Carsten Schatz
Sitzungen
18/5
18/8
18/10
18/11
18/14
18/15
18/21
18/26
18/29
18/30
18/31
18/34
18/37
18/40
18/41
18/44
18/46
18/48
18/49
18/50
18/54
18/57
18/58
18/59
18/60
18/63
18/64
18/65
18/67
18/68
Letzte Beiträge
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Rede, Herr Pazderski, lässt mich etwas ratlos zurück.
Ich kann mich an die Debatten im Frühjahr hier im Haus erinnern, als Sie uns noch empfohlen haben, uns an der erfolgreichen Politik der amerikanischen Regierung zu orientieren, namentlich ihres Präsidenten, Herrn Trump.
Die Ergebnisse dieser Politik kann man jeden Tag in den Statistiken der Johns-Hopkins-Universität nachlesen, und Herr Trump hat seine verdiente Quittung dafür erhalten.
Unsere Hoffnung, mit den Einschränkungen von Anfang November die Infektionszahlen zu senken, haben sich leider nicht erfüllt.
Zwar beobachten wir anders als im Bundesgebiet einen leichten Rückgang, aber leider auf viel zu hohem Niveau. Die Berliner Sieben-Tage-Inzidenz liegt noch immer bei 193,4 Infektionen pro 100 000 Einwohnern und Einwohnerinnen. Schlimmer noch: Waren Anfang November, als wir das letzte Mal hier zum Thema debattierten, 169 Intensivbetten belegt, hat sich diese Zahl mehr als verdoppelt. Stand heute früh sind es 358. Unsere Ampel für die Belegung von Intensivbetten zeigt Rot, und der Anstieg scheint noch nicht gestoppt. Deshalb müssen wir handeln, und zwar rasch, und wir müssen die richtigen Maßnahmen ergreifen.
Doch schon werden in der Debatte wieder Pappkameraden aufgebaut. Nein, nicht der Glühwein to go an der frischen Luft ist das Problem, auch nicht die Waffelbäckerei – da habe ich einen Dissens mit der Kanzlerin – und auch nicht der Glühwein durch die Luke. Entscheidend ist, dass man dabei nicht ohne Maske längere Zeit in größeren Gruppen zusammensteht. Deshalb sollten wir uns um die eigentlichen Probleme kümmern. Da steht an erster Stelle der Schutz besonders vulnerabler Gruppen, und da müssen wir sagen: Es ist leider nicht gelungen, zu verhindern, dass das Virus die vulnerablen Gruppen in Berlin wieder erreicht. Der Anteil der älteren Menschen an Neuinfektionen steigt, und das führt zu mehr Menschen, die in intensivmedizinischer Behandlung sind, und auch zu mehr Todesfällen. Ein Fingerzeig sind hier die Daten, die wir alle jeden Tag sehen können: Der langsame, aber stetige Anstieg des Altersdurchschnitts sowohl bei den Hospitalisierten als auch bei denen, die an oder mit Covid-19 verstorben sind.
Die Notrufe aus den Krankenhäusern sind unüberhörbar. Ärzte, Ärztinnen und Pflegepersonal arbeiten am Limit.
(Georg Pazderski)
Ihnen gebührt Dank und Anerkennung, und ich finde, ja, auch durch bessere und faire Bezahlung.
Deshalb brauchen wir schnell und umfassend Maßnahmen zum Schutz von Alten- und Pflegeheimen. Wir als Linke haben einen raschen Gipfel mit den Trägern vorgeschlagen, damit Schutzkonzepte gemeinsam auf den Weg gebracht werden können. Die MPK hat die Finanzierung von bis zu 30 Schnelltests pro Bewohner und Bewohnerin in den Heimen auf den Weg gebracht. Jetzt müssen die eingesetzt werden, täglich für das Personal, für alle Besucher und Besucherinnen und regelmäßig einmal pro Woche für die Bewohner und Bewohnerinnen. Isolationen müssen wir, soweit es geht, verhindern, und ich habe mit Freude zur Kenntnis genommen, dass der Senat gemeinsam mit den Trägern hier ein Positionspapier auf den Weg gebracht hat. Danke dafür! Ich glaube, das ist der richtige Weg, und den müssen wir weiter gehen, denn Ausbrüche wie in Lichtenberg, Friedrichshain und Mitte sollten uns Warnung sein. Auch diese Zahl findet sich übrigens in den öffentlichen Zahlen des Berliner Dashboards: Die Zahl der Infektionen in zuordenbaren Ausbrüchen ist von einer einstelligen Zahl auf fast 10 Prozent gestiegen. Das zeigt, was da abgeht.
Aber es ist natürlich auch grundsätzlich anzumerken, dass ein unterfinanziertes Pflegesystem ein Problem ist, erst recht dann, wenn Einrichtungen als gewinnorientierte Unternehmen betrieben werden. Man kann sich darüber aufregen und empören, dass Personal trotz Symptom zur Arbeit geht, aber jede einzelne Pflegekraft steht auch immer vor der Entscheidung: Wenn ich mich krankschreiben lasse oder aus Vorsicht zu Hause bleibe, dann bedeutet das noch mehr Arbeit für Kolleginnen und Kollegen, noch weniger Zeit, sich um die Menschen in den Heimen zu kümmern. Genauso wenig vertragen sich hoher Arbeitsstress und die penible Einhaltung von Hygienevorschriften. An diese Fragen müssen wir ran, und hier legt die Pandemie erneut grundsätzliche Probleme dieser Gesellschaft offen. Die Beschimpfung der Pflegekräfte kann aus unserer Sicht hier nicht die Lösung sein. Auch hier gilt der Gedanke des ehemaligen Berliner Stadtverordneten Rudolf Virchow, der übrigens auch mal einem Parlament angehörte, das in diesem Saal tagte, und der mahnte, immer Verhalten und Verhältnisse in den Blick zu nehmen, um Krankheiten zu bekämpfen.
Das führt zum nächsten Thema, den Schulen. Ja, es ist eine schwierige Entscheidung, aber wenn wir die Mobilität der Menschen weiter zurückfahren wollen und wenn andererseits Kontakte klein und überschaubar gehalten werden sollen, dann hat der Vorschlag Sinn, die Klassen zu teilen und im Wechsel zu unterrichten oder in den Hybridunterricht zu gehen. Kleinere Gruppen, mehr Ab
stand! Und eine Schließung der Schulen im Anschluss an die Ferien ist eine vergleichsweise milde Maßnahme. Die hatten wir übrigens schon vor Längerem einmal angeregt. Aus meiner Sicht hätte die Leopoldina da auch früher draufkommen können. Diese Schließung muss so ausgestaltet sein, dass den Eltern auch ein Anspruch auf Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz entsteht, also nicht einfach eine Verlängerung der Maßnahmen, denn sonst tragen wir das wieder auf den Rücken der Eltern aus.
Wenn die Schulen im Januar wieder eröffnen, muss der Wechsel- oder Hybridunterricht möglich sein, wenn die Schulkonferenz es so beschließt. Die Selbsttests für Lehrerinnen und Lehrer müssen genauso verfügbar sein wie Luftreinigungsgeräte und FFP2-Masken für Lehrerinnen und Lehrer und Schülerinnen und Schüler.
Immer wieder wird auch über den ÖPNV geschimpft. Nicht der ÖPNV ist das Problem, sondern dessen hohe Auslastung im Berufsverkehr. Das Problem wird nicht durch verstärkte Angebote zu lösen sein, wir sind da weitestgehend am Limit. Hier müssen sich aus unserer Sicht die Arbeitgeber bewegen. Wer ins Homeoffice kann, muss ins Homeoffice gehen können. Aber auch über flexiblere Arbeitszeiten ist das zu regeln. Wer muss wirklich früh um 8 Uhr im Büro sein, wer könnte erst um 10 Uhr da sein? Auch da sind Regelungen möglich.
Ich hatte vorhin auf Virchow verwiesen und auf die von ihm aufgezeigte Beziehung zwischen Verhalten und Verhältnissen.
Keine Zwischenfragen, danke! – Und wieder: Wir fordern Verhaltensänderungen der Menschen ein. Wir haben das bereits im November getan. Richtig war damals, Verhältnisse in Aussicht zu stellen, die das ermöglichen, weil über die sogenannten Novemberhilfen auch Existenzen gesichert werden sollten. Aber nun warten alle auf Auszahlung, manche sogar immer noch auf Antragstellung. Diesen Schuh, finde ich, muss sich die Bundesregierung anziehen. Hilfe war versprochen, aber: versprochen, gebrochen! – Das zeigt noch einmal: Die Häme über unser Handeln hier im Frühjahr war absolut unangebracht. Ja, mag sein, dass nicht alle, die damals finanzielle Hilfe bekamen, diese auch brauchten. Aber eine riesige Mehrheit brauchte sie und braucht sie schnell. Dafür haben wir gesorgt! Wir halten das für deutlich besser und angebrachter als das, was jetzt geschieht.
