Wir werden diese heiße Diskussion sicher, in jedem Fall auch aufgrund des mit dem in dieser Aktuellen Stunde verbundenen FDP-Antrags im Ausschuss noch intensiv weiterführen müssen. Die AfD-Fraktion wird sich wie gewohnt allen pragmatischen und vor allem realpolitischen Ansätzen nicht verschließen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Vorweg zu Ihnen, zur AfD! Wir unterscheiden nicht nach Herkunftsländern.
[Frank-Christian Hansel (AfD): Eben nicht ausreichend! – Georg Pazderski (AfD): Das stimmt ja nicht!]
Alle Menschen, die Hilfe in Notlagen brauchen, werden sie auch weiterhin von uns bekommen. Diese Menschen werden wir unterstützen.
Falls es sich Ihrer Realität bis dato entzogen haben sollte: Menschen kommen nicht nach Berlin, um auf der Straße zu leben.
[Georg Pazderski (AfD): Reden Sie keinen Unsinn! – Frank-Christian Hansel (AfD): Sie schaffen es doch nicht!]
Das ist nicht besonders erstrebenswert. Menschen kommen oftmals hierher, um zu arbeiten. Auch Sie wissen, dass diese Menschen um ihre Löhne geprellt worden sind und dann zum Teil elend auf der Straße dabei sind draufzugehen. Das ist eine Tatsache.
Frau Kollegin! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Buchholz von der AfD zulassen.
Nein, danke schön, kein Bedarf! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was hat Berlin mit Frankfurt am Main, München, Stuttgart, Dresden und Hamburg gemeinsam? Immer mehr Menschen finden keine für sie leistbare Wohnung mehr, weil überall dort die Mieten exorbitant gestiegen sind. Doch ein warmes Zuhause fehlt den vielen wohnungs- und obdachlosen Menschen das ganze Jahr über und nicht nur im Winter. Wir in Berlin sind bekanntermaßen besonders betroffen.
Das zu ändern, wird einen langen Atem brauchen. Unsere Antwort darf sich eben nicht nur auf die Sozialpolitik beschränken, denn immer mehr Menschen haben Angst, ihre Wohnung zu verlieren. An Umzüge ist nicht zu denken. Wer eine Wohnung hat, tut alles, um diese zu behalten.
Wer aber keine Wohnung hat, um diese Menschen müssen wir uns besonders kümmern. Die Zahl obdachloser Menschen können wir bisher nur schätzen. Manche reden von Tausenden, andere von bis zu Zehntausend Menschen. Mit einer Zählung im kommenden Frühjahr wird der rot-rot-grüne Senat dies ändern. Unabhängig davon, wie viele Menschen es betrifft: Diesen Menschen zu helfen, ist unser aller Aufgabe, im großen Politischen sowieso und umso mehr wie auch im konkreten, privaten Kleinen direkt vor Ort.
Die rot-rot-grüne Koalition ist angetreten, um allen ein menschenwürdiges Leben in Berlin zu ermöglichen. Steigende Mieten, die Verknappung von Wohnraum und Rufe der Immobilienlobby, man müsse sich davon verabschieden, dass bestimmte Kieze in Berlin bezahlbar seien, sind für uns umso mehr Aufgabe und Ansporn. Jetzt werden wir erst recht dafür kämpfen und tagtäglich daran arbeiten, dass niemand auf der Straße leben muss oder dort landet.
Das fängt an bei der Frage, warum Menschen überhaupt aus ihrer Wohnung fliegen. Deshalb ist es richtig, immer mehr Kieze unter Milieuschutz zu stellen, um wahnsinnige Mietsteigerungen wegen Luxussanierungen zu unterbinden. Dass die FDP in ihrem Antrag zur Wohnungs- und Obdachlosigkeit einen Maßnahmenkatalog benennt, um Wohnungslosigkeit zu bekämpfen, aber gleichzeitig
Diese Koalition stärkt mit den Fachstellen für Wohnungsnotfälle in allen Bezirken die Prävention. Unser Ziel ist, dass der Verlust der eigenen Wohnung erst gar nicht eintritt. Die Umsetzung in den Bezirken hat für uns in den kommenden Jahren, oder im kommenden Jahr, die höchste Priorität, denn wir wissen, dass es finanziell viel nachhaltiger ist, Menschen vor Wohnraumverlust zu bewahren, als die vergleichsweise teuren und oft aber auch viel schlechteren Unterbringungskosten zu tragen, ganz davon zu schweigen, dass dann die teure Wohnungssuche wieder von vorn beginnt.
Deshalb haben wir in den vergangenen zwei Jahren dafür gesorgt, dass insbesondere von Armut betroffene Menschen ihre Wohnung nicht verlieren. Wir haben die Kosten der Unterkunft für Transferleistungsbezieherinnen und Transferleistungsbezieher deutlich erhöht. Aber das reicht uns noch lange nicht. Sie müssen in regelmäßigen Abständen der Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt angepasst werden, denn es kann nicht sein, dass Menschen sich ihre Miete vom Mund absparen müssen.
