Protocol of the Session on June 6, 2019

Login to download PDF

Dann ist es eben so, dass der gar nicht so lustige Opa an der Spitze Ihrer Bundestagsfraktion all das ohnehin für einen „Vogelschiss“ in der deutschen Geschichte hält. Mit solchen Anträgen beweisen sie eindeutig, dass Ihre Geisteshaltung offensichtlich eine ganz ähnliche ist.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Sie haben doch – – Ich sage nichts! – Weitere Zurufe von der AfD]

Die vermeintlich fachlichen Anträge, die Sie hier einbringen, verzichten eben darauf zu erwähnen, dass auch die nationalsozialistische Zeit und die nationalsozialistische Diktatur mit diesem Olympiagelände auf ewig verbunden sein wird.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Christian Buchholz?

Nein! Darauf verzichte ich gerne. –

[Thorsten Weiß (AfD): Wir verzichten auf Ihre Rede!]

Dass Sie nicht einmal die Traute haben, wenigstens diese grausame Zeit der deutschen Geschichte kurz in diesem Antrag zu erwähnen, ist auch ein Zeichen. Dafür sollten Sie sich schämen. – Einen schönen Abend!

(Frank Scheermesser)

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Stefan Franz Kerker (AfD): Unglaublich! – Frank Scheermesser (AfD): Das ist alles, was Sie können – Populismus! Keine einzigen fachlichen Sachen!]

Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort der Abgeordnete Dr. Juhnke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich ist es legitim, darüber nachzudenken, ob man das Olympiagelände in den Status des UNESCO-Weltkulturerbes erhebt.

[Beifall von Stefan Franz Kerker (AfD)]

Es gibt in dem Zusammenhang aber folgende Fragen zu beachten: Das Olympiagelände ist ein Baudenkmal, das eine lange Geschichte hat und städtebaulich von hohem Interesse ist. Zurzeit gibt es aber bei der UNESCO kein Interesse daran, Stätten, die sich in Europa befinden, oder Stätten, die bestimmte Kriterien nicht erfüllen, in diese Tentativliste für die UNESCO-Weltkulturerbestätten aufzunehmen. Deshalb ist es nicht besonders hilfreich, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Auch in München hat man darüber nachgedacht, den Olympiapark zum Weltkulturerbe zu erheben. Auch dort hat man sich dann entschieden, es nicht zu tun, weil es keinen Sinn hätte. Es ist schlicht und ergreifend zum jetzigen Zeitpunkt kein besonders aussichtsreiches Unterfangen. Deshalb kann man darüber nachdenken. Wenn man aber weiß, dass es keinen Erfolg hat, sollte man es sein lassen. Deshalb ist es auch nicht hilfreich, es hier zu fordern, nur um einen Vorratsbeschluss zu haben. Das hilft uns nicht weiter. Bis zu dem Punkt könnte man dem Antrag zumindest mit einer Enthaltung begegnen.

Was mich aber dazu bringt, den Antrag doch abzulehnen, ist eigentlich Folgendes: Sie haben es nicht im Antrag geschrieben, Herr Scheermesser, Sie haben es im Ausschuss gesagt und hier auch noch einmal wiederholt. Eigentlich geht es Ihnen darum, den potenziellen Neubau eines Stadions von Hertha BSC dort zu verhindern. Da muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, wenn Sie dazu die Erhebung in den Status eines UNESCO-Weltkulturerbes brauchen, ist es geradezu eine Pervertierung dieses Weltkulturerbes.

[Beifall von Tim-Christopher Zeelen (CDU)]

Sie müssten doch in der Lage sein, mit anderen Möglichkeiten städtebaulicher Natur diese Fragen zu verhindern, wenn Sie es denn unbedingt wollen. Wir sind doch selbst in der Lage, in einer Immobilie des Landes Prioritäten zu setzen, was dort passieren soll und was dort nicht passieren soll. Ich nehme auch gar nicht Stellung zu der Frage, ob das Stadion dort errichtet werden soll oder nicht.

