Ganz konkret: Die Sitzungszeiten werden massiv verlängert. Von 10.00 Uhr morgens bis 22.00 Uhr abends wird das Parlament zukünftig tagen. Die Fachausschüsse sollen mindestens drei Stunden tagen. Kein Tagesordnungspunkt soll wegen fehlender Zeit mehr herunterfallen oder weil die Koalition darüber nicht reden will.
Schönen Dank, Herr Melzer! Könnte es sein, dass es bei Ihrem Anliegen mehr um Versorgungsposten für Ihre Parteikollegen geht?
Wissen Sie, Herr Wild, zuhören hilft ja manchmal. Mein Vorredner hat ja auch schon gesagt: Wir haben uns in der Bearbeitung sämtliche 16 Landesparlamente angesehen und miteinander verglichen. Wir haben festgestellt, dass wir als Teilzeitparlament hier in Berlin heute schon intensiver kontrollieren und mehr arbeiten als so manches Vollzeitparlament anderswo.
[Beifall bei der CDU, der SPD, der LINKEN, den GRÜNEN und der FDP – Frank-Christian Hansel (AfD): Sie beklatschen sich selbst! Sie haben gar nichts kontrolliert!]
Wir haben festgestellt, dass es darum geht, diese Kontrolldichte beizubehalten, und wenn ich Ihren Antrag zu Enquete-Kommission von der AfD durchlese, dann sagen Sie: Wir wollen in sechs Fachausschüsse unterwegs sein. – Sie kriegen es nicht einmal drei Fachausschüssen hin als einzelne Abgeordnete der AfD.
[Frank-Christian Hansel (AfD): Wir haben gesagt, wir wollen ergebnisoffen diskutieren, und Sie machen Kungelrunden!]
Deswegen ist das, was Sie vorbringen, perfide und entlarvend. Wir wollen parlamentarische Demokratie vorbildhaft in Berlin leben, und dazu gehört, dass wir unser Parlament gemeinschaftlich stärken.
Im Ergebnis bleibt unser Parlament überdurchschnittlich bei Fleiß, Sitzungszeit und Ausschussanzahl und, das ist deutlich geworden, deutlich unter dem Durchschnitt der Länder, was die Bezahlung der Abgeordneten anbetrifft, und das auch bewusst.
Das Berliner Abgeordnetenhaus bleibt trotz mehr Sitzungszeit rechtlich ein Teilzeitparlament. Wir nennen es Hauptzeitparlament, weil wir finden, dass Abgeordnete auch weiterhin mitten im Leben stehen sollen. Die Eindrücke aus ihren Berufen, ob nun von Arbeitnehmern, von Selbstständigen, von Unternehmern oder von Arbeitern und Angestellten, sind wertvoll für dieses Parlament.
Wir wollen kein Parlament, das nur aus Leuten besteht, die vom Kreißsaal in den Hörsaal und dann nur noch in den Plenarsaal kommen.
[Beifall bei der CDU – Frank-Christian Hansel (AfD): Ihr seid das doch! Wir sind die einzigen, die arbeiten! Nichts anderes sitzt da: Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal!]
Uns ist es wichtig, dass Tätigkeiten neben dem Mandat weiterhin zulässig sind, damit das Abgeordnetenhaus kein Politsatellit wird. Und gleichzeitig ist es so, dass mit der Mittelpunktregelung rechtlich die Voraussetzung geschaffen wird, dass das Abgeordnetenmandat im Mittelpunkt der Tätigkeit steht.
Wie in Sachsen, NRW, dem Saarland, Thüringen und anderen Ländern werden wir vorbildliche Transparenzregeln hinsichtlich der Veröffentlichung von Abgeordneteneinkünften einführen. Andere Länder haben uns das vorgemacht. Berlin folgt diesem Beispiel.
[Beifall bei der CDU, der SPD, der LINKEN, den GRÜNEN und der FDP – Frank-Christian Hansel (AfD): Sie hätten das Verfahren transparent machen müssen und keine Kungelrunden!]
Ein letzter Aspekt: In einer wachsenden Stadt, in der wir viel darüber reden und auch streiten, dass wir mehr Polizei brauchen, dass wir mehr Wohnraum brauchen, mehr Busse und Bahnen, mehr Mobilität und – das will ich bei der Gelegenheit auch sagen – mehr Sicherheit, das sollte eigentlich unstrittig sein. Bei dieser Gelegenheit sagen wir als CDU-Fraktion und die übergroße Mehrheit dieses Hauses – außer der AfD –: Wir brauchen für all dies auch mehr parlamentarische Begleitung und parlamentarische Kontrolle und eben nicht weniger parlamentarische Kontrolle.
[Beifall bei der CDU, der SPD, der LINKEN, den GRÜNEN und der FDP – Frank-Christian Hansel (AfD): Wir brauchen mehr AfD!]
