Protokoll der Sitzung vom 04.06.2020

Dieses Gesetz verhindert nicht Diskriminierung, es befördert sie geradezu, und es spaltet unser Land und unsere Gesellschaft. Ich fordere Sie daher auf, auch in der namentlichen Abstimmung deutlich zu zeigen, wo Sie stehen. – Vielen herzlichen Dank!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) – Gunnar Lindemann (AfD): Bravo! – Torsten Schneider (SPD): Dadurch hat jetzt die Rede des Fraktionsvorsitzenden der CDU eine Aufwertung erfahren!]

Jetzt hat für die Fraktion Die Linke Herr Schatz das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Nach diesem Ausfall eben bin ich stolz darauf, mit einem „Black-Lives-Matter“-Sticker hier vor Ihnen zu stehen.

(Marc Vallendar)

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ich finde, diese Rede eben war beschämend und dieses Hauses unwürdig, aber die Entscheidung darüber werden die Wählenden bei der nächsten Wahl sicher fällen.

Lieber Herr Dregger! Ich will gerne darauf eingehen, weshalb wir finden, dass dieses Gesetz notwendig ist. Ich will mich eines Satzes, einer Formulierung aus Ihrer Rede bedienen: Sie sagten, der Mensch im Görlitzer Park war – Zitat: – „erkennbar afrikanischen Ursprungs“. Aus zwei Gründen ist das, finde ich, eine rassistische Zuschreibung.

[Lachen bei der AfD – Georg Pazderski (AfD): Also wirklich!]

Sie werden mit mir nicht ernsthaft in die Debatte gehen, dass Willem de Klerk ein Afrikaner ist – ein weißer Afrikaner. Was Sie meinen, war ein Menschen anderer Hautfarbe, schwarzer Hautfarbe. Und das in diese Zuschreibung zu bringen, finde ich, zeigt ein Vorurteil, einen Umgang mit einem Vorurteil, über den wir tatsächlich ins Gespräch kommen müssen. Deshalb ist dieses Landesantidiskriminierungsgesetz notwendig.

[Zuruf von Franz Kerker (AfD)]

Es zerrt eben nicht, wie Sie gesagt haben, jeden Menschen vor Gericht, der diskriminiert, sondern macht einen Algorithmus auf, wo es um Vorurteile geht, um diskriminierende Äußerungen, mit denen Menschen herabgesetzt werden. – Keine Zwischenfragen, vielen Dank!

[Franz Kerker (AfD): Feigling!]

Ich glaube, genau deshalb ist dieses Gesetz notwendig, und Sie haben es hier noch mal illustriert.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Im Übrigen bin ich der Meinung – das hätten Sie sicherlich auch noch zu Ende erzählen können –, dass die polizeiliche Maßnahme durch diesen Vorwurf dieses Menschen sicher nicht beendet war. Insofern ist es Quatsch, dieses Argument hier vorzubringen. Wer einer polizeilichen Maßnahme unterliegt, der wird dieser unterliegen, und alles andere wird dann im Nachhinein geklärt werden.

Ihre Glaubwürdigkeit will ich insofern infrage stellen, als ich mich gut daran erinnere, dass wir hier vor einem Jahr oder anderthalb eine Debatte geführt haben über die Aufklärungsbroschüre zum Umgang mit Differenz an der Kita. Ich hatte hier damals das Kinderbuch „Der Hase mit der roten Nase“ zitiert, das in diesem Materialkoffer drin war. Ihre Fraktion hatte beantragt, das alles bloß aus den Kitas herauszuholen, weil das ganz schlimm wäre und die Kinder verderben würde. Ich glaube, es ist sinnvoll, Umgang mit Differenz sehr frühzeitig zu lernen, so wie Sie in hier am Anfang Ihrer Rede erwähnt haben, Herr Dregger.

[Georg Pazderski (AfD): Wie viele Kinder haben Sie denn?]

Herr Pazderski, nun beruhigen Sie sich doch. Es ist doch in Ordnung. Ganz ruhig; Baldrian.

[Georg Pazderski (AfD): Redet über Kinder wie der Blinde von der Farbe! So einfach ist das!]