Um Wohnungslosigkeit zu vermeiden, ist aber noch viel mehr zu tun, auch auf Bundesebene, denn Mietrecht ist Bundesrecht. Deshalb trägt die Bundesregierung eine erhebliche Mitverantwortung.
Auch hier in Berlin haben wir 2016 eine Situation vorgefunden, die deutlich macht, wie wenig in den Jahren zuvor das Thema politische Priorität hatte, liebe CDU. Leitlinien zur Wohnungslosenhilfe, die noch unter Eberhard Diepgen entwickelt wurden, zeugen davon. Für all die Jüngeren hier im Saal: Das war einmal ein CDUBürgermeister. Danach kamen 17 Jahre, in denen diese Leitlinien nicht mehr angefasst, aber auch nie konsequent umgesetzt und angewandt wurden, sonst wären wir weiter.
Deshalb ist es gut, dass wir als Koalition nun gemeinsam mit den Akteurinnen und Akteuren aus der Wohnungslosenhilfe, den Senatsverwaltungen und natürlich auch den Bezirken im Rahmen der Strategiekonferenz die Leitlinien weiterentwickelt haben. Besonders wichtig ist uns, dass sich mehr Betroffene dabei einbringen. Ja, das alles braucht Zeit, Zeit, die vor allem obdachlose Menschen nicht haben. Der Ausbau der Kältehilfe auf bis zu 1 000 Plätze im letzten Jahr und 1 200 Plätze in diesem Jahr ist deshalb richtig und wichtig.
Wir schauen nicht zu, wie Menschen draußen erfrieren. Wir haben mehr Räume geschaffen, in denen sie sich ausruhen und schlafen können. So wichtig der Ausbau
der Kältehilfe ist, so sehr kommt es jetzt auf uns als Koalition an, die Angebote nicht nur weiter auszubauen, sondern sie auch tatsächlich konsequent weiterzuentwickeln.
Das machen nicht zuletzt die Vorgänge der letzten Wochen rund um das Thema Kältebahnhöfe deutlich. Klar ist, jeder Raum, der vor Erfrierungen rettet, ist besser als kein Raum. Ich sage aber auch: Es ist nicht die Aufgabe eines Verkehrsunternehmens, Kältebahnhöfe anzubieten. Fensterlose Räume in U-Bahntunneln und Bahnhöfe sind keine Orte, an denen wir Menschen eigentlich unterbringen wollen. Wir werden im Rahmen der Kältehilfe daher mehr Angebote schaffen, die alle Obdachlosen annehmen. Wir brauchen mehr Angebote für Menschen mit Hund und vor allem für Drogenabhängige und psychisch erkrankte Menschen. Wir brauchen für sie geeignete Unterkünfte, wo gleichzeitig Hilfe angeboten wird, um sie nachhaltig zu unterstützen und sogar auch dort herauszuholen.
Wir werden dabei natürlich weiterhin unsere Sozialsenatorin Elke Breitenbach voll unterstützen. An dieser Stelle möchte ich den vielen Ehrenamtlichen, aber auch den Hauptamtlichen aller Einrichtungen für ihre großartige Arbeit, die sie tagtäglich dort vor Ort leisten, herzlich danken.
Obdachlose Menschen brauchen Angebote, die sie dort abholen, wo sie sich befinden. Die Kältehilfe ergänzt das reguläre Hilfesystem der ordnungsbehördlichen Unterbringung, darf es aber nicht ersetzen. Mehr Beratung und mehr Betreuung in den Einrichtungen, eine engere Verknüpfung mit den Bezirken bei der Frage, wann Wohnungslosentagesstätten öffnen und was dort vor Ort stattfindet, bleiben daher wichtige Aufgaben für die nächsten Monate. Auch „Der Bus, in den du aussteigst“, den gegenwärtig die Sozialgenossenschaft Karuna mit Straßenkindern und Berliner Unternehmen konzipiert, ist ein wichtiger Baustein, um mehr passive Angebote für obdachlose Menschen zu schaffen. Nicht die Beratung wartet auf die Obdachlosen, sondern sie geht eben dorthin, wo sich Betroffene aufhalten, und unterstützt sie bei ihrem Weg ins Hilfesystem. Dieses Projekt kann ein Vorbild für viele weitere Projekte werden. Davon bin ich überzeugt.