Aus Sorge, dass eine kleine Minderheit etwas unberechtigterweise bekommen könnte, werden nun alle mög
lichen Hürden errichtet, mit der Folge, dass nun auch die, die sie wirklich brauchen, auf Hilfe warten und einen riesigen Aufwand betreiben müssen, um sie zu bekommen. Das kann nicht sein!
Da muss sich auch niemand wundern, wenn einige versuchen, sich mit Glühweinverkauf über Wasser zu halten.
Zu diesen Verhältnissen, die wir in den Blick nehmen müssen, zählen auch die beengten Wohnverhältnisse, die es in unserer Stadt gibt. Deshalb bin ich froh, dass der Senat ein Konzept auf den Weg gebracht hat, Menschen aus beengten Wohnverhältnissen die Quarantäne in Hotels zu ermöglichen, die sonst geschlossen wären. Dazu gehört, Menschen ohne Wohnung eine Möglichkeit der Unterkunft auch am Tage zu bieten, und dazu gehören die 24/7-Unterkünfte, die die Sozialsenatorin an den Start gebracht hat.
Kein Verständnis habe ich allerdings dafür, dass es die Bundesregierung nicht schafft, wenigstens eine Anhebung des ALG-II-Satzes um 100 Euro auf den Weg zu bringen,
null Verständnis, dass es immer noch keinen Unternehmerinnenlohn für Soloselbstständige gibt, und auch null Verständnis, dass erst jetzt juristische Klarstellungen erfolgen, dass von der Pandemie Betroffene einen Anspruch haben, Gewerbemietverträge neu zu verhandeln, und noch weniger, dass es kein Anspruch auf Mietminderung ist. Deshalb werden wir in der Koalition über einen Antrag auf eine Bundesratsinitiative reden, die die Gewerbemieten, also Fixkosten für Unternehmen, begrenzt.
Durch die Krise kommen wir nur mit Solidarität. Deshalb braucht es, wenn jetzt weitere Maßnahmen in der Pipeline sind, weitere Hilfen und eine klare Aussage dazu. Die Einzelhandelsgeschäfte, die im Dezember und Januar schließen sollen, müssen eine klare Perspektive haben.
Debatten, wie der Chef der CDU-Bundestagsfraktion sie vom Zaune bricht, dass jetzt ein Ende der Fahnenstange erreicht sei, sind aus meiner Sicht unverantwortlich.
Aber immerhin hat ihm ja auch ein Ökonom widersprochen, der unverdächtig ist, ein Linker zu sein. Ich bin da ganz bei ihm: Jetzt ist die Zeit, Schulden zu machen und alles zu tun, die Pandemie zu bekämpfen und auch für die Folgen vorzusorgen. Aus den Schulden herauswachsen können wir, wenn die Wirtschaft wieder läuft. Jetzt braucht es, finde ich, ein kraftvolles What-ever-it-takes, um Sicherheit für alle zu vermitteln.
Liebe Berlinerinnen und Berliner! Vor uns liegen weitere schwere Wochen. Deshalb mein Appell: Halten wir Abstand zueinander, tragen wir Alltagsmasken, halten wir uns an Hygieneregeln, nutzen wir die Corona-Warn-App, lüften wir regelmäßig, wenn wir uns drinnen aufhalten, und vor allem: Halten wir die Zahl an physischen Kontakten zu anderen Menschen klein und überschaubar. Bei Letzterem kann übrigens auch ein kleines Notizbuch helfen.
Es gilt aber auch: Kontakte reduzieren ist nicht Isolation und darf nicht Isolation sein. Achten wir aufeinander! Die vielen Initiativen, die im Frühjahr in Berlin aus dem Boden geschossen sind, wo sich gegenseitig geholfen und aufeinander geachtet wurde, machten Mut. Lassen wir sie in den nächsten Wochen wieder aufleben. Auch unter den Bedingungen, dass Weihnachten und Neujahr nun vielleicht nur im kleinen Kreis begangen werden können, wünsche ich Ihnen allen geruhsame Feiertage und alles Gute für das neue Jahr! – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Bei „hätte“ bin ich ein bisschen zusammengezuckt, aber ich habe es ja tatsächlich, das Wort.
Zu dem Antrag der FDP, ohne den mir diese letzte Sitzung nicht wirklich vorgekommen wäre zum Ende des Jahres: Wenn wir uns zurückerinnern – wir haben Anfang des Jahres, ich glaube, auch auf Initiative der rechten Seite des Hauses, darüber geredet, dass dieser Flughafen, also der BER, nie in Betrieb gehen wird. Wir haben im Juni darüber geredet, dass alles bald pleitegehen wird. Jetzt hat das Projekt, der Flughafen BER am 31. Oktober seinen Betrieb aufgenommen. Nochmals herzlichen Glückwunsch dazu! Ich finde, das war ein gutes Datum für Berlin.
Vielen Dank, Herr Kollege Gräff! – Am 8. November hat der Flughafen Tegel seinen Betrieb eingestellt. Das ist eine gute Nachricht für viele Berlinerinnen und Berliner, gerade in den Bezirken Pankow, Reinickendorf und Spandau, die dadurch vom Fluglärm entlastet wurden. Das ist eine gute Nachricht, und ich finde, das gehört hier auch erwähnt.
Der Antrag der FDP kommt mit einer Überschrift daher, die Fragen hervorruft – als ob der Flughafen BER mit den Gesellschaftern Bund, Berlin und Brandenburg nicht auf
(Christian Gräff)
breiten, leistungsfähigen Schultern stände. In der Debatte ist bereits zutage getreten, dass es der FDP um eine Teilprivatisierung geht.
Jede Art von Privatisierung dieser wichtigen Infrastruktur – das habe ich schon mehrfach in Debatten in diesem Hause gesagt und wiederhole es gerne – wird in der Fraktion Die Linke immer erheblichen Widerstand finden, so auch an dieser Stelle. Wer so etwas privatisieren will, gerade nachdem wir dort so viel Geld reingesteckt haben, der will Gewinne privatisieren und Verluste sozialisieren. Das wird mit uns nicht passieren.
Nein! – Natürlich haben Sie uns hier so eine nette Leimspur gelegt,
die Mitarbeiterstiftung bei der Flughafen Wien AG, übrigens eine Aktiengesellschaft. Wissen Sie, liebe FDPFraktion, wenn Sie diese Mitarbeiterbeteiligung bei der Privatisierung der Lufthansa in den Neunzigerjahren, als Sie noch in der Bundesregierung saßen, gemacht hätten, dann ergäbe es einen gewissen Sinn, das hier vorzuschlagen, aber so ist es leicht durchschaubar. – Nein, eine Privatisierung kommt aus unserer Sicht dort nicht infrage.
Bei dem letzten Punkt in Ihrem Antrag, wo Sie eine Tochtergesellschaft für den Terminal 3 ins Spiel bringen, frage ich mich schon, an welchen Debatten Sie hier in den letzten Monaten teilgenommen haben. Soweit ich mich erinnern kann, war es schon Thema im Unterausschuss Beteiligungsmanagement und -controlling und im Untersuchungsausschuss, dass bereits eine Projektgesellschaft für einen zu errichtenden Terminal 3 am Flughafen gegründet wurde; die gibt es bereits. Insofern weiß ich nicht, worauf Sie da mit dem Antrag hinauswollen. – Das vielleicht als erster Gedanke.
Zum Zweiten: In der Debatte hier ist klar geworden, dass wir ein Problem am Flughafen haben, und das ist auch nicht neu. Das haben wir hier schon vor dem Sommer erörtert, als Sie mit der lustigen Studie der drei Professoren um die Ecke kamen. Wir müssen uns immer vor Augen führen: Dieses Projekt ist mit einem enormen finanziellen Aufwand errichtet worden: über 6 Milliarden Euro, davon 4 Milliarden Euro Kredite. Dass die Lasten die Gesellschaft drücken, ist doch klar. In einer Situation, in der 80, 90 Prozent des Umsatzes wegbrechen – wie gesagt, das Geschäftsmodell war darauf angelegt, dass
jetzt 40 Millionen Passagiere fliegen, auch im nächsten Jahr, und immer weiter wachsend –, muss doch allen klar sein, dass das nicht mehr funktionieren kann. Deshalb brauchen wir Lösungen dafür. – Ich bin ganz gespannt, Herr Kollege Gräff, was der Weg der CDU sein soll, wie Sie den Flughafen aus der Misere herausführen wollen. Ich habe unsere Idee dafür schon einmal im letzten Unterausschuss Beteiligungsmanagement und -controlling formuliert. Ich glaube, an einer Teilentschuldung der Gesellschaft werden wir nicht vorbeikommen. Wir müssen der Gesellschaft Lasten nehmen, damit sie wirtschaftlich agieren und am Markt bestehen kann.
