Protokoll der Sitzung vom 12.01.2017

ach hören Sie auf! –,

[Udo Wolf (LINKE): Man muss schon wissen, wovon man redet!]

das durch die Bundesländer auszuführen ist. Das bindet die Berliner Politik, die Verwaltung und Justiz in besonderer Weise. Sich darüber hinwegzusetzen, wirft ein ganz besonderes Licht auf diesen rot-rot-grünen Senat, in dem – das ist zu befürchten – wohl der eine oder andere Kaschmir-Lenin, um auf die Einwürfe einzugehen,

[Steffen Zillich (LINKE): Kaschmir-Lenin?]

meint, bundesdeutsches Recht verbiegen oder sogar beugen zu können. Berlin ist und bleibt ein Bundesland der Bundesrepublik Deutschland. Darauf ist hier ausdrücklich hinzuweisen.

[Regina Kittler (LINKE): Meine Herren!]

Das verpflichtet das Land Berlin zur Bundes- und Rechtstreue gegenüber dem Bund. Das ist mehr als das Geschwätz in einem Koalitionsvertrag, das sind schlicht die Rechtsgrundlagen dieses Staates.

[Beifall bei der FDP und der AfD – Beifall von Sven Rissmann (CDU)]

Ich fordere Sie auf: Kehren Sie zu diesen Grundlagen zurück! Dieser Blödsinn wird Berlin gewaltig auf die Füße fallen. Die Berliner wollen nicht zur Hauptstadt der Gefährder werden. Berlin soll frei bleiben, frei von Angst durch freilaufende Gefährder und rechtskräftig verurteilte, ausreisepflichtige Straftäter.

[Udo Wolf (LINKE): Oh Mann, ey!]

Frei aber auch von den politischen Folgen Ihrer unsäglichen Ankündigungen.

Gestatten Sie mir noch ein Wort an die SPD.

[Udo Wolf (LINKE): Nö!]

Steht denn der Berliner Landesverband in dieser Frage noch im regelmäßigen Austausch mit der eigenen Bundesebene? Haben Sie die Forderungen, die derzeit von dort zum Thema Aufenthaltsbeendigung und Abschiebegewahrsam erhoben werden, schon wahrgenommen, Herr Regierender Bürgermeister, der leider schon wieder abwesend ist? Nach der heutigen Diskussion müssen wir auf die SPD von Raed Saleh bauen. Wir werden Sie beide daran messen. Man versteht am Ende, warum offensichtlich zwischen der Berliner SPD und der Bundes-SPD so wenig abgestimmt ist. Ein Regierender Bürgermeister, der vor Beginn einer neuen Amtszeit wie ein russischer Bojarenfürst auf dem Pferdeschlitten vor den Wölfen aus dem eigenen Waldstück auf der Flucht ist, der schaut natürlich nicht nach vorne, sondern immer nur nach hinten. Bitte tun Sie Berlin etwas Gutes, und folgen Sie unserem Antrag!

[Beifall bei der FDP und der AfD – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Canan Bayram (GRÜNE): Was steht denn da drin?]

Für die SPD hat nun der Abgeordnete Zimmermann das Wort. – Bitte, Herr Zimmermann!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Krestel! Ich kann Sie beruhigen: Wir können die Grundlagen, die Sie beschreiben, gar nicht verlassen, denn sie gelten, und sie gelten auch für Berlin. Der Senat wird das Bundesrecht anwenden, so wie das Bundesrecht anzuwenden ist – Punkt!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Udo Wolf (LINKE): Ja!]

Ansonsten waren Ihre Ausführungen, Herr Krestel, zwar sehr meinungsstark, aber faktenarm.

