Protokoll der Sitzung vom 30.01.2020

[Zuruf von Tommy Tabor (AfD)]

Der Trend der aktuellen Emissionen in Berlin ist leicht rückgängig, aber darauf dürfen wir uns nicht ausruhen. Gucken wir uns den Verkehrssektor an, der legt immer noch zu, er ist allein für fast 30 Prozent der Emissionen in Berlin zuständig, da hilft auch keine neue U-Bahnbaustelle mehr, da braucht es eine grundlegende Entscheidung über die Zukunft des Verkehrs in dieser Stadt.

[Beifall bei den GRÜNEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Autos weg!]

(Frank Scholtysek)

Herr Abgeordneter! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Woldeit?

Nein, Frau Präsidentin, bitte keine Zwischenfragen! – In Deutschland haben wir das Glück, dass nur ein verschwindend kleiner Prozentanteil der Leute klimaskeptisch ist, und ich glaube, wir müssen nicht in jeder Rede dem hier noch Raum geben.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Geisterfahrer gibt es ja auch auf der anderen Seite! ]

Ich glaube, es braucht in dieser Stadt ein breiteres Verantwortungsgefühl aller Ressorts für den Klimaschutz. Da könnte zum Beispiel ein ständiger Steuerungskreis Klimaschutz mit allen Senatsverwaltungen auf Staatssekretärsebene helfen; Klimaschutz sollte Teil der bezirklichen Kosten- und Leistungsrechnung werden, Klimaschutzmaßnahmen beim Bau beschleunigt werden, eine ZeroEmission-Zone. Wir brauchen Ideen, und ich bin dankbar für alle, die welche bringen, auch Kollege Henner Schmidt, einer der letzten verbliebenen aufrechten Liberalen – danke für die Entschließung!

[Lachen von Holger Krestel (FDP) – Frank-Christian Hansel (AfD): Hui!]

Wir brauchen Ideen, um ambitioniert, schnell und sozialgerecht Klimaschutz zu machen, keine Denkverbote, dafür ist uns der Klimaschutz zu wichtig.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ich habe es satt. Wir nehmen beim Klimaschutz das Tempo, das wir brauchen, nicht auf. Ich habe es satt, wenn hier das Wahlkampfgetöse schon losgeht, dabei haben wir genug zu tun in unserer Koalition. Und ich habe es satt, dass einige immer meinen, es besser zu wissen, obwohl wir eigentlich nur gemeinsam Lösungen finden können. Seien wir ehrlich: Die Volksinitiative hat uns Beine gemacht, weit gesprungen sind wir nicht.

[Zuruf von Carsten Ubbelohde (AfD)]

Erst die Novelle des Energiewendegesetzes wird zeigen, ob wir unser Klimaziele entsprechend dem Pariser Klimaabkommen anpassen. Daher kann ich die Kritik von euch verstehen, nachvollziehen, fühlen – keine Frage –, aber lasst mich euch bitte erklären, dass einige gute, kleine Punkte hier drin sind, die entscheidende Schritte sein können.

So bekommen wir einen Klimavorbehalt. Berlin könnte damit einen richtigen Klimacheck als erstes Bundesland einführen, eine Klimafolgenabschätzung. Das spart an sich noch keine Tonne CO2, das ist aber die Grundlage für eine richtige Politik, und die wollen wir als Koalition machen.

Wir werden das versprochene Wärmegesetz angehen, denn fast die Hälfte der Emissionen in Berlin werden quasi verheizt. Wenn man die Heizungen in Berlin erneuerbar macht, hat man natürlich mehr Luft bei der Sanierung. Das gleicht sich aus, das eine kann man nur mit dem anderen zusammendenken, denn faire Mieten und Klimaschutz gehören zusammen, und dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.

[Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Frank-Christian Hansel (AfD): Hat Sarrazin auch schon gesagt!]

