Zudem wollen wir uns kritischer mit dem kolonialen Erbe in dieser Stadt auseinandersetzen. Und wir wollen endlich, sage ich, und als Neuköllner mit Stolz, das lange versprochene Eine-Welt-Haus ermöglichen und die Arbeit der Initiative Global Village unterstützen. Denn eine starke und eine laute Zivilgesellschaft, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist vielleicht manchmal für eine Regierung etwas anstrengend. Herr Geisel kann davon ein Lied singen. Aber eine kritische und eine laute Zivilgesellschaft ist eines der Dinge, die unsere Demokratie so wertvoll machen. Und deshalb wollen wir sie stärken. Auch dafür steht diese Koalition.
Fairtrade-Town ist nichts Altbackenes, ist ein Trend, der immer stärker wird. Mein eigener Bezirk Neukölln hat gerade mit Rot-Grün in der Zählgemeinschaftsvereinbarung beschlossen, dass auch sie Fairtrade-Town werden wollen.
Fairtrade-Towns werden von fast allen politischen Farben mitgetragen. Ich wünsche mir das auch für Berlin. In diesem Sinne freue ich mich auf die gemeinsamen Beratungen im Ausschuss. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch für mich ist es die erste Rede in diesem Hohen Haus. Ich freue mich auch darüber. Allerdings bin ich anders als mein Vorredner eher überrascht, über welches Thema ich heute zu sprechen habe.
Ich teile die Überraschung meiner Kollegen aus der Opposition. Ich wundere mich darüber. Wir sind kilometerweit von einer funktionierenden Stadt entfernt.
Und der erste Antrag, den diese Regierungskoalition zum Thema Wirtschaftspolitik und Verwaltung vorzubringen hat, ist ein Thema „Wir retten die Welt“.
Das ist ein Beispiel dafür, wie Prioritäten in dieser Koalition und wohl dann leider auch in der Wirtschaftspolitik völlig falsch gesetzt werden, statt sich mit Themen wie digitale Vernetzung zu befassen– ich hätte so viele Themen, die auf der Agenda sind, und übrigens sogar bei Ihnen im Koalitionsvertrag stehen.
Warum haben Sie nicht eines der wichtigen Themen wie die Digitalisierung, die sogar in Ihrem Koalitionsvertrag verankert sind, als dringlichen Antrag eingebracht? Damit hätte ich gerechnet, darüber hätten wir uns gefreut. Das hätten wir übrigens auch unterstützt, aber nicht einen reinen Wohlfühlantrag Ihrer Koalition. Denn, das muss ich Ihnen auch sagen: Auch dieser Wohlfühlantrag Ihrer Koalition wird kein Wohlfühlklima in Ihrer Koalition herstellen.
Da sage ich Ihnen, da hilft auch dieser Antrag nicht. Dabei will ich ganz deutlich herausstellen, dass wir als FDP durchaus für fairen und auch freien Handel sind. Wir sind für funktionierenden Wettbewerb, und der setzt natürlich auch fairen Handel voraus. Wir unterstützen auch und sehen den richtigen Ansatz von Fairtrade durch Zertifizierung, Verbraucherinformation und Bewusstsein zu stärken.
Insofern ist es Ihnen natürlich unbenommen, sich selbst entsprechend zu verhalten und – Herr Evers hat das schon ausgeführt – das von unten nach oben zu entwickeln. Hier geschieht es aber anders herum, nämlich von oben nach unten. Ich sehe keine Notwendigkeit, die Berliner Verwaltung, die ganz andere Probleme zu lösen hat, nun auch noch mit weiteren Prüfvorgaben und Vorgaben, was die Beschaffung betrifft, und Steuerungsgruppen, die Personal und Ressourcen binden, was anderswo besser aufgehoben wäre, zu behelligen.
Übrigens fiel kein Wort zu den Folgekosten, die mich ganz besonders interessieren. Haben Sie die Kosten einmal beziffert? Was würde es kosten, wenn man eine Beschaffung mit teuren Produkten machen würde? Die Kosten sind vielleicht der Grund, warum nicht die Mehrheit, sondern eher ein kleiner Teil der Großstädte zertifiziert sind. Überlassen Sie diese Entscheidung lieber den Bezirken. Damit müssen wir uns zunächst wahrlich nicht befassen, nicht prioritär und schon gar nicht dringlich.
