Protokoll der Sitzung vom 05.03.2020

[Vereinzelter Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Dass das dann schlussendlich auch mit höheren, der Aufgabe angemessenen, Vergütung einhergehen muss, ist doch selbstverständlich. Schön wäre es, laut Antrag, wenn Jugendliche grundsätzlich insbesondere für den Pflegeberuf begeistert werden können –, ja, na klar. Über diese Aussage hinaus, findet sich aber hier zunächst nichts wirklich Weitgehendes, Konkretes, wie zum Beispiel die mögliche Reaktivierung eines sozialen Jahres in der Pflege.

Auf das im Antrag beschriebene Ost-West-Gefälle ist die Antwort der AfD-Fraktion Berlin völlig klar, eine Aufwertung des Berufsbildes der examinierten Pflegekraft erreiche ich nicht nur durch eine faire Bezahlung, sondern vor allem über einen verbindlichen Flächentarifvertrag, orientiert an der Struktur des öffentlichen Dienstes.

Wir wissen sehr wohl, dass dies alles auch zu Mehrkosten für die Betreiber und am Ende auch für die Pflegebedürftigen führen wird. Wer aber heute so tut, als ob es gute Pflege zulasten der dort Tätigen geben kann, der belügt sich selbst und versündigt sich an den Pflegern und Pflegebedürftigen von heute und morgen.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Grundsätzlich begrüßenswert ist die Forderung nach Abbau der Bürokratie, aber aus Sicht der AfD-Fraktion ist es endlich zwingend notwendig, nicht nur andauert über Entlastung der Pflegekräfte durch eine Reduzierung, insbesondere bei fachfremden Tätigkeiten wie z. B. unsinnigen Dokumentationspflichten zugunsten der Pflege am Menschen zu reden, sondern dem auch endlich Taten

folgen zu lassen. Übrigens ein Hinweis, den die Praktiker immer wieder geben: die Umstellung von Papier auf Elektronik allein reicht hier nicht.

Konkret anderer Auffassung ist die AfD-Fraktion im Übrigen hinsichtlich der Einschätzung der antragstellenden Fraktion, dass Qualitätskontrollen und Prüfverfahren nachrangig seien. Zahlreiche Studien der letzten zehn Jahre, aber auch die in der Praxis durchgeführten Prüfungen, zeigen deutlich, dass ein strenger Blick auf die Arbeit vor Ort, insbesondere unter den dann hoffentlich optimierten Bedingungen, positiv dazu beiträgt, dass sich mögliche schlechte Pflege reduziert. Aus diesen Gründen lehnen wir den zweiten Antrag ab und enthalten uns allerdings hoffnungsvoll bei dem Antrag 18/0630. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Für die Fraktion Bündnis 90/Grüne hat die Kollegin Topaç das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Pflege ist immer aktuell und wird es bleiben, solange wir bundesweit die Missstände nicht gezielt und nachhaltig angehen werden. Das sehen wir dieser Tage insbesondere auch entlang der Thematik Corona. Die Anträge der FDP zur Lösung des Fachkräftemangels und zur Stärkung des Pflegeberufes sind jedoch widersprüchlich. Einerseits fordern Sie eine Massenanwerbung aus Vietnam, um die zukünftige Fachkräftelücke von 8 000 in Berlin zu schließen, andererseits sagen Sie, dass die Anwerbung aus einer exotischen Destination hier nicht helfen kann, das Fachkräfteproblem in Berlin zu lösen.

Wissen Sie eigentlich noch, was Sie wollen? Es kann nicht sein, dass Sie glauben, in quasi kolonialer Manier, unsere hausgemachten Probleme in der Pflege durch die Bedienung aus anderen Staaten mal eben einfach so zu lösen. Sie fordern die Einrichtung eines eigenen Ausbildungscampus, um dort gezielt Fachkräfte aus Vietnam auszubilden.

[Zuruf von Hanno Bachmann (AfD)]

Diese werden in Vietnam in der Gesundheitsversorgung fehlen. Unsere hausgemachten Probleme auf Kosten anderer Länder zu lösen und dort die Gesundheitsversorgung auszubluten, machen wir so nicht mit.

[Thorsten Weiß (AfD): Bravo!]

Auch die bereits laufende Anwerbung von Fachkräften aus anderen Ländern ist mäßig. Diese bleiben oft nicht in Deutschland, wenn sie die Arbeitsbedingungen in der

(Carsten Ubbelohde)

Pflege kennenlernen und feststellen, dass sie in ihren Heimatländern ein weitaus höheres Ansehen, bessere Arbeitsbedingungen und weiterreichende Verantwortung haben. Ganz abgesehen davon, dürfte Deutschland aufgrund des rasant wachsenden Rassismus, gerade in der Welt keinen guten Leumund haben.

[Jeannette Auricht (AfD): Weil die alle hierher wollen!]