Wenn wir es aber nicht schaffen, das selbst für uns zu entscheiden, sondern uns deswegen dieses Vehikels des UNESCO-Weltkulturerbes hier bedienen wollen, tun wir auch dem Status des UNESCO-Weltkulturerbes einen Bärendienst. Deswegen kann man diesen Antrag insgesamt nur ablehnen, unabhängig von den Argumenten, die hier schon genannt worden sind. Dadurch, dass es den Status eines UNESCO-Weltkulturerbes hätte, wäre es sogar noch schwieriger, dort einen laufenden Sportbetrieb und andere Veränderungen, die auch im Sinne von Hertha BSC sein könnten, beispielsweise am bestehenden Olympia-Stadion, zu verhindern. Deshalb glaube ich, dass es etwas ist, was wir uns mit Sicherheit nicht zu diesem Zeitpunkt an den Hals holen müssen. Deswegen lehnen wir den Antrag ab. – Danke!

[Beifall bei der CDU]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Kittler. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu diesem Antrag ist Folgendes zu sagen: Das gesamte Gelände steht bereits unter Denkmalschutz; darauf hatte der SPD-Kollege schon hingewiesen. Die Pläne von Hertha für einen Stadionneubau sind an diesem Ort zunächst einmal gescheitert. München hat übrigens bislang auch noch keinen Antrag auf Anerkennung des Welterbestatus eingereicht; darauf wurde von der AfD ja verwiesen. Es gibt eine Handreichung, welche besagt, dass es in Deutschland in absehbarer Zeit keine neue Vorschlagsliste geben wird. Die Ursache dafür liegt darin, dass die bestehende Vorschlagsliste das Ergebnis eines Auswahlverfahrens aus den Jahren 2012 bis 2014 ist. Seit 2018 darf jeder Staat nur noch einen Vorschlag pro Jahr bei der UNESCO einreichen. Die aktuelle Liste wird nicht vor 2025 abgearbeitet sein. Das ist für Berlin handlungsweisend.

Wegen des starken Ungleichgewichts der Welterbestätten präferiert die UNESCO derzeit vorrangig Naturerbestätten, Beispiele jüngster Zeitgeschichte oder Stätten in den unterrepräsentierten Staaten; nur die können zunächst in die Nominierungsliste aufgenommen werden. Deutschland ist bereits überproportional stark auf der Welterbeliste vertreten und steht seit der Auseinandersetzung über die Dresdner Waldschlößchenbrücke unter besonderer Beobachtung der UNESCO.

Bei neuen Anträgen fordert die UNESCO historische Reflektion und internationale Zusammenarbeit. Nimmt man Ersteres, so ist zu sagen, dass das Berliner OlympiaStadion zwar ein wichtiges Bauwerk der deutschen Geschichte darstellt, das zu Recht unter Denkmalschutz steht. Es ist aber wohl zu bedenken, dass es in seiner

Architektur von 1936 nach Plänen von March eine totalitäre Idee des Sports und eine der definitiv dunkelsten Kapitel der olympischen Sportbewegung darstellt. Um Berlin für die Olympiade 1936 von Zigeunern freizuhalten, wurde von den Nazis das Lager für Sinti und Roma in Marzahn eingerichtet. Die dorthin Verschleppten endeten in Sachsenhausen, Ravensbrück und Auschwitz. Ein architektonisches Zeugnis der NS-Ideologie als Weltkulturerbe zu erklären, ist aus unserer Sicht deshalb abzulehnen.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Für die Fraktion der FDP hat jetzt das Wort Herr Abgeordneter Förster. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat haben die Vorrednerinnen und Vorredner fast schon alles gesagt. Wir haben in erster Linie wirklich das formale Problem – jenseits der inhaltlichen Fragen –, dass es im Augenblick keinen Sinn macht, etwas für das Weltkulturerbe anzumelden. Abgesehen davon, dass Europa und Deutschland auf der Liste – jedenfalls wenn man sich die Epochen der Zeitgeschichte anguckt – schon überrepräsentiert sind, bedürfte es neben der Anmeldung des Berliner Senats auch eines einstimmigen Beschlusses der Kultusministerkonferenz; die müsste das auch noch mal entsprechend bestätigen. Wir haben in Deutschland in den letzten Jahren schon einige, nun ja, Ideen gehabt; ich erinnere an den Naumburger Dom, ein sehr sympathisches Gebäude in der Heimatstadt meiner Oma. Da hat es erst im dritten Anlauf geklappt, dass es auf die Weltkulturerbeliste kam.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wild?

