Protokoll der Sitzung vom 06.06.2019

Der hat ja immer so viel Zeit! – Interessant fand ich allerdings Folgendes: Als ich den Antrag der FDP, mit dem wir uns heute befassen und der für die FDP Priorität hat, las, habe ich mich gefragt: Wir haben doch über das, was Sie hier beantragen, schon einmal gesprochen. Da ich bei der Vorbereitung ein wenig Zeit einsparen wollte, habe ich gesucht: Sicherlich haben wir bei der Einbringung des Antrags darüber diskutiert. Ich habe nachgesehen: In der ersten Lesung vom Oktober 2018, als Sie diesen Antrag eingebracht haben, ist er vertagt worden. Bei der zweiten Lesung ist er ohne Aussprache in die

Ausschüsse überwiesen worden. Im Ausschuss, so dachte ich, hätten wir einmal darüber geredet – aber nein! Im Ausschuss ist er ohne Aussprache – mit Ihrer ausdrücklichen Zustimmung bzw. auf Ihren Wunsch hin – abgelehnt worden. Für den Hauptausschuss gilt übrigens dasselbe. Der einzige Ausschuss, der sich mit dem Antrag befasst hat, war jener für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien – und zwar deshalb, weil Sie da fahrlässigerweise etwas von Europarecht hineingeschrieben hatten.

[Heiterkeit bei der LINKEN]

Diesen Antrag, den Sie hier einfach jedes Mal nicht bereden wollten, setzen Sie heute als Ihre Priorität auf die Tagesordnung. – Werte Kollegen! Das ist ziemlich unernst.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Herr Förster! Warum kommt es mir so vor, dass alles schon gesagt wurde? – Ganz einfach: Weil wir das, was in Ihrem Antrag enthalten ist, schon mehrmals hier behandelt haben. Sie haben Ihren Antrag nämlich in Einzelanträge aufgegliedert, und zwar in wortgleiche Einzelanträge, sodass wir hier schon einmal den Antrag zum Baulückenkataster hatten, denjenigen zum Mieten-TÜV und denjenigen zum Dachgeschossaufbau, den wir abgelehnt haben. Das sind wortgleiche Anträge. Deswegen dachte ich mir, dass wir das alles schon einmal besprochen haben. Nun könnte ich mit alledem noch einmal anfangen, was wir hier schon diskutiert haben.

Übrigens, Herr Kollege Gräff! Sie haben sich nun wirklich weit aus dem Fenster gelehnt – ich hatte mich damals schon hinsichtlich der FDP gefragt, was aus dieser Rechtsstaatspartei geworden ist –, dass Sie in einem Antrag schreiben, dass wir per Senatserlass eine Zeit lang das Bundesbaurecht außer Kraft setzen sollen. – Dieser ganze Antrag, den Sie zum Dachgeschossausbau gestellt haben, verstößt gegen geltendes Recht und entspricht in einigen Dingen, die Sie fordern, bereits geltendem Recht.

Aber nein, ich wiederhole jetzt die Debatten über die drei Anträge nicht, denn ich glaube, Ihr Antrag ist gar nicht ernst gemeint, sondern es ist wie bei dem Antrag aus der letzten Sitzung zur Turbo-Baugenehmigung: Da habe ich mir immer gesagt – und deswegen wiederhole ich das jetzt –, dass Sie uns mit Anträgen befassen, die Sie nicht ernsthaft diskutiert, nicht ernsthaft ausgearbeitet haben, sondern nur um irgendwann einmal das Wort Wohnen in die Parlamentsdebatte zu bringen. Damit haben Sie einen Haken, an dem Sie dann gebetsmühlenartig Ihre Dogmen aufhängen können, wie Sie es heute wieder getan haben: bauen, bauen, bauen – ohne über die Sachzusammenhänge, ohne über die realen Wohnungsmarktprobleme zu sprechen. Da kommen nur Sprechblasen heraus. Deswegen stellen Sie irgendwelche Anträge, die gar nicht Hand und Fuß haben – nur um diese Leier zu bedienen.