Sicherlich habe ich von Kindern keine Ahnung. – Es mag Ihnen ja irgendwie merkwürdig vorkommen, aber auch Menschen wie ich, die schwul sind, leben in Familien.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Ich kenne Kinder, ich habe in meiner Familie Kinder und habe sogar Umgang mit Kindern. Das mag für Sie erschreckend sein. Meinen Neffen und Nichten lieben mich als ihren Onkel, weil ich ein Netter bin.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Insofern will ich einfach noch mal vier Punkte zu diesem Gesetzentwurf sagen: Hier ist vorgetragen worden, es wäre unnötig, weil es eine Verfassungsbestimmung gebe, und damit wäre alles geklärt. – Artikel 3 unseres Grundgesetzes sagt seit 1949: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ – Noch vor Kurzem hat die Kollegin JasperWinter nach dem Gender-Pay-Gap in der Berliner Verwaltung gefragt – noch vor Kurzem. Es steht doch in der Berliner Verfassung; der Verfassungsgrundsatz wird nicht umgesetzt? – Na, Mensch, fällt Ihnen was auf? – Ich glaube: Ja. Wir müssen hier was tun, wir sind in der Umsetzungspflicht.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Zweitens: Es gäbe keine Lücke, mit dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz ist alles geregelt. – Naja, ich sage mal: Das ignoriert die föderale Ordnung unseres Landes. Das Allgemeine Gleichstellungsgesetz gilt eben nur für den Bereich des Privatrechts und für die Arbeitswelt – das Arbeitsrecht ist gut –, aber nicht für den öffentlichrechtlichen Bereich. Ich finde, das ist nicht richtig. Wir müssen hier endlich Rechtssicherheit für Menschen schaffen, die diskriminiert werden. Die gibt es. – Zahlen darüber, Herr Dregger, gibt es genug, Frau Kitschun hat darauf hingewiesen, von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Aber es gibt hier von genug Antidiskriminierungsverbänden Zahlen. Ich verweise beispielsweise auch auf die Situation von Schülerinnen und Schülern an der Berliner Schule – da gab es erst wieder kürzlich eine aktuelle Studie, die Diskriminierungserfahrungen aufgrund geschlechtlicher Identität oder sexuelle Orientierung untersucht hat. Auch da gibt es viele Diskriminierungserfahrungen, und auch das ist ein staatlicher Bereich. Deshalb werden wir dieses Gesetz machen, und ich finde, das ist auch gut so.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Drittens: Uns wird hier vorgeworfen: Jetzt kann ja jeder kommen und mit dem Verweis „Oh, ich fühle mich diskriminiert“ staatliches Handeln einschränken. – Das ist Unsinn. In dem Gesetz ist, wie ich vorhin gesagt habe, ein Algorithmus vorgesehen, wie das handhabbar gemacht wird. – Und ja, mit der Vereinbarung zwischen dem Land und dem Hauptpersonalrat geben wir allen Beschäftigten Sicherheit, weil wir miteinander lernen, mit einer Gesellschaft, in der Diskriminierung vorkommt, umzugehen. Wir werden sie nicht abschaffen, wir werden umgehen damit. Wir werden alle miteinander lernen. Und das ist genau der Punkt, denn ein Verbot an sich reicht nicht; wir müssen es handhabbar machen und müssen Menschen einen Weg aufzeigen, diskriminierendes Verhalten zu verändern.

Viertens: Sie haben uns eine Klageflut prophezeit, eben war auch wieder von den Verbänden die Rede, die sich eine goldene Nase verdienen, weil sie diese Klagen alle begleiten. Ich finde, das läuft am Thema vorbei. Klagefluten wurden beim Allgemeinen Gleichstellungsgesetz, beim Landesgleichstellungsgesetz, beim Gesetz zur Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderung behauptet – gekommen ist eine Klageflut nie. Weil es übrigens die Anzuhörenden von der Deutschen Polizeigewerkschaft auch in der Anhörung gesagt haben: 2017 25 Beschwerden aufgrund von Diskriminierung, davon sind drei anerkannt worden. Ich finde, das ist ziemlich weit weg von einer – behaupteten – Klageflut.