Ihrem zweiten Antrag „ein starkes Land braucht eine starke Pflege“ kann ich voll und ganz zustimmen, denn wir brauchen eine starke Pflege, um Pflegebedürftigen eine angemessene Versorgung und ein würdevolles Leben zu ermöglichen, aber was meinen Sie mit: „eine starke Pflege“? Die seit diesem Jahr geltende generalistische Ausbildung ist ein wichtiger Schritt zu einer zeitgemäßen Ausbildung von Pflegefachkräften. Sie trägt dazu bei, dass Alten- und Krankenpflegefachkräfte auf einem einheitlichen Qualifikationsniveau ausgebildet werden und sich entsprechend der Vergütung und Arbeitsbedingungen angleichen.

Und wer war gegen diese Reform? – Ja, die FDP! Sie stehen für eine Zweiklassenausbildung in der Pflege, mit der Sie die Altenpflege kleinhalten, schlechter bezahlen und weniger wertgeschätzt sehen wollen. Was wir hingegen brauchen, und wofür ich mich einsetze, sind durchlässige Ausbildungs- und Weiterbildungsstrukturen, bis hin zu Studienabschlüssen, um Aufstiegsmöglichkeiten auf allen Stufen sicherstellen zu können.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Mit den neugeschaffenen Bachelor-Studiengängen – Pflege in Berlin – ist ein weiterer Schritt getan, um die Pflege breit und professionell aufzustellen. Wir haben in Berlin sehr viele Jugendliche, die ohne Ausbildung und ohne berufliche Perspektive sind, und wir haben junge Menschen – tatsächlich, immer noch –, die in die Pflege wollen. Deshalb müssen wir Bedingungen schaffen, damit ihnen dieser Weg offensteht und sie im Pflegeberuf verbleiben können.

Ja, wir brauchen eine starke Pflege. Das bedeutet eine hochwertige Ausbildung mit Durchlässigkeit auf allen Qualifikationsstufen und der Möglichkeit von Studienabschlüssen. Eine starke Pflege bedeutet eine leistungsgerechte, tarifgebundene Entlohnung. Eine starke Pflege bedeutet auch eine Selbstvertretung durch Pflegekammern, damit der Pflege Möglichkeiten zur Vertretung ihrer Anliegen und Professionalisierung gegeben sind. Dagegen haben Sie sich als FDP deutlich positioniert.

[Thomas Seerig (FDP): Richtig!]

Ihre Anträge lehnen wir ab, da sie von der Realität überholt, widersprüchlich und nicht zielführend sind. – Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Frank Zimmermann (SPD)]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen nun zu den Abstimmungen. Zu dem Antrag der Fraktion der FDP, Drucksache 18/0630 – Futura est Cura – ein starkes Land braucht eine starke Pflege – empfehlen die Ausschüsse gemäß Beschlussempfehlung Drucksache 18/2486 mehrheitlich – gegen die Fraktion der FDP und bei Enthaltung der Fraktion der CDU sowie der AfD-Fraktion – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die FDP-Fraktion. Gegenstimmen? – Bei Gegenstimmen der Koalitionsfraktionen und Enthaltungen der CDU-Fraktion, der AfD-Fraktion sowie eines fraktionslosen Abgeordneten ist der Antrag abgelehnt.

Zu dem Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/1657 – So lässt sich die Fachkraftlücke in der Pflege schließen – empfehlen die Ausschüsse gemäß Beschlussempfehlung Drucksache 18/2490 mehrheitlich – gegen die Fraktion der FDP und bei Enthaltung der Fraktion der CDU – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die FDP-Fraktion. Gegenstimmen? – Bei Gegenstimmen der Koalitionsfraktionen, der AfDFraktion sowie eines fraktionslosen Abgeordneten und Enthaltung der CDU-Fraktion ist auch dieser Antrag abgelehnt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 10:

Langzeitarbeitslosen eine Chance auf Teilhabe geben statt Müllers „Solidarisches Grundeinkommen“

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Integration, Arbeit und Soziales vom 9. Januar 2020 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 12. Februar 2020 Drucksache 18/2487

zum Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/1601

hierzu:

Änderungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/1601-1

In der Beratung beginnt die Fraktion der CDU und hier der Kollege Schultze-Berndt. – Bitte schön!

Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Wir reden über das Prestigeobjekt des Regierenden Bürgermeisters, das Solidarische Grundeinkommen. Ich mag den Herrn Müller, er ist ein anständiger Kerl. Er ist in der falschen Partei, aber er setzt sich sehr für die Stadt ein. Ich freue mich auch, dass er versucht, mit neuen Ideen etwas nach vorne zu bringen. Das, was er sich

hier vorgenommen hat, ist bestenfalls gut gemeint, aber eigentlich irrwitzig; es geht leider völlig an den Bedürfnissen der Arbeitslosen und der Wirtschaft sowie der Stadt vorbei und verschlingt horrende Summen.

