Protokoll der Sitzung vom 28.06.2018

[Kurt Wansner (CDU): Wir haben alle gedient!]

Der Unterschied ist dabei aber eigentlich ganz einfach: Wehrdienstberater werben gezielt für den Dienst in der Bundeswehr. Jugendoffiziere betreiben hingegen Informations- und Öffentlichkeitsarbeit. Jugendoffiziere

durchlaufen eine mehrjährige Ausbildung sowie ein Universitätsstudium und verfügen über mehrere Jahre militärischer Führungsverantwortung. Sie sind aber nicht nur kompetenter Ansprechpartner zu allen Themen rund um

(Bernd Schlömer)

Streitkräfte und Sicherheitspolitik, sondern auch eine Unterstützung für reguläre Lehrkräfte im Bereich schulischer politischer Bildung. Das bedeutet, dass sie informieren und dazu beitragen, kontroverse Themen in der gebotenen Vielseitigkeit zu behandeln, übrigens ganz im Sinne des Beutelsbacher Konsenses, der seit den Siebzigerjahren die Prinzipien politischer Bildung in Deutschland definiert.

Seit nun 2011 die Wehrpflicht unter Ihrem Verteidigungsminister zu Guttenberg ausgesetzt, also de facto abgeschafft wurde,

[Bernd Schlömer (FDP): Und auch Ihrer!]

hat leider bereits eine Entfremdung der Gesellschaft von unseren Streitkräften eingesetzt.

[Zuruf von links: Gut so!]

Wir sehen es deshalb als dringend geboten an, die politische Bildung an den Berliner Schulen durch die verbindliche Einbeziehung von Jugendoffizieren zu verbessern. Die Bundeswehr soll durch eben jene Kooperationsvereinbarung zwingend in die politische Bildung integriert werden. Die bisherige Regelung, die ausschließlich auf Freiwilligkeit und dem Einverständnis des Lehrkörpers beruhte, soll entfallen. Wir wollen, dass die Tätigkeit von Jugendoffizieren an Berliner Schulen nicht von der politischen Ortung des Lehrers abhängig ist, sondern zur Pflicht wird. Der Bildungsauftrag der Schule muss Fragen der Sicherheitspolitik behandeln. Und dazu muss selbstverständlich die Möglichkeit gehören, die damit verbundenen, oft komplexen Themen offen zu diskutieren. Die Jugendoffiziere der Bundeswehr sind dazu ausgebildet, sich solchen kontroversen Diskussionen sachkompetent zu stellen. Diese kategorisch auszuschließen und damit die Perspektive des ausführenden Staatsorgans auf eben jene sicherheitspolitischen Fragen aus dem schulischen Unterricht zu verbannen, schadet der umfänglichen Information, der Diskussionskultur und damit der Bildung der Schüler.

[Beifall bei der AfD]

Und der Schaden wird noch größer, wenn man sich vor Augen hält, dass Jugendoffiziere nicht nur die Bundeswehr und die Sicherheitspolitik nach außen vertreten, durch ihren ständigen Kontakt mit Menschen, die außerhalb des Militärs leben und arbeiten und daher mehrheitlich nicht militärisch denken, tragen eben jene Jugendoffiziere auch die Diskussionen in die Bundeswehr hinein, die außerhalb geführt werden. Dies funktioniert dann am besten, wenn die Schüler die Möglichkeit bekommen, Gedanken, Fragen und Kritik direkt an einen Repräsentanten der staatlichen Exekutive zu richten. Das direkte Gespräch ist nach wie vor der beste Weg für die Schüler, um sich Klarheit zu verschaffen und sich hinsichtlich ihrer Wertevorstellungen und ihrer Beurteilung unseres Staates zu orientieren.

So sieht staatsbürgerliche Bildung aus. Und nur unter Einbeziehung der Perspektive der Bundeswehr kann sie schon in den für die Bildung zentralen Jahren der Schulzeit gelingen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der AfD]

Herr Abgeordneter! Ich möchte von mir aus sagen, dass ich es nicht für akzeptabel halte, den Eindruck zu erwecken, als sei die Bundeskanzlerin eine verurteilte Rechtsbrecherin.

[Thorsten Weiß (AfD): Verurteilt ist sie noch nicht! Das ist richtig!]

Sie haben es nicht als Meinungsäußerung gekennzeichnet, sondern als Tatsache dargestellt. Das hat das Präsidium mehrheitlich als so nicht hinnehmbar festgestellt.