Mir persönlich ist es besonders wichtig: Als erstes Bundesland, ich glaube als erstes Land nach Kalifornien überhaupt, bekennen wir uns hier als Parlament zu einer allgemeinen Solarpflicht und leiten damit im Bauen einen Paradigmenwechsel ein. Ich bin Daniel Buchholz und Jörg Stroedter dafür dankbar, dass sie das bei der SPD durchgekämpft und ihre Kollegen überzeugt haben, dass das richtig ist.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Für euch! – Zuruf von Holger Krestel (FDP)]

Ich bin auf den Entwurf der Energieverwaltung gespannt, Berlin wird zur Solarcity, und das wird ein ganz wichtiger Baustein.

Liebe Leute, es gibt weltweit eigentlich noch kein Land und keine Stadt, die den perfekten Fahrplan zur Klimaneutralität haben. Das ist frustrierend, dennoch glaube ich, Klimapolitik muss Hoffnungen machen, sie muss ermutigen, sie muss anregen, ja, sie muss auch aufregen. Lasst uns heute also bitte nicht nur den Fokus darauf werfen, was wir noch nicht beschlossen haben, sondern auf die Dinge, die heute mit diesem Beschluss ermöglicht wurden. Allem voran: Klimavorbehalt, ein ambitioniertes Wärmegesetz, eine Solarpflicht.

Lassen Sie uns heute, bei aller Ehrlichkeit und Differenz, von hier das Signal senden, dass Volksinitiativen, Proteste, Einmischen, auch von Menschen, die noch nicht einmal wählen dürfen, sehr wohl Einfluss auf die Politik nehmen können

[Marcel Luthe (FDP): Tegel!]

und hoffentlich auch weiter tun. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Tegel!]

Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Henner Schmidt das Wort, bitte schön!

[Paul Fresdorf (FDP): Es gibt nur eine FDP!]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die letzte halbe Stunde fand ich das schon ein bisschen viel Polittheater und ein bisschen wenig Substanz, was wir da gehört haben.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD – Zurufe von Udo Wolf (LINKE) und Steffen Zillich (LINKE)]

Herr Kössler! Wenn Sie da die Klimainitiative loben und wollen, dass Menschen sich stärker in solchen Initiativen engagieren, muss man auch sagen, dass der Umgang mit dieser Initiative in diesem Hause schon ziemlich peinlich war. Das sind Leute, die haben 36 458 gültige Unterschriften gesammelt, damit das hier ausführlich beraten wird, und im Ausschuss kam von der Koalition eine Stellungnahme, die hieß: Wir bestätigen, das Verfahren ist abgeschlossen.

[Paul Fresdorf (FDP): Peinlich!]

Heute kam auf den letzten Drücker eine Tischvorlage, die wir nicht mehr diskutieren können, knapp vorher. Die Opposition haben Sie auch nicht eingebunden, deshalb ist das nicht so richtig glaubwürdig, was immer Sie nett in Ihre Papiere hineinschreiben, Ihr reales Verhalten zeigt, dass Sie die Initiative eben nicht ernst genug genommen haben. Sie arbeiten das hier wie einen reinen Formalismus ab.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Danny Freymark (CDU) und Oliver Friederici (CDU)]

Positiv ist, dass die Koalition tatsächlich über den lahmen Senat ein Stück hinausgegangen ist. Ich erinnere noch einmal, was der Senat beschlossen hat, er hat zu den Klimazielen, als Frau Günther wollte, dass das Ziel 85 Prozent bis 2050 geändert wird, beschlossen, er möchte mehr als 85 Prozent vor 2050, also vielleicht 86 Prozent 2049. Es ist schon einmal ganz gut, dass Sie da wirklich ein Stück weiter gegangen sind. Was wir als FDP wollen, und dass wir uns zu den Zielen bekennen, das hat Herr Buchholz eben dankenswerterweise vorgelesen. Das ist auch die Meinung meiner gesamten Fraktion, was ich Ihnen hiermit auch noch einmal bestätige.

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Ganz wichtig ist aber, und da erwarte ich schon, dass die Koalition und der Senat das auch noch einmal klar sagen, dass die bisherigen Maßnahmen des Landes Berlin nicht ausreichen, diese Ziele zu erreichen. Das sollte man, statt immer neue Maßnahmen zu erfinden, noch einmal ganz klar sagen: Das, was Sie bisher tun, reicht nicht für das, was Sie wollen.

