Protokoll der Sitzung vom 05.03.2020

Nein, von Herrn Vallendar nicht. – Zu dem Rechtlichen. Auf die rechtlichen Fragestellungen sind Sie ja überhaupt nicht eingegangen, dass selbstverständlich, wenn man diese Frage hier beantworten möchte und politisch beantworten möchte, Artikel 4, und zwar die Religionsfreiheit der Schülerinnen und Schüler, zu beachten und zu berücksichtigen ist und selbstverständlich auch Artikel 6, das Erziehungsrecht der Eltern.

Auf der anderen Seite ist Artikel 7 des Grundgesetzes, das Bestimmungsrecht des Schulwesens, zu berück

(Hanno Bachmann)

sichtigen, die Befugnis des Staates zur Unterrichtsgestaltung. Und der Berliner Gesetzgeber hat hier in § 46 im Schulgesetz die Rechte und Pflichten der Schülerinnen und Schüler festgelegt. Dort heißt es in § 46 Abs. 2 Satz 3 Schulgesetz:

Die Schülerinnen und Schüler sind an die Vorgaben gebunden, die dazu bestimmt sind, das Bildungs- und Erziehungsziel der Schule zu erreichen sowie das Zusammenleben und die Ordnung in der Schule aufrechtzuerhalten.

So weit § 46 Abs. 2 des Berliner Schulgesetzes. Und da kann man die relevante rechtliche Frage stellen, ob dieser Paragraf hinreichend bestimmt ist oder ob er nicht hinreichend bestimmt ist, und dazu gibt es mittlerweile diverse verfassungsrechtliche und obergerichtliche Rechtsprechung, wo man sich entsprechend rechtswissenschaftlich – denn so einen Fall haben wir an einer Berliner Schule ja nicht – damit befassen kann. – Noch eine Zwischenfrage, Frau Präsidentin?

Genau. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wild?

Wild.

Nein. – Das Bundesverfassungsgericht hat sich in einer Entscheidung am 14. Januar 2020 – die kennen Sie alle – dazu geäußert, ob ein Kopftuch bei Referendarinnen im Richterdienst zulässig ist und hat dort gesagt, dass jedenfalls Referendare nicht auf der Richterbank Platz nehmen dürfen, wenn Sie ein Kopftuch tragen. Wir haben eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, das eine Entschädigung für eine Lehrerin ausgesprochen hat, die ein Kopftuch im Schuldienst tragen wollte. Wir haben die bekannte Bundesverfassungsgerichtsentscheidung vom 27. Januar 2015, demzufolge ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrkräfte nicht verfassungsgemäß ist, und wir werden ab 23. April vom Bundesarbeitsgericht eine Entscheidung bekommen, ob das Neutralitätsgesetz des Landes Berlin in Hinblick auf das Kopftuchverbot für Lehrerinnen und Lehrer verfassungsgemäß ist oder nicht. – Es gibt eine weitere Zwischenfrage. Ich bin mal gespannt, aus welcher Fraktion, Frau Präsidentin.

Aus Ihrer, von Ihrem parlamentarischen Geschäftsführer.

[Paul Fresdorf (FDP): Nicht von Torsten Schneider!]

Selbstverständlich gerne!

Herr Kohlmeier! Da fühle ich mich geschmeichelt, auch im Unterschied zu den nicht zugelassenen Zwischenfragen. – Aber der Wortbeitrag der AfD veranlasst mich, auf die heutige Fragestunde zurückzukommen, und zwar auf die Demokratieförderprojekte. In Anbetracht der Tatsache, dass zwischen den Justiz-, Rechts- und Finanzpolitikern einhellige Auffassung ist, dass im Einzelplan Justiz durch Unterveranschlagungen in Einnahmetiteln über 10 Millionen Euro Mehreinnahmen zu erwarten sind, sind Ihnen denn Belegungswünsche des dafür zuständigen Fachsenators Behrendt zur Förderung von Demokratieförderprojekten bekannt?

[Heiterkeit bei der SPD, der CDU und der FDP – Beifall von Paul Fresdorf (FDP)]

Ich kann Ihnen bestätigen, Herr Schneider, dass mir bekannt ist, dass im Justizhaushalt 10 Millionen Euro Mehreinnahmen zu erwarten sind. Mir ist aber nicht bekannt, dass es da Belegungsvorschläge oder andere Vorschläge gibt, diese entsprechend für Demokratieförderprojekte einzusetzen.

[Paul Fresdorf (FDP): Skandalös! – Stefanie Remlinger (GRÜNE): Da hätten Sie vorher mal zuhören müssen!]

Über die verfassungsrechtlichen Entscheidungen, die ich gerade zitiert habe, kommt man zu einem Ergebnis, und zwar zu dem rechtlichen Ergebnis, dass ein generelles Verbot für Schülerinnen, ein Kopftuch zu tragen, wohl nicht zulässig wäre und dass das Verbot, das Gesicht zu verschleiern wohl verfassungsrechtlich zu rechtfertigen sein könnte. Aber das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine politische Entscheidung und ist eine rechtliche Abwägung, die wir gerne in dem zuständigen Fachausschuss vornehmen können.

Was mir an dieser Stelle wichtig zu sagen ist – und zwar im Schulbereich wichtig ist nach meiner Auffassung, liebe – oder nicht „liebe“, „liebe“ lasse ich weg – Kollegen von der AfD: Für mich ist die Frage der Nikab, die bisher im Berliner Schulwesen überhaupt nicht vorgekommen ist, ebenso wenig relevant, wie ob ein Schüler oder eine Schülerin eine Turnhose trägt. Für mich ist in der Berliner Bildung relevant, dass es kostenlose Bildung gibt, dass es gebührenfreie Kita gibt, dass es kostenloses Schulessen gibt, dass es eine Ganztagsbetreuung gibt und dass das BVG-Ticket für Schülerinnen und Schüler kostenfrei ist. So macht man Schule und Bildung in Berlin und nicht so, wie Sie es wollen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Bachmann die Gelegenheit zu einer Zwischenbemerkung.

