aber Sie müssen es bitte auch tun, denn es geht um Zehntausende wirtschaftliche Existenzen in Berlin.
[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP – Frank-Christian Hansel (AfD): Hunderttausende!]
Was für die gebeutelten Berliner Betriebe gilt, gilt auch für viele Familien. Wann öffnen die Kitas und die Schulen wieder? – fragen sie uns. Momentan lastet viel auf den Schultern der Eltern: ihre eigene Arbeit im Homeoffice, die Betreuung ihrer Kinder, die Beaufsichtigung der online übersandten Schulaufgaben. Das ist ja nicht nur eine Beaufsichtigung, sondern es geht auch um das Erklären – im Grunde um das Unterrichten der eigenen Kinder. Wer wie ich eigene Kinder hat, der weiß, dass es nicht immer einfach ist, sie zum konzentrierten Lernen anzuhalten. Insbesondere viele Alleinerziehende gehen sprichwörtlich auf dem Zahnfleisch.
Auch hier gilt: Perspektiven schaffen – nicht überstürzt, mit Augenmaß, vorsichtig und auf der Grundlage der sich weiterentwickelnden wissenschaftlichen Erkenntnisse – und diese klar kommunizieren. Wenn wir verlässliche Perspektiven schaffen, dann erhalten wir die Bereitschaft zum Durchhalten und zum Infektionsschutz, und darauf kommt es an.
Herr Kollege Dregger, ich darf Sie fragen, ob sie eine Zwischenfrage des Kollegen Buchholz von der SPDFraktion zulassen.
Nein, keine Zwischenfragen. Ich möchte im Zusammenhang ausführen. – Noch etwas können wir aus dieser Krise lernen: Wie häufig haben wir darüber diskutiert, was alles systemrelevant ist? – Systemrelevanz ist kein schönes Wort, denn dahinter stehen Menschen. Wir haben schon die Lieferketten für die Versorgung der Bevölkerung mit dem Lebensnotwendigen als systemrelevant definiert, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Si
cherheit und Ordnung und selbstverständlich die sogenannten kritischen Infrastrukturen und die Grundversorgung.
Das alles ist richtig, aber in dieser Coronakrise ist nochmals sehr deutlich geworden, dass in einer Metropole wie Berlin auch unsere Kitas systemrelevant sind.
Sie sind systemrelevant, weil unsere Kinder in unseren Kitas das richtige Sozialverhalten lernen, weil unsere Kinder in unseren Kitas auf die Schule vorbereitet werden und in vielen Fällen auch altersgerecht sprechen erlernen. Sie sind systemrelevant, weil sie uns die Vereinbarung von Beruf und Familie ermöglichen – gerade in der Krise wichtig, wenn es darum geht, die Arbeitsplätze zu erhalten, die gefährdet sind. Wir erkennen, dass ohne Kitas in der modernen arbeitsteiligen Welt auf Dauer kein Vollbetrieb möglich ist. Wertschätzung ist auch eine Frage des Geldes, aber nicht nur eine Frage des Geldes. Daher muss unseren Erzieherinnen und Erziehern zukünftig noch mehr als bisher unser Augenmerk gelten. Schließlich vertrauen wir ihnen unsere Kinder an, und das ist das Wertvollste, was wir haben.
Zusammenfassend: Lassen Sie uns weiterhin den Infektionsschutz gewährleisten! Lassen Sie uns aber auch auf der Grundlage der stetig wachsenden wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Coronapandemie die bestehenden Einschränkungen behutsam und verantwortungsvoll lockern! Geben wir den Menschen mit ihren Sorgen eine verlässliche Perspektive – dem um seine wirtschaftliche Existenz ringenden Gastwirt genauso wie den Eltern mit ihren Kindern. Dann haben wir alle Grund zu Mut und Hoffnung. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! So hätte es passieren können: Zahlen wachsen galoppierend exponentiell in den letzten Wochen. Wir hätten jetzt über 100 000 Infizierte allein in Berlin und nicht bundesweit, wie es momentan der Fall ist. Wir hätten allein in Berlin über 10 000 Intensivfälle in unseren Kliniken. Wir hätten zum jetzigen Zeitpunkt um die 2 000 Tote durch Corona. Wir hätten Leichensäckestapel, die noch leer, teilweise leider aber auch gefüllt sind, auf dem Coronamessegelände. Die überfüllten Intensivstationen wird es auch in Berlin gegeben. Jeder Fahrradunfall wäre zum Lebensrisiko geworden, jedes Herzleiden, jeder Krebs erst recht. Medizinisches Perso
nal wäre ausgelaugt und am Ende der Erschöpfung. Wir hätten eine Zwangsrekrutierung von Pflegefachkräften und Ärzten nach weiteren Novellen des Infektionsschutzgesetzes, das Ausrufen des Katastrophenfalls in Berlin und anderen Ländern, die Triage nach Alter und Vorerkrankungen, die Diskussion über Lebenswertigkeit. – Dieses hätte passieren können, hätten wir nicht alle gemeinsam – Parlament, Stadtgesellschaft und Senat – gehandelt, hätten wir nicht dem vorsorgenden Gesundheitsschutz den Raum gegeben, der in dieser Situation notwendig war.
