Ich will noch am Ende meiner Rede eine persönliche Anmerkung machen: Heute unter TOP 4.3, Biotopverbund, habe ich eine Rede gehalten, und mein Kollege von der AfD, Herr Scholtysek, hat in seiner Rede behauptet, dass ich in der Zeit, in der er seine Rede hielt, nicht im Raum war. – Das stimmt nicht. Ich saß hier vorne in der ersten Reihe. Ich bitte Herrn Scholtysek, solche FakeNews hier nicht zu verbreiten, sondern einfach einmal über den Tellerrand oder die Lesebrille hinwegzugucken und festzustellen, dass Kollegen hier im Raum waren. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass wir über Abrechnungsbetrug in der ambulanten Pflege sprechen, ist sicherlich richtig und wichtig, weil wir es in der Tat in Teilen mit zutiefst mafiösen Strukturen zu tun haben. Das zeigt ja die Tatsache, dass es offensichtlich steigende Verdachtsfälle und Anzeigen gibt. Insofern muss man der FDP schon dankbar sein, dass sie es nach der großen Welle des Skandals, der Anfang des Jahres über unsere Stadt geschwappt ist, heute wieder zum Thema macht und das Thema Abrechnungsbetrug deshalb auch in den nächsten Wochen im Ausschuss hoffentlich aufgerufen und behandelt wird.
Wir haben es hier mit Strukturen zu tun, offensichtlich mit Modellen, in denen man Leistungen, die nicht erbracht werden, abrechnen kann. Das ist ja der eigentliche Skandal neben der Frage, wie hoch der finanzielle Schaden für die Stadt und auch die Versicherten ist. Das sind ja Leistungen, die offensichtlich an denjenigen nicht erbracht werden, die sie dringend brauchen, nämlich an den Menschen, die auf Pflege angewiesen sind. Darin besteht vor allem der Hauptskandal. Deshalb, glaube ich, ist die Verantwortung des Hauses richtig, und wir müssen sie auch wahrnehmen, alles dafür zu tun, dass wir gerade in einem Bereich, wo es wenig Kontrolle gibt – weil die Haustür abgeschlossen ist, weil die Menschen, die gepflegt werden, oftmals alleine sind –, alles dafür tun, dass wir solchen Pflegemissbrauch ahnden. Deswegen ist die Beschäftigung damit richtig. 1 000 Beschuldigte gibt es in Berlin wegen sogenanntem Pflegeabrechnungsbetrug im Jahr. Sechs Fälle sind seit 2016 vor Gericht überhaupt erstritten und erkämpft worden. Das zeigt, dass es an dieser Stelle einen großen Gap gibt.
Ich will etwas zu den inhaltlichen Dingen des Antrags sagen: Die elektronische Digitalisierung ist ein wichtiges Thema, Sie haben es gesagt. Das ist sie in der Tat, weil sie auch die Chance bietet, durch Digitalisierung alles dafür zu tun, dass wir in Zukunft möglichst viel Zeit der Pflegekräfte für die Patienten haben. Das ist ja auch das Problem, dass die Pflegekräfte viel zu viel Zeit darauf verwenden müssen und mit Abrechnungen, mit komplizierten Verfahren eben nicht die Zeit einsparen können. Unser großes Ziel muss es sein und, Frau Radziwill, eine Strategie muss auch irgendwann zu einem Ergebnis führen. Ich frage mich: Wenn wir die Strategie erkannt haben, wann die Umsetzung erfolgt, und da müssen wir nicht Richtung Bund gucken, sondern ich glaube, wir können unsere Hausaufgaben auch in Berlin machen. Lassen Sie uns anfangen mit kleinen Modellprojekten, das genau in die Tat umzusetzen! Ich halte das heute für den richtigen Zeitpunkt.
Das zweite Thema ist die Etablierung verbindlicher Anlaufstellen: Ja. Aus meiner Sicht gibt es die noch nicht in genügendem Maße, auch nicht bei den Kranken- und Pflegeversicherungen. Und ganz wichtig: Wir müssen vor allem sicherstellen, dass der Hinweisgeberschutz gewährleistet ist. Wir müssen sicherstellen, dass wir diejenigen, die sagen, „Ich fasse den Mut und sage und melde etwas!“, schützen. Ich glaube, hier sind bei den Kranken- und Pflegeversicherungen noch Möglichkeiten offen, solche Möglichkeiten zu schaffen, und das sollten wir tun.
Es ist auch etwas gesagt worden zu den Sonderermittlern oder zum Ausbau der Staatsanwaltschaft: In Berlin hat man ja im Juni 2016 eine Spezialabteilung eingerichtet. In der Tat sollten wir einmal abfragen, was bis heute dabei herausgekommen ist, und gucken, ob die so ausgestattet sind, dass sie auch vernünftig die Vielzahl dieser
Problemfälle in Berlin überprüfen können, oder ob wir im Zweifelsfall nachsteuern müssen. Auch deshalb ist der Antrag, glaube ich, mit der folgenden Debatte gut.
