Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eigentlich traurig, dass wir ziemlich genau 30 Jahre nach dem Mauerfall in dieser Stadt wieder Debatten führen, die wir nach dem Mauerfall und nach der deutschen Einheit eigentlich überwunden glaubten. Das ist wirklich traurig, 30 Jahre später.
[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der AfD – Frank-Christian Hansel (AfD): Sag ich doch!]
Herr Nelken! Wenn Sie die Verfassung nicht verstanden haben und nicht wissen, wie das Grundgesetz zustande gekommen ist – Kollege Evers hat Ihnen doch Lektüre angeboten. Bei ihm auf dem Tisch liegen doch dicke Wälzer, in denen man genau nachlesen kann, wie das funktioniert. Ich weiß, Herr Nelken, das sind mehr als drei Seiten, darin sind auch keine Bilder, aber vielleicht mögen Sie es trotzdem lesen, es würde sich lohnen. Ich kann es nur empfehlen.
Und wenn Herr Albers jetzt gerade aufgewacht ist, ist das auch schön. Gerade Sie als Arzt sollten eigentlich immer wach sein, sonst leiden Ihre Patienten darunter! Insofern: nicht nur in Plenarsitzungen aufwachen, immer wach bleiben, das würde Ihnen helfen! Ihre Zwischenrufe haben dem Land noch nie genützt an dieser Stelle, um es ganz klar zu sagen!
[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): So ein Schnösel!]
Dann kommen wir zum Thema „Klare Kante gegen Enteignungen, keinen Verfassungsbruch zulassen!“ – Genau das ist offenbar die Notwendigkeit, dass wir 30 Jahre
nach dem Mauerfall in dieser Stadt wieder darüber reden müssen, dass Dinge, die mal selbstverständlich waren – nämlich in einer sozialen Marktwirtschaft Leuten ihr Eigentum zu garantieren, dass sie verlässlich planen können, dass sie Perspektiven haben, wie sie mit ihrem Eigentum umgehen –, dass man das hier wieder erzählen und für selbstverständlich deklarieren muss. – Genau das ist doch das Problem!
Wir kannten früher Enteignungen in den letzten Jahrzehnten maximal in unbedingten notwendigen Fällen, wenn z. B. mal ein Vorgarten enteignet wird, weil eine Straße verbreitert wird. Das sind Dinge, die gesetzlich vorgesehen waren, und das sind auch Dinge, die im Einzelfall notwendig sein können.
Aber sich hier komplett am Wohnungsmarkt zu vergreifen und jedem pauschal zu erklären, er sei unsozial, wie das gerade bei diesem merkwürdigen Volksbegehren gemacht wird, wo Sie nicht einmal davor zurückscheuen, christliche Gesellschaften wie das Evangelische Hilfswerk enteignen zu wollen, das zeigt den entlarvenden Charakter Ihrer Politik und ist ganz klar zu kritisieren!
[Beifall bei der FDP und der CDU – Holger Krestel (FDP): Das ist wie damals in Russland! Da haben sie auch Kirchen enteignet!]
Natürlich hat Kollege Evers recht: Sie gehen sehenden Auges in einen Verfassungsbruch. Das haben Sie heute Morgen beim Mietendeckel erklärt, dass Sie das tun wollen, und das tun Sie bei Enteignungen auch.
Da kann der Regierende Bürgermeister sich hinstellen und sagen, er will das mit seiner Fraktion nicht. Aber die SPD ist ja mittlerweile so schwach, dass sie gegen Linke und Grüne nichts mehr ausrichten kann in diesem Senat. Also steht der Senat insgesamt für Verfassungsbruch, und das darf man ganz klar und deutlich sagen!
Ich wünsche mir an der Stelle auch einen Innensenator, der Verfassungssenator ist und gerade die Akten vertiefend liest und dem Beispiel des Kollegen Seehofer im Bund folgt, der als Verfassungsminister ganz klar gesagt hat, der Mietendeckel ist verfassungswidrig, und er wird alles tun, die Verfassung zu schützen und das auch durchzusetzen. Solche Senatoren wünsche ich mir auch für Berlin, ganz klar!
[Beifall bei der FDP und der CDU – Gabriele Gottwald (LINKE): Der Seehofer frisst die Verfassung, er schützt sie nicht!]