Ich glaube, wir haben zu Recht ein Danke an die Stadtgesellschaft zu geben. Wir haben bisher Glück gehabt, aber auch viel Disziplin. Derzeit reden wir von 1 000 Menschen im Krankenhaus, nicht von 20 000. Wir reden von 140 Toten. Wir haben Glück gehabt und viel Disziplin. Deswegen der Dank an alle Berlinerinnen und Berliner für das Einhalten dieser Kontaktregeln! Trotz Angst vor Jobverlust, trotz Angst vor der finanziellen Zukunft, trotz Angst um die eigene Gesundheit und trotz der Ungeduld gab es viel Verständnis von allen Seiten für die Maßnahmen, die der Senat ergriffen hat – wie auch für die neue Maskenpflicht.
Doch das Virus ist tückisch und gefährlich. Wir brauchen den langen Atem. Auch die nächsten Monate werden hart bleiben. Wir wissen das, und wir wünschen uns alle, es käme nicht so. Aber danach schaut es derzeit leider nicht aus. Ein Aufatmen, es wäre alles vorbei, ist derzeit leider nicht möglich. Genau deshalb der besondere Dank von diesem Hause an die Heldinnen und Helden des Alltags im Supermarkt, in der Klinik, bei den Postbotendiensten, bei den Lehrerinnen und Lehrern, bei den Notkitabetreuerinnen, bei den Busfahrern und mehr, die Angst um ihre eigene Gesundheit haben, aber täglich pflichtbewusst ihren Dienst ausüben. – Herzlichen Dank an Sie alle von uns allen!
Unser Dank geht auch an diejenigen, die Berlin – wie andere Städte auch – nach dem Krieg und in der Wirtschaftswunderzeit aufgebaut haben und sich jetzt leider zu Hause oder in Pflegeeinrichtungen so gut wie möglich freiwillig isolieren sollen. Sie tun das oftmals auch mit Angst um sich und ihre Liebsten.
Ja, es könnte schlimmer sein: Pest, Cholera, Ebola, Atomkatastrophen, Meteoriteneinschläge, Hochwasser, Fluten. Es könnte schlimmer sein. Die Szenarien liegen beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz vor. Aber Corona ist nicht ohne. Und genau deswegen müssen wir den Schutz der vulnerablen Gruppen – bei Beibehaltung der Kontaktverfolgungsmöglichkeiten – in den Vordergrund stellen. An dieser Stelle auch ein herzlicher Dank
an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gesundheitsämter, die eine hervorragende Arbeit für uns alle leisten.
Und ein Dank an die Expertinnen und Experten der Wissenschaft, an Herrn Prof. Drosten von der Charité, Herrn Wieler vom RKI, an die WHO, welche einen klaren wissenschaftlichen Orientierungsrahmen geben, der für uns handlungsleitend ist und sein muss.
Und ein Dank an den Berliner Senat, der unser Vertrauen bisher verantwortungsvoll genutzt hat, mit Rechtsverordnungen die akute Krise abzuwenden. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass wir dieses Vertrauen einer Exekutive auch zur Stabilisierung eines Status quo per se geben. Deswegen ist es richtig, dass wir die Rechtsverordnung in dieses Haus zurückgeholt haben. Denn nur das Parlament hat die Aufgabe, die Güterabwägung, über die wir reden werden und über die wir weiterdiskutieren müssen, vorzunehmen.
Es gibt dort zwei Dinge, die aus meiner Perspektive im Moment im Vordergrund stehen: Das eine ist die Stärkung des gesellschaftlichen und parlamentarischen Diskurses, und zwar faktenorientiert und ausgehend von wissenschaftlichen Szenarien. Zweitens müssen wir zeigen, dass die Demokratie lebt und dass trotz einer lebenden Demokratie externe Bedrohungen und Gefahren, wie die durch dieses Virus, effektiv abgewendet werden können – auch in den nächsten Monaten, die vermutlich lange Monate sein werden.
Genau deswegen, insbesondere liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, lassen Sie mich ganz klar sagen, was wir nicht brauchen: Wir brauchen keine Kakophonie und quasi willkürliche Ministerpräsidentenshows à la Söder und Laschet.
