Protokoll der Sitzung vom 05.03.2020

[Beifall bei den GRÜNEN]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Empfohlen wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Betriebe sowie an den Hauptausschuss. – Widerspruch dazu höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Tagesordnungspunkt 36 A wurde in Verbindung mit der Aktuellen Stunde unter Tagesordnungspunkt 1 behandelt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 36 B:

2015 darf sich nicht wiederholen – unverantwortliche Kommunikation des Senats sofort einstellen

Dringlicher Antrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/2535

Der Dringlichkeit haben Sie bereits eingangs zugestimmt. In der Beratung beginnt die AfD-Fraktion. Es hat das Wort Herr Abgeordneter Bachmann. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 2015 darf sich nicht wiederholen, so lautet das Mantra deutscher Politik seit dem damals gezielt herbeigeführten Kontrollverlust.

[Beifall von Frank-Christian Hansel (AfD)]

Aktuell sehen wir jedoch Bilder von der türkischgriechischen Grenze, die uns in beklemmender Weise an die damalige Entwicklung erinnern. Wir sehen Menschen, die in zynischer Weise von dem türkischen Regierungschef Erdoğan manipuliert und instrumentalisiert werden, um Deutschland und die EU zu erpressen. Wird die Situation falsch gehandhabt, kann sie schnell eskalieren und eine gefährliche Dynamik entwickeln. Umso wichtiger ist es, dass alle politischen Akteure verantwortungsvoll und kohärent reagieren. Wirklich das Letzte, was wir in dieser Situation brauchen, sind unqualifizierte Querschüsse profilierungswütiger Berliner Provinzpolitiker,

[Beifall bei der AfD – Katina Schubert (LINKE): Was reden Sie denn da, besser die Klappe halten!]

Berliner Provinzpolitiker, die kaum, dass Erdoğan die Menschen an die Grenze gebracht hat, schon auf der Matte stehen und ihre unbegrenzte Aufnahmebereitschaft verkünden.

(Nicole Ludwig)

Wenn man aus 2015 eine Lehre ziehen kann, dann ist es doch die: Migrationspolitik ist auch ganz zentral Kommunikationspolitik, weshalb man dieses Instrument eben sehr sensibel handhaben muss. Wird unbegrenzte Aufnahmebereitschaft signalisiert, wie 2015 mit den Tweets des BAMF oder den Selfies von Frau Merkel, machen sich die Menschen auf den Weg. Wird hingegen klar vermittelt, dass keine Aussicht auf Aufnahme in dem Zielland besteht, werden die Menschen erst gar nicht aufbrechen, denn sie verhalten sich in dieser Hinsicht durchaus rational.

[Beifall bei der AfD]

Daher ist es absolut richtig, wenn Griechenland seine Grenze für uns alle schützt und die von Erdoğan gezielt befeuert Illusion einer Aufnahme in der EU widerlegt. Hierin ist sich übrigens auch die EU einig.

Im Widerspruch dazu betreibt der Senat seine eigene Asyl- und Kommunikationspolitik. Spielen wir doch mal durch, was passieren würde, wenn die von Ihnen offerierten Kontingente von der Grenzen tatsächlich nach Berlin ausreisen dürften. Die Nachricht würde sich in Sekundenschnelle über Social Media verbreiten, und binnen kürzester Zeit würde sich die fünf-, zehn- oder zwanzigfache Menge an der Grenze wiederfinden und ihrerseits Aufnahme fordern. Der Druck auf Griechenland würde massiv zunehmen und die Position des Erpressers Erdoğan gestärkt.

Die Senatorin Breitenbach hat in der Fragestunde mal wieder die Menschenrechte beschworen. Sie hat damit mal wieder eindrucksvoll bestätigt, dass sich gerade diejenigen am entschiedensten auf die Menschenrechte berufen, die deren Bedeutung und Geltungsbereiche am wenigsten durchdrungen haben.

[Beifall bei der AfD]

Frau Senatorin! Es gibt eben kein Menschenrecht auf Einwanderung in ein Zielland seiner Wahl, und wenn man längst in Sicherheit ist, wie die von der Türkei aufgenommenen Menschen, ist man auch kein Flüchtling mehr, sondern man ist ein Migrant, der aus einem sicheren Drittstaat kommt.

[Zuruf von Anne Helm (LINKE)]

Deutschland und Berlin haben ihr Soll seit 2015 mehr als übererfüllt. Deutschland hat neben Österreich und Schweden die Hauptlast innerhalb der EU getragen, und Berlin allein hat seither ca. 100 000 Menschen aufgenommen. Wir haben hier wahrlich keinen Nachholbedarf. Da Sie Fragen knapper Ressourcen prinzipiell ausblenden, bringe ich es hier als schlichte Zustandsbeschreibung: Nein, wir haben keinen Platz mehr. Es fehlen Wohnungen, es fehlen Lehrer, es fehlen Schulplätze, es fehlen Kindergartenplätze, es fehlt Kindergartenpersonal. Die Infrastruktur ist am Limit, und jetzt droht auch noch ein Konjunktureinbruch infolge des Coronavirus, womit

sich die Frage der Finanzierung der Aufnahme weiterer Menschen noch dringlicher stellt als ohnedies.

Wenn Sie tatsächlich Überkapazitäten an Unterbringungsplätzen haben, Frau Senatorin, dann können Sie einfach auf ein paar der geplanten MUFs verzichten, die in den betroffenen Nachbarschaften ohnedies vielfach auf Protest stoßen.