Wir sind für freien und fairen Handel. Wir wissen, dass das Thema sehr komplex ist. Wir wissen allerdings auch, dass diese Fairtrade-Kampagne nicht über jeden Zweifel erhaben ist. In der Tat gibt es auch Unternehmen in den entsprechenden Herkunftsländern, die ein besseres Gehaltsniveau garantieren, ohne zertifiziert zu sein. Zudem ist die Zertifizierung ein Kostenfaktor für die betroffenen Unternehmen in den entsprechenden Entwicklungsländern. Es ist auch zu kurz gesprungen, wenn Sie glauben, Sie würden allein damit die Welt retten. Ich denke, das glauben Sie nicht einmal selbst, denn entscheidend für einen fairen Handel sind faire Handelsabkommen. Das ist die entscheidende Grundlage. Darin liegt unserer Ansicht nach der Schlüssel zur Verbesserung der Situation in diesen Ländern.
Befassen Sie sich mit wirklich dringenden Themen, die diese Stadt nach vorne bringen! Wir brauchen keine Wohlfühlanträge. Das können Sie unter sich ausmachen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Betriebe und an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.
Die Stelle des Vertrauensanwalts/der Vertrauensanwältin zur Korruptionsbekämpfung stärken und zügig neu besetzen
Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/0076
Der Dringlichkeit hatten Sie bereits eingangs zugestimmt. In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Frau Kollegin Bayram, bitte schön, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Antrag fordert, die Position der Vertrauensanwältin bzw. des Vertrauensanwalts zu stärken und zu besetzen. Ich will mit einem Zitat des ausgeschiedenen Vertrauensanwalts, Herrn Christoph Partsch, beginnen:
Man kann schon sagen, dass Korruption immer dort auftritt, wo relativ viele staatliche Leistungen verteilt werden, wo relativ wenige Personen damit befasst sind und wo relativ wenig wirtschaftlicher Wettbewerb stattfindet. Da ist eine Stadt wie Berlin, in der es besonders viele Transferleistungen gibt und in der viel Geld durch Landes- wie Bundesbehörden vergeben wird, sehr gefährdet.
Wir haben die Situation, dass der Vertrauensanwalt ausgeschieden ist und dass wir die Stelle neu besetzten müssen. Das ist immer auch eine Gelegenheit, darüber nachzudenken, wie diese Stelle geschaffen worden ist, wie sie bisher gearbeitet hat und warum wir sie weiterhin brauchen.
2008 wurde auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Debatte darüber gestartet, was beim Thema Korruption eigentlich alles schon an Instrumenten vorhanden ist und wo es noch Lücken gibt, die dazu führen, dass einerseits ein Schaden bei der Verwaltung – also an Steuergeldern –, andererseits ein Schaden bei Unternehmen und beim Wettbewerb entsteht. Nebenbei verdienen daran die Hauptschuldigen, sowohl die Geber als auch – und in erster Linie – die Nehmer, sodass es sehr schwer ist, an Hinweise zur Aufklärung des Sachverhalts zu kommen oder überhaupt eine Ermittlung in Gang zu setzen. Neben den anderen Instrumenten, die wir in diesem Bereich eingesetzt haben, wie der schon vorhandenen Internetplattform, auf der anonym Hinweise gegeben werden können, denen man dann nachgehen kann und auf deren Grundlage gegebenenfalls auch Ermittlungen der Staatsanwaltschaften auf den Weg gebracht werden, sollte es einen Menschen geben, der konkret ansprechbar und fachlich in der Lage ist zu unterscheiden, welche Hinweise Hand und Fuß haben, welchen man nachgehen muss und welche Hinweise vielleicht aus anderen Motiven gegeben werden und keinen echten Verdacht begründen. Bis wir den Vertrauensanwalt hatten, war es ein langer Weg. Wer sich dafür interessiert, wie die Arbeit verlaufen ist, kann sich das Wortprotokoll des Rechtsausschusses dazu mal zu Gemüte führen. Dort hat uns der mittlerweile ausgeschiedene Vertrauensanwalt sehr detailliert darüber informiert, wie gut die Arbeit funktioniert hat.
