Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Verehrte Berliner! Die AfD fordert seit Langem eine Beendigung des Shutdown und der damit verbundenen Kitaschließungen. Der Antrag der FDP geht daher in die richtige Richtung.
Der Shutdown schadet nicht nur massiv der Wirtschaft, nein, er geht auch schwer auf das Gemüt, also das Seelenleben jedes Einzelnen. Das Empfinden ist bei vielen von Sorgen und Angst geprägt. Bedrohung durch Arbeitslosigkeit, finanziellen Schwierigkeiten, Kurzarbeitergeld, Gehaltsverzichtserklärungen – Zukunftsängste, wohin man schaut. Damit schlägt der gesellschaftliche Stillstand auch auf das Gemüt der Wehrlosesten und Verletzlichsten in unserer Gesellschaft, auf unsere Kleinsten.
Erst im Rückblick werden wir wissen, welche Maßnahmen zur Bekämpfung von Covid-19 die richtigen waren. Wie so oft scheint die öffentliche Debatte von der Regierung und ihren Medien dominiert. Worte vorsichtiger Kritik am nicht exakt geradlinigen Regierungskurs werden mit einer neuen Keule namens „Öffnungsdiskussionsorgien“ plattgehauen.
Doch es gab Lichtblicke. So berichtete die „Berliner Morgenpost“ am 27. April über die Arbeit des Direktors des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Prof. Püschel. Überschrieben war der Artikel – ich zitiere mit Erlaubnis –:
„Auch der bislang jüngste mit Covid-19 infizierte Verstorbene, ein 31-Jähriger, hatte eine metastasierende Krebserkrankung und stand unter Chemotherapie“, erklärt Püschel.
Diese Mediziner empfiehlt, die Isolierung der Menschen zurückzufahren und auch Kitas wieder zu öffnen.
Der Antrag der FDP beschäftigt sich genau damit. Wie im Antrag halten auch wir eine schrittweise Öffnung der Kitas für möglich und dringend nötig. Die AfD-Fraktion hat aber mehr Vertrauen in die Expertise der Kitaleitung und Pädagogen als die FDP. Wir sind erstaunt, wie sehr eine angeblich freiheitliche Partei bis auf das kleinste Detail Gruppenzusammensetzungen und andere organisatorische Hürden den Profis abnehmen möchte.
Ich bin direkt froh, dass die Bring- und Abholzeiten nicht noch in tabellarischer Form aufgelistet wurden.
Nicht nur eine Augenbraue ging bei mir hoch, als ich las, wie die Partei der angeblichen Freiheit völlig unfrei mit den von Eltern gezahlten Essensgeldern umgehen möchte. So geht das unserer Meinung nach nicht. Umgehauen hat mich auch, dass die FDP Eltern für nicht kompetent genug hält, ihre eigenen Kinder zu betreuen und ihnen vorschulische Bildung zukommen zu lassen, wie es in der Begründung des Antrages steht.
Es ist ein sehr erstaunliches Elternbild. Die AfD, als bürgerlich konservative Kraft, hat deutlich mehr Vertrauen zu den Eltern und versteht, dass die Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und zuvörderst die obliegende Pflicht ist. Wir setzen uns auch in Krisenzeiten daher für die Wahlfreiheit der Eltern bei der Erziehung der Jüngsten ein, und da mögen doch bitte alle Eltern selbst entscheiden, ob sie den eigenen Nachwuchs zu Hause betreuen, in der Kita oder bei Tagesmüttern und -vätern.
[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) – Frank-Christian Hansel (AfD): Richtig!]
Richtig ist natürlich die Aufforderung an den Senat, das weitere Vorgehen beim Thema schrittweise Öffnung der Kitas nachvollziehbar und zeitnah zu kommunizieren.
Abzuwarten, bis Frau Merkel ihre Fahne in den Wind von Umfragewerten hängt oder auch die Bundesfamilienministerin, um den Landesfürsten Weisungen zu erteilen, können wir uns wirtschaftlich und um des Seelenfriedens aller nicht leisten. Lassen Sie uns alle diesem Antrag zustimmen, auch wenn nicht alle Punkte im Antrag ganz schlüssig oder bereits überholt sind. Lassen Sie uns ein Zeichen setzen für all die Eltern und Kinder da draußen, die endlich wieder das Leben normaler gestalten wollen oder müssen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen in allen Ecken des Hauses! Ich kann mich dem Kollegen Langenbrinck eigentlich nur anschließen. Ich weiß nicht, wie viele Aluhüte Sie heute wieder übereinander tragen. Ich weiß auch nicht, in welchem Europa oder in welcher Welt Sie leben, aber wenn Sie ein paar Türen weiter gucken, sehen Sie doch die Ergebnisse von dem, dass zu spät gehandelt wurde. Da sind es nicht nur die Personengruppen, die Sie genannt haben, sondern Tausende, Zehntausende Menschen, die zu Tode kommen oder auch langfristig sehr stark erkrankt sind. Das heißt, dass wir als Koalition und wahrscheinlich auch die anderen Fraktionen im Haus außer Ihnen Solidarität mit allen üben, die zu Risikogruppen gehören, und anderen, die gefährdet sind. Deswegen waren die Entscheidungen, die getroffen wurden, richtig und wichtig.