Ich habe mich noch einmal schlau gemacht. Laut Art. 107 Abs. 2b des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union können
Beihilfen zur Beseitigung von Schäden,
das ist ein Zitat mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident –
die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind
gewährt werden. – Das ist in diesem Jahr nur bis zum 30. Juni passiert. Ich verstehe das nicht, denn nach wie vor wissen wir, dass wir in der Pandemie leben; sie wird uns noch eine Weile begleiten. Ich erwarte vom Senat, dass er unter Bezugnahme auf diese Regelung aus dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union ein Konzept vorlegt, wie wir zu einer Teilentschuldung der Flughafengesellschaft kommen können. – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Lieber Kollege Gräff! Leider waren Sie ja in der letzten Sitzung des Unterausschusses Beteiligungsmanagement und -controlling nicht anwesend. Da ist sowohl dem Vorsitzenden der Geschäftsführung, Herrn Lütke Daldrup als auch dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates, Herrn Bretschneider, die Frage gestellt worden, warum sie denn das gesagt haben, und da haben sie gesagt, sie haben einfach mal nachgedacht.
Das ist ja erst mal nicht verboten, auch aus unserer Sicht nicht, und das dürfen sie gerne tun. Unsere Position habe ich hier dargelegt, und für die werden wir auch eintreten. In der Tat haben Sie recht: Natürlich darf eine solche Teilentschuldung nicht auf Kosten der Dinge gehen, die wir auch in Zukunft an Investitionen in die Infrastruktur dieser Stadt brauchen. Ja, da werden wir um Wege ringen müssen. Da bin ich in der Tat auch auf die Vorschläge der CDU gespannt, die Sie jetzt leider in der Zwischenintervention immer noch nicht gebracht haben. – Vielen Dank!
Wir haben mehr davon! –
Vielen Dank! – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lag die Zahl der täglich gemeldeten Neuinfizierten mit Covid-19 in den ersten Septemberwochen im Schnitt noch bei 74, so liegt sie in den vergangenen Tagen bei 1 000 Fällen und zum Teil bei über 1 000 Fällen. Wesentlich besorgniserregender aber ist, dass sich auch die Zahl derjenigen, die stationär und intensivmedizinisch behandelt werden müssen, stark erhöht hat – von acht am 8. September auf 180 heute früh 8 Uhr laut DIVIIntensivregister. Das ist der Grund, warum auch wir Handlungsbedarf sehen. Denn auch, wenn wir noch deutlich von einer Überlastung des Gesundheitssystems entfernt sind und es keinen Grund zur Panik gibt, können wir nicht warten, bis die kritische Schwelle einer 25prozentigen Belegung der Intensivbetten durch Covid-19Patienten und -Patientinnen erreicht ist, denn diese Betten benötigen wir ja nicht nur für diese, sondern auch für andere Menschen mit schweren Erkrankungen.
Ein anderer Grund ist, dass uns die Gesundheitsämter mitgeteilt haben, dass sie angesichts der hohen Zahlen von neuen Fällen und der gestiegenen Zahl an Kontakten, die diese Menschen hatten, mit deren Nachverfolgung nicht mehr hinterherkommen. Es ist jetzt hier nicht der Ort und der Zeitpunkt, um darüber zu richten, weshalb es oft nur unzureichend gelungen ist, die Gesundheitsämter im Sommer ausreichend zu ertüchtigen. Das haben wir bereits in den vergangenen Wochen getan, und wir werden es weiter tun. Aber es ist an dieser Stelle die Zeit und ein Bedürfnis für mich, all denjenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Studierenden, Freiwilligen und Helfenden, die in den vergangenen Monaten unermüdlichen Einsatz gezeigt haben, für diesen Einsatz zu danken. Wir stehen miteinander in der Pflicht, sie mit dieser Situation nicht alleine zu lassen.
(Georg Pazderski)
Der Regierende Bürgermeister hat in seiner Erklärung hervorgehoben, wie wichtig eine weitgehend bundeseinheitliche Regelung ist. Ebenso richtig ist es, dass wir bei der Umsetzung die Besonderheiten einer Großstadt beachten, in der es viele Single-Haushalte gibt, in der es beengte Wohnverhältnisse gibt und in der es vor allem viele Menschen gibt, die nicht über das große Geld verfügen. Als Linke haben wir schon am Beginn der Pandemie davor gewarnt: Die Krise verwischt die sozialen Unterschiede nicht, im Gegenteil, sie verschärft sie und lässt sie deutlich zu Tage treten. Ein Lockdown lässt sich eben leichter in einer Villa mit Garten oder in einem Loft mit Dachterrasse aushalten als zu viert in einer Dreizimmerwohnung und erst recht besser, als wenn man sich in einer Gemeinschaftsunterkunft das Zimmer mit jemand anderem teilen oder gar auf der Straße leben muss. Deshalb bin ich auch froh, dass es im Senat gelungen ist, noch Anpassungen an unsere Situation in Berlin zu vereinbaren. Vereinstraining für Kinder draußen bleibt möglich, Spielplätze sollen geöffnet bleiben, ebenso Musikschulen. Wir appellieren auch zu schauen, welche Angebote in der Jugend- und Sozialarbeit weitergeführt werden können. Wir müssen Möglichkeiten schaffen, dass Kinder auch unter diesen Bedingungen mal herauskommen und die Eltern entlastet werden.
Gerade da, wo die Verhältnisse beengt, die Zukunftssorgen und der damit verbundene Stress groß sind, ist das enorm wichtig. Auch dass Leihbetrieb in Bibliotheken weitergeht, Volkshochschulen geöffnet bleiben und diverse Dinge mehr, anders als im Frühjahr, war uns in dieser Situation wichtig, dass wir korrigieren konnten, dass Tankstellen und Bäcker vor 6 Uhr morgens keinen Kaffee an die Menschen ausschenken dürfen, die unsere Stadt nachts am Laufen halten. Man kann es drehen und wenden, wie man will. Es ist nicht möglich, in einer fast Viermillionenstadt, dass sich alle Menschen für vier Wochen in ihrer Wohnung verkriechen und nur zum Arbeiten und Einkaufen herauskommen. Abgesehen davon, dass ich das nicht will, ist diese Vorstellung, mit Verlaub, weltfremd und würde deshalb auch nicht funktionieren. Unsere Aufgabe ist es eben daher, das soziale Leben eben nicht weitgehend zum Erliegen zu bringen. Unsere Aufgabe ist es vielmehr, die Bedingungen dafür zu schaffen, auch in einer Pandemie möglichst viel soziales Leben so zu ermöglichen, dass sich die Menschen nicht untereinander anstecken, dass sie die einfachen Regeln einhalten können wie Abstandhalten, Hygieneregeln befolgen, Alltagsmasken tragen, die Corona-Warn-App benutzen, lüften und die Zahl der Kontakte klein und überschaubar halten.
Ich verrate hier kein Geheimnis, dass wir als Linksfaktion mit den Entscheidungen der Ministerpräsidentenkonferenz nicht nur nicht glücklich sind, sondern dass es in unseren Reihen auch starke Bedenken sowohl grundsätzlicher Natur als auch im Detail gibt. Wir teilen die Enttäuschung und die Frustration all jener, die sich in den vergangenen Monaten um einen hygienesicheren Betrieb ihrer Einrichtung gekümmert haben, allen voran die Kulturreinrichtungen dieser Stadt, aber auch die Gastronomie, die Sportvereine, die Kosmetik- und Tattoostudios, die Fitnessstudios. Viele haben sich Gedanken gemacht, in Schutzkonzepte investiert und fühlen sich nun schlicht verarscht. Ja, es bleibt für uns unverständlich, um die Worte unseres Kultursenators Klaus Lederer aufzugreifen, weshalb man sich in einer Shoppingmall herumtreiben kann, aber kein Museum oder keine Galerie besuchen darf,
außer, es ist eine private Galerie, die dem Verkauf von Kunstwerken dient. Die fällt dann vielleicht unter die Rubrik Einzelhandel und darf geöffnet bleiben. Die Entscheidung der MPK – da kann ich Ihnen als Vorsitzender einer demokratisch-sozialistischen Fraktion ein paar grundsätzliche Anmerkungen nicht ersparen –,
werfen ein bezeichnendes Licht auf das in diesen Reihen vorherrschende Menschenbild. Arbeiten und Einkaufen hat Priorität, soziales und kulturelles Leben dagegen ist verzichtbar und kann eingeschränkt werden.
Der Mensch ist jedoch kein Homo oeconomicus, sondern ein soziales Wesen. Kultur ist eben nicht irgendein Gut, dass man konsumiert wie ein belegtes Brötchen. Wenn sich der bayerische Ministerpräsident Söder feiert, dass der geplante Ausgleich der Umsatzausfälle für Theater doch ein gutes Geschäft sei, da in diesem Jahr vermutlich auch ohne Schließung nicht 75 Prozent ihrer Umsätze aus dem Vorjahr erreicht würden, zeigt es genau diese Denkweise. Ja, das Brot der Künstler ist nicht nur der Beifall. Aber der Wegfall der Möglichkeit, Kultur darzubieten und genießen zu können, ist eben nicht einfach durch Geld aufzuwiegen.
Genauso ist eine Kneipe, ist eine Bar nicht einfach nur ein Ort, wo Bier ausgeschenkt wird, sondern ein Ort, an dem sozialer Austausch stattfindet.