Herr Wild, bitte!

Herr Kollege! Könnte die Häufung der Weltkulturerbestätten in Europa damit zusammenhängen, dass die kulturellen Güter in Europa besonders dicht liegen?

[Torsten Schneider (SPD): Aha!]

Wir haben bis jetzt eine reichhaltige Liste an europäischen Weltkulturgütern, und daher halte ich es auch nicht für vermessen, wenn die UNESCO sagt: Wir haben auch in anderen Teilen der Erde eine breite geschichtliche und kulturelle Tradition, die in der Bandbreite noch nicht auf der Liste vertreten ist –, dass man also sagt, auch diese Kontinente und Länder berücksichtigt man mal. Das eine schließt das andere nicht aus, insofern sehe ich da keinen Widerspruch.

[Beifall bei der FDP, der LINKEN und den GRÜNEN]

Auch noch mal zum Formalen: Ich habe gerade auf Naumburg verwiesen, wo es so eine Hängepartie war, den Naumburger Dom auf die Liste zu bekommen, obwohl es wirklich ein herausragendes Kultur- und Baudenkmal ist. Ob es ein einmaliges, weltweites Denkmal ist, war am Ende ziemlich umstritten. Aber jenseits dieser Frage ist eben auch zu konstatieren, dass wir erhebliche Schwierigkeiten haben, was das entsprechende Antragsprozedere betrifft. Wir haben auch bei den Siedlungen der Moderne in Berlin ein sehr langes und schwieriges Verfahren hinter uns, ehe das geklappt hat. Wir hätten, wenn ich einen Wunsch frei hätte, in Berlin auch wunderbare historische Stätten der Infrastruktur – die alten Gaswerke, Wasserwerke, die wirklich in einer Einmaligkeit und Dichte in dieser Stadt zu erleben sind, die sogar europaweit einmalig ist. Das wäre auch etwas, was man auf die Welterbeliste setzen könnte, aber auch da wäre noch eine ganze Menge an Bauforschung und Ähnlichem notwendig. Die Gas- und Wasserwerke, die Elektrizitätsanstalten, die wir hatten, wären jedenfalls auch Baukulturstätten, die mal vorgeschlagen werden könnten. Aber auch so etwas muss ausgereift, muss fundiert sein; das kann man nicht mit einem einfachen Antrag aus dem Abgeordnetenhaus einreichen.

Darüber hinaus sei darauf verwiesen, dass die kritische Geschichte, die das Gebäude zu verkraften hatte – dafür können das Olympia-Stadion und das Olympiagelände an sich ja nichts, vielmehr sind die dafür verantwortlich, die damit umgegangen sind und die dort entsprechend etwas veranstaltet haben –, natürlich noch kein Ausschlusskriterium wäre, aber man muss das natürlich sensibel begleiten und müsste damit umgehen, was im Antrag jedenfalls nicht erwähnt wird, worauf Kollege Buchner bereits hingewiesen hat. Wenn ich der UNESCO so etwas vorlege, dann muss ich das natürlich auch in den geschichtlichen Kontext einordnen. Und wenn ich da auf weltweite Einmaligkeit hinweise, muss ich auch sagen, was ich daran einmalig finde und was nicht. Das ist jedenfalls eine schwierige geschichtliche Debatte, die man dazu führen müsste, und die jetzt in der Diskussion noch nicht in dem Maße zur Sprache kam.

