Protokoll der Sitzung vom 12.01.2017

Vielen Dank! – Eine der größten Herausforderungen unserer Tage ist die Wahrung der Sicherheit in unserem Land. Es ist die vornehmste Aufgabe des Staates, seine Bürger zu schützen und ihnen dabei nach Möglichkeit ihre persönlichen Freiheiten weitestgehend zu sichern.

Schon einmal stand die Bundesrepublik Deutschland vor vergleichbaren terroristischen Herausforderungen und hat mit der Einführung der elektronischen Rasterfahndung die technischen Möglichkeiten ihrer Zeit genutzt. Die damalige sozialliberale Koalition hat diese Herausforderung erfolgreich bestanden, weil sie die gebotenen Schritte gegangen ist. Die Abwägung zwischen der Sicherheit der Bürger und dem Preis der Sicherheit für ihre Freiheit stellte sich schon der neuzeitlichen Staats- und Rechtsphi

losophie. Sicherheit ist der weniger beachtete Zwilling der Freiheit.

[Zuruf: Das stimmt nicht!]

Bereits 1792 prägte Wilhelm von Humboldt den Satz: „Ohne Sicherheit ist keine Freiheit.“ Auch Thomas Hobbes hat sie als Voraussetzung allen zwischenmenschlichen Zusammenlebens bezeichnet. Ohne Sicherheit gibt es für niemanden Freiheit, sondern den hobbesschen Krieg eines jeden gegen jeden. Wir leben leider in Zeiten, in denen wir ein höheres Augenmerk auf die Sicherheit setzen müssen. Ich begrüße deswegen Ihre Stellungnahme, sehr geehrte Frau Smoltczyk, und auch Ihre Presseerklärung vom 22. Dezember 2016; denn Sie sagen: Es ist richtig, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung lässt keine umfassende Überwachung der Bürgerinnen und Bürger zu. Ich stimme dem vorbehaltlos zu.

Aber Sie sagen auch: In einer besonderen Gefährdungslage muss selbstverständlich eine neue Abwägung zwischen den Sicherheitsbedürfnissen der Bevölkerung und den Rechten der Betroffenen erfolgen. In diesem Sinne würde ich uns wünschen, dass wir auch in den zukünftigen Ausschussberatungen diese Diskussion sachlich weiterführen, um zu den richtigen Ergebnissen zu kommen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Linksfraktion hat der Kollege Schrader das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Smoltczyk! Meine Damen und Herren! Frau Smoltczyk! Mit Ihrem Bericht haben Sie wieder einmal den Beweis erbracht, wie wichtig die Institution der Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit ist. Wenn man sich das durchliest, dann sieht man, dass Sie etwas bewirken können. Man kann nachlesen, in welchen Fällen Sie Datenschutzmängel bis hin zu gravierenden Rechtsverstößen aufgedeckt haben, und es wird auch deutlich, dass Sie – sei es bei der Chipkarte der Berliner Bäder-Betriebe, bei den elektronischen Meldungen an die Ordnungsämter oder bei der Umsetzung der City-Tax, um nur mal drei Beispiele zu nennen – auch konkrete Verbesserungen erreicht haben. Dafür auch von der Fraktion Die Linke einen großen Dank an Sie, Ihre Behörde und natürlich auch an Herrn Dr. Dix, der das ja im Jahr 2015 noch gemacht hat.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Sie sind ja nicht nur Beschwerdestelle, sondern Sie machen auch die Politik auf neue Herausforderungen aufmerksam, ob das jetzt die neue Datenschutzgrundver

(Burkard Dregger)

ordnung ist, der Trend zur Nutzung von Big Data oder die IT-Sicherheit in der Verwaltung. Und ich habe den Eindruck, dass die neue Koalition diese Themen etwas höher gewichten will – um es mal vorsichtig zu sagen. Die Stellungnahme, die uns jetzt hier vorliegt, ist ja noch die des alten Senats; da steht noch der Name des abgewählten Innensenators Henkel drauf. Und da muss man schon mal sagen: Die Stellungnahme atmet leider gelegentlich diesen Geist, den wir eigentlich loswerden wollen: eine Abwehrhaltung, Flucht aus der Verantwortung und wenig Initiative. Wenn zum Beispiel der Senat beim Thema Transparenzgesetz da einfach reinschreibt: Das ist nicht erforderlich – oder wenn die Datenschutzbeauftragte auf drei Seiten beschreibt, wie gefährlich die Nutzung von Windows XP in der Verwaltung ist, und der Senat gibt dazu überhaupt keinen Kommentar ab, dann spricht das Bände.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Dr. Clara West (SPD)]

Deshalb bin ich froh, dass R2G diese Themen etwas ernster nehmen will.