[Joschka Langenbrinck (SPD): Der Verfassungsschützer, der die Verfassung nicht kennt! – Frank-Christian Hansel (AfD): Setzen Sie sich mal weiter nach vorne, dann hört man Sie auch mal!]

Besser als Sie kenne ich die Verfassung allemal. – Herr Kohlmeier, Sie haben mir offensichtlich weder zugehört noch die Begründung unseres Antrages gelesen. Noch einmal der Klarstellung wegen: Wir verfolgen zwei Anliegen. Das eine ist die Funktionsfähigkeit unserer Bildungseinrichtungen, die eben nicht mehr gewährleistet ist, wenn dort Schülerinnen mit Nikab auftreten; das haben wir eingehend begründet. Wie wollen Sie Sport treiben mit einem Nikab? – Im Berliner Schulgesetz ist auch vorgesehen, man soll zur Musik erzogen werden – wie wollen Sie ein Blasinstrument spielen oder singen mit einem Nikab? – Sie können uns das ja mal erklären, mir ist es nicht ersichtlich.

[Zuruf von Regina Kittler (LINKE)]

Das zweite ist in der Tat das Zurückdrängen des politischen Islam. Ich habe immer vom politischen Islam beziehungsweise Islamismus gesprochen und keineswegs pauschal vom Islam – diese Differenzierung haben Sie geflissentlich überhört.

[Joschka Langenbrinck (SPD): Sie überhören, dass es keinen Fall gibt!]

Brüllen Sie doch nicht ständig dazwischen, ich habe das Wort. – Danke!

[Joschka Langenbrinck (SPD): Ist doch gaga!]

Dann haben Sie angemahnt, ich solle Ihnen eine Quelle nennen, das kann ich gerne. Die Quelle: Entwurf eines Gesetzes zum Verbot der Gesichtsverhüllung während der Gerichtsverhandlung, Gesetzentwurf des Bundesrates, Drucksache 19/6287. Dort finden Sie aus Sicht der Praktiker vor Gericht die Notwendigkeit einer solchen Regelung begründet für die Gerichtsbarkeit.

[Zuruf von Regina Kittler (LINKE)]

Dasselbe gilt auch für Schulen und Hochschulen. Im Übrigen ist es bezeichnend, dass Ihre Hamburger Kollegen durchaus die Notwendigkeit sehen, die von uns angemahnten Regelungen zu erlassen. Da zeigt sich mal wieder der Unterschied zwischen Hamburg und Berlin.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Ihre Kollegen in Hamburg haben ein durchaus gutes Wahlergebnis erzielt, von dem Sie hier in Berlin nur träumen können.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Bravo!]

Das zeigt sich beim Mietendeckel, das zeigt sich hier. Da handelt es sich anscheinend um völlig verschiedene Parteien. In anderen Bundesländern gibt es diese Regelung längst. Ich habe Ihnen auch die Regelungen aus Bayern zitiert; das hätten Sie auch einmal nachlesen können.

[Zuruf von Joschka Langenbrinck (SPD)]

Im Übrigen ist es unser Politikansatz, dass man vorausschauend agiert, und wenn man vor die Lage kommt, schon ein Gesetz hat, wenn der Fall auftritt, anstatt abzuwarten, bis es zu dem Problem kommt, vor das sich die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein gestellt sahen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Jessica Bießmann (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos) – Frank-Christian Hansel (AfD): Bravo!]

Zur Erwiderung hat jetzt der Kollege Kohlmeier die Möglichkeit!

[Frank-Christian Hansel (AfD): Hamburg macht es vor! – Hakan Taş (LINKE): Dann ziehen Sie doch nach Hamburg! – Weitere Zurufe]

Der Kollege Kohlmeier hat jetzt das Wort!

Herr Kollege Bachmann! Machen Sie sich mal um unser Wahl in Berlin im Vergleich zu Hamburg keine Sorgen!

[Lachen bei der AfD]

Das hat in den vergangenen Jahren hervorragend geklappt; insofern bin ich da guter Dinge, dass wir uns 2021 wiedersehen und Sie in der Besetzung hier nicht mehr sitzen werden.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Da haben Sie recht! – Weitere Zurufe von der AfD]

Die Fraktion, die vorher da saß, ist heute nicht mehr da. Das gleiche Schicksal wünsche ich Ihnen auch.

Die zweite Anmerkung zur Funktionsfähigkeit der Schule: Wir haben da beide grundsätzlich unterschiedliche Auffassungen. Ich sehe die Funktionsfähigkeit der Schule durch den Nikab nicht gefährdet, weil es den Fall in Berlin nicht gibt. Ich bin auch kein Mensch, der durch die Welt rennt und sagt, da könnte morgen mal eventuell was passieren, wo wir schon mal vorsorglich eine Gesetzesänderung machen könnten oder sollten, weil eventuell mal – –

[Ronald Gläser (AfD): Aber das Klima in hundert Jahren retten!]

Nein! Sie müssen ein bisschen angstbefreiter werden im Leben, wirklich.

[Beifall bei der SPD]

Sie dürfen nicht permanent durch die Welt rennen und immer alles Schlechte sehen – und hinter jeder Burka irgendeine Gefahr sehen.