Einsetzung eines Untersuchungsausschusses „Der Anschlag vom 19.12.2016 am Breitscheidplatz. Vorgeschichte, Abläufe und Folgerungen für das Land Berlin“
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte bis hier hin, zu einem anderen Thema, war emotional, zu Recht. Bei dem Thema, das wir heute zur Priorität erklärt haben, sollte die Emotionalität außen vor bleiben, und sie sollte uns, gerade 38 Tage nach dem Anschlag in Berlin, auch eine Mahnung sein, insbesondere in dieser Stadt unaufgeregt, sachlich zur Aufklärung beizutragen. Deshalb haben wir die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses heute zur Priorität erklärt,
weil wir der Auffassung sind, dass 38 Tage, die jetzt vergangen sind, auch der richtige Zeitraum sind, um die Themen, die schiefgelaufen sind, ganz pragmatisch und lösungsorientiert, ohne Schaum vor dem Mund aufzuarbeiten.
Es sind einfach zu viele Fragen offen, die in NordrheinWestfalen derzeit dafür genutzt werden, um Wahlkampf zu machen, die in unserem Land dazu genutzt werden, um in Vorbereitung der Bundestagswahl Wahlkampf zu machen. Wir in Berlin – ich will es gar nicht aussprechen; gestatten Sie mir diesen kleinen Seitenhieb – sind die nächsten fünf Jahre weit davon entfernt, Wahlkampf machen zu müssen, und können uns deshalb erlauben, eine Debatte zu führen, die die Fakten in den Mittelpunkt rückt und die vor allen Dingen dazu beiträgt, das mit einer gewissen Ruhe und Kontinuität zu machen, fernab der hier im Haus bereits etablierten Ausschüsse wie Innen- oder Rechtsausschuss.
Es geht darum, Antworten auf Fragen zu finden, wie sie zum Bespiel die „Süddeutsche“ am gestrigen Tag aufwirft, wieso die Fahndung durch das Berliner LKA verzögert wurde. Es geht darum, Fragen zu stellen und auch darauf Antworten zu finden, ob es ein Organisationsversagen gab, und wenn ja, an welcher Stelle. Ob der Ruf des Innenministers, zu zentralisieren, der richtige ist oder lieber nicht zu zentralisieren und das eine oder andere auf Landesebene zu stärken. Es geht darum, Fragen zu stellen und Antworten zu finden, die herausarbeiten, was gerade in der Hauptstadt Berlin besser gemacht werden kann, um die Sicherheit in Zukunft zu garantieren bzw. die Freiheit sicherer zu machen und dazu beizutragen, dass das leichte Leben in dieser Stadt auch von jedem so gelebt werden kann.
Die Erwartungen an uns alle hier im Haus sind groß. Sie sind groß über Parteigrenzen hinweg, denn es ist unsere Aufgabe, unabhängig von der Fraktionszugehörigkeit jetzt den Berlinerinnen und Berlinern Antworten zu geben. Es ist unsere Aufgabe, auch den Familien der Opfer Antworten zu geben: Was ist schiefgelaufen, und was kann besser gemacht werden? – Es ist unsere Aufgabe, und da bitte ich insbesondere auch die CDU, die Tagesordnung, um die es tatsächlich geht, in den Mittelpunkt zu rücken. Es geht nicht darum, irgendwelche Schuldzuweisungen an den ehemaligen Innensenator zu machen. Deshalb wollen wir diesen Untersuchungsausschuss nicht. Wir wollen ihn tatsächlich, um Probleme aufzuarbeiten. Es geht auch nicht darum, jetzt eine Frage in den Mittelpunkt zu rücken – und da gucke ich noch mal zur SPD –, wer am Ende des Tages den Vorsitz in diesem Untersuchungsausschuss hat – das ist für uns eine zweitrangige Rolle –, sondern es geht darum, dass es einen Ausschuss in diesem Haus gibt, der sachlich und kollegial daran arbeitet, die Sicherheit in dieser Stadt zu verbessern und dazu beizutragen, das fernab der Tagesordnung
und fernab der Themen, die Berlin darüber hinaus bewegen, mit Kontinuität und Sachlichkeit zu machen.
Deswegen fordern insbesondere auch die Grünen auf Bundesebene, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen.