[Beifall bei der SPD, der CDU, der LINKEN, den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Jetzt hat für die Fraktion der SPD die Kollegin Dr. Lasić das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ich erinnere – weil das zu kurz gekommen ist – daran: Wir haben gerade eine schulpolitische Debatte. Deswegen macht es Sinn, von Schülerinnen und Schülern auszugehen, und jegliche Debatte über das Verteidigungsministerium etc. hat hier eigentlich nichts verloren.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der FDP – Beifall von Hildegard Bentele (CDU)]

Aber zu Ihrem Antrag: Sie fordern eine Kooperationsvereinbarung zwischen der Senatsverwaltung für Bildung bzw. den Schulen und der Bundeswehr. So soll gewährleistet werden, dass Perspektiven der Bundeswehr und sicherheitspolitische Themen an Berliner Schulen direkt vermittelt werden. Ich kann beim besten Willen nicht erkennen, was durch diese Kooperationsvereinbarung anders werden soll. Die Praxis an Berliner Schulen zeigt – und das ist wichtig –, dass junge Offiziere im Einklang mit dem Beutelsbacher Konsens längst als Repräsentanten der Bundeswehr eingebunden werden können. Sie können zu einem differenzierten und kontroversen Bildungsangebot beitragen. In den Jahren 2015 und 2016 ist dies auch 142 Mal passiert. Ebenfalls fanden im selben Zeitraum 18 Seminare zur Fortbildung von Lehrkräften durch Jugendoffiziere der Bundeswehr statt. Das Entscheidende ist aber: Die Autorität über solche Auftritte und die Gestaltung des Bildungsangebots muss bei den Lehrkräften liegen. Ihnen muss der Ermessensspielraum

(Thorsten Weiß)

zugestanden werden zu entscheiden, ob im Rahmen von kritischen Auseinandersetzungen mit sicherheits- und friedenspolitischen Fragen im Schulunterricht Bedarf besteht, eine Einladung an Externe auszusprechen. Ebenso muss es die alleinige Entscheidung der individuellen Lehrkraft sei, ob und welche Weiterbildungsmöglichkeiten sie wahrnimmt.

Sie fordern hier, dass wir die Eigenständigkeit der Lehrer beschränken. Wir machen da ganz bestimmt nicht mit.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Nehmen Sie sich daher meinen Rat zu Herzen: Suchen Sie nach Themen, die tatsächlich in der Stadt brennen! Bringen Sie Ideen ein, über die es sich dann hoffentlich zu debattieren lohnt! Dann können wir uns solche Pseudodebatten wie die heutige auch sparen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat die Kollegin Bentele das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundeswehr ist laut Grundgesetz eine Parlamentsarmee, deren Primärfunktion die Verteidigung ist.

[Kurt Wansner (CDU): So ist es!]

Die Auslandseinsätze, die die Bundeswehr zur Friedenssicherung, Stabilisierung und zur Terrorabwehr unternimmt, sind alle von Systemen kollektiver Sicherheit, denen die Bundeswehr laut Grundgesetz beitreten darf, mandatiert. Bei diesen grundlegenden, relativ einfachen, aber extrem wichtigen Wissensfakten hätten wir einen Großteil der Berliner Schüler schon verloren.

Darüber, dass es um den Politikunterricht in Berlin so schlecht bestellt ist, dass Schüler Initiativen gründen müssen, um ihre Lehrer dazu zu verpflichten, den Unterrichtsstoff auch wirklich zu lehren, und die Senatsverwaltung dazu zu zwingen, dafür mehr Zeit bereitzustellen, haben wir schon oft diskutiert, und zur Abstellung dieses Problems hat meine Fraktion auch klare Vorschläge gemacht.

Sicherheitspolitik erscheint vielen noch als Spezialthema, als zu komplex, und dafür hat man dann einfach keine Zeit mehr. Das Thema fällt hinten runter. In dieser Situation ist es nicht unklug, wenn man sich Experten einlädt. Genau da setzt das Angebot der Bundeswehr mit den Jugendoffizieren an. Sie bieten fundierte Fachvorträge an. Sie können aufgrund eigener Erfahrungen anschaulich

berichten. Der Einsatz von Jugendoffizieren stellt eine Win-win-Situation für beide Seiten dar.

Jetzt erinnere ich noch an etwas, das in diesem Haus eigentlich bekannt sein müsste, aber ich betone es doch noch einmal: Natürlich dürfen Jugendoffiziere nicht für die Bundeswehr werben. Ihr Einsatz geschieht nach dem Beutelsbacher Konsens, das heißt, es gibt ein Überwältigungsverbot und ein Kontroversitätsgebot. Der Fachlehrer hat im Raum zu sein und trägt zu jeder Zeit die volle Verantwortung für das, was gelehrt wird. Deshalb ist das Gerede von der GEW Berlin und von vereinzelten Lehrerkollegen von einer Militarisierung der Schulen einfach nur Nonsens und ein pädagogisches Armutszeugnis.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos)]

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein! – Die politische Bildung dient dazu, Schüler zu mündigen Bürgern zu erziehen, die sich ihre eigene Meinung bilden können. Das heißt, wenn ich Jugendoffiziere nicht allein vor der Klasse stehen lassen möchte, dann muss ich eben eine Podiumsdiskussion organisieren, zu der die AG Frieden der GEW ihre Vertreter entsenden kann.

