Protokoll der Sitzung vom 20.02.2020

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Regina Kittler (LINKE)]

Wir sind gespannt, wer das alles in Anspruch nimmt, und werden es eng begleiten. Einen entsprechenden Berichtsantrag im Hauptausschuss haben wir schon gestellt und terminiert, dass wir uns regelmäßig anschauen, wie sich das weiterentwickelt.

Lieber Herr Goiny! Ja, es ist ein Baustein, der sich mit unserer Grundrichtung vereinen lässt, dass wir als Grüne – also unsere Bundestagsfraktion, ich möchte nicht

(Dr. Manuela Schmidt)

behaupten, ich hätte damit Verdienste erworben – ein Konzept der grünen Bürgerinnenversicherung haben, und das aus gutem Grund. Die Debatte um eine integrierte Versorgung muss weitergeführt werden, und ich glaube, dass die Studie, die das IGES-Institut im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung erstellt hat und die Anfang der Woche publiziert wurde, ein guter Beitrag zur Debatte ist. Ich möchte aber auch, was ich sonst nie tue, etwas ganz Persönliches sagen. Meine Mutter, die ich hoch verehre, hat zu mir gesagt: Kind, wenn du jemals in die Politik gehst, dann schaff die Zweiklassenmedizin ab! – Das ist eine riesengroße Gerechtigkeitsfrage. Hat sich jemand von Ihnen, die immer so tapfer dagegen sind und die Privilegien bestimmter Berufsgruppen verteidigen, jemals überlegt, wie sich ein Mensch fühlt – sehr oft ältere Menschen –, wenn ihm von den Ärzten gesagt wird: „Nein, das beste Medikament können wir Ihnen nicht geben. Das ist zu teuer. Dafür müssten sie privat versichert sein“?

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kluckert?

Nein, danke! Ich kann aber in Ihre Richtung zurückfragen: Laufen bei Ihnen nie Leute auf – –

[Lachen bei der FDP – Florian Swyter (FDP): Wer stellt denn hier Fragen? – Zuruf von Stefan Förster (FDP)]

Ja, das ist das Privileg, wenn man hier vorn steht, dann kann man sagen, ob man eine Zwischenfrage möchte oder nicht. Sie müssen meine Frage auch nicht beantworten, aber ich frage Sie, ob denn bei Ihnen nie Leute auflaufen, die sich beraten lassen wollen, wie sie aus der privaten Krankenversicherung herauskommen. Also gerade bei der FDP hätte ich das vermutet.

[Stefan Förster (FDP): Lassen Sie ihn auch antworten!]

Wenn Sie sich noch einmal den Hauptausschussbericht, die rote Nummer 1230 C, zur Brust nehmen, dann werden Sie wie wir vielleicht überrascht feststellen – deshalb sage ich: Lassen Sie uns das begleiten! –, dass die Clearingstelle, die wir für nicht krankenversicherte Menschen entworfen haben, wobei wir davon ausgingen, dass es schwerpunktmäßig um Menschen geht, die vielleicht keine Aufenthaltsberechtigung haben oder Ähnliches – nein! Lesen Sie die rote Nummer! Sie werden feststellen, dass ein Schwerpunkt der Beratung bei Menschen liegt, bei denen die Frage ist, inwieweit sie trotz beitragsverursachter Schulden noch einmal in die private Krankenversicherung zurückkehren können. Das ist eine ganze Reihe von Fällen, die genau Ihre Klientel betrifft. Lassen Sie uns die Kirche insofern im Dorf lassen! –

Lieber Herr Goiny! Wir sprechen heute über die pauschale Beihilfe. Diese hat ganz viele Vorteile. Wir sehen uns

an, wie sich das weiterentwickelt. Aber ja, die Diskussion um eine gerechte Gesundheitsversorgung in diesem Land wird weitergehen, und ich habe ein bisschen das Gefühl, Sie scheinen Gefahr zu laufen, wie auch bei der Autoindustrie, eine Industrie und deren Nicht-Veränderung auch dann noch zu verteidigen, wenn sie längst ein totes Pferd ist. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Für die Fraktion der FDP spricht jetzt Herr Abgeordneter Swyter. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Remlinger! Das ist ja eine interessante Art des Diskurses, dass Sie keine Fragen zulassen, aber zurückfragen und dann keine Antwortchance geben. Das ist bemerkenswert. Ich bin einen anderen Diskurs gewohnt.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Franz Kerker (AfD): Echte Demokraten halt!]