Sie haben weiterhin hier vorgetragen: Wenn es keine Regelungsgrundlage gebe, weil kein Problem bestehe, dann würde sozusagen kein Gesetz gemacht werden. – Ich kann mich gut erinnern – –

[Zuruf]

Das unterliegt nicht Ihrer Beurteilung, wann ich aufhöre. – Ich kann mich gut erinnern: 1994 bei der Reform des Sexualstrafrechts, damals unter der Bundesregierung von Schwarz-Gelb, hatte einer der Anzuhörenden, und zwar der Sachverständige vom BKA, darauf hingewiesen, dass ein mit der neuen Formulierung pönalisierter Bereich überhaupt nicht erforscht sei: ob das gesellschaftlich schwere Auswirkungen haben könnte. – Das hat Ihre Vertreterinnen und Vertreter damals im Bundestag überhaupt nicht angetastet. Das wurde einfach so gemacht. Insofern kommen Sie doch jetzt nicht mit diesem Vorwurf um die Ecke! Der hat Sie damals nicht interessiert, warum heute? – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Für eine Zwischenbemerkung der AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Woldeit das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Herr Schatz! Wenn dieses Gesetz doch nur all diese positiven Merkmale in sich bergen würde! Versuchen Sie mir doch einmal zu erklären, warum die Deutsche Polizeigewerkschaft, der Bund der Kriminalbeamten, der Verein Unabhängige in der Polizei und zuletzt auch die GdP, der Hauptpersonalrat und der Gesamtpersonalrat der Polizei, alle Interessenvertreter der Berliner Polizei, gegen dieses Gesetz sind! Alle.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Sie nehmen diese Sorgen auch gar nicht ernst, das kann ich Ihnen beweisen: Sie haben von Ihren fünf Minuten gerade drei Minuten dafür vergeben, über ein Sexualstrafrecht aus dem Jahr 1994 zu sprechen, Gender-Pay-Gap, dem Kollegen Dregger Rassismus vorzuwerfen, weil er von einem schwarzafrikanischen Drogendealer gesprochen hat – auch interessant.

[Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Das hat er nicht gemacht! – Anne Helm (LINKE): Nein, das hat er nicht! – Zuruf von Sebastian Walter (GRÜNE)]

Sie reden von einer Kitabroschüre, und Sie behaupten, jede Form der Kritik, die man hier äußert, sei Unsinn. Herr Schatz! Es ist kein Unsinn, es ist zwingend notwendig, dass wir diese Kritik äußern, und es wäre noch notwendiger, dass wir dieses Gesetz in die Mülltonne werfen, denn nur da gehört es hin.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) – Zuruf von Anne Helm (LINKE)]

Sie sprechen mantraartig von einer bundesrechtlichen Lücke, die geschlossen werden muss. Auch das ist vollkommener Blödsinn. Die Notwendigkeit besteht nicht. Der haben Sie übrigens gerade auch widersprochen, gemäß der Anhörung 25 Verdachtsfälle, drei bestätigt in Form eines eventuellen Rassismusverdachts. – Kein anderes Bundesland außer Berlin will solch ein Gesetz verabschieden. Wenn kein anderes Bundesland das will und der Bundesinnenminister es ablehnt, alle Polizisten sagen: „Wir wollen das nicht“, andere Länderpolizeien sagen: „Wenn das Gesetz kommt, schicken wir keine Beamte mehr nach Berlin“ – in eine Stadt mit 4 000 Demonstrationen pro Jahr –, dann ist das definitiv eine notwendige Kritik.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Sie zeigt auf, dass Ihr Gesetz von Polizeihass durchsetzt ist. Und warum ist das so? – Noch in der letzten Legis

(Carsten Schatz)

laturperiode hat Ihr Justizsenator ganz offen gezeigt, wo er steht. Der Tweet ist bei Twitter immer noch sichtbar. Er beklagte sich als Abgeordneter dieses Hauses, dass wir eine Besuchergruppe uniformierter Polizeischüler hier hatten. Das ist Ihre Haltung? Das ist Polizeifeindlichkeit, und Ihr Gesetz gehört auf den Müll.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kurt Wansner (CDU) – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) – Bravo! von der AfD – Pfui! von der LINKEN]

Herr Kollege Schatz kann jetzt erwidern.

[Zuruf von der AfD: Jetzt kommt der Geisterfahrer!]

Vielen Dank! – Was hier auf den Müll gehört, mögen andere entscheiden und nicht Sie.