Protokoll der Sitzung vom 12.09.2019

sondern er deutet ein politisches Zeitfenster an, das wir nutzen sollten.

[Ronald Gläser (AfD): Bevor die AfD zu stark ist!]

Die Mittelpunktregel, die wir einführen, ist der gesetzliche Ausdruck dieser Änderung des Selbstverständnisses. Im Mittelpunkt der Tätigkeit der Abgeordneten steht die parlamentarische Tätigkeit. Andere Tätigkeiten sind natürlich nicht verboten, ebenso wenig wie z. B. im Deutschen Bundestag, aber das Parlament wird nicht mehr um die sonstigen Tätigkeiten der Abgeordneten herum organisiert, sondern allenfalls umgekehrt.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Mit der Mittelpunktregel erhalten wir auch rechtlich die Möglichkeit, mehr Transparenz über die Einkünfte und Tätigkeiten der Abgeordneten neben dem Parlament zu schaffen. Wir werden mit dieser Regel Vorreiter unter den Parlamenten. Das ist wichtig, weil sich die Bürgerinnen und Bürger damit selbst ein Bild machen können über etwaige Interessenkonflikte. Das sorgt nicht für Misstrauen, sondern für Klarheit und damit für den Abbau von Misstrauen.

[Beifall bei der LINKEN]

Natürlich geht die Verabschiedung vom Halbtagsparlament auch mit einer angemessenen Entschädigung einher. Wir halten diese Anhebung der Entschädigung für angemessen, und wir bewegen uns dabei weit unter dem Durchschnitt der anderen Parlamente. Deswegen können wir das sehr gut vertreten.

Es gibt noch eine Reihe von anderen Punkten, die ich hier nur streifen kann. Wir öffnen die Altersversorgung der Abgeordneten für die gesetzliche Rentenversicherung, und wir nehmen ein ganz wichtiges Thema, nämlich die Vereinbarkeit von Mandat und Familie und Pflege auf, auch wenn der Prozess der Umsetzung sicherlich nicht widerspruchsfrei sein soll. Aber das sind wichtige Punkte, die wir verankern.

Parlamentsreformen sind nie leichte Debatten. Die populistische Verführung ist immer präsent. Insofern will ich mich für die – na ja – weitgehend sachliche Debatte bedanken. Aber ich will nicht verhehlen, dass es auch in meiner Fraktion keine einfache Debatte war. Es gab Bedenken, inwieweit es angemessen ist, die Diäten in dieser Höhe und zu diesem Zeitpunkt anzuheben, und wir befinden uns natürlich immer im Spannungsverhältnis zwischen dem Verfassungsauftrag an die Abgeordneten, über die Bedingungen ihrer Tätigkeit einschließlich der Entschädigung selbst zu entscheiden – einerseits –, und dem Alltagsverständnis, das genau dies zuweilen eher kritisch sieht, andererseits.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gläser?

(Steffen Zillich)

Nein. – Wir haben das sehr intensiv diskutiert, und man sieht ja auch an den Reden, dass sich die Fraktionen auch durchaus mit unterschiedlichen Ausgangspunkten diesem Ergebnis genähert haben. Wir haben das abgewogen, und wir kommen nun gemeinsam mit den anderen demokratischen Fraktionen dazu, Ihnen dieses Paket zur Diskussion und zur Entscheidung vorzulegen. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD, der CDU, den GRÜNEN und der FDP]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Hansel das Wort. – Bitte schön!

Danke, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Berliner Steuerzahler! Das, was Sie hier, teilweise artig, vorgetragen haben und unscheinbar bürokratisch als Fünfundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des Landesabgeordnetengesetzes bezeichnen, ist ein echter Hammer. Es ist der unmittelbare Griff in die Staatskasse. Es ist schamlos, und Kollege Trefzer hat darauf ja eindringlich hingewiesen. Nur eines zum Kollegen Schneider – er steht da drüben noch –: Diesen Diätenerhöhungsakt als Akt des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus zu bezeichnen, das war wirklich der Gipfel dieses Tages bisher.

[Beifall bei der AfD – Zuruf von Joschka Langenbrinck (SPD)]

Der Vorgang an sich und das Verfahren, was Sie hier veranstalten, ist so unglaublich, dass ich es zuerst gar nicht glauben konnte, als ich es gehört habe. Eine quasi Verdoppelung der Abgeordnetenbezüge, und das nicht erst ab der nächsten Legislaturperiode, wie man so etwas normalerweise macht! Nein, wie hatte Schabowski das so schön ausgedrückt, liebe Genossinnen und Genossen: Das gilt ab sofort – unverzüglich.

[Beifall und Heiterkeit bei der AfD – Bravo! von der AfD]

Man stelle sich das mal vor: Da entscheidet die Belegschaft eines Unternehmens – wir können ja mal Berlin als Unternehmen begreifen – über eine Lohnerhöhung von 3 900 auf 6 250 Euro. Einfach mal so – für eine Stunde länger im Ausschuss sitzen und alle 14 Tage mal drei Stunden länger in der Plenarsitzung abhängen!

Übrigens haben wir zur Verkleinerung des Parlaments überhaupt nichts gesagt. Wir wollten eine Enquete, um zu prüfen, wie man dieses Haus optimal aufstellen kann. Aber bei so vielen Abgeordneten – bei 160 Abgeordneten –, da sind zwei Drittel Hinterbänkler. Die können in den Parlamentssitzungen auch schlafen, das passiert ja leider auch manchmal.

[Beifall bei der AfD – Zurufe von Dr. Wolfgang Albers (LINKE) und Peter Trapp (CDU)]

Zum Vergleich: Das Bruttogehalt der Arbeitnehmer in der Hauptstadt, die in Vollzeit arbeiten, liegt im Mittel bei 3 126 Euro – monatlich.

