Protokoll der Sitzung vom 28.06.2018

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Frau Kollegin! Teilen Sie denn die Auffassung, dass auch für Frauen, gerade für selbstständige Unternehmerinnen, das Berliner Vergabegesetz eine Hürde darstellt, gerade weil dort so viele vergabefremde Kriterien drin sind, die es auch Unternehmerinnen schwierig machen, an öffentlichen Ausschreibungen teilzunehmen?

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Ist doch für alle gleich!]

Das habe ich doch gerade gesagt, dass das zum Teil schwierig ist. Ich bin aber trotzdem nicht bereit, von meinen inhaltlichen Ansprüchen abzurücken, sondern ich frage, wie können wir es erleichtern, wie können wir es besser machen. Und das tun wir ja gerade mit der Novellierung des Vergabegesetzes,

[Christian Gräff (CDU): Das Gegenteil machen Sie!]

indem wir auch Möglichkeiten von Digitalisierung nutzen. Aber ich finde es schon wichtig, dass sich Unternehmen darüber Gedanken machen, wie sie Frauenförderung betreiben können. Wir haben hier Unternehmen in dieser Stadt, die rumheulen, dass sie keine Nachwuchskräfte kriegen, die aber, weil sie Mädchen überhaupt nicht erst im Fokus haben, einfach mal auf 50 Prozent der potenziellen Auszubildenden verzichten.

[Paul Fresdorf (FDP): Nein, weil die nicht schreiben, lesen und rechnen können!]

Und dann hör ich mir so was an wie: Na, Frauen wollen ja auch nicht bei Wind und Regen draußen arbeiten. – Seit 10 000 Jahren arbeiten Frauen draußen auf den Feldern.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Und wenn wir aus Zucker wären, dann hätte es die Menschheit nicht geschafft. Das kann ich nur sagen. Und meistens noch mit dem Kind auf dem Rücken gebunden.

[Christian Gräff (CDU): Was hat das mit dem Vergabegesetz zu tun?]

Das hat was mit dem Vergabegesetz zu tun, weil die Unternehmen nämlich auch darüber nachdenken sollen, wie sie denn so etwas ändern können und ob sie nicht etwas tun können und ob da nicht auch ein Potenzial für sie liegt, das ihnen auch den wirtschaftlichen Erfolg nachhaltig ermöglicht. Denn um den geht es. Für uns alle, für die Frauen und für die ganze Stadt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die AfD-Fraktion hat das Wort Frau Abgeordnete Auricht. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, auch mich macht die Prioritätensetzung der Linken immer wieder froh. „Unternehmerinnentag und Unternehmerinnenpreis neu aufstellen“, so steht es ja in Ihrem Antrag. Grundsätzlich ist eine Aktualisierung von Konzepten und Maßnahmen aufgrund sich verändernder Rahmenbedingungen immer richtig. Auf unsere Anfrage hin bestätigte uns die Senatsverwaltung, dass die Inhalte für diese Veranstaltung neu festgelegt werden, jedes Mal. Trauen Sie also Ihrer eigenen Senatsverwaltung nicht zu, auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren?

[Beifall bei der AfD]

Wenn wir uns das Programm der letzten Veranstaltungen anschauen, waren schon damals die Themen des Unternehmerinnentags 2016: Frauen und Handwerk, Digita

(Dr. Ina Maria Czyborra)

lisierung, internationale Vernetzung, Mädchen dem handwerklichen Beruf näherzubringen. Und jetzt nennen Sie in Ihrem Antrag wieder diese Themen als Beispiele für Inhalte der Neukonzeption. Was ist jetzt daran bitte neu?

[Heiterkeit bei der AfD]

Wir als AfD gehen davon aus, dass die Senatsverwaltung und ihre Partner – und das sind die IHK, die HWK, die Unternehmerinnennetzwerke und -verbände – doch eingebunden sind in Vorbereitung und Organisation und nicht nur reines Sponsoring betreiben. Da hätten sie doch da alles organisieren können. Da werden sie sicherlich auch alles organisieren, wovon Sie hier schon vorher gesprochen haben

[Beifall bei der AfD]

Uns stellt sich jetzt die Frage: Was ist eigentlich Sinn und Zweck dieses Antrags? – Den können wir hier nicht wirklich erkennen. Dass Sie Ihre Aufmerksamkeit ausschließlich Unternehmerinnen widmen, lässt sich von uns auch schwer nachvollziehen. Wir brauchen alle Unternehmen in der Stadt.

[Beifall bei der AfD]

Na klar, besondere unternehmerische Leistungen sollte man durchaus anerkennen, auch prämieren und feiern. Aber für diese Leistung, um diese Leistung zu erbringen, brauchen die Unternehmer die entsprechenden Rahmenbedingungen. Ich meine hier alle Unternehmer; da schließe ich alle mir bekannten Geschlechter durchaus mit ein.

[Heiterkeit bei der AfD]

Ich bitte Sie: Sorgen Sie doch für die Rahmenbedingungen, das sollte nämlich Ihre Priorität sein! Sorgen Sie für die funktionierende Infrastruktur, für ein gut ausgebautes Verkehrsnetz, nicht dieses Immobilitätsgesetz, das Sie heute verabschiedet haben!

[Beifall bei der AfD]

Mein Kollege hat es schon gesagt: ein Breitbandnetz, ein schnelles Internet auch in den Randbezirken. Bauen Sie bürokratische Hürden ab!

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Dr. West?

