluss; jeder Zehnte verlässt die Schule ohne Schulabschluss. Ich war letzte Woche in einer Schule, da gab es keinen, der ohne Schulabschluss abgegangen ist. Es muss demnach an einer anderen Schule 20 Prozent geben, damit diese Schule kompensiert wird, bei der keiner ohne Abschluss rausgeht. 10 Prozent verlassen die Schule ohne Schulabschluss. Das ist doch ein Skandal!

Und es ist ebenfalls ein Skandal, dass die Lehrer frustriert sind, wenn ihnen die Anerkennung versagt wird. Frau Schubert sprach gerade von der Anerkennung von Berufsgruppen. Die Lehrer sind auch nicht ausreichend anerkannt. Wir haben es heute gelesen: Anerkennung und Respekt gegenüber Lehrkräften ist meist nicht der schnöde Mammon oder das Geld, sondern wir als CDU fordern den Respekt gegenüber den Lehrkräften durch eine Verbeamtung der Lehrkräfte und einen Stopp dieses mittleren

Schulabschlusses für die gymnasiale Oberstufe. Der ist eine beschäftigungstherapeutische Maßnahme und eine Beleidigung für alle Gymnasiallehrer.

[Beifall bei der CDU – Franziska Becker (SPD): Zur Sache!]

Wir haben einen Lehrermangel in der Stadt. Über den brauchen wir uns nicht zu wundern. Wenn in der Wirtschaft so geplant werden würde, wie in der Bildungsverwaltung, dann würden wir unter Garantie nicht so einen Aufschwung in der Stadt haben.

Was machen wir in der Schule? – Wir machen Rahmenpläne hin und her, wir machen Inklusion auf Teufel komm raus, wir machen sozusagen Chaos in allen Schulverwaltungen, und wundern uns darüber, dass die Lehrer entweder frustriert und krank sind oder eben eine zu geringe Ausstattung an den Schulen existiert. Von dem Unterrichtsausfall will ich gar nicht reden, das sind schwindelerregende Dimensionen.

Dann kommen wir zu Quereinsteigern als letztem Rettungsanker, und das mittlerweile mit Berufsgruppen, wozu ich sage: Wenn ein weiblicher Gynäkologe nun als Zahnarzt eingesetzt wird, würde ich auch sagen: Das kann es nicht sein.

[Zurufe]

Nein, das war jetzt falsch, es ist umgekehrt. Vergessen Sie es!

[Allgemeine Heiterkeit – Beifall bei der CDU – Beifall von Stefan Förster (FDP)]

Ich wollte sagen: Wenn ein weiblicher Zahnarzt als Gynäkologe eingesetzt wird, weil er schon Frau genug ist und weiß, und ansonsten Mediziner, dann ist das unzureichend.

[Zuruf von Franziska Becker (SPD)]

Genauso gehen wir in die Schule, da gehen wir in Grundschulen, da gehen wir in Oberschulen, da haben wir Personen mit mehrfachen Schwierigkeiten, mit extremem pädagogischem Unterstützungsbedarf. Da nehmen wir Quereinsteiger, die unterrichtsbegleitend in irgendeiner Form ein bisschen auf Pädagogik getrimmt werden. Da stelle ich mir vor, es würde ein strenger Vater als Quereinsteiger zur Polizei gehen, denn streng ist er schon, und den Rest lernt er während der Ausbildung, wie das Schießen und den Umgang mit Gefangenen. Das finde ich alles unzureichend.

Es kann so einfach sein, der zweite Wunsch: Wir wollen, dass die Jugendlichen ausreichend informiert eine duale Ausbildung in der Wirtschaft oder dem öffentlichen Dienst antreten. Was haben wir? – Früher hatten wir eine Haupt- und eine Realschule, da ist den Kindern zu Beginn des Schuljahres gesagt worden: Ihr müsst euch viel Mühe geben, und wenn ihr die Schule abschließt, dann

habt ihr eine Chance auf eine duale Ausbildung. Das ist euer Ziel. Eine duale Ausbildung ist ein richtig guter Bildungserfolg. – Heute gehen die Kinder in die Integrierte Sekundarschule und ihnen wird gesagt: Ihr müsst alle Abitur machen, und die Loser machen vielleicht noch eine duale Ausbildung, aber ansonsten ist das Ziel Abitur.