Es ist bezeichnend, dass die Rückkehr ins Homeoffice erst auf den letzten Drücker noch Eingang in das Beschlusspapier der MPK fand, und das nur als Appell.
Wir sehen, in der Krise treten nicht nur die sozialen Unterschiede zutage, wenn Millionen Menschen Zukunftsängste haben und um ihre Jobs bangen – wer hier eine Illustration braucht: Seit Beginn der Pandemie wuchs das Vermögen der Albrechts, Aldi, Schwarz, Lidl, Klattens, Quandts, BMW, Hopps und Plattners von SAP laut „Forbes“ um fast 30 Milliarden Euro –, diese sozialen Unterschiede treten verschärft zutage,
sondern auch das, was in einer kapitalistischen Gesellschaft Priorität hat: Arbeiten und Konsumieren. Mit dieser Prioritätensetzung können und wollen wir uns als Linke nicht zufrieden geben.
Es kann und darf nicht unsere Perspektive sein, dass wir jetzt für vier Wochen in den Lockdown gehen, damit das Weihnachtsfest und -geschäft retten und wir womöglich im Januar wieder vor dem gleichen Dilemma stehen. Deshalb müssen wir, wie es auch die Virologen Streeck und Schmidt-Chanasit zusammen mit den Hausärzten einfordern, in den kommenden Wochen Mittel und Wege finden, die ein soziales und kulturelles Leben mit dem Virus ermöglichen.
Dafür müssen wir gewährleisten, dass die Gesundheitsämter die Nachverfolgung schaffen können. Ja, dafür gilt es auch, Kontakte überschaubar zu halten, aber eben auch, die Gesundheitsämter personell zu stärken und digital auf den erforderlichen Standard zu bringen, Räumlichkeiten bereitzustellen, Mehrsprachigkeit zu gewährleisten. Hierzu haben wir Vorschläge gemacht. Wir müssen die besonders vulnerablen Gruppen in unserer Gesellschaft besonders schützen, ohne sie zu isolieren. Was wir da im Frühjahr erlebt haben, darf sich nicht wiederholen, auch nicht in den nächsten vier Wochen.
Mit den Schnelltests verfügen wir heute über bessere Möglichkeiten. Ich erwarte daher von der Gesundheitssenatorin, dass sie umgehend einen Plan vorlegt, wie die Pflegeheime, die Seniorenresidenzen, Einrichtungen für Menschen mit Behinderung und andere Gemeinschaftsunterkünfte schnell damit versorgt werden können. Das Gleiche gilt für die Bereitstellung von FFP2-Masken. Keine Isolation bedeutet übrigens nicht nur, Ausgang und Besuche zu ermöglichen, sondern bedeutet auch, dass wichtige Angebote von Fuß- bis zur Haarpflege möglich bleiben. Auch das mag banal klingen, aber es sind diese kleinen Dinge, die oftmals für die Menschen eine große Bedeutung haben.
Wir müssen Schutzräume für Obdachlose und Ausweichmöglichkeiten für Menschen in beengten Wohnver
hältnissen schaffen. Mit den 24/7-Unterkünften, in denen Obdachlose auch tagsüber unter geschützten Bedingungen bleiben können, hat unsere Sozialsenatorin Elke Breitenbach im Frühjahr Modellprojekte geschaffen, die wir nun ausweiten müssen. Es stehen genug Hotels und Pensionen in der Stadt leer, die wir dafür anmieten können.
Wir müssen darüber reden, wie wir es schaffen, die Schulen, in denen Fenster nicht zu öffnen sind, mit mobilen Luftreinigungssystemen auszustatten, damit eine Lüftung gewährleistet ist.
Hier hilft die halbe Milliarde der Bundesregierung nicht. Hier müssen wir erneut in die Auseinandersetzung gehen.
Vor allem aber müssen wir weiterhin dafür werben, dass wir Berlinerinnen und Berliner uns alle an die wichtigsten Regeln halten. Wir haben als Linke von Anfang an gesagt, dass es nur gelingen kann, wenn die Menschen selbst vom Sinn der ergriffenen Maßnahmen überzeugt sind und sich freiwillig an die Regeln halten und nicht, weil sie angeordnet wurden. Wir müssen konstatieren, dass wir hier zuletzt nicht mehr so durchgedrungen sind wie noch im Frühjahr. Wie von uns befürchtet, hat auch die Androhung immer höherer Bußgelder hier wenig bewirkt. Ich finde, es gibt Grund genug, eine Kommunikation zu hinterfragen, die nicht nur hier aus diesem Parlament geschah, die in jeder kleinen Party unter freiem Himmel ein Superspreading-Event sah. Das war letztendlich so wie in der Fabel vom Hirtenjungen, der immer wieder aufgeregt: „Ein Wolf! Ein Wolf!“ ruft. Wenn die Bauern zu Hilfe eilen, ist kein Wolf da.
Die ständige Erregung, die wir über den gesamten Sommer verfolgen konnten, und der ständig erhobene Zeigefinger haben letztlich nicht zu mehr Achtsamkeit geführt, sondern im Gegenteil dazu, dass die Warnungen bei immer mehr Menschen an Überzeugungskraft verloren haben. Die Menschen sind keine Mündel, die durch uns Politikerinnen und Politiker erzogen werden müssen.
Da, wo die Regeln als sinnvoll erachtet werden, werden sie auch größtenteils eingehalten.
Dafür ist permanente, sich wiederholende Aufklärung, und zwar möglichst auf Augenhöhe notwendig, aber, auch das sei hier nicht vergessen, dass wir auch die Einhaltung von Regeln kontrollieren, aber bitte mit Augenmaß und Priorität. Es ist schwer nachvollziehbar, wenn einerseits die Polizei bei Fahrradfahrenden Masken kontrolliert, andererseits aber 2 000 Aluhüte ohne Maske durch die Karl-Marx-Allee ziehen können,
oder wenn Gastronomen erleben, dass im Lokal nebenan ohne Abstand gefeiert wird, das Ordnungsamt aber lieber Mustafas Späti kontrolliert, wenn in Zügen, anders als im ÖPNV, die Masken schnell mal fallen, aber Horst Seehofer die Bundespolizei lieber in die Schleierfahndung schickt.
Um es hier einmal ganz deutlich zu sagen: Aufrufe zur Denunziation, weil man in der Wohnung der Nachbarn eine größere private Feier vermutet, sind nicht unser Weg.
In einer solchen Gesellschaft wollen wir nicht leben.
Der Lockdown ist für uns alle ein bitterer Rückschlag. Es ist für uns auch keine Lösung, irgendwie durchzuhalten, bis uns irgendwann ein Impfstoff erlöst. Wir müssen Vorkehrungen treffen, damit das soziale Leben unserer Stadt auch im Winter nicht stirbt. Diese Aufgabe können und wollen wir nicht mehr allein den Ministerpräsidenten und Ministerpräsidenten dieses Landes und auch nicht dem Senat überlassen. Der müssen wir uns gemeinsam stellen, auch hier im Berliner Parlament. Die „heute- Show“ textete am Freitagabend über den deutschen Bundestag „arbeitslos und Spaß dabei“. Die Kritik trifft sicher nicht nur den Bundestag, sondern auch uns. Wir müssen selbstkritisch feststellen: Auch wir haben zu lange der Idee angehangen, die Lage sei im Griff, weitere Debatten und parlamentarische Beteiligungen seien unnötig. Doch ganz im Gegenteil. Deshalb werden wir schnell miteinander reden müssen, wie wir parlamentarische Beteiligung ausgestalten, im Bund und auch hier in Berlin.
Sie kann nicht darin bestehen, Entscheidungen der Regierung im Nachhinein abzunicken; sie muss darin bestehen, einen Rahmen auf Landesebene in einem Gesetz festzuhalten, in dem der Senat tätig werden kann und wo das Abgeordnetenhaus sich eigene Befugnisse vorbehält.
Den FDP-Vorschlag begrüßen wir an der Stelle, und ich finde, darüber muss debattiert werden. Wir werden hier aber auch darüber zu reden haben, welche Hilfen weiterhin und verstärkt notwendig sind. Gut, dass die Bundesregierung dem Vorschlag Helge Schneiders gefolgt ist und nun einen Monatsdurchschnitt für die 75 Prozent des Vorjahresumsatzes zugrunde legen will. Helge Schneider hat nämlich im letzten November nichts verdient, und 75 Prozent von nichts ist nichts – bei laufenden Kosten.
Neben weiteren Hilfen halten wir einen Beitrag der Immobilienwirtschaft gerade bei den Gewerbemieten für dringend erforderlich, wie auch einen Zuschlag von
150 Euro bei den Harz-IV-Empfangenden und natürlich die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes.
Dafür braucht es Geld, und neben einer Erhöhung der Neuverschuldung habe ich vorhin schon gesagt, bei welchen Krisengewinnlerinnen dieses Geld über eine Vermögensabgabe wieder eingesammelt werden könnte.