[Beifall von Udo Wolf (LINKE)]

Zu dem, was Sie so befürchten, will ich kurz mal versuchen zusammenzufassen, wie es sich tatsächlich verhält. Wir haben in § 58 Aufenthaltsgesetz genau die Alternativen. Wir haben die Ausreisepflicht, die gesichert werden muss, und dass dann, wenn die Ausreisepflicht und ihre Erfüllung nicht gesichert sind, die Abschiebung in Betracht kommen soll und muss. Und es gibt die zweite Alternative, dass es aus Gründen der öffentlichen Sicherheit geboten sein kann, die Abschiebung anzuordnen und durchzuführen. Aus der Systematik dieses ziemlich guten Bundesgesetzes ergibt sich, dass wir im Einklang mit dem Bundesrecht ein entwickeltes, qualifiziertes Rückkehrmanagement machen können. Es ist allemal besser, eine freiwillige Rückkehr mit Rückkehrhilfen zu unterstützen, anstatt Zwangsmaßnahmen auszuüben.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von Henner Schmidt (FDP)]

Das heißt, wir wollen das, was im Gesetz angelegt ist – nämlich ein Rückkehrmanagement ausbauen, um dort besser zu werden –, in Berlin umsetzen. Das haben wir uns vorgenommen, und das ist der entscheidende Punkt. Das ist auch der Paradigmenwechsel, von dem Frau Breitenbach und Frau Bluhm gesprochen haben. Da kann man tatsächlich erfolgreich sein.

[Lachen von Holger Krestel (FDP)]

Das andere – ja, Sie unterstellen mir etwas anderes –, aber der zweite Schritt ist, dass, wenn die Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist, selbstverständlich abgeschoben wird, und das wird dann selbstverständlich auch vollzogen. Wir werden die gesamte Diskussion, die wir im Zuge der Terrordebatte haben, natürlich auch in Berlin so führen, dass wir bei Gefährdern, Herr Krestel, die frei herumlaufen und eine Ausreisepflicht haben – die bundesweit 50 oder wie viel das sind –, über Maßnahmen der Sicherung der Abschiebung nachdenken und sie notfalls auch vollziehen werden, das ist doch ganz klar. Wir werden doch nicht Gefährder, die als solche identifiziert sind, herumlaufen lassen und sagen, wir wollen mit ihnen

irgendwelche Geschäfte machen. Das ist eine absurde Unterstellung, die Sie nicht gemacht haben, aber wenn Sie sie gemacht hätten, dann wäre sie absurd gewesen.

Das Bundesrecht sieht genau diesen Zweiklang vor, und diese Spielräume nutzt Berlin aus. Alles Weitere, was an Legendenbildung durch die Gegend geistert – Mekka des Asylmissbrauchs, frei herumlaufende Gefährder und diese Geschichten –,

[Holger Krestel (FDP): Ja, ja!]

möchte ich für diese Koalition ein für alle Mal zurückweisen. Berlin wird das Bundesrecht anwenden und ausführen, und es wird abgeschoben. – Danke schön!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Holger Krestel (FDP): Das kommt wieder! Ändern Sie Ihre Position, dann können wir darüber reden!]

Vielen Dank! – Das Wort hat nun Herr Dregger für die Fraktion der CDU,

[Canan Bayram (GRÜNE): Muss das denn sein? – Kurt Wansner (CDU): Herr Zimmermann kann einem manchmal leidtun!]

und nur Herr Dregger, bitte! Das gilt an dieser Stelle auch für die Zwischengespräche.

Frau Präsidentin! Frau Kollegin Bayram! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Zimmermann! Es ist ja schön, dass Sie jetzt versuchen, Ihren Koalitionsvertrag dem geltenden Recht anzupassen, aber Sie müssen schon verstehen, dass wir bei einer rot-rot-grünen Linkskoalition Besorgnisse haben, dass die Linken und Grünen das fortsetzen, was sie in den letzten fünf Jahren aus der Opposition durchzusetzen versucht haben, und das waren Abschiebeverbote. Sie haben alles unternommen, um den Zuzug Nichtschutzbedürftiger zu erleichtern und die Abschiebung und Rückführung von Nichtschutzbedürftigen zu erschweren.