Die Not erfordert auch, dass wir ungewöhnliche Wege gehen und zum Teil z. B. auch Tiny Houses gemeinsam mit Obdachlosen bauen für einen kleinen, sicheren, warmen Rückzugsort. Für die Umsetzung sind unsere Bezirke zentral zuständig. Wir haben als Koalition den Bezirken mehr Mittel zur Verfügung gestellt, damit sie die sozialen Wohnhilfen zu Fachstellen entwickeln, die Mieter- und Schuldnerberatung stärken, die Wohnungslosen
tagesstätten bedarfsgerecht ausrichten. Dazu gehören auch der einheitliche Umgang mit obdachlosen Unionsbürgerinnen und -bürgern und vor allem auch deutlich mehr Wohnheimplätze für akute Notfälle, in welche die Bezirke Menschen auch kurzfristig vermitteln können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ob eine Gesellschaft wirklich gerecht ist, sieht man daran, wie sie mit den Schwächsten umgeht. Als rot-rot-grüne Koalition sind wir deshalb angetreten, um die Wohnungs- und Obdachlosigkeit abzubauen – das ist unser Anspruch. Und wir haben ja auch schon viele wichtige Schritte auf den Weg gebracht. Doch wir alle wissen: Wir werden es leider nicht schaffen, alle Menschen von der Straße zu holen oder davor zu bewahren. Doch liebe Opposition, es ist zentral, dass wir trotz bestehender Meinungsverschiedenheiten über die richtigen Hilfen nicht die Menschen dabei aus den Augen verlieren, um die es hier heute geht.
Wer es ernst meint, dass Wohnen ein Grundrecht ist, der muss auch dafür sorgen, dass niemand der Straße überlassen wird. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema Wohnungslosigkeit, Obdachlosigkeit steht zwar heute auf dem Programm der Aktuellen Stunde, es ist aber leider ein Thema, das in dieser Stadt immer Saison hat. Gerade im Winter wird es uns und auch den Medien aber besonders bewusst. Es ist ein Problem, das haben meine Vorrednerinnen und -redner längst angesprochen, das auch und gerade in Berlin gewachsen ist und das kontinuierlich weiterwächst, teils durch eine ganz normale Sogwirkung einer Großstadt gegenüber dem flachen Land, der Provinz, aber aus unserer Sicht auch durch Fehler des Senats, dazu später. Es ist aber gut, dass der Senat endlich dieses Thema nicht ignoriert, wie es in der Vergangenheit war; denn 20 Jahre alte Richtlinien sprechen nicht dafür, dass man regelmäßig den Blick darauf hatte.
Die Strategiekonferenzen, die es im Frühjahr und im Herbst gab, wo praktisch alle Beteiligten auf Landes- und Bezirksebene eingebunden waren und Ideen entwickelt haben, ist ein sehr sinnvoller erster Schritt gewesen. Was uns nun fehlt, ist die konsequente und zügige Umsetzung der Forderungen aus den Arbeitsgruppen. Das aktuelle Trauerspiel um die Notübernachtung bei der BVG ist für uns ein Beispiel, was eben nicht läuft. Im September
steigt die BVG plötzlich nach Jahren aus dem System der Kältebahnhöfe aus. Klar, es ist nicht Aufgabe eines Verkehrsträgers, ein solches Angebot zu schaffen. Trotzdem, es ging über Jahre – warum geht es plötzlich nicht mehr? – Aber auch zwei Monate später hat man den Eindruck, dass die Sozialverwaltung kein Konzept hat, wie sie dieses Problem kompensiert. Es bedarf erst einer energischen Senatstagung, um die BVG anzuweisen, nun doch Bahnhöfe zur Verfügung zu stellen. Und dann dauert das Aufstellen von ein paar Dixi-Toiletten so lange wie in manchen Städten das Bauen von Häusern.
Wir denken, dass angesichts solcher Probleme die FDP einfach mal in die Vorleistung geht, ein Gesamtkonzept vorlegt mit einer To-do-Liste, damit klar ist, was jetzt zu tun ist. Die erste und zentrale Forderung muss sein, Wohnungs- und Obdachlosigkeit zu vermeiden. Das tut man aus unserer Sicht in einer wachsenden Stadt dadurch, dass man neu baut und verdichtet, und nicht, indem man Zeit, Energie und vor allen Dingen Geld verwendet, um Wohnraum für einige Altansässige mittels Rekommunalisierung zu sichern.
Nein! – Hier lassen aus unserer Sicht Frau Lompscher und auch Bezirksstadtrat Schmidt die Sozialverwaltung allein, respektive sie verschärfen die Probleme noch. Das gilt genauso für Bau- und Denkverbote bei der Elisabethaue, beim Tempelhofer Feld oder auch am Westkreuz. Zu dem Thema Wohnraumschaffung seien auch Stichworte wie geschütztes Marktsegment und Trägerwohnungen erwähnt. Aus unserer Sicht ist es hier aber sehr wichtig, auch die privaten Anbieter besser einzubinden, als das bisher passiert ist. Die Städtischen haben natürlich eine Vorbildfunktion, aber der kommen sie, wie wir alle wissen, nicht so nach, wie man es gerne hätte, da ist manch privater Anbieter sehr viel sozialer ausgerichtet.