Meine Damen und Herren! Liebe Berlinerinnen und Berliner! Nein, wir haben nicht alles richtig gemacht in den letzten Wochen und Monaten. Ja, die Herausforderungen sind groß. Den Zielen, eine Überforderung unseres Gesundheitssystems zu verhindern, also Ärztinnen darüber entscheiden zu lassen, wer behandelt wird und wer nicht, zum einen und zum anderen, so viele Menschen wie möglich ohne dauerhafte Schäden in die Zeit nach der Pandemie mitzunehmen, fühlen wir uns zutiefst verpflichtet. Wir werden als Linksfraktion alles unterstützen, was diesen Zielen dient und den Charakter unserer Stadt als Hort der Freiheit, der Selbstbestimmung und der Solidarität sichert.
Dazu haben wir in den kommenden vier Wochen Arbeit vor uns. Der Weg dahin kann nur ein solidarischer sein. Deshalb mein Appell: Halten wir Abstand zueinander! Tragen wir Alltagsmasken! Halten wir uns an Hygieneregeln! Nutzen wir die Corona-Warn-App! Lüften wir regelmäßig, wenn wir uns drinnen aufhalten! Und vor allem: Halten wir die Zahl unserer physischen Kontakte zu anderen Menschen klein und überschaubar! Bei Letzterem kann auch ein kleines Notizbuch helfen. Unbestritten stehen wir vor enormen Herausforderungen, aber ich bin sicher: Wenn wir solidarisch sind und die Lasten der Krise und ihrer Überwindung gerecht verteilen, werden wir auch diese Krise meistern. – Ich danke Ihnen!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Worüber wir auch immer hier in diesem Parlament debattieren, die AfD kreist immer um sich selbst.
Wenn wir heute über 30 Jahre deutsche Einheit reden und vorhin an die Gründung Groß-Berlins vor 100 Jahren erinnert haben, will ich versuchen, beide Daten miteinander zu verknüpfen. Warum? –, mögen jetzt manche fragen, und ich will es gerne erklären. Vor 100 Jahren wurde Groß-Berlin als Tochter der Novemberrevolution aus der Taufe gehoben. Wir haben es gehört: Erst ein Bündnis aus Unabhängiger Sozialdemokratie, Sozialdemokratie und Liberalen ermöglichte die politische Mehrheit für eine grundlegende Veränderung der zersplitterten Gemeindelandschaft im Berliner Ballungsraum. Eine Stadt entstand, die sich Infrastruktur und adäquate öffentliche Dienstleistung auf den Aufgabenzettel schrieb. Der gemeinnützige Wohnungsbau der Zwanzigerjahre und die Gründung der BVG fallen darunter. Doch schon 13 Jahre später unterbrach die Nazidiktatur und ihre wilden Pläne für die Welthauptstadt Germania die Entwicklung Berlins. Es folgten der Zweite Weltkrieg und die Shoah, dann die Spaltung der Stadt, und erst mit der deutschen Einheit, mit der auch die Einheit Berlins wiederkam, konnte der Entwicklungspfad wieder aufgenommen werden, der vor 100 Jahren begann.
Ja, die deutsche Einheit 1990 wurde ermöglicht durch die Freiheitsbewegung der Menschen in der DDR und im Ostteil Berlins. So, wie die Revolution 1918 die Monarchie hinwegfegte, überwanden die Menschen in der DDR 1989 einen autoritären, vormundschaftlichen Staat. Beides sind Traditionen, auf die sich unsere Stadt gründet und um deren Pflege wir als demokratische Parteien – das geht genau bis zur FDP – jeden Tag ringen sollten.
Gerade heute, wenn in unserer Gesellschaft wieder Ideen von Abschottung und Ausgrenzung verbreitet werden, sollten wir als Berlinerinnen und Berliner selbstbewusst sagen: Mauern und Stacheldraht gehören nicht in unsere Welt. Sie verhindern nicht, sondern verschieben Problemlösungen nur um den Preis unendlichen menschlichen Leids. Deshalb ist es nur folgerichtig, wenn sich der rotrot-grüne Berliner Senat gegen eine europäische Abschottungspolitik und für die Aufnahme von Geflüchteten aus den griechischen Elendslagern in der Ägäis ausspricht.
Der erste Grund, den ich für eine Verknüpfung der beiden Daten sehe, ist die Genese beider Ereignisse in erinnerungswürdigen Momenten demokratischer Entwicklungen in unserem Land. Der zweite ist, dass es durch die Einheit erst wieder möglich wurde, die Entwicklung von
1920 für die gesamte Stadt aufzunehmen, die Infrastruktur weiter auf- und auszubauen und leistungsfähige öffentliche Dienstleistungen für alle Berlinerinnen und Berliner zu gewährleisten – zumindest theoretisch.
Der Euphorie der staatlichen Einheit Deutschlands und Berlins folgte bald eine Katerstimmung auch in unserer Stadt. Die hochfliegenden Pläne der Neunzigerjahre mit einer global operierenden Berliner Bankgesellschaft und einem raschen Wachstum der Stadt zerplatzen an der Realität, die durch die Deindustrialisierung und eine schrumpfende Einwohnerzahl gekennzeichnet war. Daraus folgten fehlende Einnahmen und galoppierende öffentliche Verschuldung. Für viele Ostdeutsche – auch für die Menschen aus dem Ostteil der Stadt – bettete sich das in Erfahrungen ein, die einerseits durch das kohlsche Versprechen auf schnelle, blühende Landschaften und andererseits den Verlust des Arbeitsplatzes geprägt waren, durch das Agieren einer Treuhand, die auf den Weg gebracht wurde, um das Vermögen der DDR für die Menschen dort zu sichern, es aber letztlich für einen Appel und ein Ei verscherbelt, durch Nepp von Autodealern, Versicherungsaufschwatzerei, den Verlust der Datsche.
Dazu kommt die andauernde Ungerechtigkeit bei Löhnen und Renten. Denn die Renteneinheit in Deutschland ist auch nach 30 Jahren nicht hergestellt. Das liegt vor allem an zwei offenen Fragen. Erst 2025 soll der Rentenwert angeglichen sein. Wir sind der Meinung, dass es für dieselbe Arbeit zum selben Lohn in Ost und West auch heute schon die gleiche Rente geben muss.
Zweitens setzen wir uns weiter dafür ein, dass diskriminierende Wirkungen des Rentenüberleitungsgesetzes und des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes für Rentnerinnen und Rentner aus Ostdeutschland aufgehoben werden. Es gibt eine ganze Reihe von Personen und Berufsgruppen, deren Rentenansprüche teilweise im Zuge der Einheit untergingen und die einen Ausgleich verdienen. Dazu zählen etwa in der DDR geschiedene Frauen, Mitglieder von Ballettensembles, Bergleute, Angehörige der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Post der DDR, Beschäftigte des Gesundheits- und Sozialwesens, aber auch Land- und Forstwirte, Handwerker sowie Angehörige des öffentlichen Dienstes, der Armee, der Polizei, des Zolls, die mit DDR-Beschäftigungszeiten nach 1990 ihre Tätigkeit fortgesetzt haben.
Die Absurdität der Situation spiegelt sich in der Tatsache, dass die SED jahrzehntelang versuchte, den Menschen in der DDR eine eigene Identität aufzuschwatzen. Die Erfahrungen nach 1990 haben wesentlich dazu beigetragen, über Ausgrenzungserfahrungen eine ostdeutsche Identität zu entwickeln. Etwa so, wie es im folgenden Witz zum Ausdruck kommt: Sagt ein Wessi zu einem Ossi „Wir sind ein Volk!“, lächelt der Ossi „Wir auch!“. – Beide
Worte, Wessi und Ossi, lernte ich übrigens Anfang 1990 in meinem neuen Westberliner Freundeskreis kennen: als Bezeichnung für Menschen aus dem Osten Ossis und aus Westdeutschland Wessis.
Die ständigen Einwohner von Berlin-West, wie es damals hieß, nahmen sich selbst aus diesem Spiel heraus. Doch auch sie hat die Einheit vor Änderungen gestellt. Noch heute ist in Kommentarspalten auf der RBB-Homepage zu lesen, wie schwer es vielen Westberlinern und Westberlinerinnen fällt zu akzeptieren, dass der Regierende Bürgermeister natürlich Teilnehmer der Ost-MPK ist, dass auch das 1990 entstandene Berlin ein neues Bundesland der alten BRD geworden ist.
Und die Erfahrung aus dem Witz trifft auch eine Erfahrung der Entität Berlin: Als die hochverschuldete Stadt nach dem politischen Wechsel 2001/2002 auf Bundeshilfe vor dem Bundesverfassungsgericht klagte und 2006 die Mitteilung bekam: Kommt mal selber klar! –, entwickelte sich auch ein gewisser Berliner Trotz, der das wowereitsche – herzlichen Glückwunsch übrigens zum Geburtstag! –
„arm, aber sexy“ aufnahm, selbstbewusst damit umging und damit eine Dynamik auslöste, die zu wirtschaftlichem Aufschwung und zu Wachstum führte – Wachstum, das wenige Jahre zuvor kaum jemand für möglich hielt. Und das haben die Berlinerinnen und Berliner selbst gemacht. Deshalb bleibt es für mich richtig, dass die 2016 entstandene Koalition aus SPD, Linken und Grünen die Berlinerinnen und Berliner an diesem Erfolg teilhaben lässt über kostenfreies Schulmittagessen, kostenfreie Tickets für Schülerinnen und Schüler und sich andererseits der Wachstumsschmerzen in einer kapitalistischen Metropole annimmt, Mieten deckelt und neuen bezahlbaren Wohnraum auch in kommunalem Eigentum schafft.