Wenn es etwas zu meckern gibt, dann finde ich nur, dass ein paar Dinge weggelassen worden sind. Auch darüber sollten wir im Ausschuss reden, beispielsweise darüber, dass das eingesetzte Personal in der Versorgung der Versicherten auch transparent nach seinen Qualifikationen sichtbar werden muss. Also können diejenigen die Aufgaben, die sie abrechnen, durch eine Ausbildung, die sie erfahren haben, auch abrechnen?
Wir müssen vor allem, glaube ich, ganz genau hingucken bei der Zulassung von neuen ambulanten Pflegediensten: Welche Prüfmöglichkeiten haben wir, damit wir Geschäftsmodelle, die eigentlich den Rendite- und nicht den Pflegeaspekt im Vordergrund haben, frühzeitig stoppen?
Ich möchte zum Schluss noch eins sagen – das haben Frau Radziwill und auch mein Vorredner gesagt: Auch die CDU-Fraktion bedankt sich natürlich bei den vielen, vielen Tausend Menschen. Man sieht das ja morgens, wenn man das Haus verlässt, wie viele dieser kleinen Fahrzeuge schon durch die Stadt fahren, um in einem Eiltempo die Menschen zuhause zu pflegen. Das sind Berufsbilder, die mit viel, viel körperlichem Einsatz, mit viel Fleiß verbunden sind. Wir möchten danke sagen! 70 Prozent der Menschen lassen sich zu Hause durch Angehörige oder ambulante Dienste pflegen. Das ist der Großteil der Menschen. Wir wollen, dass diese Menschen unsere Dankbarkeit erfahren. Insofern: Lassen Sie uns reden über das Thema Missbrauch! Das müssen wir ein Stück weit ausmerzen. Aber lassen Sie uns vor allen Dingen auch sagen: Die Mehrzahl der Menschen, die in der Berufspflege zu Hause ist, macht das anständig und ordentlich und verdient unseren hohen und großen Respekt. – Vielen herzlichen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute also einmal ein Antrag mit der Überschrift „Es reicht!“ – mit Ausrufezeichen. Ich finde es schon erstaunlich: Sie versuchen hier nämlich zu suggerieren, dass der Abrechnungsbetrug im ambulanten Pflegebereich gerade jetzt das größte unserer Probleme ist. Nur mal so am Rande: Ich denke, wir haben viel größere Probleme im Bereich der Gewinnung von Pflegekräften und im Bereich der Leasingkräfte in der Pflege – um nur mal zwei wichtige Punkte zu nennen.
Nicht, dass Sie mich falsch verstehen! Das Thema Leistungsmissbrauchsbekämpfung ist seit 2013 wichtig in der Stadt. Deswegen hat auch R2G diese Bekämpfung in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen. Wer das nachlesen möchte: Seite 227 des Koalitionsvertrages!
Aber kommen wir mal zu ein paar inhaltlichen Dingen Ihres Antrags. Vieles ist schon genannt worden. Erstens fordern Sie vom Senat, dass die Abrechnung zukünftig nur noch digital erfolgen soll. Hierzu möchte ich nur kurz darauf hinweisen, dass der Senat nur für die Abrechnung als Träger der örtlichen und überörtlichen Sozialhilfe zuständig und handlungsfähig ist. Die ambulanten Pflegedienste rechnen auch gegenüber den Pflegekassen und den Krankenkassen ab, und hier liegt die Handlungsweise nicht in den Händen des Senats.
Als zweiten Punkt fordern Sie verbindliche Anlaufstellen für anonyme Hinweise auf eventuellen Betrug. Auch hier möchte ich Ihnen gern den Hinweis auf die Ist-Situation geben. Mehrere Kranken- und Pflegekassen, die Bezirksämter und auch die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung haben sowohl webbasierte als auch telefonische Zugänge geschaffen, die anonyme Hinweise zu Korruptions- oder Betrugstatbeständen aufnehmen. Außerdem sind mit dem letzten Doppelhaushalt die Gelder für die Entfristung und Verstetigung von 24 Beschäftigungspositionen in den Bezirken zur Bekämpfung von Missbrauchsfällen zur Verfügung gestellt und entsprechend eingesetzt worden. Daraus ergaben sich auch mehr Kontrollen, und auch diese haben bereits ihre Wirkung entfaltet. Laut der Auswertung der Zielvereinbarung mit den Bezirken aus dem Juni 2018 in diesem Bereich werden monatlich 200 000 Euro weniger im ambulanten Bereich ausgegeben, da die Missbrauchsfälle schneller und effizienter erkannt und bearbeitet werden können.
