Protokoll der Sitzung vom 07.03.2019

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Kollege Krestel das Wort.

Das war ja wirklich ein Vorprogramm jetzt!

[Beifall von Karsten Woldeit (AfD)]

Ein Wort vorab: Wenn wir Menschen, die unseren Schutz und unsere Hilfe benötigen, helfen wollen, müssen wir fokussiert vorgehen. Das heißt aber auch, dass die, die das nicht benötigen, unser Land wieder verlassen müssen, wenn sie illegal dieses Land betreten haben.

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD]

Illegale Einwanderung hat – wie das erste Wort schon sagt – nichts mit Einwanderung im rechtlichen Sinne zu tun. Man kann nicht hier hereinkommen und sagen, „Hier bin ich!“, und dann das volle Programm unserer Sozialleistungen in Anspruch nehmen.

Wir machen heute offensichtlich so eine Art Rückschau zur Halbzeit der Wahlperiode. Beim Thema Abschiebungen ist Berlin bzw. diese Koalition ein weiteres Mal an einem Punkt angelangt – –

Hat der Kollege Walter die Möglichkeit zu einer Zwischenfrage?

Bitte, Herr Kollege Walter!

Vielen Dank, Herr Krestel! Das ist eine Rückfrage, und zwar haben Sie gesagt, es geht um die Menschen, die legal hier angekommen sind. Ich will nachfragen: Das

heißt, Sie gehen davon aus, dass Geflüchtete, die aus Ihrer Heimat fliehen müssen, erst noch ein Visum beantragen können, bevor sie nach Deutschland kommen können?

Herr Kollege Walter! Das haben Sie nun wirklich völlig falsch verstanden. Ich gehe von Personen aus, die über die sogenannte grüne Grenze – das hat nichts mit Ihrer Partei zu tun –

[Beifall bei der FDP]

einfach hier hereinkommen und plötzlich meinen, sie hätten hier automatisch einen Aufenthaltsanspruch mit den entsprechenden sozialen Folgen. Das gibt es in keinem Land der Welt und auch nicht in der Bundesrepublik Deutschland.

[Beifall bei der FDP und der AfD]

Ich habe hier eine weitere Zwischenfrage von Herrn Wansner.

Bitte – wenn wir schon einmal dabei sind!

Vielen Dank, Herr Krestel, dass Sie diese Zwischenfrage erlauben! Warum sollen aber Leute freiwillig aus Berlin weggehen, wenn Sie von dem Innensenator doch sowieso eine Aufenthaltserlaubnis bekommen und diese Aufenthaltserlaubnis dazu führt, dass sie Berlin nicht mehr verlassen müssen?

Diese Frage erschließt sich mir, ehrlich gesagt, überhaupt nicht. Wenn ich hier eine Aufenthaltserlaubnis habe und in meinem Land ist es wesentlich weniger gut zu leben als hier und ich ohnehin mit dem Zweck des dauerhaften Aufenthalts hierher gelaufen bin, dann bleibe ich einfach da. Das wird einem von diesem Senat ja auch sehr leicht gemacht.

[Beifall bei der FDP und der AfD]

Kommen wir wieder zu den Halbzeitbetrachtungen! – Es ist jetzt, wie gesagt, eine halbe Wahlperiode her, da haben wir hier den Koalitionsvertrag zum ersten Mal debattiert, und der Kollege aus der Linksfraktion hat beim Punkt davor gesagt, es sei manchmal schwer, noch etwas Neues zu sagen. Deswegen habe ich meine alte Rede noch einmal durchgelesen. Damals hieß es, in Berlin sollen die Abschiebungen und die Aufenthaltsbeendigungen quasi nur noch ein rechtstheoretisches Phänomen sein. Mittlerweile gibt es in Berlin wieder ein Gebäude, in

(Katina Schubert)

dem sich Gefährder und rechtskräftig verurteilte ausreisepflichtige Straftäter im Prinzip finden könnten, um hinterher abgeschoben zu werden. Es steht nur leider leer; es wird schlicht nicht benutzt.

Hier hat der Senat den ersten Schritt nach dem Motto getan: Na ja, wir machen ja was! – Und dann fehlt ihm aber der Mut, letztlich das Recht hier durchzusetzen. Wir sehen hier als FDP den Standpunkt vom Januar 2017 bestätigt: Das Aufenthaltsgesetz – das rufe ich hier noch einmal in Erinnerung – ist ein zentraler Bestandteil des bundeseinheitlichen Ausländerrechts. Sie haben damals mehr oder weniger in Ihrem Koalitionsvertrag versucht, die §§ 53 ff. dieses Gesetzes außer Kraft zu setzen. Die Bundesländer jedoch und auch Berlin haben dieses Gesetz auszuführen, und Sie haben fast eine halbe Wahlperiode probiert, darum herumzukommen, und dann doch noch gemerkt, dass Sie sich eben nicht darüber hinwegsetzen können.