[Marc Vallendar (AfD): Hört, hört!]

Von denen kann niemand mal eben auf 6 250 Euro verdoppeln.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kohlmeier?

Mein Freund Kohlmeier – nein, da habe ich jetzt im Moment keine Lust drauf.

[Oh! von der SPD, der CDU und der FDP]

Liebe Berliner, liebe Steuerzahler! Was wurde hier in den Hinterzimmern ausgekungelt? – Der Absteiger SPD – in Sachsen zuletzt deutlich unter zehn Prozent – und ihr Loser-Partner, die CDU – zuletzt in Brandenburg deutlich deklassiert –, die Ex-Staatspartei der DDR, Die Linke, die den Osten verloren hat, und die FDP – Letztere schon in der Bedeutungslosigkeit versunken – verabreden sich gemeinsam, und sie wollen noch einmal einen kräftigen Schluck aus der Pulle nehmen.

[Paul Fresdorf (FDP): Jetzt haben Sie die Grünen vergessen!]

Und den bezahlt wer? – Der arbeitende Berliner, der Steuerzahler!

[Andreas Wild (fraktionslos): Skandal!]

Das nenne ich eine hemmungslose Selbstbedienungskoalition. Die Linke mit der FDP! Sie, Frau Meister, koalieren mit denen da drüben, und die CDU mit den Grünen. Die beste Bett-Koalition, die ihr haben wollt, auch im Bund!

[Beifall bei der AfD]

Und alle mit der schönen, alten Sozialdemokratie! Das war mal meine Partei, das ist aber auch 20 Jahre her, da konnte man die noch wählen.

[Zuruf von der AfD: Jeder macht mal Fehler! – Heiterkeit]

Sie haben heute auch noch die politische Unverfrorenheit, sich als das zu outen, was Sie sind und was wir seit langen Jahren sagen: Sie sind das Machtkartell der AltParteien, und dieser Beweis ist nun unwiderleglich erbracht.

[Beifall bei der AfD – Andreas Wild (fraktionslos)]

Ihr Gejammer, wir würden Sie stigmatisieren, glaubt nun niemand mehr. Sie selbst haben den Beleg für die Richtigkeit unserer Beschreibung der hier schon länger in diesen Reihen Sitzenden schwarz auf weiß gebracht.

[Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Und Ihre Klatscherei – von der FDP, von Czaja, Meister, und wie die Truppe bei der CDU mit den anderen Kollegen dort heißt –, das war sogar augenscheinlich: Das schöne Bild, das ich geschossen und bei Twitter veröffentlicht habe, dieses schöne Alt-Parteien-Alt-Kartell gegen die AfD, wo Sie so schön zusammenstanden, ist der physische Beweis für das, was hier ein PolitMonopoly ist.

[Zuruf von Joschka Langenbrinck (SPD)]

Sie sollten sich dafür schämen, aber ich komme zu dem Wort „schämen“ noch einmal.

2021 – oder wann auch immer dieses R2G-Theater an der Realität zerbricht – werden einige von Ihnen zurück auf „Los“ müssen. Eigentlich sollte das passieren, ohne dass man sich auf „Los“ noch einmal Geld einsteckt, würde man denken. Aber genau dieser Logik entziehen Sie sich. Der Hammer ist ja, dass Sie sich mit Ihrer Selbstermächtigung auch noch die eigene Abfindung – darauf wurde auch schon hingewiesen –, das sogenannte Übergangsgeld aufstocken – auf satte 6 250 Euro monatlich. Mehr dafür getan haben Sie aber nicht. Das gilt für alle Kollegen, die aus dem Abgeordnetenhaus ausscheiden, was die FDP-Kollegen wohl in Gänze treffen könnte,

[Holger Krestel (FDP): Wir bleiben hier!]

was aufgrund der verfehlten Politik große Teile der SPD und der Linken passieren wird und auch der PseudoOpposition CDU, die am liebsten sofort mit denen allen koalieren würde, die sich nicht zu schade ist, in dieser Sache mit der Linksfraktion gemeinsame Sache zu machen.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Wenn nun also diese Abgeordneten dieses Machtkartells nicht wiedergewählt werden, bekommen Sie bis zu 18 Monaten diese 6 250 Euro. Gleiches gilt auch für die Altersversorgung. Auch da wird der Grundbetrag entsprechend erhöht. Das zieht, wenn Sie neun Jahre lang Abgeordneter waren, eine monatliche Rente von fast 2 200 Euro nach sich – für die Arbeit in einem Teilzeitparlament, dessen Strukturen trotz Reformbedarf und trotz Ihrer meta-politischen Schwatzerei, Herr Zillich und Herr Schneider, mit nichts an Reform verändert wurden. Es wurden nur eine Stunde an den Ausschuss und zwei Parlamentstage drangehängt. Übrigens war unser Vorschlag, weil wir immer gesagt haben: Es ist zu viel auf der Liste, wir müssten hier etwas tun! –, eine EnqueteKommission einzurichten und neutral prüfen zu lassen, wie wir am besten in diesem Hause weitermachen.

[Daniel Buchholz (SPD): Da würde aber dann mehr rauskommen!]

Aber das interessiert Sie alles nicht, weil Sie sich im Politmonopol schon so stark verschanzt haben, dass Sie gar kein Gefühl mehr für das haben, was die Menschen draußen wirklich bewegt.

Liebe Berliner! Das Machtkartell der Altparteien hat die AfD bewusst außen vor gelassen. Wir wurden aus den Hinterzimmergesprächen um diese Diätenerhöhung rausgehalten.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Das ist Ihr Problem!]