Alles in allem, wenn man einen Strich darunter macht, ist der Antrag entbehrlich, was nicht heißt, dass wir in dieser

(Regina Kittler)

Stadt nicht ein weiteres UNESCO-Weltkulturerbe vertragen könnten – dann aber bitte solide vorbereitet, geschichtlich aufgearbeitet und von einem breiten gesellschaftlichen und politischen Konsens getragen. Das ist hier leider nicht der Fall. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Billig. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Wir haben schon eine ganze Reihe von Gründen gehört, die gegen die Anmeldung des Olympiageländes als UNESCO-Weltkulturerbe sprechen. Noch einmal zum Mitschreiben für die AfD-Fraktion: In die Welterbeliste werden nur Stätten aufgenommen, die eine herausragende universelle Bedeutung aus historischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Gründen haben. Dafür gibt es auch Kriterien; die erspare ich Ihnen jetzt, die können Sie im Internet nachlesen. Sie werden feststellen, dass die allesamt nicht auf das OlympiaStadion und das Olympiagelände zutreffen, denn das Olympia-Stadion ist nicht herausragend, vielmehr repräsentiert es unsere düsterste Zeit.

[Frank Scheermesser (AfD): Ach so!]

Wir haben außerdem in den Ausschüssen erfahren, dass es bis 2030, wie schon mehrfach erwähnt wurde, überhaupt keine Möglichkeit mehr für eine Anmeldung zum Weltkulturerbe geben wird. Aktuell ist es auch so, dass die UNESCO nur noch Anmeldungen für Naturerbe oder solche aus bislang nicht berücksichtigten Ländern annimmt. Deutschland gehört aber zu den Top fünf mit den meisten eingetragenen Weltkulturerbestätten. Das ist total schön, das ist auch ein Erfolg, aber jetzt sollen erst einmal die Stätten des Naturerbes und die anderen Länder zum Zuge kommen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Deshalb hat die Kultusministerkonferenz das Vorschlagsverfahren angepasst und beschlossen, dass Deutschland mit der Tentativliste zurückhaltend sein wird. Berlin verhält sich natürlich entsprechend der Handreichung der KMK.

Sie sprechen in dem Antrag von Sicherung, Schutz und Erhalt der Gesamtanlage auf dem Olympiagelände und suggerieren, dass das nur mit dem Welterbestatus gehen würde. Wie aber bereits gehört, ist das Olympiagelände denkmalgeschützt, und damit ist es sicher. Auf der anderen Seite fordern Sie wiederum eine moderne Entwicklung des Geländes, die, wie wir auch schon gehört haben, ebenfalls geplant ist. Der Welterbestatus würde das aber

ausschließen. Das heißt, Sie wissen anscheinend überhaupt nicht, was Sie eigentlich wollen – oder vielleicht eher: Sie wollen das gar nicht, was Sie hier aufschreiben. Wie auch schon gesagt wurde, hatten Sie schon im Ausschuss zugegeben, dass die eigentliche Motivation darin besteht, das Hertha-Stadion an diesem Ort zu verhindern. Dann wäre es aber doch viel besser, direkt darüber zu diskutieren, statt diesen hirnrissigen Umweg eines solchen Antrags zu gehen. Es liegt außerdem der Verdacht nahe, dass der eigentliche, tieferliegende Grund Ihre krude Ideologie ist, und das ist abstoßend. Damit werden wir die Verwaltung nicht belästigen. Wir lehnen den Antrag deshalb entschieden ab.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag der AfD-Fraktion auf Drucksache 18/1436 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich – gegen die AfD-Fraktion – die Ablehnung auch mit geändertem Berichtsdatum „31. August 2019“. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen! – Das ist die AfD-Fraktion. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – Das sind die FDP, die CDU, die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? – Die beiden fraktionslosen Abgeordneten. – Damit ist der Antrag abgelehnt.

Die Tagesordnungspunkte 14 bis 16 stehen auf der Konsensliste. Tagesordnungspunkt 17 war Priorität der Fraktion der FDP unter Nummer 3.3. Die Tagesordnungspunkte 18 und 19 stehen wiederum auf der Konsensliste.