Diese Debatte ist in der Tat ein bisschen redundant. Wir haben erst vor zwei Wochen darüber gesprochen. Das ist eines der Dinge, an die ich mich auch in drei Jahren nicht wirklich gewöhnen konnte, wenn man innerhalb von zwei Wochen fast exakt die gleiche Debatte führt ohne neuen Sachstand.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Erste Lesung, zweite Lesung! – Zuruf von Franziska Becker (SPD)]

Die einzige Änderung, über die wir heute reden, ist die längere Übergangsfrist. Das ist nun nicht gerade eine große Debatte wert. Deswegen haben sich natürlich auch die Argumente – weder Ihre noch unsere – geändert. Eines würde ich jetzt auch nicht sagen: Es ist tatsächlich keine Mogelpackung, denn Sie sagen offen, Sie wollen am Ende des Tages die private Krankenversicherung schwächen und am liebsten ganz abschaffen – und das wollen wir nicht. Das ist ganz deutlich.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD – Beifall von Christian Goiny (CDU)]

In den verbleibenden zwei Minuten werde ich jetzt auch nicht die Debatte weiterführen, warum es sinnvoll ist, dass wir dieses System haben – weil es bei allen Mängeln, besonders hier in Berlin, mit das beste Gesundheitssystem gewährleistet, auch weil es gerade die Mittel der PKV gibt. Im Übrigen ist es schon allein aus verfassungsrechtlichen Gründen sehr schwierig, die PKV abzuschaffen. Mit uns wird es das also nicht geben. Was Sie aber sozusagen über die Hintertür einer vermeintlichen

(Stefanie Remlinger)

Wahlfreiheit schaffen, ist, dass Sie das Beamtenrecht komplizierter machen. Weil sich die Beamten hoffentlich richtig beraten lassen werden, wird es auch kein Renner werden, dass sie dann irreversibel – das wurde hier schon benannt – im System der gesetzlichen Krankenversicherung sind, und zwar egal, wie es danach weitergeht. Auch wenn sie danach in den höheren Dienst befördert werden – das gibt es doch alles und das ist ja auch gut so –, bleiben sie in der gesetzlichen Krankenkasse, und auch dafür gibt es keinen Grund. Deswegen werden wir diesen Gesetzentwurf ablehnen. Es gibt bessere Ideen, um das Beamtenrecht attraktiver zu machen, als diese. – Danke schön!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Florian Graf (CDU)]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu der Gesetzesvorlage auf Drucksache 18/2436 empfiehlt der Hauptausschuss mehrheitlich – gegen die Fraktion der CDU und die Fraktion der FDP sowie bei Enthaltung der AfDFraktion – die Annahme mit Änderungen. Wer der Gesetzesvorlage mit den Änderungen gemäß der Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/2483 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt gegen dieses Gesetz? – Das sind die CDU-Fraktion und die FDP-Fraktion. Wer enthält sich der Stimme? – Das sind die AfD-Fraktion und der fraktionslose Abgeordnete. Damit ist das Gesetz so beschlossen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Franziska Becker (SPD) – Marcel Luthe (FDP): Tosender Applaus!]

Bevor ich mit der Tagesordnung weitermache, darf ich Ihnen noch einige Mitteilungen machen: Am Rande der Plenarsitzung haben vorhin die parlamentarischen Geschäftsführer aller sechs Fraktionen zusammengesessen und es ist Folgendes vereinbart worden: Nachher, um 18.00 Uhr, findet am Brandenburger Tor eine Mahnwache statt, die der Opfer gedenkt, die der Anschlag in Hanau gefordert hat. Die Fraktionen haben vereinbart, dass die Fraktionsvorsitzenden nachher an dieser Mahnwache teilnehmen können. Die Sitzung hier wird fortgesetzt.