Dennoch müssen wir uns klarmachen, dass das natürlich nur ein Mosaikstein auf dem Weg der Korruptionsbekämpfung ist. Deswegen will ich noch einmal aus dem Lagebild der Bundesebene ein paar Dinge herausstellen, was typisch und spezifisch für Korruption ist. Dort werden Kernaussagen getroffen, die ich teilweise benennen will. Z. B. geht es um die korruptive Verbindung zwischen Geber und Nehmer, die langfristig angelegt ist. Als Beispiel dafür, wie so etwas über einen langen Zeitraum großen Schaden herbeiführen kann, wird gerade vor Gericht in Berlin gegen den Mitarbeiter des Landesamtes für Gesundheit und Soziales verhandelt, der sich über einen sehr langen Zeitraum hat bestechen lassen. Er war in einer sehr verwickelten Situation mit den Auftragnehmern, und es ist auch tatsächlich Geld geflossen. Demnächst wird in diesem Fall eine Entscheidung getroffen. Weiter stellt das Lagebild darauf ab, dass die Erfolge in der Bekämpfung der Korruptionskriminalität davon abhängen, dass auch die Bundesländer alle Instrumente einsetzen, um dagegen vorzugehen. Da ist das Instrument des Vertrauensanwalts auch ein bewährtes.
Da wir heute in der schönen Situation sind, dass derjenige, der seinerzeit noch als Abgeordneter den Antrag eingebracht hat, nämlich Dirk Behrendt, derjenige sein wird, der als Senator diese Aufgabe mit betreuen wird, freue ich mich sehr darauf, wenn wir uns im Rechtsausschuss dieses Thema wieder vornehmen, sobald wir eine Besetzung haben. Dann werden wir weiter im Land Berlin gut gegen Korruption kämpfen. Darauf freue ich mich. – Danke schön!
Verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann da anfangen, wo mein Kollege von der FDP-Fraktion beim vorigen Tagesordnungspunkt auch anfangen musste. In Zeiten, in denen der islamische Terror unsere Stadt erreicht hat, die Flüchtlingskrise in Deutschland, aber auch in Berlin ungelöst ist, das Berliner Schulsystem bundesweit abgehängt ist, die Menschen bezahlbaren Wohnraum suchen, der Verkehrsinfarkt eingetreten ist und – um es auch an dieser Stelle zu sagen – hauptamtliche Mitarbeiter des SED-Unterdrückungsapparats in Regierungsverantwortung bestellt werden, sieht diese Linkskoalition als Priorität der politischen Diskussion die Behandlung des Vorgangs „Die Stelle des Vertrauensanwalts zur Korruptionsbekämpfung stärken und zügig neu besetzen“. Das spricht für sich und ist
mehr als nur eine Peinlichkeit für dieses Dreierbündnis. Wenn man dann noch in Erinnerung rufen darf, dass der Vertrauensanwalt zur Korruptionsbekämpfung einst im breiten Konsens geschaffen wurde und allseits als sinnvolle Ergänzung zur Arbeit der Staatsanwaltschaft und anderer Stellen gewertet wurde, dann wirkt diese Anmeldung als Priorität einfach nur lächerlich und entlarvend.
Lächerlich ist es zudem, weil der grüne Justizsenator sich einfach anschicken kann, diese Stelle zügig neu zu besetzen – wie Sie es nennen. Oder will er das nicht? Wozu bedarf es eigentlich dieses Parlamentsantrages?
Dadurch wird es im Zweifel nur länger dauern, da ja nun die weitere parlamentarische Behandlung in den Ausschüssen und so weiter ansteht.
Niemand braucht diesen Antrag, es sei denn, Sie wollen uns sagen, dass gerade Ihr neu ernannter Justizsenator diesen Impuls benötigt, was ich zugegebenermaßen nicht glaube, Herr Behrendt, denn ich erinnere mich daran, dass Sie als Abgeordneter dieses Vorhaben auch wohlwollend begleitet haben. So schnell wird sich auch bei Ihnen durch das Sein das Bewusstsein nicht geändert haben.