[Steffen Zillich (LINKE): Quatsch!]

Was kommt dabei heraus? Diejenigen, die nach der 10. Klasse abgehen, fühlen sich als Loser, und sie gehen eben nicht in die duale Ausbildung. Das ist ein Problem. Wir haben im Handwerk 350 Ausbildungsberufe, aber an den Schulen wird nicht vermittelt, was dort der Inhalt ist. Wir haben 30 Prozent Abbrecherquote. 30 Prozent aller Leute, die eine duale Ausbildung beginnen, brechen ihre Ausbildung ab, weil sie unzureichend über den Beruf informiert gewesen sind oder nicht wussten, was sie erwartet. Das ist doch nicht in Ordnung!

Dann haben wir etwas geschaffen, Jugendberufsagenturen in der letzten Legislaturperiode, wo Bezirksämter, Jobcenter und Senatsbildungsverwaltung gemeinsam eine Beratungsinfrastruktur für Jugendliche schaffen, wo Jugendliche bis 25 Jahre auf dem Berufsweg begleitet werden können. Die machen gute Arbeit, aber sind viel zu schwach ausgestattet. Das haben wir gemeinsam im Ausschuss festgestellt, und was haben wir gemacht? Weil die zu wenig bekannt sind, ist im Haushalt der Etat für Öffentlichkeitsarbeit um 20 000 Euro aufgestockt worden. Wir haben 10 Prozent Leute ohne Schulabschluss, wir haben 30 Prozent Leute, die ihre Ausbildung abbrechen, und wir stocken den Etat um 20 000 Euro für Öffentlichkeitsarbeit auf. Das ist wirklich albern!

[Torsten Schneider (SPD): Was haben Sie denn beantragt?]

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Becker von der SPD-Fraktion?

Aber klar, sehr gerne!

Dann halten wir die Uhr an. – Bitte schön, Frau Kollegin!

Vielen Dank! – Sie haben eben eine wichtige Zielgruppe, den Träger der Ausbildung, ausgelassen, das ist die Wirtschaft, die sogenannte Privatwirtschaft.

[Heiterkeit]

Wie gehen Sie mit der Situation um, dass jetzt viel über Fachkräftemangel geredet wird, aber dass die Wirtschaft

es über Jahrzehnte unterlassen hat, ausreichend auszubilden?

Ich will es einmal so sagen: Wenn die Wirtschaft genauso planen würde wie der Senat, mit der Präzision – ich sage mal: Kitabetreuung, ich sage mal: Lehrkräfte –, dann wäre mir angst und bange. Aber was die Wirtschaft macht und anders macht, als wir es machen, ist, dass sie in der Lage ist, Leute aus dem Ausland zu akquirieren, damit sie aus nah und fern als Fachkräfte nach Berlin kommen. Wir brauchen spezialisierte Fachleute in den Firmen, damit auch andere Personen und Berufsgruppen und andere Qualifikationsstufen dazukommen können. Es werden 99 000 Fachkräfte gemäß Zahlen des IHKMonitors verlangt, die sofort einen Job bekommen könnten. 99 000 Personen könnten sofort in einem Job anfangen, wenn sie denn hier eine Wohnung bekommen würden.

[Torsten Schneider (SPD): Dann geben Sie Frau Becker recht, oder?]

Jetzt muss ich leider vieles überspringen.

Aber, was will die CDU? – Erstens: Wir wollen eine konsequente Verfolgung der Schulschwänzerei und Einführung eines elektronischen Klassenbuches.

Zweitens: Wir wollen ein elftes Pflichtschuljahr für alle ohne Schulabschluss.

[Zuruf von Stefan Franz Kerker (AfD) – Zurufe von der LINKEN]

Wir wollen drittens, dass kein Jugendlicher verlorengehen darf. Jeder Schulabgänger hat beim Verlassen der Schule bis in den Ausbildungsgang hinein betreut zu werden.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Arbeitsmarkt!]

Wir wollen viertens einen deutlichen Vorrang der dualen Ausbildung in der Wirtschaft gegenüber berufsvorbereitenden Kursen an den OSZ.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Arbeitsmarkt!]