Nein, danke. – Machen Sie Berlin endlich wieder attraktiv für Unternehmer! Stärken Sie dem Mittelstand den Rücken, anstatt ständig in denselben zu treten, dann würden alle Unternehmer davon profitieren. Das wäre mehr wert als jeder Preis. Damit wir uns aber auch nicht missverstehen: Unternehmerinnen sind uns herzlich willkommen. Sie sollen ihre Erfolge feiern. Aber eine Neuaufstel

lung durch den Senat halten wir für nicht nötig. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Abgeordnete Herr Urbatsch das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Unternehmerinnentum steht gesellschaftlich enorm unter Druck. Politik tut sich offensichtlich in Gänze schwer, KMUs nachhaltig zu unterstützen. Dies gilt für viele politische Farbkombinationen. Ich sehe in der Wirtschaft eine deutliche Tendenz zu größeren Organisationsformen, die am Ende des Tages nicht weniger anfällig für Fehler sind als kleine flexible Formen. Trotz aller Start-upEuphorie in unserer Stadt ist es nie ein schlechtes Signal, das Unternehmerinnentum insbesondere durch herausragende Beispiele positiv darzustellen. Aus meinem familiären Kontext weiß ich, welchen Blödsinn sich Gründerinnen anhören müssen, wenn sie ihr Projekt vorantreiben. Fragen und Kommentare, die sich ein Mann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niemals anhören muss.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Ja!]

Ich habe auch das Gefühl, dass es bei unserer Debatte heute, wo wir über Vergabegesetz, Bildungspolitik und das Setzen von politischen Prioritäten in der Debatte reden, kein Zufall ist, dass es sich an diesem Punkt festmacht. Wir alle müssen uns fragen: Gibt es da tieferliegende Gründe, warum es genau an einem solchen Thema festgemacht wird?

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Frank Zimmermann (SPD)]

Machen wir uns nichts vor: Vieles im Geschäftsleben ist auf maskuline Vorstellungen, wie das Geschäftsleben zu laufen hat, zugeschnitten. Umso wichtiger ist es, von politischer Seite zu signalisieren, dass Unternehmerinnen höchst erwünscht sind. Diesbezüglich sollte es keine Scheuklappen geben, um neue Kontexte und Formate auszuprobieren, die einem modernen Bild von Unternehmerinnentum entsprechen. Mit einer Senatsverwaltung unter der Leitung einer Frau sollten die Weichen für eine Neuaufstellung gut gestellt sein.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Burkard Dregger (CDU): Wir haben eine Kanzlerin!]

Für die Fraktion der FDP hat jetzt der Abgeordnete Herr Swyter das Wort. – Bitte schön!

(Jeannette Auricht)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um es gleich zu sagen: Auch wir finden den Unternehmerinnentag und auch den Unternehmerinnenpreis als Institution richtig und unterstützenswürdig. Es wäre eigentlich wünschenswert und irgendwann werden wir diesen Tag hoffentlich noch erleben, dass es auf einen solchen Preis gar nicht mehr ankommt, nämlich dann, wenn wir in etwa genauso viele Unternehmerinnen haben wie Unternehmer, die genauso erfolgreich und genauso nachhaltig am Markt unterwegs sind wie männliche Kollegen. Ich glaube, dass sie das können. Um das herauszustellen, ist dieser Unternehmerinnentag eine gute Institution.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Da können Sie auch jetzt noch einmal alle klatschen!

Ich habe auch nichts dagegen, wenn man sagt: Wie wollen wir den verbessern? – Ich dachte eigentlich, und das war auch die Auskunft der Senatsverwaltung, sie denkt immer darüber nach, wie man ihn besser machen kann. Da fragt es sich schon, ob es eines solchen Antrags bedarf. Jedenfalls eines solch dünnen Antrags wie den Unternehmerinnenantrag bedarf es nicht.

Mir ist völlig unverständlich, warum man, wenn man schon einen solch dünnen Antrag hierhin legt, den dann auch noch zur Priorität erklärt. Das war auch die Irritation von einigen meiner Vorredner, dass man bei den Problemen, die wir hier in der Stadt haben, das zur Priorität macht. Das muss man erst einmal fertigbringen. Es wurden schon einige Versäumnisse dieser Regierung angesprochen. Ich möchte vielleicht nur ein Beispiel nennen, wo wir bei einem Unternehmertag waren, Frauen und Männer, das war so zwei Wochen her, einige wirtschaftspolitischen Kollegen waren auch dabei, und man eine miserable Stimmung hat mitnehmen können. Und das ist unabhängig vom Geschlecht. Es geht hier nicht voran. Wir haben einen Stillstand. Dass die Linkspartei dieses Thema auch noch zur Priorität erhoben hat, zeigt, dass sie, was Wirtschaftspolitik anbetrifft, ein Totalausfall für diese Stadt sind.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Jürn Jakob Schultze-Berndt (CDU) und Stefan Franz Kerker (AfD)]

Das ist programmbedingt. Aber Ihr Programm setzen Sie auch rigoros auf Kosten einer anderen Partei durch, die hier auf der Seite sitzt oder hier in der Mitte. Das ziehen Sie rigoros durch.

Es ist bemerkenswert, dass einem Preisträger – es gibt auch einen Preis für familienfreundliche Unternehmen – Hypoport der Unternehmenssitz unter den Füßen wegge

zogen wird. Da möchte man Preise in dieser Stadt lieber nicht gewinnen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]