(Christian Gräff)

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Mit der Realität befassen Sie sich in Ihren Gebetsstunden überhaupt nicht. Wenn Sie die Realität wenigstens einmal mit Ihren Dogmen konfrontieren und merken würden, dass an dem, was Sie hier erzählen, ganz vieles völlig falsch ist. – Das tun Sie aber leider nicht.

[Christian Gräff (CDU): Ein Glück, dass Sie immer richtigliegen!]

Das versuche ich jedenfalls.

[Zurufe von der FDP]

Ich mache einmal einen Vorschlag: Ich tue jetzt einmal so, als wenn Ihnen die Realität irgendetwas wert wäre. Kollege Swyter! Ich mache einen Vorschlag für Sie: Laden Sie doch einmal die Kollegen aus Ihrer Fraktion zu einem Besuch in Ihr Wahlkreisbüro ein! Dann können Sie ihnen einmal das Haus zeigen, in dem Ihr Wahlkreisbüro ist. Dann können Sie sehen: Dieses Haus ist in den Neunzigerjahren mit öffentlichen Mitteln saniert worden. Nach 20 Jahren – das ist vier Jahre her – liefen die Bindungen aus. Da ist kein einziger Mieter mehr drinnen – doch, einer ist noch da –, der damals schon dort war. Sie können da auch Wohnungen mieten für 25 Euro pro Quadratmeter – diese sind aber schön möbliert. Jetzt würde ich sagen, wenn Sie von dem Ausflug mit Ihrer Fraktion zurückkommen, werden Sie uns wahrscheinlich sagen: Die Preise in den geförderten Wohnungen sind so hoch, weil wir nicht genug möblierte Wohnungen bauen. – Aber auch diese Antwort kann ich mir schenken. – Tschüs!

[Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Förster eine Zwischenbemerkung angemeldet.

[Zuruf von Udo Wolf (LINKE)]

Herr Dr. Nelken! Eines ist doch bemerkenswert: Sie haben fünf Minuten Ihrer Redezeit dazu gebraucht, sich an Formalien abzuarbeiten. Sie sind nicht auf einen einzigen inhaltlichen Punkt eingegangen. So schlecht kann der Antrag dann doch nicht sein, wenn Sie kein Kritikpunkt vorgetragen haben.

[Beifall bei der FDP – Zurufe links]

Außerdem scheinen Sie die Grundlagen des parlamentarischen Verfahrens nicht zu kennen. Es ist eben manchmal so, dass Anträge mehrfach vertagt werden, auch im Plenum. Die Koalition hat z. B. einen heute zum Europasportpark, der wird, glaube ich, zum vierten oder fünften Mal heute aufgerufen, wahrscheinlich heute Abend

wieder vertagt wegen Zeitablaufs, da sagen wir auch nicht, ist Ihnen nicht wichtig, sondern sagen einfach, das ist das ganz normale Verfahren. Und stattdessen wie Sie immer zu erster, zweiter, dritter und fünfter Lesung hier dieselben Anträge vorzutragen, haben wir die Debatte einmal geführt. Das ist effizient, was kritisieren Sie daran? Ich verstehe die Welt nicht mehr.

[Beifall bei der FDP]