Wir wollen ja nicht nur verschiedene Datenbanken überprüfen oder ein Transparenzgesetz entwickeln – Sie haben es erwähnt, Frau Smoltczyk –, wir haben uns auch darauf geeinigt, die Institution der Datenschutzbeauftragten besser auszustatten. Ich glaube, das ist gerade jetzt besonders wichtig. Gerade in dieser aktuellen Sicherheitsdebatte, die ja nicht immer rational geführt wird, gerade jetzt, wenn sich die Parteien einen Überbietungswettbewerb mit Forderungen nach Grundrechtseinschränkungen liefern, gerade jetzt ist die Stunde der Datenschützerinnen und Datenschützer.

Wie wichtig das ist, zeigt auch, was die Bundeskanzlerin vor ein paar Tagen gesagt hat. Bei einer Tagung des Beamtenbundes war das. Sie hat gesagt, Deutschland werde wegen des hohen Datenschutzniveaus zu einem digitalen Entwicklungsland, und wir müssten uns jetzt mal vom Prinzip der Datensparsamkeit verabschieden. Was für ein gefährlicher Irrtum! Da wird mir wirklich angst und bange.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Gerade in Berlin ist das Gegenteil der Fall. Im Bericht wird es beschrieben: Die Start-up-Branche boomt. Viele kleine Unternehmen schaffen Arbeitsplätze mit datenschutzfreundlichen Angeboten. Wer so denkt wie Frau Merkel, der verschachert nicht nur die Persönlichkeitsrechte der Menschen, sondern der verkennt auch, dass Datenschutz ein Wirtschaftsfaktor sein kann. Ich hoffe, dass das auch irgendwann bei der CDU ankommt.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Dr. Clara West (SPD)]

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich auf die Beratung des Berichts im Ausschuss. Wir werden ja auch darüber hinaus noch viel zu tun bekommen. Ich will dazu noch eins anmerken: Die Datenschutzbeauftragte stellte in dem Bericht fest, dass – anders als in früheren Jahren – das Abgeordnetenhaus als Ergebnis der Beratungen dieses Datenschutzberichts keine Beschlüsse gefasst hat. Ich hoffe, dass das in den nächsten Jahren anders läuft, wenn wir einen neuen Unterausschuss Datenschutz einrichten. Ich möchte, dass das Parlament bei diesen Themen wieder aktiver und selbstbewusster auftritt. – Danke!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Dr. Clara West (SPD)]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Lux das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank! – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Smoltczyk! Vielen Dank für die Vorstellung des Datenschutzberichts und für die Fortführung dieser sehr wichtigen Aufgabe in Berlin! Berlin ist hier in der Tat Vorreiter, hat eine der bestausgestatteten Datenschutzbehörden im ganzen Bundesgebiet. Und das ist auch richtig so; denn der Datenschutz – das ist kein Widerspruch zur Sicherheit, sondern im Gegenteil – sichert, vor allen Dingen für sozial Schwächere, die Möglichkeit, über ihre Daten die Informationen, die über sie existieren, frei und selbstbestimmt zu bestimmen. Datenschutz ist für die Schwächeren da, und dazu stehen wir von den Grünen und von der Koalition auch.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Dass diese Datenschutzbehörde bei Ihnen auch eine gut geführte und mit gutem Personal ausgestatte echte Kümmererbehörde ist, wird auch bei der Lektüre des Datenschutzberichts deutlich. So setzen Sie sich etwa erfolgreich ein, wenn Unternehmen unzulässige Bonitätsabfragen, Schufa-Abfragen, bei Bewerbungen einfordern. Natürlich hat nicht jede Bewerberin und jeder Bewerber es so leicht wie wir Abgeordnete, wenn über uns Daten in der Welt kursieren und in unserem Namen irgendwelche Schuhe oder andere Waren bestellt und Rechnungen gestellt werden, sondern Bürgerinnen und Bürger brauchen den Beistand von einer aufgeklärten Datenschutzbeauftragten, von engagierten Leuten, die da arbeiten und sich kümmern. Genauso auch, wenn es um Foto- und Videoaufnahmen in der Kita für Sprachstandsfeststellungen geht. Natürlich muss es dazu einen guten Rahmen geben, damit diese Daten nicht an Unbefugte weitergegeben werden, und es muss dort ein ordentliches Verfahren geben. Auch dafür haben Sie sich eingesetzt, Frau Smoltczyk.