[Beifall bei der AfD – Christian Buchholz (AfD): Bravo!]

Der Unterschied zwischen uns und der Koalition in der Migrationspolitik lässt sich klar auf den Punkt bringen: Uns geht Hilfe vor Zuwanderung, Ihnen hingegen geht Zuwanderung vor Hilfe.

[Beifall bei der AfD – Bravo! von der AfD]

Im Gegensatz zu Ihrer völlig willkürlichen Aufnahmepolitik legen wir den Fokus auf Hilfe vor Ort, die viel wirksamer ist und viel mehr Menschen erreicht. Dies ist nicht die Stunde, um mal wieder linke Pseudomoral auf Kosten der Allgemeinheit auszuleben. Deshalb mein Appell: Leisten wir unseren Beitrag, die Krise zu lösen, indem wir die Türkei bei der Versorgung der Menschen unterstützen und indem wir in der Region Idlib eine humanitäre Schutzzone einrichten. Aber unterlassen Sie unverantwortliches Gerede ohne Rücksicht auf die möglicherweise weitreichenden Konsequenzen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD – Bravo! von der AfD]

Für die SPD-Fraktion hat das Wort Frau Abgeordnete Böcker-Giannini.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Als ich gestern den Antrag gelesen hatte, hatte ich zwei Gedanken: erstens, was für ein durchsichtiges Täuschungsmanöver oder zweitens, inhaltlich schlecht recherchiert. In der Schule würde es auf jeden Fall heißen: Sechs, setzen!

[Beifall von Ülker Radziwill (SPD) – Georg Pazderski (AfD): Da klatschen Ihre eigenen Leute noch nicht mal!]

Zu den Fakten: Sie behaupten, dass Flüchtlinge an die griechische Grenze ziehen, weil Senatsmitglieder sagen, dass wir sie aufnehmen können. Das ist schlicht falsch. Senator Geisel hat schon im September 2019 einen Antrag beim Bundesinnenminister gestellt und angekündigt, dass Berlin bereit ist, 50 minderjährige unbegleitete Flüchtlinge aus den Lagern in Griechenland aufzunehmen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Notlage ist dies ein Signal der Humanität, dringend notwendig und wohl

(Hanno Bachmann)

kaum der Grund dafür, dass sich Flüchtlinge auf den Weg Richtung EU machen.

[Beifall bei der SPD und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Der Regierende Bürgermeister, Michael Müller, und die Senatorin Elke Breitenbach haben vor ein paar Tagen bzw. heute festgestellt, dass Berlin weiterhin Menschen in Not helfen wird, falls mehr Flüchtlinge nach Berlin kommen. Berlin wird hier seiner humanitären Verantwortung gerecht.

[Beifall bei der SPD und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Die Senatorin hat auch in ihrer Rede heute daraufhin angekündigt, dass Berlin auf einen möglichen Zuzug von Flüchtlingen gut vorbereitet ist. Das gilt übrigens auch für die Bildungsverwaltung, die für die unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten zuständig wäre.

[Zuruf von Gunnar Lindemann (AfD)]

Vorbereitet zu sein, ist vor diesem Hintergrund der Szenen, die sich gerade an der griechischen Grenze abspielen, die Aufgabe der Verwaltung. Nebenbei gesagt, ist der Staat auch dazu verpflichtet, diese Aufgabe zu erfüllen. Das wird umgesetzt. 2 000 Plätze stünden dafür dann sofort zur Verfügung. Zusätzliche Liegenschaften könnten ertüchtigt werden. Auch das ist also nicht der Grund für die Flüchtlinge an der türkisch-griechischen Grenze.

Ich würde sagen, Sie erzählen mit Ihrem Antrag mal wieder Ihre eigene Wahrheit. Sie ignorieren dabei die weltpolitische Gemengelage und überschätzen die Reichweite unseres Senats. Richtig ist nämlich, dass die türkische Regierung Flüchtlinge als Faustpfand gegen die Europäische Union einsetzt mit dem Ziel, ihre geostrategischen Ziele in Syrien und Libyen durchzusetzen. Das ist verwerflich und, um es klar zu sagen, unmoralisch und perfide.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Genau deshalb sind gerade so viele Menschen an der griechischen Grenze und hoffen auf ein besseres Leben in der Europäischen Union.

[Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Das steht so aber natürlich nicht in Ihrem Antrag; noch so ein Täuschungsmanöver.

Über 40 000 Menschen sitzen derzeit in überfüllten griechischen Lagern fest. Sie haben keinen Schutz, keinen Zugang zu gesundheitlichen Leistungen, keine Chance auf Bildung. Da können wir in Berlin nicht tatenlos zusehen. Ich bin deshalb froh, dass sich Berlin gemeinsam mit vielen anderen Bundesländern bereit erklärt hat, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen. Für Berlin gilt: Wir stehen zu unserer Verantwortung als sicherer Hafen ebenso, wie zu unseren Ver

pflichtungen aus dem Netzwerk „Solidarity Cities“. Berlin bietet Geflüchteten Schutz und eine Lebensperspektive. Dafür stehen wir auch in der rot-rot-grünen Koalition. Die Entschließung lehnen wir deshalb ab. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die Fraktion der CDU hat das Wort Frau Abgeordnete Seibeld.