Was bleibt – ja, auch das ist Berlin – und manchmal etwas länger dauert, ist der Ausbau der Infrastruktur. Manche kennen diesen Baustein schon von mir, aber wenn jetzt, 100 Jahre nach der Gründung von Groß-Berlin über den Neubau der Straßenbahnstrecke am Groß-Berliner Damm in Johannisthal – dort nach Adlershof – eine zweite Verbindung zwischen der ehemaligen Berliner, und der großen Cöpenicker Straßenbahn zustande kommt, zeigt das: Wir müssen schneller werden!
30 Jahre deutsche Einheit sind ein Anlass zurückzublicken, aber auch nach vorne, ein Anlass zu formulieren, was wir besser machen können und müssen. Deshalb will ich sagen, dass mir der Diskussionsaufschlag von Staatssekretäre Nägele, Bezirksbürgermeisterin Herrmann und Bezirksbürgermeister Benn gut gefällt, der auch die Frage
stellt: Wo müssen wir Strukturen in unserer Verwaltung ändern, um besser, schneller und transparenter zu werden? –, anders, als übrigens 1990 mit dem Beitritt der DDR zur BRD nichts Neues entstand, sondern, wie Gysi es richtig formulierte, der arme Neffe bei der reichen Tante einzog, und eher in der Tradition von 1920 einen Schritt zu wagen, der Jahrzehnte Entwicklung prägen kann.
In dieser Tradition wäre übrigens auch ein mutiger Schritt für eine qualitativ neue Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg, weniger über- und stattdessen miteinander zu reden und gemeinsame Probleme bei Verkehr, Bauen und Wohnen und im Schulbereich zu lösen.
Anmut sparet nicht noch Mühe, Leidenschaft nicht noch Verstand
so beginnt Brechts Kinderhymne, die vor 30 Jahren auch in der Debatte für die Hymne für das vereinte Deutschland war. Ich möchte uns alle aufrufen: Folgen wir diesem Appell Brechts und arbeiten jeden Tag für ein weltoffenes, gerechtes, friedliches, buntes und vielfältiges Berlin als europäische Metropole, die den Herausforderungen der Zukunft zugewandt ist! – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Gräff! Dieser Versuch einer Teflonrede war schon ziemlich absurd. Ich erinnere, und Kollege Stroedter hat es auch getan: Von 2011 bis 2016 saß auch der Senator, nicht nur Staatssekretär, Henkel im BER-Aufsichtsrat, und wir haben im Untersuchungsausschuss gelernt: Er war nicht so häufig da und konnte sich auch nicht erinnern, dass da Alkohol ausgeschenkt wurde. Vielleicht lag es daran, dass er da dann doch auch mal ein bisschen zu viel zugegriffen hatte.
Ich erinnere natürlich auch gerne an den Möchtegernaufsichtsratsvorsitzenden Heilmann. Diese Rede, die Sie hier gerade gehalten haben, fällt auf Sie zurück. Ich finde, das geht so nicht. Das ist keine verantwortliche Politik. Damit machen Sie nicht deutlich, dass Sie in dieser Stadt regierungsfähig sind.
Zu Ihrem Antrag: Sie sprechen in der Begründung in einem Satz die unklare finanzielle Situation der Flughafengesellschaft an. Ich weiß nicht, was an der finanziellen Situation der Flughafengesellschaft unklar ist. Wir alle wissen: Gesamtkosten über 6 Milliarden Euro. Wir alle wissen: Die Aufsichtsgremien und die Gesellschafter der Flughafengesellschaft haben 2009 und 2016 Kreditentscheidungen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro – Mittel vom Kreditmarkt – plus einem Gesellschafterdarlehen von über 1 Milliarde Euro mitgetragen. Wer also die Flughafengesellschaft sozusagen gewollt in die Verschuldung treibt und in der jetzigen Situation, wo die Umsätze der Flughafengesellschaft coronabedingt um 90 Prozent eingebrochen sind, so tut, als wenn das Problem vom Himmel gefallen wäre, der lebt nicht in dieser Stadt, und der macht auch keine verantwortliche Politik. Auch das fällt auf Sie zurück, und das spricht auch nicht dafür, dass Sie regierungsfähig sind.
Wenn Sie von Haushaltsrisiken reden, ja, dann stelle ich gerne mal die Frage zurück: Was passiert denn, wenn Verbindlichkeiten nicht bedient werden, zumal wenn die Kredite durch die Gesellschafterin garantiert, also verbürgt sind? – Dann werden die sofort fällig. Was sind denn das für Haushaltsrisiken!
Und dann werfen Sie auch noch Zahlen durcheinander, und das finde ich dann schon ziemlich peinlich. Einmal reden Sie von 100 Millionen Euro, dann von
300 Millionen Euro. Ich erkläre es Ihnen gerne: Der Ge
samtfinanzbedarf in diesem Jahr beträgt durch die weggebrochenen Umsätze 300 Millionen Euro; das wissen wir seit März. Das ist nichts Neues. Wir haben im ersten Nachtragshaushalt 100 Millionen Euro eingestellt, damit wir unseren Anteil daran tragen können. Das erklärt die beiden Summen. Die kann man nicht zusammenrechnen; die 100 Millionen Euro sind Teil der 300 Millionen Euro.
Lassen Sie mich auch noch mal deutlich sagen, weil es nicht im Antrag steht, Sie es aber in Ihrer Rede wieder angesprochen haben: Einer Privatisierung und sei es nur einer Teilprivatisierung dieser Flughafengesellschaft will ich für Die Linke eine deutliche Absage erteilen. Das ist die alte Methode – die Verluste sozialisieren und die Gewinne privatisieren.
Das werden wir nicht mitmachen und deswegen ein klares Stoppzeichen an dieser Stelle.
Dann fordern Sie in Ihrem Antrag, und das finde ich auch ziemlich absurd, einen externen Wirtschaftsprüfer. Wirklich jetzt? Einen externen Wirtschaftsprüfer?
Nach der Corporate Governance der Berliner Beteiligung muss die Wirtschaftsprüfung alle zehn Jahre gewechselt werden. Erst 2017 ist die Wirtschaftsprüfung bei der Flughafengesellschaft zu Ernst & Young gewechselt. Finden Sie, Ernst & Young ist nicht unabhängig? – Ich finde schon.
Wenn Sie aber schon meinen, sie wäre nicht unabhängig, will ich Ihnen gerne noch einen weiteren Grund nennen, weshalb ich das ziemlich absurd finde. Die Flughafengesellschaft und namentlich der Vorsitzende der Geschäftsführung Lütke Daldrup wurde wegen Bilanzierungsverstößen angezeigt, und es gab staatsanwaltschaftliche Vorermittlungen bei der Staatsanwaltschaft Cottbus. Am 31.07.2020 wurde entschieden, dass keine Ermittlungen aufgenommen werden, weil keine Verdachtsmomente vorliegen. Nun, glaube ich, gibt es nichts Unabhängigeres als die Staatsanwaltschaft.
Und wenn die das so festgestellt hat, dann frage ich mich: Wo ist die Rechtsstaatspartei CDU und ihr Verständnis von Rechtsstaatlichkeit?
Um ein weiteres Argument noch einmal starkzumachen: Wenn es nach dieser Seite des Hauses gegangen wäre, würden auf dem Schuldenberg der Flughafengesellschaft
mindestens noch mal 1,4 bis 1,6 Milliarden Euro oben draufliegen, die wir für die Offenhaltung von Tegel auch noch mal hätten draufpacken müssen.
Auch dazu haben Sie hier keine Antwort gegeben, deshalb sind Ihre Ausführungen nicht glaubwürdig. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Nach diesem Ausfall eben bin ich stolz darauf, mit einem „Black-Lives-Matter“-Sticker hier vor Ihnen zu stehen.
(Marc Vallendar)
Ich finde, diese Rede eben war beschämend und dieses Hauses unwürdig, aber die Entscheidung darüber werden die Wählenden bei der nächsten Wahl sicher fällen.
Lieber Herr Dregger! Ich will gerne darauf eingehen, weshalb wir finden, dass dieses Gesetz notwendig ist. Ich will mich eines Satzes, einer Formulierung aus Ihrer Rede bedienen: Sie sagten, der Mensch im Görlitzer Park war – Zitat: – „erkennbar afrikanischen Ursprungs“. Aus zwei Gründen ist das, finde ich, eine rassistische Zuschreibung.