(Niklas Schrader)

Genauso dafür, dass Seniorinnen und Senioren bei der Anmietung einer Seniorenwohnung kein ärztliches Gutachten einreichen müssen. Das widerspricht ganz klar dem Datenschutzrecht. Ich glaube, auch da wird deutlich, dass Datenschutz den Schwächeren in unserer Gesellschaft hilft, die darauf angewiesen sind, dass der Rechtsstaat hier sozial und ausgleichend, aber auch rechtlich bestimmt handelt.

Genauso haben Pensionärsausweise bis vor Kurzem noch verzeichnet, wenn jemand aus Dienstunfähigkeitsgründen Pensionär geworden ist. Auch das stand auf so einem Ausweis. Auch da haben Sie sich eingesetzt. Genauso, wenn sensible Krankendaten mit den Logos von Krankenhäusern versehen worden sind und in die Öffentlichkeit gelangt sind.

All das sind kleine Beispiele, aber doch Beispiele dafür, dass man sich tagtäglich darum gekümmert hat, dass es einen Wert hat, über sich selbst bestimmen zu können, welche Daten jemand über mich hat.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Dr. Clara West (SPD)]

Und da hier auch schon an prominenter Stelle bedeutende Staatsphilosophen zitiert worden sind – „Der Mensch ist dem Mensch ein Wolf“ – und so die Zeiten etwas vor der Aufklärung hier bemüht werden, möchte ich mal darauf hinweisen, dass unsere Grundlage für den freiheitlichen Staat ist, dass die Menschen freiheitliche Individuen sind, geboren mit Würde, unabhängig, jeder und jede individuell, und dass wir nicht zum Wolf werden, egal, welche schlimmen Taten wir begehen, sondern dass jeder Mensch, egal, welche Taten er begeht, eine Würde hat. Und diese Grundgedanken gehen auf den Staatsrechtler John Locke zurück, der die Schutzaufgaben des Staates durchaus beschreibt, aber diese auch immer in Abwägung setzt zu der Freiheit, die am besten Hand in Hand geht mit der Sicherheit. Und daraus sollten wir keinen Zwiespalt machen, sondern immer gucken, wie wir um die beste Lösung darüber streiten.

Dazu kommt das Bundesverfassungsgericht, das auch im Datenschutzbericht zitiert wird. Es hat gesagt: Mit dem Recht auf informelle Selbstbestimmung, also auf Datenschutz, wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürgerinnen und Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß. – Genau dieses Chaos wollen wir vermeiden, gerade in Zeiten zunehmender Digitalisierung, die eine Riesenchance sein kann für den Datenschutz und die Digitalisierung als Innovationsmotor. Ich bin froh, dass Herr Dregger zugesagt hat, weiterhin daran zu arbeiten, um Berlin da prosperierend voranzubringen. Und auch der Senat hat sich dazu neu aufgestellt. Ich bin froh, wenn wir dazu Ihre Expertise aus den letzten fünf Jahren weitertragen, und dankbar für dieses Angebot, aber es muss Hand in