Mit der Reform im Jahr 2014 haben wir dafür gesorgt, dass mehr Bürgernähe entsteht. Wir haben Bürgerbüros eingerichtet. Wir sind Ansprechpartner mit externen Büros vor Ort für viele Sorgen und Themen der Men
schen. Das fließt in unsere parlamentarische Arbeit ein, es sei denn, man verschanzt sich in der sechsten Etage in einem Hochhaus, wo kein Mensch die AfD-Fraktion findet.
Vielleicht ist das auch gar nicht gewollt. Diese Büros sind ein echter Schritt für mehr Bürgernähe. Mit der jetzigen Reform stellen wir das Parlament professioneller auf. Wir weiten unsere Stellung als Kontrollorgan aus und steigern unsere Wettbewerbsfähigkeit.
Die AfD-Fraktion hat auf sämtliche Mitgestaltung verzichtet, obgleich immer wieder auf den Fluren gesagt wurde: Eine Verdoppelung der Diäten, die wir nicht beantragt haben, könnten sich AfD-Kollegen vorstellen. – Wir beantragen das nicht. Wir bleiben weit unter dem Durchschnitt.
Wenn man bekennender Demokrat ist, dann ist die Stärkung des Parlamentarismus angezeigt. Lassen Sie uns deshalb gemeinsam das Parlament stärken! Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass das Berliner Abgeordnetenhaus professionell, wettbewerbsfähig, aktiv und stark bleibt! Wir haben unsere Vorschläge gemeinsam mit anderen Fraktion dafür vorgelegt. – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das, was wir hier unter „Änderung des Landesabgeordnetengesetzes und der Geschäftsordnung“ – recht prosaisch genannt – auf den Tisch legen, darf man mit Fug und Recht Parlamentsreform nennen, vielleicht mehr als vieles andere, das bisher unter dieser Bezeichnung firmiert hat. Denn was wir hier ändern, ist mehr als nur die Änderung einzelner Verfahren, einzelner Arbeitsbedingungen. Wir ändern das Selbstverständnis dieses Parlaments.
[Beifall bei der CDU, der SPD, der LINKEN, den GRÜNEN und der FDP – Frank-Christian Hansel (AfD): Selbstbedienungsladen!]
Die Selbstbezeichnung als Halbtagsparlament entsprach und entspricht immer weniger der Realität der meisten Mitglieder dieses Hauses. Ich bin schon eine Weile dabei und darf sagen, das ist kein neuer Befund. Aber es geht nicht nur darum, Realitäten anzuerkennen, der Status des
Halbtagsparlament ist eine selbst auferlegte Beschränkung bei der Professionalisierung und bei der Weiterentwicklung des Kontrollauftrages dieses Hauses. Er hindert uns daran, parlamentarische Kontroll- und Beteiligungsrechte wirksam werden zu lassen, etwa die Redezeitkontingente der Fraktionen tatsächlich in einer Plenarsitzung unterzubringen, die ewigen Vertagungsliste einzudämmen, etwa wenn es darum geht, parlamentarische Initiativen in den Ausschüssen angemessen zu behandeln und nicht einfach nur vor sich herzuschieben. Wir sind durchaus der Auffassung, dass parlamentarische Initiativen ernst gemeint sind. Wenn andere das anders sehen, ist das ihr Problem. Aber es hindert eben auch daran, auf neue Herausforderungen – Stichworte Klimawandel, Digitalisierung, Investitionsoffensive –
in der parlamentarischen Arbeit zu reagieren mit neuen Kontrollschwerpunkten, ohne dabei die Kontrollintensität an anderer Stelle zurückzufahren. Deswegen ist es so wichtig, dass wir diesen Schritt gehen. Insofern ist die Verabschiedung vom Halbtagsparlament nicht nur die Beendigung einer Lebenslüge dieses Parlaments, sondern auch eine Voraussetzung für die Stärkung parlamentarischer Kontrolle, und das ist es, was wir wollen und brauchen: die Stärkung parlamentarischer Kontrolle und demokratischer Institutionen insgesamt.
Seit Jahrzehnten gab es immer wieder Versuche, diesen Schritt zu gehen. Die sind allesamt gescheitert, entweder blieben sie komplett folgenlos, oder dieses Thema hat es nicht bis in die Beschlüsse und Vorschläge geschafft.
[Frank-Christian Hansel (AfD): Darum wollten wir eine Enquete-Kommission – genau dafür! – Georg Pazderski (AfD): Eine unabhängige Kommission!]
Es ist wie immer, egal, welches Thema hier im Haus bewegt wird: Das Parlament redet über ein Thema, und die AfD redet über die AfD.
[Beifall bei der LINKEN, der SPD, den GRÜNEN und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Frank-Christian Hansel (AfD): Es ging um eine Enquete-Kommission!]
Also alle diese Versuche blieben lange folgenlos, und insofern ist der erreichte Vereinbarungsstand zwischen den demokratischen Fraktionen dieses Hauses keine Selbstverständlichkeit,