Der vorliegende Antrag steht symbolisch für diese etwas schrägen Zeiten, in denen wir leben. Er spricht ein Problem an, schlägt Fragwürdiges vor und ist bei der Befassung schon völlig überholt. Eigentlich hätten Sie das Ding einfach zurückziehen können, denn der Betrieb in den Berliner Kitas wurde mit den Regelungen für den 27. April massiv für die Berliner Eltern ausgeweitet. Herzlichen Dank an alle, die in der Tagespflege, in den Kitas, in den Schulen und in der Verwaltung die Notbetreuung unserer Kids ermöglichen!
Wir Grünen wie diese Koalition stehen für eine schrittweise Öffnung der Einrichtungen unter Beachtung des Infektionsschutzes. Hygienestandards und Abstandsregeln sind in Kitas mit kleinen Kindern nicht sinnvoll einzuhalten. Deshalb können die Kitas auch nicht von heute auf morgen vollständig geöffnet werden. Schließlich muss auch der Schutz der Beschäftigten gewährleistet werden. Angesichts der Risikogruppen unter den Beschäftigten wird eine Vollauslastung absehbar schwer möglich sein.
Wir unterstützen ein regelmäßiges Screening von Erzieherinnen und Erziehern und die Erstellung von Studien zur Verbreitung des Virus in Kindertagesstätten und unter jüngeren Kindern. Hier brauchen wir dringend belegbare
Fakten, um unser Handeln zielgenauer steuern zu können. Wichtig sind perspektivische Entlastungsmöglichkeiten für alle Familien, zuerst für Familien in Not, gemeinsam mit den Kitas und anderen Jugendhilfeträgern. Die Angebote sollten entweder eine körperliche Distanz ermöglichen oder feste Gruppen, sodass Infektionswege nachvollzogen werden können. Kinder und Jugendliche brauchen Freiflächen zum Spielen, Toben und Bewegen. Viele Familien haben keine große Wohnung mit vielen Zimmern. Viele leben auf engem Raum. Deshalb ist der Umgang mit Familien unter Corona eine große soziale Frage. Ich weiß, wie es sich anfühlt, seit Wochen das Mehrfache an Last zu tragen. Allen Familien herzlichen Dank!
Familien brauchen Platz, wenn schon nicht in den eigenen vier Wänden, dann wenigstens draußen an der Luft. Drei Vorschläge von uns dazu:
Erstens: temporäre Spielstraßen einrichten. Durch den Rückgang der Verkehrslast in den Kiezen ist es möglich, kleinere Straßenabschnitte als temporäre Spielstraßen gemeinsam mit den Anwohnerinnen und Anwohnern zur Verfügung zu stellen. Unter Berücksichtigung des Abstandsgebots stünden hier Familien mit Kindern und Jugendlichen weitere Räume an frischer Luft zur Verfügung. In Friedrichshain-Kreuzberg haben sich hierzu schon Bürgerinnen und Bürger mit dem Bezirksamt vernetzt und Vorschläge gemacht. Dafür herzlichen Dank! Sie können uns Grüne an ihrer Seite wissen.
Zweitens: die Nutzung von Kinder- und Jugendeinrichtungen für Familien. Viele Einrichtungen stehen noch leer. Deshalb sollten diese Orte zumindest unter Berücksichtigung der Hygienebedingungen mit festen Gruppen wieder umfassend genutzt werden können – vormittags für kleine Lerngruppen in Kooperation mit den Schulen und nachmittags für Großfamilien. Hier sind viele sinnvolle Varianten denkbar. Teilweise geschieht das schon.
Drittens: Ferienangebote für Kinder, Jugendliche und ihre Familien. Der Sommer wird lang und heiß. Insbesondere Familien, in denen Eltern ihre Arbeit verloren haben oder in Kurzarbeit sind, werden starken Bedarf an Angeboten der Jugendhilfe haben, aber auch an Angeboten der Schulen. Hier bietet das Jugendfördergesetz, das wir im Haus durchgebracht haben, endlich Rahmenbedingungen. Freizeitangebote in den Ferien sind ebenso wichtig wie Förder- und Lernangebote an Schulen, um Lerninhalte aufzufangen und zu intensivieren. Diese Angebote müssen aber freiwillig erfolgen, denn eine Verkürzung der Sommerferien lehnen wir entschieden ab, werte CDU!
Die Coronakrise ist eine Krise für Familien. Wohnungslosigkeit wird zunehmen, oft auch die Suche nach neuen Jobs. Insbesondere die Alleinerziehenden werden auf
gezielte Entlastungsangebote angewiesen sein. In den Bezirken entwickelte sich in den letzten Jahren eine Vielzahl von Strukturen der Familienförderung. Um diese Strukturen zu festigen, fehlen aber eine dauerhafte finanzielle Basis und ein gesetzlicher Rahmen mit verbindlichen Standards. Also appelliere ich an uns alle: Lassen Sie uns das Familienfördergesetz noch vor Ablauf der Legislaturperiode mit Leben füllen und den Familien die Sicherheit geben, dass sie auf uns zählen können! Das sind wir Ihnen schon lange schuldig, jetzt aber mehr denn je. – Vielen Dank, und bleiben Sie gesund!
Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Vorgeschlagen wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie. – Widerspruch hierzu höre ich nicht. Dann verfahren wir so.