Protokoll der Sitzung vom 29.11.2018

[Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Wir erleben nämlich gerade ein Déjà-vu zum Volksentscheid „Tegel offen halten“.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Damals wie heute versucht der Senat, die berechtigten Anliegen der Bürger auszusitzen und sich einer ernsthaften inhaltlichen Debatte zu entziehen.

[Zuruf von Steffen Zillich (LINKE)]

Damals wie heute werden wesentliche Informationen monatelang zurückgehalten und erst kurz vor Toresschluss preisgegeben – wesentliche Informationen wie die zur Profitabilität bei der Offenhaltung des Flughafens Tegel. Ich erinnere nur an das PwC-Gutachten – ich kann es langsam selber nicht mehr hören –, das niemand gesehen haben will. Und hier ist es der Rahmenvertrag mit der HOWOGE, der uns erst Stunden vor der Anhörung der Volksinitiative am 7. November zur Verfügung gestellt wurde, obwohl er offenbar Wochen vorher schon zur Verfügung stand.

Damals wie heute werden Gutachten vom Senat bei Prof. Beckers von der TU Berlin in Auftrag gegeben. Schon im Vorwort des Gutachtens steht, dass aufgrund zeitlicher Restriktionen keine fundierten Aussagen möglich seien, weil insbesondere rechtliche Fragen nicht hinreichend geklärt werden konnten. Trotzdem soll man ihm als vom Senat beauftragten Experten einfach Glauben schenken. Die Herren Professoren und das einfache Volk! So läuft das bei Rot-Rot-Grün von oben herab.

Was genau kritisiert die Volksinitiative? – Zwei Hauptkritikpunkte will ich herausgreifen. Zum einen ist die Initiative der Meinung, der Berliner Haushalt könne in Milliardenhöhe aus dem Vollen schöpfen, und daher sei der privatwirtschaftliche Weg über die HOWOGE nicht glaubwürdig und eigentlich nur der Einstieg in eine großangelegte Privatisierungskampagne. Zum anderen kritisiert die Initiative ganz pragmatisch den Verlust an Kontrolle und Transparenz bei der Auslagerung von Aufgaben aus dem Kernhaushalt auf landeseigene Wohnungs

baugesellschaften – klassisch bekannt als Schattenhaushalt. Dem Letzteren stimmen wir zu

[Stefan Ziller (GRÜNE): Ersterem nicht?]

und haben schon lange vor der Volksinitiative gefordert, dass der Landesrechnungshof auch die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften prüfen sollte. Der Fall der DEGEWO aus den Achtzigerjahren sollte uns allen ein mahnendes Beispiel sein, aber Rot-Rot-Grün scheint das anders zu sehen.

[Regina Kittler (LINKE): Genau!]

Einen Antrag bezogen auf die Prüfrechte des Landesrechnungshofs bei der HOWOGE haben wir aktuell eingebracht, und den werden wir hier noch gesondert debattieren.

Nun zu den sprudelnden Haushaltseinnahmen: Ja, wir verzeichnen die höchsten Einnahmen aller Zeiten, aber Berlin hat immer noch einen der höchsten Schuldenstände aller Bundesländer. Die Überschüsse sind überwiegend rein konjunktureller Natur, und eine Rezession durch die Fehlkonstruktion der Eurozone steht ebenfalls vor der Tür. Wir warten nach wie vor auf den Vorschlag des Senats zur Verankerung der Schuldenbremse im Landesrecht. Wir warten nach wie vor auf das Gutachten des Senats zur Höhe der Pensionslasten des Landes Berlin. Und immer wieder verhält sich der Senat gleich. Die relevanten und zur Bewertung des Haushalts und der Gesamtsituation Berlins wichtigen Informationen werden so kurzfristig geliefert, dass kaum Zeit zur Debatte bleibt. Ist das Partizipation? Ist das demokratische Teilhabe, die uns hier von Rot-Rot-Grün vorgelebt wird?

Der Regierende Bürgermeister kann so oft er will das Jahrzehnt der Investitionen ausrufen, was nützt es, wenn die wahren Schuldenstände und Investitionsbedarfe gar nicht bekannt sind? – Wir entscheiden hier nach wie vor ohne Priorisierung bei explodierenden Kosten. Aufgrund der bitteren Erfahrung aus der Vergangenheit teilen wir die Skepsis der Volksinitiative gegenüber dem Senat und werden auch in Zukunft die Anliegen der Volksinitiative in Einzelpunkten aufgreifen. Den vorliegenden Ersetzungsantrag der Regierungskoalition lehnen wir ab. – Nochmals auch von unserer Seite herzlichen Dank an die Volksinitiative, auch für die vielen kritischen Fragen, die wir weiterhin begleiten werden! – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Burkert-Eulitz. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Erstes möchte ich mich für meine Fraktion

[Dr. Hans-Christian Hausmann (CDU): Entschuldigen!]

bei der Volksinitiative für ihr Engagement bedanken. Das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern in unserer Stadt, auch kritisches Engagement, ist wichtig für eine lebendige Demokratie.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Was die AfD heute wieder versucht, ist, falsche Informationen ins Land zu streuen.

[Carsten Ubbelohde (AfD): An welcher Stelle denn?]

Das wird Ihnen nicht gelingen! Sie sagen auf der einen Seite, wir sollen keine Schulden machen, wir sollen Schulden tilgen. Andererseits soll alles aus dem Haushalt finanziert werden. Sie reden von explodierenden Kosten.

[Carsten Ubbelohde (AfD): Wo denn?]