Der Kampf um die Kanzlerkandidatur der CDU darf nicht mit Corona als Waffe ausgetragen werden. Auch Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Berliner CDU, sollten hier mit Demut voranschreiten und sich nicht mit immer neuen Vorschlägen an die Spitze eines populistischen Überbietungswettbewerbs setzen, wie Sie es eben getan haben, Herr Dregger.
Ich möchte nicht verhehlen: Mir persönlich gehen die Lockerungen an einigen Stellen aus epidemiologischer oder gesundheitspolitischer Sicht – aufgrund der Beratung, die wir hinzugezogen haben – viel zu schnell.
Wir müssen zunächst die Effekte abwarten, Herr Dregger, bevor Maßnahmen, die auch Sie vorgeschlagen haben, hier überhaupt diskursfähig sind. Vorher möchte ich wissen, was die Effekte der jetzt eingeleiteten Maßnahmen sind.
Gucken Sie in die Berichte der Medien, wie heute im „Tagesspiegel“! Gucken Sie sich die Berichte der wissenschaftlichen Institute der letzten Tage an! Dann sehen Sie genau, dass wir beispielsweise mit der Schule einen Ort schrittweise wiedereröffnet haben, der im Hinblick auf die Reproduktionszahl des Virus oder auf die Anzahl der Neuinfektionen – je nachdem, was Sie als Messlatte nehmen – und damit die Krankheitslast, die wir zu bewältigen haben, sehr problematisch sein kann. Wir dürfen hier keinen Schritt zu früh machen, sondern wir müssen gemeinsam, orientiert an den Zahlen – und nicht nach politischem Opportunismus – die nächsten Schritte einleiten, lieber Herr Dregger.
Nein! – Wir haben das beispielsweise auch bei den Schulen sehr kritisch gesehen. Wir sehen die Kraft des Parlaments, der Fraktionen, der Parteien bei der Güterabwägung, die wir vornehmen müssen. Wir haben bei den Schulen jetzt das Notabitur gemacht, weil wir von der KMK mehr oder weniger gezwungen wurden, diese Ungleichheit für unsere Schülerinnen und Schüler zu vermeiden und ein hochwertiges Abitur zu ermöglichen. Das betrifft auch die Abwägung, die wir erfolgreich bei der Frage des mittleren Schulabschlusses getroffen haben, um unnötige Prüfungen und unnötige Beschulungen zu reduzieren. Ich darf auch daran erinnern, dass Kitapersonal und Lehrkräfte teilweise Angst um ihre eigene Gesundheit haben. Deswegen haben wir hier Schutznormen, wo die Leute von der örtlichen Anwesenheit des Unterrichtens in der Schule freigestellt sind. Wir müssen diese Angst auch wahrnehmen, genauso wie die epidemiologische Last, die durch Kitas und Schulen zurückschwappt. Da gibt es keine Schnellschüsse, so schön es auch wäre, hier schnell Normalität zu haben.
Überhaupt würde ich gerne wissen, wie wir künftig die Kontrolle im Gesundheitsausschuss und auch hier im Plenum weiter ausbauen. Innen- und Gesundheits
ausschuss haben ja kontinuierlich getagt, wir haben uns auch über die Rechtsverordnung unterhalten. Aber ich wüsste sehr gern von der Verkehrsverwaltung, wie das Hygienekonzept im Detail für U-Bahnen und Busse aussieht,
ich wüsste gern von der Jugendverwaltung kontinuierlich, wie die Konzepte für die Kitas aussehen. Ich wüsste von der Sozialverwaltung gerne, wie es bei Behinderten- und Sozialeinrichtungen ist. Ich wüsste von der Arbeitsverwaltung gerne, wie diese u. a. mit sicherstellt, dass die Arbeitsschutznormen des Bundesarbeitsministers
hier in Berlin konkret umgesetzt werden, und ich wüsste von der Wirtschaftsverwaltung gern, wie die notwendigen Pflichten, die wir auferlegt haben, auch zum Maskentragen, in Detailkonzepten im Handel umgesetzt werden, und ich wüsste gern, wie wir insgesamt als Parlament, dieses koordinierend, zu einem richtigen Controlling und Berichtswesen kommen, dass es uns ermöglicht, dann auch juristisch nachzusteuern.
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Bravo, wir auch! Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]
Wir haben morgen den Tag der Arbeit. Diese Coronakrise zeigt: Wir brauchen eine Reanimation des Sozialen in der gesamten Gesellschaft und auch im Gesundheitswesen. Genau deswegen danke ich der Bundesregierung,