Zugestanden: Berlin gehört sicherlich nicht zu den Bundesländern, in denen sich Lehrern dieser Weg der Einladung von Jugendoffizieren auf den ersten Blick erschließt. Zudem trifft die Bundeswehr in Berlin sicher auch eher auf Zurückhaltung als auf offene Türen. Aber wir verzeichnen für die Region Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, die die vier Jugendoffiziere hier betreut, dennoch eine steigende Anzahl von Anfragen zum Einsatz von Jugendoffizieren. Deshalb stellt sich hier die Frage: Brauchen wir angesichts dieser Ausgangslage eine zwischen dem Senat und der Bundeswehr unterzeichnete Kooperationsvereinbarung? Jetzt, Herr

Weiß, mal die Gretchenfrage an Sie: Haben Sie sich eigentlich einmal mit einem Jugendoffizier unterhalten, für die Sie vorgeben, sich hier einzusetzen? Wissen Sie, was die mir sagen? – Eine solche Kooperationsvereinbarung in Berlin ist sogar kontraproduktiv.

[Heiterkeit von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Das kommt daher, dass Jugendoffiziere etwas erkannt haben, das Sie in den zwei Jahren hier noch nicht erkannt haben, weil Sie die Berliner Schule einfach nicht verstehen. Die Berliner Schule ist dezentral organisiert. Selbst Curricula werden mittlerweile schulintern erstellt. Vieles, das von oben kommt, wird als aufoktroyiert empfunden und zurückgewiesen. Abgesehen davon: Eine Kooperationsvereinbarung bedeutet keinen automatischen Zugang

(Dr. Maja Lasić)

zu einer Schule. Die Jugendoffiziere in Berlin haben sich deshalb für die richtige und auch erfolgreiche Strategie entschieden, Klinken zu putzen. Sie wenden sich an die Fachlehrer und an die schulpraktischen Seminare. Sie schaffen durch ihre fundierten Vorträge Vertrauen und steigern damit ihre Einsätze. Was Sie hier abliefern, ist nicht nur schlecht, weil es einmal mehr zeigt, dass die Berliner Schule nicht verstehen, sondern, Herr Pazderski, es ist auch peinlich, denn es zeigt, dass sie auch Ihre Kameraden in Berlin nicht verstehen und ihnen hiermit eventuell einen Bärendienst erweisen.

[Beifall bei der CDU und den GRÜNEN]

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein! – Das Ziel, das wir im Kontext von Bundeswehr und Schule erreichen müssen, ist, dass Jugendoffiziere als Träger der politischen Bildung anerkannt werden, und zwar vom Senat, von Schulleitungen, von anderen Trägern der politischen Bildung, von Lehrern und von Schülern. Da helfen aber keine Anträge. Da hilft nur Standhaftigkeit und Überzeugungsarbeit für den Auftrag der Bundeswehr, und dazu lade ich uns alle, die wir es mit der Sicherheit unseres Landes und der Welt ernst nehmen, herzlich ein. – Danke!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Es gibt noch eine Anmeldung von der AfD, und ich möchte bitten, dass die künftig auch rechtzeitig erfolgt. Der Abgeordnete Weiß möchte eine Zwischenbemerkung machen.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Entschuldigen Sie bitte, dass ich nicht voraussehen konnte, wie lange die Rede der Kollegin noch geht. – Liebe Frau Bentele! Ich finde es natürlich sehr schade, weil wir uns im Grunde von der Zielrichtung her offensichtlich einig sind, aber Sie uns vorgeworfen haben, wir wollten die Umsetzung mehr schlecht als recht in die Wege leiten. Ich darf Ihnen sagen: Natürlich stehen wir auch in Kontakt mit ehemaligen Kameraden. Ich selbst war zum Beispiel jemand, der den Gedanken, zur Bundeswehr zu gehen, überhaupt erst gefasst hat, nachdem ein Jugendoffizier bei uns auf dem Gymnasium war, übrigens – und da hake ich genau ein, wo Ihre Kritik ansetzt – auf Initiative meines damaligen Rektors und nicht auf Initiative meines Lehrers im Leistungskurs Politik; das war nämlich ein Altachtundsechziger, der das von sich aus niemals gewollt hätte.