[Beifall bei der FDP]

Bundesdeutsches Recht kann man eben nicht verbiegen oder sogar beugen. Berlin ist und bleibt Land der Bundesrepublik Deutschland, und darauf muss hier ausdrücklich noch einmal hingewiesen werden. Deswegen ist das Land Berlin auch zur Bundes- und Rechtstreue gegenüber dem Bund verpflichtet. Das ist viel mehr als das, was Sie an salbungsvollen Worten vor fast einer halben Wahlperiode im Koalitionsvertrag geschrieben haben: Es berührt nichts weniger als die Rechtsgrundlagen dieses Staates.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Kehren wir also gemeinsam zurück zu diesen Grundlagen! Berlin ist Ihre Politik schon gewaltig auf die Füße gefallen, und wir möchten hier nicht zur Hauptstadt der Gefährder werden.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Rechtskräftig verurteilte ausreisepflichtige Straftäter haben dieses Land zu verlassen, und Berlin hat dabei ohne Wenn und Aber mitzuwirken. Ich würde mich persönlich freuen, wenn der Bund – also die schwarz-rote Bundesregierung – dafür zusätzlich die Bedingungen schaffen würde, dass das auch funktioniert. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Jarasch jetzt das Wort.

Mir geht es so ein bisschen wie einigen hier im Raum: Diese Diskussion ist wirklich mühsam, weil wir uns komplett festfahren und im Kreis drehen und uns immer wieder dieselben Schlachten liefern. – Herr Dregger! Da Sie diesmal in einem staatsmännischen Ton gesprochen haben, werde ich versuchen, Ihnen auf einer vernünftigen Ebene zu antworten und Sie vielleicht für eine vernünftige Position zu gewinnen. Sie haben gesagt, es gibt zwei Seiten der Medaille. Das sind die Schutzbedürftigen, denen wir Schutz gewähren wollen, und es gibt die Nichtschutzbedürftigen, die allerdings in Ihrem Antrag und in all den Anträgen auf Bundesebene – dazu komme ich gleich – sehr schnell plötzlich alle zu Straftätern werden. Und ich sage: Es gibt mindestens drei Seiten, auch wenn dann das Bild von der Medaille langsam nicht mehr passt und ein bisschen schief wird. Es gibt Menschen, denen wir Schutz gewähren. Es gibt Menschen, denen wir keinen Schutz gewähren, obwohl sie ihn aber brauchen würden. Und es gibt Menschen, die nicht hierher kommen, weil sie Schutz brauchen, sondern weil sie eine Perspektive suchen. So. Jetzt reden wir mal ganz offen. Alle diese drei Kategorien gibt es. Und die Frage ist, ob die Antworten, die Sie vorschlagen, dafür die richtigen sind. Straftäter übrigens gibt es in allen diesen drei Kategorien, einige wenige, wie es auch in der deutschen ansässigen Bevölkerung Straftäter gibt. So, nur um das Bild hier mal abzurunden.

Und dass jemand kein Asyl bekommt, bedeutet weder, dass er oder sie keinen Schutz bräuchte, und erst recht heißt es nicht, dass es klug wäre, wenn wir die alle ausweisen und abschieben würden.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Christian Buchholz?

Danke, nein! – Denn zumindest der Wirtschaftsflügel Ihrer Partei müsste es Ihnen inzwischen nahegelegt haben: Wir brauchen dringend Fachkräfte in diesem Land. Und ja, wir können auch ganz viele von den Leuten gebrauchen, die hierhergekommen sind, egal auf welchem Weg, die aber arbeiten wollen und die auch Arbeitsverträge und Ausbildungsverträge bekommen können. Ich würde mich sehr freuen, wenn auch die Berliner CDU diesen Paradigmenwechsel endlich vollziehen würde. Die Bundes-CDU hat ihn nach vielen Jahren mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz wenigstens einen Schritt weit vollzogen, und mit einem Beschäftigungsduldungsgesetz, das ausdrücklich Menschen ermöglicht, zum Arbeiten hier zu bleiben und damit einen Spurwechsel ermöglicht, obwohl sie nicht zum Arbeiten hierhergekommen sind, weil wir nämlich zu wenig legale Einwanderungsmöglichkeiten geschaffen haben. Diesen Paradigmenwechsel,

(Holger Krestel)

dass wir diese Leute trotzdem brauchen, es Quatsch wäre, alle abzuschieben, vielleicht schaffen Sie den auch noch zu vollziehen.