Das haben wir in drei Stunden Anhörung im Ausschuss breit diskutiert. Ich empfehle, das Wortprotokoll und die entsprechenden Aussagen der Vorsitzenden der HOWOGE zu studieren!

Wir teilen aber die Einschätzung der Situation durch die Volksinitiative nicht und daher auch ihre Ziele nicht. Wir bewerten den Sachverhalt anders und entscheiden deshalb auch anders, denn wir brauchen starke Partner, um das gigantische Vorhaben des Schulbaus und der Schulsanierung zu stemmen. Mit der HOWOGE und ihren Erfahrungen beim Neubau und bei der Sanierung in Berlin haben wir einen starken Partner an unserer Seite, eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft.

Denen, die noch immer befürchten, dass hier Schulen privatisiert und bald wieder verkauft werden könnten, sei gesagt: Davor sind wir doch noch nie geschützt gewesen! Ich ärgere mich jedes Mal, wenn ich in meinem Wahlkreis an einer ehemaligen Schule vorbeigehe, in der heute schicke, teure Eigentumswohnungen sind und wo der Schulhof als Parkplatz genutzt wird, obwohl wir vor Ort einen massiven Schulplatzmangel und keine Flächen haben. Diese Schule war immer in öffentlichem Eigentum. Das Land Berlin hat den Bezirk vor Jahren gezwungen, sie in den Liegenschaftsfonds zu geben und dann zu verkaufen. Das wird es unter Rot-Rot-Grün nicht geben!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Sollte also eine zukünftige Koalition wieder auf so eine Schnapsidee kommen, wird es dazu immer Mittel und Wege geben, das können Sie mir glauben. Ich kann Ihnen aber versichern: Rot-Rot-Grün steht für das genaue Gegenteil. Wir wollen immer Immobilien in Landeshand, um Spekulation und Ausverkauf entgegenzutreten.

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Was bei den Mieten gilt, gilt bei uns auch für den Schulbau: Der Markt wird es nicht regeln, er hat es in den letzten 100 Jahren schon kräftig verbockt.

[Lachen bei der AfD]

Nur eine starke öffentliche Hand kann das Problem lösen.

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Ich glaube, wir alle hier im Saal sind durch unsere Schulzeit geprägt. Uns sind Erinnerungen an die Farbe der Wände im Klassenzimmer präsent, an den Geruch in den Schulfluren und vieles mehr. Wir sollte es auch anders sein bei einem Ort, an dem wir so viele Jahre unseres Lebens in einer prägenden Phase verbracht haben?

[Zuruf von Georg Pazderski (AfD)]

In den heutigen Schulen bröselt der Putz von den Wänden, und den Kindern fällt fast die Decke auf den Kopf. Übrigens, liebe CDU, in der vergangenen Legislatur haben Sie sich nicht hervorgetan,

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

da schon entsprechende Vorsorge zu treffen. Da haben wir uns gestritten, und es ist nichts passiert. Das darf so nicht bleiben. Wir haben obendrein auch nicht genügend Schulplätze für die massiv wachsende Zahl an Kindern. Unter R2G ist klar, dass Schulbau eine Priorität hat. Wir setzen dies jetzt um.

Wir müssen aber auch ganz deutlich klarstellen, dass wir die Schulen genauso wie unsere Kitas nicht als bloße Verwahrungsgebäude für unsere Kinder sehen. Unsere Kinder verbringen täglich bis zu acht Stunden in der Schule. Schule ist in den frühen Lebensjahren ein Lebensort, also müssen wir Schulen auch zu lebenswerten Orten gestalten, die nicht nur der Vermittlung von Wissen dienen, sondern als Begegnungsort und Sozialraum fungieren, wo jedes Kind gefördert wird und die Gelegenheit zur Entfaltung bekommt. Es muss der Grundsatz gelten: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.“

Diese Koalition hat sich den Turnaround von der alten Flurschule zum Berliner Lern- und Teamhaus auf die Fahnen geschrieben. Wir setzen hier und heute neue pädagogische Standards.

[Carsten Ubbelohde (AfD): Wissen Sie, wo Pisa liegt?]

Zukünftig steht deutlich mehr Fläche zur Verfügung, und zwar in Umsetzung von inklusiven Konzepten für eine funktionierende Ganztagsschule.

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Ganztägig lernen bedeutet aber auch, dass es ein gesundes warmes Mittagessen gibt. Deshalb planen wir künftig auch größere Mensen mit modernen Küchen. Inklusion verlangt zudem auch spezielle Motorikräume für Kinder; da müssen und wollen wir ran.

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Auch das pädagogische Personal braucht endlich vernünftige eigene Arbeitsplätze in den Schulen. R2G will Schulen, die mehr sind als bloße Lernstoffvermittlungen – Orte, an denen die Berliner Eltern ihre Kinder gut aufgehoben, betreut und versorgt wissen.

Und ja, liebe CDU, Sie hätten mittun können. In der vergangenen Legislatur war schon 2011 klar, dass die Zahl der Kinder wächst. Wir haben damals noch über Personalzielzahlen in den Bezirken diskutiert. Da haben Sie sich nicht hervorgetan. Jetzt versuchen Sie, dafür Sorge zu tragen, dass es so aussieht, als ob Sie hier die Innovation wären. Das ist nicht so! Wir gehen die richtigen Wege. Wir haben innerhalb von zwei Jahren beschlossen, was Sie in fünf Jahren nicht hinbekommen haben. – Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf von Burkard Dregger (CDU)]

Für die Fraktion der FDP hat jetzt das Wort Herr Abgeordneter Fresdorf. – Bitte schön!