Insofern ist es ja schön, dass die linke Seite wach wird. Das zeigt ja auch: Getroffene Hunde bellen, und das ist
der Unterschied zu vor 89: Heute können Sie Kritik äußern, und die Kritik ist hier auch erwünscht. Vorher war es umgekehrt, und das ist eben der Unterschied. Willkommen im vereinigten Deutschland, willkommen in einem demokratischen Parlament, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist doch prima!
Herr Förster! Sie kennen sich wahrscheinlich auch in der Bundespolitik ganz gut aus und wissen, dass die FDP an einigen Bundesregierungen teilgenommen hat nach 69, glaube ich. – Wissen Sie, wie viele Verfassungsgerichtsurteile die Bundesregierungen, an denen die FDP beteiligt war, kassiert hat, wo Gesetze geändert werden mussten?
Ich bin kein studierter Jurist und muss die Zahlen auch nicht im Kopf haben. Sie werden es mir vermutlich sagen können.
Aber das ist ja auch nicht der Punkt, dass ein Verfassungsgericht Gesetze überprüft und zu anderen Urteilen kommen kann. Es ist hier der Punkt, dass Sie von vorneherein Gesetze auf den Weg bringen, die so was von offensichtlich verfassungswidrig sind und vor allem die Achse des politischen Koordinatensystems verschieben wollen, und zwar nach links in eine andere Gesellschaft. Darum geht es, und das ist eben der Unterschied!
Was man an der Stelle noch einmal ganz klar sagen darf: Mit der Enteignung – und das sei an dieser Stelle ins Stammbuch geschrieben – wird keine einzige Wohnung geschaffen. Frau Senatorin Lompscher, die ja gerade wieder bunte Bilder anguckt, wie ich gerade sehe – Sie sind jedenfalls in der Broschüre zu erkennen: Es wäre doch schön, Sie würden sich mal Projektentwicklungs
träger einladen und würden sich mal Vorhaben ansehen, die in dieser Stadt zu mehr Wohnungen führen! Sie mögen die Genossenschaften nicht, Sie mögen die privaten Investoren nicht. Sie setzen auf die städtischen Wohnungsbaugesellschaften, und am Ende steht keine einzige Wohnung, und das ist doch das Problem! Sie reden über Enteignungen und wollen die Mieten senken, aber Sie wollen den Leuten, die hier dringend auf Wohnungen angewiesen sind, nicht Wohnungen schaffen. Das ist doch das zentrale Versagen dieses Senats, und das kann man auch nicht oft genug benennen!
Herr Kollege Förster! Sie haben vorgeworfen, dass wir, möglicherweise Politikerinnen und Politiker oder Parteien, die Absicht haben, die politische Achse im Koordinatensystem nach links zu verschieben. – Halten Sie das für verfassungswidrig?
Die politische Achse nach links zu verschieben, ist per se noch nicht verfassungswidrig, solange es sich im demokratischen Rahmen bewegt.
Aber wir hören ja von Ihrer Partei zunehmend Äußerungen, die unser demokratisches System per se in Frage stellen, und das ist natürlich verfassungswidrig.
Letzter Punkt: Es ist geradezu entlarvend, dass ausgerechnet Herr Wolf hier vorne – der einen Teil seines politischen Lebens in Organisationen verbracht hat, wo er nicht ganz auf dem Boden des Grundgesetzes stand – den Verfassungsschutz lahmlegen und dort Leute feuern will. Gerade die Leute, die die Verfassung garantieren, die will er lahmlegen – ein Schelm, der Böses dabei denkt. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Schmidberger jetzt das Wort. – Ent
Herr Fraktionsvorsitzender von der AfD! Diese Bemerkung steht Ihnen gut zu Gesicht; das ist Ihr Niveau. Er hat gesagt, ich soll das Pult runtermachen, man sehe mich nicht. Ich brauche das Pult nicht, um mich zu sehen – das unterscheidet uns beide.
Meine Damen und Herren! Die politische Haltung der SPD-Fraktion und des SPD-Landesverbands zur Vergesellschaftungsdebatte im konkreten Fall hat der Regierende Bürgermeister heute deutlich gemacht, und dem habe ich gar nichts hinzuzufügen.