Protokoll der Sitzung vom 12.01.2017

[Beifall bei der CDU und der AfD – Zuruf von Ülker Radziwill (SPD) – Zuruf von Antje Kapek (GRÜNE)]

Herr Kollege Graf! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein! – Meine Damen und Herren! Sie haben seit der Wahl so viel Stillstand organisiert, weswegen ich es Ihnen ganz offen sage: Für uns sind hundert Tage seit dem Wahltag vorbei. Von uns haben Sie keine Schonfrist zu erwarten. Allerdings hat die SPD ohnehin dasselbe Personal im Senat.

[Torsten Schneider (SPD): Ach, Florian! – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Gehen Sie insofern davon aus: Wir werden sofort angreifen bei dem, was Sie hier auf den Tisch des Hauses legen.

Diese Koalition ist eine Koalition der Quantität, sie hat aber Probleme mit der Qualität.

[Beifall und Heiterkeit bei der CDU und der AfD]

Das ist ganz deutlich geworden. Sie leisten sich die größte Regierung, sind aber nicht in imstande, Großes zu leisten.

[Heiterkeit von Heiko Melzer (CDU)]

Sie legen einen Koalitionsvertrag mit 177 Seiten auf, stellen aber gar nicht fest, dass Inhalt und Sprache bundesweit zu Hohn und Spott führen.

[Torsten Schneider (SPD): Ich möchte hier nicht über Qualität reden!]

Die Richtlinien Ihrer Politik sind so lang wie keine anderen. Das Problem ist nur: Entscheidend ist, dass man sich auf das Wesentliche konzentriert, auf dass, was die Menschen, die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt interessiert. Sie, Herr Müller, haben vielmehr einen gewaltigen Fehlstart mit Ihrer Koalition hingelegt. Ihr Vorsatz des guten Regierens ist doch längst Ihrer eigenen schlechten Laune gewichen.

[Beifall und Heiterkeit bei der CDU, der AfD und der FDP]

Von Beginn Ihrer Senatsbildung an sind Sie um Schadensbegrenzung im Fall Holm bemüht

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Sagt Ihnen der Name Braun noch was?]

oder mit Diskussionen über die Videoüberwachung beschäftigt. Herr Regierender Bürgermeister! Ihre Führungsschwäche ist unerträglich in der Sache Holm, das muss ich Ihnen sagen.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP]

Aber ich möchte gerne auf das Thema Videoüberwachung eingehen.

[Torsten Schneider (SPD): Ja! Habt ihr noch was anderes? – Zuruf von Danny Freymark (CDU)]

Laut Infratest Dimap unterstützen 80 Prozent der deutschen Bürgerinnen und Bürger eine Ausweitung von Videoüberwachung im öffentlichen Raum. Was wir hierzu in den letzten drei Wochen erlebt haben, Herr Müller, spottet jeder Beschreibung. In der letzten Regierung mit der CDU verhindern Sie mit Herrn Saleh in letzter Minute den Gesetzentwurf zur Videoüberwachung an gefährlichen Orten, und jetzt können Sie es nicht durchsetzen, weil Herr Dr. Lederer das für Propaganda hält.

[Heiterkeit bei der CDU]

Anschließend stellen Sie sich hin und sagen: Ich bin zufrieden. Das hilft richtig. – Wenn Sie zufrieden sind – das ist genau das, was Politikverdrossenheit schafft! Sie heucheln den Menschen eine Lösung vor, die die Probleme nicht löst.

[Zuruf von Canan Bayram (GRÜNE)]

Sie verzichten auf ein Instrument, das hier zur Aufklärung von Straftaten in den letzten Wochen nachweislich beigetragen hat.

[Beifall bei der CDU und der AfD – Udo Wolf (LINKE): Mit Heuchelei kennen Sie sich ja aus! – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Sie müssen ja gar nicht auf die Opposition hören, hören Sie doch auf die Fachleute. Die Gewerkschaft der Polizei sagt zu Ihrem Sicherheitspaket, das sei ein Schlag ins Gesicht. Die Deutsche Polizeigewerkschaft hält das für ein Zeichen von Realitätsverlust. Oder hören Sie auf Ihre Parteifreunde. Der brandenburgische Innenminister sagt: Wir müssen verrückt sein, wenn wir die Menschen um Handyvideos bitten, selbst an der Stelle aber nichts tun. – Recht hat der Mann!