Sie werden mit mir nicht ernsthaft in die Debatte gehen, dass Willem de Klerk ein Afrikaner ist – ein weißer Afrikaner. Was Sie meinen, war ein Menschen anderer Hautfarbe, schwarzer Hautfarbe. Und das in diese Zuschreibung zu bringen, finde ich, zeigt ein Vorurteil, einen Umgang mit einem Vorurteil, über den wir tatsächlich ins Gespräch kommen müssen. Deshalb ist dieses Landesantidiskriminierungsgesetz notwendig.
Es zerrt eben nicht, wie Sie gesagt haben, jeden Menschen vor Gericht, der diskriminiert, sondern macht einen Algorithmus auf, wo es um Vorurteile geht, um diskriminierende Äußerungen, mit denen Menschen herabgesetzt werden. – Keine Zwischenfragen, vielen Dank!
Ich glaube, genau deshalb ist dieses Gesetz notwendig, und Sie haben es hier noch mal illustriert.
Im Übrigen bin ich der Meinung – das hätten Sie sicherlich auch noch zu Ende erzählen können –, dass die polizeiliche Maßnahme durch diesen Vorwurf dieses Menschen sicher nicht beendet war. Insofern ist es Quatsch, dieses Argument hier vorzubringen. Wer einer polizeilichen Maßnahme unterliegt, der wird dieser unterliegen, und alles andere wird dann im Nachhinein geklärt werden.
Ihre Glaubwürdigkeit will ich insofern infrage stellen, als ich mich gut daran erinnere, dass wir hier vor einem Jahr oder anderthalb eine Debatte geführt haben über die Aufklärungsbroschüre zum Umgang mit Differenz an der Kita. Ich hatte hier damals das Kinderbuch „Der Hase mit der roten Nase“ zitiert, das in diesem Materialkoffer drin war. Ihre Fraktion hatte beantragt, das alles bloß aus den Kitas herauszuholen, weil das ganz schlimm wäre und die Kinder verderben würde. Ich glaube, es ist sinnvoll, Umgang mit Differenz sehr frühzeitig zu lernen, so wie Sie in hier am Anfang Ihrer Rede erwähnt haben, Herr Dregger.
Herr Pazderski, nun beruhigen Sie sich doch. Es ist doch in Ordnung. Ganz ruhig; Baldrian.
Sicherlich habe ich von Kindern keine Ahnung. – Es mag Ihnen ja irgendwie merkwürdig vorkommen, aber auch Menschen wie ich, die schwul sind, leben in Familien.
Ich kenne Kinder, ich habe in meiner Familie Kinder und habe sogar Umgang mit Kindern. Das mag für Sie erschreckend sein. Meinen Neffen und Nichten lieben mich als ihren Onkel, weil ich ein Netter bin.
Insofern will ich einfach noch mal vier Punkte zu diesem Gesetzentwurf sagen: Hier ist vorgetragen worden, es wäre unnötig, weil es eine Verfassungsbestimmung gebe, und damit wäre alles geklärt. – Artikel 3 unseres Grundgesetzes sagt seit 1949: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ – Noch vor Kurzem hat die Kollegin JasperWinter nach dem Gender-Pay-Gap in der Berliner Verwaltung gefragt – noch vor Kurzem. Es steht doch in der Berliner Verfassung; der Verfassungsgrundsatz wird nicht umgesetzt? – Na, Mensch, fällt Ihnen was auf? – Ich glaube: Ja. Wir müssen hier was tun, wir sind in der Umsetzungspflicht.
Zweitens: Es gäbe keine Lücke, mit dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz ist alles geregelt. – Naja, ich sage mal: Das ignoriert die föderale Ordnung unseres Landes. Das Allgemeine Gleichstellungsgesetz gilt eben nur für den Bereich des Privatrechts und für die Arbeitswelt – das Arbeitsrecht ist gut –, aber nicht für den öffentlichrechtlichen Bereich. Ich finde, das ist nicht richtig. Wir müssen hier endlich Rechtssicherheit für Menschen schaffen, die diskriminiert werden. Die gibt es. – Zahlen darüber, Herr Dregger, gibt es genug, Frau Kitschun hat darauf hingewiesen, von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
Aber es gibt hier von genug Antidiskriminierungsverbänden Zahlen. Ich verweise beispielsweise auch auf die Situation von Schülerinnen und Schülern an der Berliner Schule – da gab es erst wieder kürzlich eine aktuelle Studie, die Diskriminierungserfahrungen aufgrund geschlechtlicher Identität oder sexuelle Orientierung untersucht hat. Auch da gibt es viele Diskriminierungserfahrungen, und auch das ist ein staatlicher Bereich. Deshalb werden wir dieses Gesetz machen, und ich finde, das ist auch gut so.
Drittens: Uns wird hier vorgeworfen: Jetzt kann ja jeder kommen und mit dem Verweis „Oh, ich fühle mich diskriminiert“ staatliches Handeln einschränken. – Das ist Unsinn. In dem Gesetz ist, wie ich vorhin gesagt habe, ein Algorithmus vorgesehen, wie das handhabbar gemacht wird. – Und ja, mit der Vereinbarung zwischen dem Land und dem Hauptpersonalrat geben wir allen Beschäftigten Sicherheit, weil wir miteinander lernen, mit einer Gesellschaft, in der Diskriminierung vorkommt, umzugehen. Wir werden sie nicht abschaffen, wir werden umgehen damit. Wir werden alle miteinander lernen. Und das ist genau der Punkt, denn ein Verbot an sich reicht nicht; wir müssen es handhabbar machen und müssen Menschen einen Weg aufzeigen, diskriminierendes Verhalten zu verändern.
Viertens: Sie haben uns eine Klageflut prophezeit, eben war auch wieder von den Verbänden die Rede, die sich eine goldene Nase verdienen, weil sie diese Klagen alle begleiten. Ich finde, das läuft am Thema vorbei. Klagefluten wurden beim Allgemeinen Gleichstellungsgesetz, beim Landesgleichstellungsgesetz, beim Gesetz zur Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderung behauptet – gekommen ist eine Klageflut nie. Weil es übrigens die Anzuhörenden von der Deutschen Polizeigewerkschaft auch in der Anhörung gesagt haben: 2017 25 Beschwerden aufgrund von Diskriminierung, davon sind drei anerkannt worden. Ich finde, das ist ziemlich weit weg von einer – behaupteten – Klageflut.
Sie haben weiterhin hier vorgetragen: Wenn es keine Regelungsgrundlage gebe, weil kein Problem bestehe, dann würde sozusagen kein Gesetz gemacht werden. – Ich kann mich gut erinnern – –
Das unterliegt nicht Ihrer Beurteilung, wann ich aufhöre. – Ich kann mich gut erinnern: 1994 bei der Reform des Sexualstrafrechts, damals unter der Bundesregierung von Schwarz-Gelb, hatte einer der Anzuhörenden, und zwar der Sachverständige vom BKA, darauf hingewiesen, dass ein mit der neuen Formulierung pönalisierter Bereich überhaupt nicht erforscht sei: ob das gesellschaftlich schwere Auswirkungen haben könnte. – Das hat Ihre Vertreterinnen und Vertreter damals im Bundestag überhaupt nicht angetastet. Das wurde einfach so gemacht. Insofern kommen Sie doch jetzt nicht mit diesem Vorwurf um die Ecke! Der hat Sie damals nicht interessiert, warum heute? – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Was hier auf den Müll gehört, mögen andere entscheiden und nicht Sie.
Ich will aber noch einen Satz sagen zu dem Vorwurf: die Polizei, und das wäre alles ganz schrecklich. – Erstens: 2011, als in diesem Haus die Kennzeichnungspflicht für die Polizistinnen und Polizisten beschlossen wurde,
gab es auch Riesenproteste und: Keine Landespolizei werde jemals wieder Polizistinnen und Polizisten nach Berlin schicken. – Eingetreten ist davon nichts. Ich kann es verstehen. Ich habe auch den Tweet vom Kollegen Schrader heute Früh gelesen, dass Herr Wendt vor dem Abgeordnetenhaus Interviews gegeben hat. Ich finde, Herr Wendt ist nun wirklich der schlechteste Zeuge gegen ein ordentliches Landesantidiskriminierungsgesetz.
[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Lachen bei der AfD – Karsten Woldeit (AfD): Das ist der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft!]
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Heute mal wieder Thema in der Aktuellen Stunde: der BER. Und nein, wir reden heute nicht über den BER weil er am 28. April 2020 die Nutzungsfreigabe erhielt, sondern weil er nach einer Studie, deren Auftraggeberinnen und Auftraggeber wir nicht kennen, von Insolvenz bedroht ist. Pünktlich zu dieser Debatte am Donnerstag erscheint beim RBB eine Meldung, die zeigt, wie aufgeregt Parlamentarierinnen und Parlamentarier sein können. An dieser Stelle passt prima ein Zitat der Kanzlerin von letzter Woche:
Wenn Aufregung helfen würde, würde ich mich aufregen.
(Christian Gräff)
Aber sie hilft nicht, meine ich.