[Zuruf von der FDP: So sieht es aus!]

Jetzt finden wir in Ihrem Koalitionsvertrag, den Sie unterschrieben haben, Regelungen, in denen steht: Statt reiner Abschiebepolitik möge die freiwillige Ausreise gefördert werden. Abschiebehaft und Abschiebegewahrsam werden nicht als legitime Mittel benutzt. Sie wollen zudem noch die Identitätsfeststellung in § 21 Absatz 2 Satz 1a (bb) ASOG abschaffen, die dazu dient, Ausreisepflichtige festzustellen, was die Voraussetzung dafür ist, sie zurückzuführen. Dieses Vorhaben ist nicht nur absurd in Anbetracht des Terroranschlags, der von einem Täter verübt worden ist, der das Asylrecht missbraucht hat. Ich konzediere Ihnen gern, dass Sie Ihren Koalitionsvertrag

geschlossen haben, bevor dieser Terroranschlag stattgefunden hat, aber Ihr Vorhaben ist auch angesichts der großen Herausforderungen für unser Land absurd, die durch die Zahl von etwa 1,2 Millionen Asylanträgen in den letzten beiden Jahren entstanden sind.

Ich kann nur sagen: Wir haben wirklich Wichtigeres zu tun und unsere Ressourcen auf diejenigen zu konzentrieren, die wirklich schutzbedürftig sind. Wen wollen Sie eigentlich mit Ihrem Vorhaben schützen? Sie wollen Menschen nicht zur Rückführung bewegen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind.

[Frank Zimmermann (SPD): Doch, wollen wir!]

Das ist nicht im Interesse unseres Landes. Wir haben eine ungeheure Herausforderung zu bewältigen, und das setzt voraus, damit wir Schutzbedürftige wirklich schützen können, dass wir diejenigen zurückführen, die nicht schutzbedürftig sind, dass wir unsere Ressourcen auf die wirklich Schutzbedürftigen konzentrieren.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Das war die Politik, die wir in den letzten fünf Jahren unter der Führung unseres Innensenators gefahren sind, gegen alle Widerstände der Roten und Grünen und mit vielen Bauchschmerzen, wie Sie gesagt haben. Wir haben dafür gesorgt, dass die Zahl der Abschiebungen, die praktisch bei null lag, bevor wir an die Regierung gekommen sind, auf fast 2 000 im letzten Jahr angestiegen ist, unter Einhaltung aller rechtsstaatlichen Grundsätze und gegen Ihren erklärten Widerstand, meine Damen und Herren von der damaligen Opposition.

[Beifall von Dr. Robbin Juhnke (CDU) – Zuruf von Canan Bayram (GRÜNE)]

Unter dem Druck dieser Abschiebungen, die wir durchgesetzt haben, haben wir auch eine große Zahl von Menschen zur freiwilligen Ausreise motivieren können. Ihr Glaube, Sie könnten Menschen zu einer freiwilligen Ausreise bewegen, ohne ihnen andernfalls die Abschiebung anzudrohen, ist ein Trugschluss, den Sie in den nächsten Jahren erleben werden.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Holger Krestel (FDP)]

Die Zahl der freiwilligen Ausreisen hat im letzten Jahr fast 8 000 betragen. Das zeigt: Diese hohe Zahl an freiwilligen Ausreisen werden Sie nur erreichen, wenn Sie sich das Mittel der Abschiebung vorbehalten. Selbstverständlich müssen auch die freiwilligen Ausreisen befördert werden, weil sie schneller und auch kostengünstiger sind. Aber zu glauben, Sie könnten es nur freiwillig erreichen, weil alle so lieb und nett zueinander sind,

[Frank Zimmermann (SPD): Tun wir ja nicht!]

ist ein absoluter Irrglaube. Davor kann ich nur warnen, und deswegen bin ich dem Kollegen von der FDP dank

bar, dass Sie diesen Unsinn thematisiert haben. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Frau Schubert das Wort.