[Beifall bei der CDU und der AfD]

Aber es ist nun einmal so: Unter Rot-Rot in Brandenburg, selbst unter Rot-Rot-Grün in Thüringen würde Herr Holm nicht Staatssekretär sein dürfen. Auch das gehört zur Wahrheit dazu.

[Beifall bei der CDU und der AfD – Udo Wolf (LINKE): Haben Sie noch ein anderes Thema?]

Seit fünf Wochen treibt dieses Thema Sie an den Rand der Handlungsunfähigkeit. Dazu gibt es so viele Gründe. Wir haben Sie vorher gewarnt, Sie können sich nun nicht herausreden – ob das die Stasi-Vergangenheit ist, ob das die Verknüpfung zur linksextremen Szene ist, ob es das Lügen gegenüber der Humboldt-Universität ist, was er übrigens als Erwachsener, nicht als junger Mann getan hat.

[Zuruf von Udo Wolf (LINKE)]

Herr Regierender Bürgermeister!

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Herr Dr. Graf!]

Die Stadt wartet darauf,

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Hallo!]

dass nicht der Regierende Bürgermeister um seine Fassung und Haltung ringt, sondern sie wartet auf ein Signal.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Herr Dr. Graf!]

Entlassen Sie Herrn Holm aus dem Senat, und zwar unverzüglich!

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP]

Mutlos, kraftlos, peinlich – das sind die Kommentare zu Ihrem Regierungsstart. Man hat es heute förmlich gespürt: Den Richtlinien Ihrer Regierungspolitik fehlt jeglicher roter Faden. Sie haben keine die Stadt überspannende Idee, wie Sie genau das Wachstum gestalten wollen.

[Zuruf von Udo Wolf (LINKE)]

Sie senden kein Signal des Aufbruchs. Sie machen eine Politik der Realitätsverweigerung, und Sie blenden die Zukunftschancen dabei aus. Das sehen auch die Bürgerinnen und Bürger so. Ja, Sie wurden gewählt und repräsentieren hier 52 Prozent der Wähler. Inzwischen stehen laut jüngster Umfrage aber nur noch 44 Prozent hinter

Ihnen. Das ist, gemessen an dem Start der großen Koalition, verheerend, das muss man sagen.

[Beifall bei der CDU – Carola Bluhm (LINKE): Das ist aber auch gewagt!]

Und dann muss man sich auch mal den Koalitionsvertrag angucken. Sie wollen ein Modellprojekt für den Bund sein, ernten aber Spott und Hohn von der Bundesebene. Was soll man auch sagen, wenn man sich die Begrifflichkeiten im Koalitionsvertrag anschaut. Ob es die seitenweisen Ausführungen zum Bau von Holzhütten sind, ob es das Ziel ist, zu einer essbaren Stadt zu werden – Sie lassen kaum eine Kuriosität auf den 177 Seiten aus. Nur, wie wirkt das eigentlich auf die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt?

[Daniel Buchholz (SPD): War denn Ihre Doktorarbeit länger oder kürzer, Herr Graf?]

Die sind nach dem Anschlag am Breitscheidplatz zusammengerückt, und das zeichnet die Bürgerinnen und Bürger auch aus. Aber was tut die Koalition? – Der Justizsenator widmet sich erst mal Unisextoiletten. Der Kultursenator stellt das Kopftuchverbot in Schulen infrage, und die Koalitionsfraktionen kommen in der ersten Sitzung nach ihrer Wahl mit einer Priorität, Berlin zur FairTrade-Town zu machen.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP– Zuruf von Udo Wolf (LINKE)]

Sie verfügen schon über ein treffsicheres Gespür, an den Bedürfnissen der Menschen vorbei zu regieren, das muss ich Ihnen sagen.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Und, Herr Kollege, wenn Sie so viel dazwischenrufen, werde ich Ihnen eines verraten: Sie werden mit den Unisextoiletten den Kampf gegen den Terror nicht bestehen. Das sage ich Ihnen voraus.