Sie werden sich erinnern: Gemeinsam mit dem DIW trat er im November 2017 als angehender Bundesratspräsident vor die Presse und verkündete, er setze sich jetzt für das Solidarische Grundeinkommen ein. Es dauerte nur Minuten, da gab es große Headlines; die Presse reagierte innerhalb kurzer Zeit sensationsheischend, und auch die sozialen Netzwerke glühten, denn alle glaubten, er hätte sich versprochen und meinte eigentlich das bedingungslose Grundeinkommen. Aber nein, er hatte einen neuen Begriff definiert, der als neuer Ansatz ein Kontrastprogramm zu Hartz IV sein soll: Arbeitslose sollen künftig gemeinnützige Arbeit in Vollzeitstellen und lebenslang leisten.

In der Anfangszeit wurde philosophiert: Was machen denn diese Menschen? – Es war die Rede davon, sie werden Netzwerkadministrator an Schulen, sie werden Hausmeister, sie gehen in Sportvereine, sie werden Mitarbeiter in der Jugendhilfe, sie erziehen und betreuen Kleinkinder, und sie werden Gärtner in den Grünanlagen für den Umweltschutz. Das war der Ausflug in die philosophische Betrachtungsweise. Was ist die Realität? – Die Menschen, die dort eingesetzt werden sollen, werden Citylotse, Schulorganisationsassistent, Kitahelfer, Quartiersläufer für Wohnungsbaugesellschaften, Quartiershelfer, Mobilitätshelfer, Lotsen im Besuchs- und Betreuungsdienst, Infolotsen für Umwelt und Bildung sowie Lotsinnen und Lotsen für Obdachlose. Keiner der Teilnehmer darf eine Tätigkeit übernehmen, für die es einen regulären Arbeitsmarkt gibt. In der Kita dürfen sie also nicht vorlesen, sie dürfen nicht vorlesen zu pädagogischen Zwecken und auch nicht zu erzieherischen Zwecken, denn das ist der Erzieherin in der Kita vorbehalten. Sie dürfen das Vorlesen aber vorbereiten.

Die zehn Tätigkeitsgebiete, die ich beschrieben habe, gibt es bei uns schon seit Jahrzehnten. Sie hießen vorher Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung oder schlichtweg Ein-Euro-Job, oder sie wurden im Bereich des öffentlich geförderten Beschäftigungssektors angeboten.

Was ist das nun für ein Projekt? – Es ist ein Projekt für fünf Jahre, bei dem 100 Prozent der Lohnkosten und weitere Leistungen übernommen werden. Man will schauen, ob die Menschen mit dem Coaching in reguläre Arbeitsfelder überführt werden können. Wenn das gelingt, dann ist das schön, wenn es nicht gelingt, dann – ich zitiere –

… gewährleistet das Land Berlin im Anschluss an die Förderung die weitere dauerhafte Beschäftigung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer …

Das heißt: Diese Menschen sind dauerhaft und für immer auf der Payroll. Dafür sind 167 Millionen Euro vorgesehen.

Wie erfolgreich ist das Projekt? – 2019 wurde es begonnen, und bis Ende des Jahres waren 48 der 1 000 Stellen besetzt. Und das ist klar: Diese Tätigkeiten wird natürlich nur von freien Trägern der öffentlichen Hand angeboten.

Von den derzeitigen Langzeitarbeitslosen in Berlin haben knapp 75 Prozent keinen Ausbildungsabschluss. Die Mehrzahl der Langzeitarbeitslosen hat multiple Vermittlungshemmnisse wie ungenügende Deutschkenntnisse, Überschuldung, Drogenprobleme oder zu betreuende Angehörige zu Hause. Einer großen Anzahl von ihnen fehlt es an der Kompetenz zur Selbstorganisation. Statt diesen Menschen zu helfen, die eben nicht sofort in Vollzeit einsteigen können, schafft die Koalition mal eben Angebote für Arbeitslose, die teilweise noch nicht einmal zwölf Monate arbeitslos waren, darüber hinaus auch arbeitsmarktnah sind und mit passgerechten Fortbildungsangeboten zu den so dringend benötigten Fachkräften weiterqualifiziert werden könnten.

Für die CDU ist klar – erstens: Wir brauchen händeringend Fachkräfte in der Wirtschaft. Lassen Sie uns die Arbeitslosen für die benötigten Tätigkeitsgebiete fitmachen, damit die vielen Tausend freien Stellen besetzt werden können!

[Beifall bei der CDU]

Für die CDU ist klar – zweitens: Wir brauchen händeringend ausreichend Kitaplätze, nicht nur für die Arbeitslosen. Es ist doch eine Schande, dass Rot-Rot-Grün es nicht schafft, dass junge Menschen wieder einer beruflichen Beschäftigung nachgehen können, weil ihre Kinder wegen Platzmangel oder Erziehermangel nicht in der Kita betreut werden können.