Dann können wir mal ernsthaft über Ihren Antrag reden, der nämlich tatsächlich nicht so harmlos ist, wie Sie gerade tun, sondern der genau in die Richtung von dem sogenannten Geordnete-Rückkehr-Gesetz von Bundesminister Seehofer geht, der im Grunde den vielen Leuten, die mit Duldung hier sind, die Duldung entziehen will, eine Art Rechtlosigkeitsstatus geben will. Die werden trotzdem zum Teil hier bleiben, weil sie nicht abgeschoben werden können – auch das ist eine Realität, über die wir hier schon tausendmal gesprochen haben –, und zwar nicht alle aus Gründen, die sie selbst zu vertreten haben, und die dann rechtlos sind. Ich frage mich, was Sie damit irgendjemandem in diesem Land zugutegetan haben wollen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir diese Debatte endlich mal so vernünftig, und sei es nur aus einem wohlverstandenen wirtschaftspolitischen Eigeninteresse, führen könnten. Ich bin sicher, wir würden zu anderen Ergebnissen kommen als zu diesem Antrag. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Zu diesem Tagesordnungspunkt hat der fraktionslose Abgeordnete Wild gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung einen Redebeitrag angemeldet. Die Redezeit beträgt bis zu drei Minuten. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Ein Grüezi in die Höhe! Sie haben das schöne Wort „Ausschaffung“ in der Schweiz. Da bin ich ein bisschen neidisch. Wir haben uns in den vergangenen Jahrzehnten in unserem Gerechtigkeits- und Gleichheitswahn verheddert. Die von uns selbst gemachten Regeln sind zu Fesseln für Deutschland geworden. Wir können uns nicht mehr im Sinne unseres Auftrags verhalten. Unseren Auftrag erhielten wir durch den Souverän, das Volk. Wir schufen ein im internationalen Maßstab sehr großzügiges Sozialsystem. Wir schufen wirtschaftliche Überschüsse, die Steuer- und Sozialkassen füllten. Wir schufen Schutzmöglichkeiten für politisch Verfolgte aus aller Herren Länder. Das war alles gedacht für die Bedürfnisse des deutschen Volkes, für ein Volk, das so viele Kinder bekommt, wie Alte sterben, für Einzelne, die aus der Fremde Schutz bei uns suchen.

Aber heute haben sich frühere Gewissheiten völlig verschoben. Wir haben ein Zwölftel unseres Volkes zu Almosenbeziehern gemacht und diesen Bürgern den Stolz genommen, in Berlin ist es sogar ein Achtel. Wir haben ein Heer von Arbeitsmigranten gerufen, für die es heute

nur noch wenig Arbeit gibt. Wir bekommen nur noch halb so viele Kinder, wie Alte sterben. Wir gewähren Millionen von Mühsamen und Beladenen aus aller Welt, vor allem aus archaischen Gesellschaften, Zuflucht, die angeben, sie seien verfolgt. Diese Entwicklungen sind seit Jahrzehnten absehbar, aber die Vertreter der Kartellparteien haben sich diesem nicht entgegengestellt. Wir kontrollieren nicht mehr unseren Boden; jeder kann einreisen, der es bis an die deutsche Grenze geschafft hat. Ein winziger Bruchteil davon braucht tatsächlich Asyl, aber die anderen erhalten trotzdem einen Aufenthalt namens Duldung, einen Aufenthalt, der sich im Laufe der Zeit immer weiter verfestigt. Sehr viele werden, wenn sie hier bleiben, ein Leben lang Transferbezieher bleiben.

Wir von der AfD sind nicht gewählt worden, um diensteifrig alternativlose Fehlentwicklungen zu bejammern. Wir sind gewählt worden, weil wir den gordischen Knoten durchschlagen wollen. Schluss mit den illegalen Grenzübertritten, Schluss mit Grenzen ohne Grenzer, und Schluss mit der Einreise in die soziale Hängematte für unzählige Nutznießer jahrzehntelanger deutscher Verweichlichung und Schlamperei! Wir brauchen Abschiebezentren, die in der Lage sind, alle illegal eingereisten Migranten nach und nach zu sammeln und in sinnvollen Gruppen wieder außer Landes zu bringen – im Flugzeug, im Bus, per Schiff, zur Not unter Zuhilfenahme der Bundeswehr. Duldungen darf es nur in einzelnen individuellen Härtefällen für angemessene Zeit geben. Wir von der AfD werden nicht zurückschrecken, dieses Problem zu lösen, auch wenn es eine Herkulesaufgabe sein wird. Und wir werden alle Willigen in diese Arbeit mit einbeziehen.

Wir werden aber nicht dulden, dass die Vertreter der Kartellparteien weiterhin im Stillen gegen die Interessen unseres Volkes arbeiten, nur weil es dem persönlichen Fortkommen einzelner Politiker dienlich ist. Meine Damen und Herren! Sie wurden nicht gewählt, um Fremde in Scharen ins Land zu holen und damit unser soziales Staatsgefüge aus dem Lot zu bringen! Sie wurden auch nicht gewählt, um Ihre Taschen zu füllen, auch nicht mit blauen Blumen, Frau Helm. Sie wurden gewählt, um Schaden von unserem Volk zu wenden und unserem Volk zu dienen. Tun Sie das, oder verschwinden Sie von der politischen Bildfläche! – Schönen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Zu dem Antrag Drucksache 18/0035 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich gegen die Oppositionsfraktionen die Ablehnung, auch mit geändertem Berichtsdatum 31. März 2019. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die CDUFraktion, die FDP-Fraktion, die AfD-Fraktion und ein fraktionsloser Abgeordneter. Gegenstimmen? – Bei

(Bettina Jarasch)

Gegenstimmen der Koalitionsfraktionen ist der Antrag damit abgelehnt.