Das Zweite ist – das liegt mir mittlerweile auch schriftlich war –: Es wird darum gebeten, Herrn Senator Geisel ab 17.45 Uhr zu entschuldigen, weil er an dieser Mahnwache für den Senat teilnehmen soll. Das wäre jetzt das dritter Senatsmitglied, aber ich denke, angesichts der aktuellen Situation können wir das ausnahmsweise so machen.

Der dritte Punkt ist: Es besteht Einvernehmen darüber, dass der Regierende Bürgermeister nach wie vor an der Eröffnung der Berlinale teilnimmt, weil er dort auch als Redner vorgesehen ist. Wir wissen, dass er es tut, und ermutigen ihn auch dazu, im Rahmen seiner Rede auch zu dem Anschlag bzw. der Mahnwache, die am Brandenburger Tor stattfindet, die richtigen Worte zu finden. – Ich danke Ihnen!

[Allgemeiner Beifall]

Ich rufe auf

lfd. Nr. 6 A:

Gesetz zur Eingliederung der Verkehrslenkung Berlin (VLB) in die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung

Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Verkehr, Klimaschutz vom 13. Februar 2020 Drucksache 18/2494

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 18/2410

Zweite Lesung

Der Dringlichkeit hatten Sie bereits eingangs zugestimmt. Ich eröffne die zweite Lesung des Gesetzesvorlage. Ich rufe auf die Überschrift, die Einleitung sowie die Artikel 1 bis 4 der Gesetzesvorlage und schlage vor, die Beratung der Einzelbestimmungen miteinander zu verbinden. Widerspruch dazu höre ich nicht. Eine Beratung ist nicht vorgesehen.

Zu der Gesetzesvorlage Drucksache 18/2410 empfiehlt der Fachausschuss einstimmig – bei Enthaltung der Fraktion der CDU und der AfD-Fraktion – die Annahme. Wer der Vorlage zur Beschlussfassung Drucksache 18/2494 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen und die FDP. Gegenstimmen? – Keine. Enthaltungen? – Das sind CDU, AfD und ein fraktionsloser Abgeordneter. Damit ist die Vorlage so angenommen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 7:

Gesetz zur Aufhebung der Altersgrenze für Beamtinnen und Beamte auf Zeit

Antrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/2423

Erste Lesung

Ich eröffne die erste Lesung des Gesetzesantrags. In der Beratung beginnt die AfD-Fraktion. Herr Ubbelohde hat das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Wir leben in einer besonderen de

(Florian Swyter)

mografischen Situation und blicken auf eine sich noch verschärfende zukünftige demografische Entwicklung, die uns zwingt, sich in allen Lebensbereichen den damit verbundenen Herausforderungen zu stellen. Zudem ist es unsere Aufgabe, Altersdiskriminierung zu verhindern und sie dort, wo sie offenkundig ist, zu beseitigen.

In den beamtenrechtlichen Vorschriften sehe ich bezüglich der Beamten auf Zeit Handlungsbedarf. Auf bezirklicher Ebene betrifft das beispielsweise die Stadträte und die Bezirksbürgermeister. Bei einem Senator würde grundsätzlich auch niemand auf den Gedanken kommen, diesem wegen seines Alters die Tätigkeit zu untersagen. Aus guten Gründen findet sich hier in den Vorschriften auch keine Altersgrenze. Daher wird es Zeit, den demografischen Herausforderungen unter Ausschluss diskriminierender Vorschriften auch in dem beantragten Beschäftigtenkreis Genüge zu tun.

[Beifall bei der AfD]

Gerade die Sonderstellung der Beamten auf Zeit und die damit verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten des Landes Berlin bieten sich daher für eine erste Öffnung an. Dabei darf eine zukünftige, etappenweise Erweiterung auf die Beamten mit anderem Status nicht ausgeschlossen werden. Dies ist umso dringender, da bei Gott sei Dank gestiegener allgemeiner Lebenserwartung und der Situation, dass ein Drittel der öffentlichen Bediensteten demnächst aus dem Amt ausscheidet, so verfahren werden muss.