Als Letztes möchte ich gern auf Ihre Forderung zur Schaffung eines polizeilichen Spezialermittlungsteams und einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft eingehen. Frau Radziwill hat es auch schon gesagt. Auch hier wieder der Verweis auf die Ist-Situation: In Berlin gibt es seit mehreren Jahren sowohl beim Landeskriminalamt als auch bei der Staatsanwaltschaft einen spezialisierten Ermittlungsbereich mit dem Schwerpunkt auf Abrechnungsbetrug und Leistungsmissbrauch in der ambulanten Pflege. Frau Radziwill sagte es schon: Nur drei weitere Bundesländer haben solch ein wirksames Mittel zur Bekämpfung. Berlin ist also auf einem recht guten Weg, die Missstände in der Abrechnung von ambulanten Pflegeleistungen zu bekämpfen, und ich hoffe, ich konnte damit einigermaßen klarmachen, warum ich über diesen Antrag doch sehr erstaunt war, und natürlich möchten auch wir uns bei den ambulanten Pflegekräften in dieser Stadt sehr herzlich bedanken. – Vielen Dank!
[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Dr. Susanne Kitschun (SPD) und Ülker Radziwill (SPD)]
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Berlinerinnen und Berliner! Dass man nach fast zwei Jahren hier am Rednerpult im Abgeordnetenhaus noch eine Premiere erleben darf, scheint auf den ersten Blick etwas unwahrscheinlich, aber ich stehe heute zum ersten Mal an diesem Pult in der Funktion als pflegepolitischer Sprecher meiner Fraktion, und das freut mich sehr.
Lieber Herr Seerig! Das Thema Pflege ist wichtig. Ein Sprichwort besagt: Der Charakter einer Gesellschaft zeigt sich vor allem daran, wie sie mit ihren Alten umgeht. – In der Tat ist kaum ein Politikfeld von unserer Regierung so stiefmütterlich behandelt wie der Bereich der Pflege. Zwar ist das Problem seit Jahrzehnten bekannt, und es bedarf dringend neuer Lösungsansätze, aber auch hier hat die ehemalige FDJ-Sekretärin und CDU-Bundesvorsitzende das Thema gnadenlos vor sich her geschoben – und das über 13 Jahre.
[Lachen bei der SPD – Christian Gräff (CDU): Es klatscht keiner! – Stefanie Fuchs (LINKE): Ja, keiner klatscht!]
Im Bereich der Pflege gibt es viele Baustellen. Hier nur ein paar Beispiele, die Sie sicherlich auch kennen: Schon heute fehlen Tausende Pflegefachkräfte. Bis 2025 könnten es bis zu 190 000 sein, bis 2030 sogar 480 000. Aber das Problem ist bis dato ungelöst. Die Arbeitszeiten sind unattraktiv und nicht besonders familienfreundlich, und trotzdem belaufen sich die Brutto-Einkommen auf durchschnittlich gerade mal 2 500 Euro. Das ist aus meiner Sicht viel zu wenig für einen so wichtigen Dienst an unserer Gesellschaft.
Weiterhin haben berufliche Quereinsteiger bislang kaum die Möglichkeit, berufsbegleitend zu examinierten Pflegekräften ausgebildet zu werden.
Das Problem steht seit Jahren so da. Auch das wurde uns übrigens in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses so bestätigt. Herr Dr. Albers! Vielleicht erinnern Sie sich ja sogar daran.
Ich bin beim Thema, beim Thema Pflege. Nur, weil Sie jetzt gerade wach geworden sind, heißt das nicht, dass ich nicht beim Thema bin. –
Und weiter: Das Image des Pflegeberufs gehört aufgebessert. Das hätte man übrigens auch schon in der letzten Legislaturperiode machen können. Die einzige Imagekampagne, die Sie fahren, ist, dass Sie uns die illegal eingewanderten Migranten als zukünftige Fachkräfte verkaufen wollen. Na klar! Und der HSV wird demnächst deutscher Fußballmeister.
Ja, das ist auch wichtig, Frau Helm! Sie werden es noch lernen, bestimmt. – Die Abrechnung ambulanter Pflegeleistungen soll zukünftig ausschließlich elektronisch erfolgen. Das ist mal wieder so typisch FDP-Label. Das erinnert mich ein wenig an Ihren letzten Bundestagswahlkampf. Da gab es auf Ihren Plakaten immer nur zwei Dinge zu sehen, entweder Bilder von Christian Lindner oder das Wort „Digitalisierung“. Die Frage ist doch, inwieweit trotz Digitalisierung, wenn der kriminelle Wille dahintersteht, ein Abrechnungsbetrug letztlich immer noch möglich ist. Das geht aber aus Ihrem Antrag gar nicht hervor.
Gucken Sie mal! Da ist so ein Knopf, auf den können Sie drücken, und dann brauchen Sie gar nicht so zu schreien. Dann schonen Sie Ihre Stimme.