Da gehört er eben nicht hin. Sie wollen damit Wahlkampf machen. Wir wollen den Berlinerinnen und Berlinern Antworten geben, die sie dringend brauchen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben dazu eine grundsätzliche Haltung unter mehreren Aspekten. Erstens sind wir uns einig – die SPD-Fraktion und, ich glaube, alle im Haus –, dass wir es den besonderen Umständen der inkriminierten Tat, des abscheulichen Verbrechens und den Opfern und ihren Angehörigen schuldig sind, als Politik Fragen zu stellen und Fragen zu beantworten, wenn welche im Raum stehen. Ich glaube, insoweit haben wir hier einen Grundkonsens.
Zweitens – und das ist eine abstrakte Ebene – schätzen wir die Minderheitenrechte der Opposition, die ein besonderes, verkürztes Quorum hat, als sehr wichtig für Parlamentarismus und als sehr hoch ein.
Drittens will ich noch mal an die Debatte von vorhin erinnern; das ist nämlich von den ersten beiden Punkten unberührt: Wenn heute in diesem Raum etwas auffällig ist, was in Ansehung der Wichtigkeit dieses Oppositionsrechts unabgestimmt ist, dann wirft das solitäre Auftreten und Vorpreschen der FDP die Frage auf: Wie steht eigentlich diese Opposition eingedenk der Tatsache, worüber wir hier reden? – Überhaupt nicht einig, nach meinem Eindruck! – Sie haben immerhin Ihren Antrag inzwischen einlassungsfähig qualifiziert. Die Geschäftsführer haben Ihnen unisono gesagt, dass Sie riskieren, ihn
Eingedenk der Tatsache, über was wir hier reden, nehmen wir zur Kenntnis, dass sowohl in Nordrhein-Westfalen mit dem Instrument eines Sonderermittlers als auch jetzt im Deutschen Bundestag mit dem Instrument einer Taskforce der Gedanke der Aufarbeitung, des Fragenstellens und der Ableitung der richtigen Antworten für unsere Sicherheitsarchitektur Platz greift.
Wir haben uns als SPD noch kein abschließendes Bild gemacht, keine abschließende Entscheidung getroffen, wie wir uns zu der Frage, die die FDP bisher alleine gestellt hat, nämlich der Einrichtung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Land Berlin, verhalten werden. Klar ist, und das ist eine abstrakte Klarheit: Wir werden nicht gegen eine Einrichtung eines Untersuchungsausschusses als Instrument der Opposition stimmen. Das täten wir schon allein aus dieser Parlamentslogik heraus nicht. Aber klar ist eben auch, und jedem ist das bewusst, dass Sie zusammen mit der AfD 37 Stimmen haben und es jetzt völlig abschließend auf die Frage ankommt, welchen Aufklärungswillen die CDU-Fraktion hier hat in Abgrenzung zu ihrem Anspruch, Oppositionsführer zu sein. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Unser Land ist vom Terror heimgesucht worden, und es ist richtig: Wir haben die Verantwortung, das Notwendige zu tun, damit sich Derartiges nicht wiederholt. Und diese Verantwortung besteht aus mehreren Säulen. Sie besteht daraus, dass wir unsere Sicherheitskräfte entsprechend ausstatten müssen, damit sie in der Lage sind, Gefahren abzuwehren. Dazu gibt es drei Komponenten: Es gibt die personelle Komponente, das heißt, die personelle Ausstattung der Sicherheitskräfte, es gibt die materielle Komponente, das ist die materielle Ausstattung der Sicherheitskräfte, und es gibt die gesetzliche Ermächtigung der Sicherheitskräfte, was sie tun dürfen, um Gefahren abzuwehren. Das sind Themen, die wir ernsthaft debattieren müssen, auch im Hinblick auf den Terroranschlag am Breitscheidplatz; denn wenn wir als gewählte Vertreter unseres Landes unserer Verantwortung nicht gerecht werden, die Sicherheit zu gewährleisten – jeden
falls bestmöglich zu gewährleisten –, dann werden wir das Vertrauen der Menschen in unserem demokratischen, freiheitlichen Rechtsstaat verlieren. Deswegen ist es ungeheuer wichtig, dass wir die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen, um das zu gewährleisten.
Es kommt ein weiterer Punkt hinzu: Dazu gehört auch, dass wir unseren Sicherheitskräften den Rückhalt geben und den Rücken stärken, dass wir uns dann, wenn sie angegriffen werden, auch aus der Mitte unserer Gesellschaft heraus vor sie stellen. Und das ist etwas, was wir als Parlament auch gemeinsam machen müssen.