Hand gehen. Daran können wir gemeinsam arbeiten, genauso wie an dem aus meiner Sicht wichtigsten Punkt, der Medienbildung, damit die jungen Leute und Kinder, die vielleicht schon mehr technische Erfahrungen haben als manche Ältere in unserer Gesellschaft – wie dem auch sei –, selbstbestimmt sind und wissen, dass das Internet nichts vergisst, dass sie sorg- und achtsam mit den eigenen Daten umgehen sollen, aber auch rücksichtsvoll, wenn andere ihre Daten preisgeben, dass sie nicht schmähen und auch nicht haten sollen im Internet, sondern sich dort so verhalten sollen, wie es Anstand und Respekt vor anderen, vor der Würde des Menschen und seiner eigenen Freiheit gebieten. Insofern bin ich Ihnen, Frau Smoltczyk, dankbar für die Ansage, die ich auch so verstehe, dass beim Erlass der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung deutlich mehr Arbeit auf Ihr Haus zukommen wird. Wer weiß, wie Facebook usw. arbeiten, der kann das nachvollziehen. Dass wir das als Haushaltsgesetzgeber im Blick haben, ist an sich eine Selbstverständlichkeit. Das adressiert der Koalitionsvertrag, und dieser wirbt –

Sie müssten bitte zum Ende kommen!

ausdrücklich um Zustimmung. – Vielen Dank, Frau Präsidentin und liebe Kolleginnen und Kollegen!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank! – Für die AfD hat der Kollege Bachmann das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Smoltczyk! Auch vonseiten der AfD-Fraktion möchte ich mich für Ihren ausführlichen Bericht und Ihre Arbeit bedanken. Ich möchte zwei Aspekte herausgreifen. Es wurde von den Vorrednern schon erwähnt, dass Sicherheit und Freiheit auch im Bereich des Datenschutzes im Wege einer fortlaufenden Abwägung immer auszutarieren seien. Natürlich muss man aber auch immer die aktuelle politische Lage mit einbeziehen und erkennen, dass sich bei einer stark verschärften Sicherheitslage auch die Gewichte hin zu einem stärkeren Sicherheitsbedürfnis verschieben. Deshalb erscheint es mir etwas pauschal und vorschnell, wenn reflexartig unter Verweis auf den Datenschutz jedwede Ausweitung der Videoüberwachung beispielsweise abgelehnt wird.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Stimmt doch gar nicht!]

Ich möchte aber der Debatte, die später noch dazu ansteht, nicht vorgreifen, sondern den Fokus auf einen

(Benedikt Lux)

weiteren Aspekt richten, der noch nicht zur Sprache kam, und das ist die Informationsfreiheit. Es ist schön und gut, dass es einen Beauftragten gibt, der darüber wacht, dass der Staat seine Pflichten aus dem IFG gegenüber den Bürgern erfüllt. Allerdings geht die grundgesetzlich geschützte Informationsfreiheit deutlich weiter, denn sie besteht darin, dass sich der Bürger aus allen frei zugänglichen Quellen informieren kann, und das sind heute insbesondere auch die sozialen Medien und damit Facebook. Hier drohen der Informationsfreiheit aus unserer Sicht die wirklichen Gefahren, denn hier tritt der Staat zusehends nicht mehr als Garant der Grundrechte auf, sondern vielmehr als Zensor.

[Beifall bei der AfD]

Gerade diejenigen, die sich sonst gern als Bürgerrechtsapostel aufspielen, nämlich da, wo es um die Grundrechte politisch Andersdenkender geht, nehmen auf einmal eine völlig konträre Rolle ein. Worum geht es? – Es geht um den sogenannten Hate-Speech, den man bekämpfen will. Hate-Speech ist ein völlig diffuser Begriff, der offen ist für jede willkürliche Interpretation. Ginge es nur

[Niklas Schrader (LINKE): Thema verfehlt!]

um den Schutz vor Straftaten und die Verletzung von Persönlichkeitsrechten, bräuchte man diesen Begriff nicht, denn Beleidigungen, Verleumdungen, Volksverhetzung und die Billigung von Straftaten und der Aufruf dazu sind im Internet genauso strafbar

[Benedikt Lux (GRÜNE): Sagen Sie das mal Herrn Höcke!]

wie in der analogen Welt.

[Beifall bei der AfD – Benedikt Lux (GRÜNE): Weiß das Ihre Partei?]

Das wissen wir ganz genau. Das wissen wir sogar besser als Sie. Ihnen geht es aber darum, pauschal missliebige Meinungen aus dem öffentlichen Diskurs zu verdrängen, und dagegen werden wir uns intensiv verwahren.