Und wenn man sich dann zu Gemüte führt und darauf schaut, was denn nun das Problem an diesen ganzen Maßnahmen sein soll, kann ich nur sagen: Sie haben ja offenbar noch nicht mal verstanden, Herr Nelken, wo das Problem zwischen nicht bauen und Mieten begrenzen liegt. Wenn Leute 30, 40 Jahre in ihrer Wohnung wohnen, dann wohnen sie da sehr preiswert. Aber wenn wir auch keine Fluktuationsreserve mehr haben – man sagt immer, 2 bis 3 Prozent braucht man an gesundem Leerstand, um Umzüge zu ermöglichen, dass Leute von kleineren in größere Wohnungen ziehen können, weil sie eine Familie gründen, oder im Alter in kleinere Wohnungen ziehen können –, dann werden wiederum keine Wohnungen frei, dass Leute, die neu hinzukommen, dort einziehen können. Das können sie aber momentan nicht. Wenn man genug neuen Wohnungsbau am Markt hat, dann sinken auch nach dem Modell Angebot und Nachfrage die Preise bei Neuvermietungen. Wenn Sie das nicht kapiert haben, tut es mir leid, dann wird das nicht helfen. Aber ich weiß, Sie haben Ihre Promotion zu Grundlagen des Marxismus gemacht. Insofern herzlichen Glückwunsch, aber das wird Ihnen künftig nicht mehr helfen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD]

Vielen Dank! – Dann hat Herr Dr. Nelken die Gelegenheit zur Erwiderung.

[Zurufe von der FDP]

Sehr geehrter Herr Kollege Förster! Erstens: Dass man Anträge auch mal vertagt, ist richtig. Dass man aber solche breiten Anträge erstens überhaupt nicht im Fachausschuss bereden lässt, das finde ich nicht seriös.

Sie haben über die Inhalte – ich habe jetzt leider die Drucksachennummer nicht dabei – hier geredet. Wir haben über Ihren Dachgeschossausbau geredet, und ich habe damals nachgewiesen, dass Sie geltendes Recht nicht berücksichtigen und das Bundesrecht zum Teil brechen wollen, dass das gar nicht geht. Wir haben hier über den Mieten-TÜV geredet, wir haben also über die Inhalte schon geredet, wir könnten auch noch über andere reden. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass Sie daran Interesse haben.

Zweiter Punkt: Sie verweigern sich der Realität, was eigentlich die Mietpreise nach oben treibt, wo Sie immer behaupten, es wäre deshalb, weil hier nicht genug gebaut wird. In dieser Stadt wird überall an allen Ecken und Enden gebaut. Und die Preise für die Wohnungen, die da gebaut, die da vermietet oder verkauft werden, sind extrem hoch, das treibt die Preise weiter hoch. Und wenn Sie sich mal eine Statistik angucken würden, wo die Preise am meisten steigen, in welchen deutschen Städten, dann sind es die Städte, wo am meisten gebaut wird, was auch logisch ist. Das ist wirtschaftlich logisch, weil man dort investiert, wo man die Preise erzielen kann, und nicht dort, wo die Preise niedrig sind. Insofern ist hier gar kein ursächlicher Zusammenhang, sondern ein zeitlicher.

Und der letzte Punkt: Herr Förster, falls es Sie interessiert: Ich habe eigentlich nicht über die Grundlagen des Marxismus promoviert, sondern über August Bebel. Und da ging es schon auch sehr wohl um Wohnungspolitik.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Dann hat nun für die AfD-Fraktion der Abgeordnete Laatsch das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst zu Frau Schillhaneck. Sehr geehrte Frau Schillhaneck! Als Demokrat weiß ich natürlich, wann die harte Schlacht der Auseinandersetzung hier am Pult endet und wann es um den Menschen geht. Deswegen wünsche ich Ihnen in Ihrer Zukunft alles Gute, Frau Schillhaneck!

Zu Frau Spranger: Die FDP überlässt dem Markt den Wohnungsbau. Das finden wir auch nicht ganz so perfekt, aber Sie überlassen den Wohnungsbau den Kommunisten. Und das ist für mich die allerletzte Wahl.

[Beifall bei der AfD – Torsten Schneider (SPD): Das ist ein sehr substanzielles Argument!]

Dann haben wir heute ein weiteres historisches Ereignis hier im Parlament gehabt, nämlich den ersten Versuch der Geschlechterimmunisierung durch Frau Schmidtberger. Wenn dir nichts mehr einfällt, sag einfach, das war Sexismus. So einfach ist das. Ähnliches kennen wir ja schon von der Klimaimmunisierung: Schick einfach Kinder vor, dann kann keiner was dagegen sagen.