Und dann – das ist richtig; darauf hat die FDP-Fraktion völlig zu Recht hingewiesen – kommt es auch darauf an, dass wir die Vorgänge im Vorfeld des Terroranschlages, den unmittelbaren Ablauf und auch die daraus zu ziehenden Konsequenzen prüfen und uns damit befassen müssen.
Ich kann Ihnen sagen, dass das ein Anliegen ist, das wir als CDU-Fraktion auf jeden Fall unterstützen. Wir haben bereits damit begonnen. Der Innenausschuss hat sich in seinen bisherigen Tagungen mit nichts anderem beschäftigt. Und ich darf auch dem Herrn Innensenator konzedieren, dass der Informationsfluss seitens der Senatsinnenverwaltung sehr positiv und funktionsfähig gewesen ist. Wir sind sehr gut auf unsere Fragen informiert worden, und es sind auch von keinerlei Fraktionen bisher Fragen offen geblieben. Dennoch ist auch richtig: Es sind noch nicht alle Fragen gestellt worden, es liegen auch noch gar nicht alle Ermittlungsergebnisse vor, sodass es darauf ankommen wird, diesen Prozess fortzuführen.
Unsere Position ist bisher gewesen, bis Sie Ihren Antrag vor zwei Tagen präzisiert haben, dass der Antrag nicht statthaft ist, weil er keinen klaren Untersuchungsauftrag enthielt. Das haben Sie nachgebessert. Das ist anzuerkennen, das ist in Ordnung. Und wir werden jetzt zu prüfen haben, auch in den Ausschüssen, die sich mit Antrag zu beschäftigen haben, ob und inwieweit dieser Antrag zustimmungsfähig ist.
Dazu ist für mich auch wichtig, inwieweit die Informationspolitik des Senates so bleibt, wie sie ist. Sollte ich das Gefühl haben, dass die Informationen nicht gut fließen, dann steht für mich ganz fest – jedenfalls wäre es meine Empfehlung –, dass dann ein Untersuchungsausschuss notwendig wird. Wenn die Informationen weiterhin gut fließen, kann ich mir auch etwas anderes vorstellen. Da sind wir noch offen. Wir werden das weiter beobachten. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Dregger! – Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt Herr Taş. – Bitte, Sie haben das Wort!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Fragen, die sich im Zusammenhang mit dem Anschlag vom Breitscheidplatz ergeben haben, müssen lückenlos und umfänglich aufgeklärt werden. Wie konnte es zu dieser Tat kommen? Hätte sie womöglich verhindert werden können? Diese Frage brennt uns tagtäglich unter den Nägeln. Es müssen sicherlich auch Antworten erfolgen. Darüber sind wir uns, glaube ich, heute hier im Haus alle einig. Diese Antwort sind wir den Opfern und ihren Angehörigen schuldig.
Allerdings, liebe Kolleginnen und Kollegen, – und da möchte ich in Richtung der Opposition appellieren – sollten wir bei einer so schrecklichen Tat keineswegs parteipolitisches Kalkül mit hineinmischen. Das würde den Opfern keineswegs gerecht. Keiner sollte auch nur auf die Idee kommen, den Anschlag für politische Zwecke ausnutzen zu wollen.
Eine Partei, die leider auch in diesem Haus vertreten ist, tut dieses ständig, und das ist mehr als genug. Aber wir Demokratinnen und Demokraten sollten uns bitte darauf verständigen – –
Sie haben sich ja heute von Höckes Rede nicht distanziert. Insofern sind wir uns, glaube ich, darüber einig, wer sich als Demokrat bezeichnen darf und wer nicht.
Wir müssen uns darauf verständigen, dass wir in diesem Fall sachlich, besonnen und an der Sache orientiert diskutieren sollen. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss sollte meines Erachtens dann eingesetzt werden, wenn die behördlichen Untersuchungen nicht umfassend oder zufriedenstellend gewesen sind. Allerdings haben wir es mit einem sehr penibel und transparent handelnden Innensenator zu tun, der bisher alles Mögliche unternommen hat, um die bestehenden Fragen der Parlamentarierinnen und Parlamentarier umfassend und zufriedenstellend zu beantworten. Darauf ist auch Herr Dregger gerade eingegangen.
An den Ermittlungen im Fall Amri sind zudem Bundesbehörden und Behörden anderer Bundesländer beteiligt. Hier mit einem Untersuchungsausschuss vorzupreschen, könnte die Ermittlungen in der Praxis behindern. Insofern würde ich mich freuen, wenn wir die behördlichen Ermittlungen alle gemeinsam im Rahmen der parlamentarisch-demokratischen Gepflogenheiten kritisch begleiten.