[Zuruf von Marcel Luthe (FDP)]

Das können Sie jetzt Aktionsplan nennen, aber es ist nicht ausreichend.

Herr Kössler hat einen Punkt der Initiative aufgegriffen, nämlich über das Energiewendegesetz zu reden, das ist nicht so richtig viel wert, das ist erst einmal nur ein Stück Papier, darin steht ein Ziel, dann passiert noch lange nichts. Wir haben eine ganze Menge Gesetze hier, wo Ziele drinstehen. Das ist Illusion der rot-rot-grünen Regierung, dass sie glaubt, wenn sie ein Ziel in das Gesetz schreibt, dann passiert das schon von alleine. Das haben wir ja leider auch in anderen Themenbereichen.

[Beifall bei der FDP – Paul Fresdorf (FDP): Taschenspielertricks!]

Die Planung, die gesetzlichen und parlamentarischen Dinge, mit denen man wirklich etwas gestalten kann, sind die Stadtentwicklungspläne, die Sie ja nicht erwähnen. Dort wird festgelegt, welchen Entwurf der Stadt der Zukunft man hat, und dort kann man natürlich auch Klimaschutz und Klimaanpassung verankern. Erst einmal ist festzuhalten, dass die bestehenden Stadtentwicklungspläne: Verkehr, Klima, Wohnen und Gewerbe eben nicht zusammenpassen, da ergibt sich noch kein Bild der Stadt. Da können Sie hier Resolutionen verabschieden, wie Sie wollen. Fangen Sie erst einmal an zu planen, welche Stadt Sie wollen und wie Sie das hinkriegen, dass die tatsächlich klimaneutral ist.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Deshalb zum Punkt der Initiative, wir mögen doch die anderen Städte der Netzwerke alarmieren. Ich habe eher den Eindruck, dass wir uns von den anderen alarmieren lassen müssen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Paul Fresdorf (FDP): Sehr gut!]

Es ist ja nicht so, dass wir Paris, Los Angeles und Madrid sagen müssen, was sie zu tun haben, wir hinken denen hinterher. Deshalb fahren wir ja auch dahin und gucken uns das da an. Das müssen wir mehr tun, wir müssen tatsächlich mehr für eine gemeinsame Zielerreichung tun, die Erfahrungen und die besten Ideen austauschen.

Was aber ganz wichtig ist, dass eben nicht immer nur Wolken von Maßnahmen in den Raum gesetzt werden, dass wir endlich zu einer Situation kommen, wo wir bewerten: Was bringt denn das für das Klima? Und – da ist der Punkt vom Kollegen Krestel völlig richtig gewesen – was kostet denn das und lohnt sich denn das? Wie geben wir denn das Geld so aus, dass wir mit dem Geld, das wir haben, am meisten erreichen? Und wie weit sind wir eigentlich noch von dem Klimaziel weg?

Sie lassen sich immer wieder neue Ideen einfallen; wir stehen komplett im Dunkeln: Was bringen diese Maßnahmen und wie weit sind wir von dem Klimaziel weg? Da ist eine ganz große Lücke zu schließen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Wir haben dazu einen Antrag eingebracht, über den hat Herr Freymark auch schon geredet, wir glauben, dass es da ein systematisches Monitoring, digital, sichtbar für alle, jeder Zeit aktuell, geben muss, wo man sehen kann, welche Maßnahmen angefasst werden, und was es tatsächlich bringt. Sie sollten auf jeden Fall heute klarmachen, dass Sie das erreichen wollen und dass Ihre Maßnahmen bisher nicht ausreichen. Wir haben uns zumindest mehr Mühe gegeben und ein paar Wochen vorher eine Entschließung vorgelegt, weil uns das Thema am Herzen lag. Wir hatten auf mehr Diskussion gehofft. Mit Ihrer Entschließung werden wir jedenfalls das, was gewünscht wird, nicht erreichen.

Ich erwarte jetzt eigentlich, dass wir in eine Diskussion eintreten, wie wir tatsächlich Maßnahmen finden, die wirksam sind und – da möchte ich Herrn Krestel bestätigen – den Menschen in dieser Stadt auch zumutbar sind, damit das auch sozial ausgewogen ist. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]