[Zuruf von den GRÜNEN: Oh!]

Da staunen Sie, ne?

Ich komme jetzt mal zu Herrn Försters Antrag. Herr Förster! da haben Sie mal alles, was auf Ihrem Schreibtisch herumlag, zusammengekehrt und in einen Antrag gefasst.

Ich gehe das mal der Reihe nach durch. Ich meine, irgendwann fällt einem ja auch nichts mehr ein. – Die 10 000 Dächer: Da sage ich nur: Die Bauerhaltungsmaßnahmen in dieser Stadt, die Bauerhaltungssatzung, also der sogenannte Milieuschutz, der verhindert hier jegliche Bewegung zu dem, was Sie da vorhaben. Und es würde auch einen nachträglichen Eingriff in die Bebauungspläne bedeuten. Wir haben aber auch ansonsten ausreichend Bestand an Dächern hier in dieser Stadt, sodass wir die ausbauen könnten und Klimmzüge überhaupt nicht nötig sind.

Ich komme zu den Einzelhandelsflächen: Da sehen Sie es ganz richtig, dass wir natürlich in der Politik Kompromisse machen müssen und da mit der Wirtschaft zusammenarbeiten, denn nur so kommen wir zu einem Ausbau von mehr Wohnungen auf heutigen Einzelhandelsflächen. Die Überbauung und Aufstockung ist allerdings des Öfteren aus statischen Gründen nicht möglich. Dem Grunde nach stimmen wir Ihnen hier aber zu.

Baulückenkataster: Wer sich ernsthaft um die Wohnraumversorgung sorgt, muss bereit sein, Voraussetzungen dafür zu schaffen. Dazu gehört unabdingbar ein Baulückenkataster. Daran, lieber Herr Förster, kann man nicht oft genug erinnern – deswegen von uns hier volle Unterstützung.

[Beifall bei der AfD]

Aktivierung von Immobilienbeständen, Grundstücke des Bundes und des Landes: Gleiche Konditionen für alle sind da aus unserer Sicht nicht sinnvoll, weil, wir sollten im Rahmen von Konzeptverfahren gemeinwirtschaftlich arbeitenden Unternehmen wie z. B. Genossenschaften einen Bewertungsvorsprung verschaffen. Wenn hiermit auch Kleingärten gemeint sind, wenn Sie von landeseigenen Flächen sprechen, dann ist das für uns nicht zustimmungsfähig.

Der Mieten-TÜV oder, anders ausgedrückt, die Wohnkostenfolgeabschätzung: Sehr gute zusammenfassende Idee vieler Überlegungen im Zusammenhang mit überbordendem Baurecht, Herr Förster. Und deshalb an dieser Stelle wieder volle Zustimmung von uns. Bauprodukte europäisieren, kein Weichspülen von wichtigen Mindeststandards. Unter keinen Umständen! Norwegen ist anders als Süditalien, und deswegen gilt da für uns keine Gleichmacherei. Deswegen an dieser Stelle keine Zustimmung. Ich meine, irgendwer muss sich ja auch mal mit Ihrem Antrag hier am Pult auseinandersetzen. Das hat ja bis jetzt keiner gemacht.

[Beifall bei der AfD – Frank-Christian Hansel (AfD): Machen sowieso immer nur wir!]

Dann haben Sie hier den Punkt Missbrauch von Wohnberechtigungsscheinen. Hier haben Sie völlig recht. Wir sprechen ja nachher noch mal über Mieten und Wohnberechtigungsschein, da kommt das noch mal vor. Pi

(Dr. Michail Nelken)

kanterweise hat Rot-Rot damals in Ihrer Regierungszeit die Fehlbelegungsabgabe abgeschafft und damit die Gerechtigkeit auch gleich abgeschafft, auch wenn Frau Spranger immer gern von Gerechtigkeit spricht: Sie haben die Gerechtigkeit damit erledigt.