Zu dem sogenannten Gutachten oder der Studie: Dass wir die Auftraggeberinnen und Auftraggeber nicht kennen und die auch nicht transparent gemacht werden, überrascht bei einer Publikation, die wissenschaftlich daherkommt. Noch mehr überrascht, dass sich einer der Autoren bei einer Internetrecherche als Mandatsträger der FDP entpuppt – und nein, auch das wird in der Publikation nicht transparent gemacht, obwohl sich das nach wissenschaftlichen Maßstäben eigentlich gehörte. Und der Kollege Czaja, der mit der Transparenz auch so seine Schwierigkeiten hatte, war der Erste, der nach dem Erscheinen der sogenannten neuen Erkenntnisse dazu twitterte und wahnsinnig überrascht war. Dazu fällt mir nur der Spruch ein, der auf dem Ordensband des Hosenbandordens steht: Honi soit qui mal y pense – ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Wenn ich mich dann in die Lektüre der sogenannten Studie vertiefen, sagen die Autoren – es sind nur Männer, was jetzt keine Wertung ist, sondern nur eine Feststellung –: Wir haben die Jahresabschlüsse genommen und haben die durch unsere Software geschickt. – Dann kommen sie in vier Szenarien auf hochgerechnete Zahlen, die natürlich Angst einflößen. Verluste von bis zu 1,8 Milliarden Euro werden da prognostiziert. Das Ganze wird mit der Odyssee umrahmt, und fertig ist die Schlagzeile: FBB zwischen Skylla und Charybdis, zwischen Insolvenzverschleppung und Schuldenfalle. – Der Flughafenchef, Engelbert Lütke Daldrup, mit dem der Kollege Czaja bis vor Kurzem noch eine gerichtliche Auseinandersetzung führte, an deren Ende Herr Czaja darauf verzichten musste, ihn ehrabschneiden zu betiteln, verkündete auf seiner Pressekonferenz nach dem Aufsichtsrat, die Studie sei unseriös, und verwies auf den Jahresabschluss der FBB für das Jahr 2019, den wir bald kennen werden. Und schon die Rechnung des Jahresverlustes 2019 in der sogenannten Studie sei um 100 Millionen Euro falsch. – Das ist hier ja schon gesagt worden. – Wir werden bald überprüfen können, wer die Wahrheit sagt. Ich prognostizieren: Wieder einmal wird Engelbert Lütke Daldrup als Sieger vom Platz gehen.
Noch ein Patzer macht mich stutzig und produziert eine Zahl, die Verwirrung stiftet: Die Abschreibung für das Schallschutzprogramm wird von den Experten mit einer Summe von 370 Millionen Euro auf einmal im Jahr 2020 verbucht. Die werden aber über einen deutlich längeren Zeitraum abgeschrieben. Soweit ich weiß, sind es 40 Jahre, und das macht nach Adam Ries dann im Jahr 9,25 Millionen Euro und nicht 370. Dazu kommen die 100 Millionen Euro, über die wir vorhin schon gesprochen haben, und plötzlich sehen die Zahlen dann wieder anders aus. Ich finde, so etwas kann nicht Grundlage für
diese Art von Aufregung sein, wie sie hier produziert wird.
Das bringt mich zu einem zweiten Punkt, den ich den Recherchierenden vom RBB ebenfalls mitgeteilt habe und der hier manchen im Plenarsaal die Schamesröte ins Gesicht steigen lassen müsste: Das Problem, dass am BER und bei der FBB die Finanzen auf Kante genäht sind, ist doch nicht neu. Bereits im Sondervotum meiner Fraktion zum Bericht des ersten Untersuchungsausschusses zum BER in der letzten Legislaturperiode hat meine Kollegin Jutta Matuschek darauf hingewiesen, dass bereits 2012 die Finanzen der FBB in einem Zustand waren, dass selbst mit einer Eröffnung im Jahr 2012 die Gesellschaft sofort nach der Eröffnung pleite gewesen wäre.
Die Geschäftsführung damals, der unselige Herr Schwarz, der nie zur Verantwortung gezogen wurde, hat die Baupleite damals nur genutzt, um wieder die Hand aufzuhalten, und alle Beteiligten – das damalige schwarzrote Berlin, die schwarz-gelbe Bundesregierung und das rot-rote Brandenburg – haben wieder und wieder gegeben. Wir alle wissen, das waren verbürgte Kredite, die die Gesellschaft aufgenommen hat, von denen klar war, dass sie eines Tages aus den Einnahmen dieser Gesellschaft zurückgezahlt werden müssen. Zwischenzeitlich hatte dann wohl der eine oder andere Beteiligte die Hoffnung verloren, dass das Projekt jemals fertig werden würde. Noch vor wenigen Wochen hatten wir eine Rederunde, in der jedem Dübel hinterhergejagt wurde und die gesamte rechte Seite dieses Hauses die Panikmeldung verbreitet hat, dass die für Herbst angekündigte Eröffnung wohl wieder verschoben werden müsse. – Doch, Pustekuchen! Der Flughafen wird im Herbst eröffnen, und um Kosten zu sparen, wird die FBB den Flughafen Tegel schnell vom Netz nehmen. Davon müssten die Pleite-Herbeireder von FDP und CDU doch jetzt die stärksten Befürworter sein, oder? – Nein, wahrscheinlich nicht; und dann stellt sich die Frage: Wie konsequent sind Sie denn?
Wahrscheinlich – das haben wir jetzt auch wieder bei Herrn Gräff gehört – werden wieder Neunmalkluge um die Ecke kommen und sagen: Weg mit dem Ding! Privatisieren wir das! Der Käufer zahlt uns einen Euro und übernimmt – nein, nicht alle Schulden, ein Teil bleibt bei uns. – Wir Ossis kennen solch ein Vorgehen. Denen, die mit solchen Gedanken spielen, will ich unseren entschiedenen Widerstand ankündigen. So wird das nicht laufen.
Wer Verkehrsinfrastruktur, und dazu gehört ein Flughafen, privatisiert, riskiert Zustände wie bei den italienischen Autobahnen – wir erinnern uns an die Brücke in
Genua – und bei der Berliner S-Bahn, wo eine Tochter der zum Börsengang gedrängten Deutschen Bahn als Cashcow missbraucht wurde und somit im Jahr 2009 eine Krise ausgelöst wurde, die viele Berlinerinnen und Berliner noch in Erinnerung haben. – Nein, so wird das alles nichts.
Der BER wird ans Netz gehen und der Single Airport in unserer Region sein. Er wird mit den Auswirkungen der Coronakrise zu kämpfen haben – mehr als jetzt im ersten Nachtragshaushalt adressiert, das muss uns allen klar sein. Die bereits vorliegenden nachprüfbaren Fakten veranlassen uns, aufmerksame und strenge Eigentümerin zu sein. Nutzen wir unsere parlamentarischen Kontrollrechte – und die haben wir, nicht nur im Untersuchungsausschuss, sondern auch im Unterausschuss Beteiligungsmanagement und Controlling – und fragen nach! Benennen wir die Fehlentscheidungen! Lassen Sie uns die Untersuchung des Bau-, aber auch des finanziellen Desasters am BER gründlich zu Ende führen! Lassen Sie uns im BMC den Businessplan, der übrigens seit April im Datenraum zur Einsichtnahme vorliegt, und den Jahresabschluss des vergangenen Jahres, sobald er da ist, gründlich besprechen und auf Plausibilität prüfen! Darauf haben die Berlinerinnen und Berliner ein Anrecht. Dafür stehen wir bei ihnen in der Pflicht.
Lassen Sie uns vor allen Dingen auch darüber diskutieren, ob ein Ausbau, wie im Masterplan 2040 angelegt, überhaupt noch notwendig ist, wo jetzt so viele entdeckt haben, dass ein Business Meeting auch per Videokonferenz geht, keine Flüge notwendig macht und man dabei sogar noch bequeme Shorts tragen kann!
Für meine Fraktion bleiben im Untersuchungsausschuss die Fragen – erstens: Warum hat der Bau des BER so lange gedauert? Zweitens: Warum ist er so teuer geworden? Und drittens: Wer hat an beiden Dingen Interesse gehabt und sich daran eine goldene Nase verdient? – Das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ist ja nicht verbrannt worden, wie immer gern formuliert wird. Es ist nicht weg, es ist jetzt bei anderen Leuten. Diese Aufklärung werden wir weiter verfolgen, ohne Aufregung, aber mit Gründlichkeit und Hartnäckigkeit.
Im Übrigen bin ich der Ansicht, dass die Fraktion hier rechts außen zur Aufhellung der dunklen Finanzquellen ihrer Partei beitragen sollte. – Vielen Dank!
[Beifall bei der LINKEN und der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von Martin Trefzer (AfD) – Sebastian Czaja (FDP): War das jetzt Ihre Bewerbungsrede? – Udo Wolf (LINKE): Die muss er nicht hier halten!]
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Ich hatte gestern eigentlich vor, eine Flasche Desinfektionsmittel für Sie mitzubringen, Herr Hansel, nach den Äußerungen Ihres Fraktionsvorsitzenden bei der vorletzten Plenardebatte zu Corona, dass wir in die USA schauen sollen, da würde alles richtig gemacht. Ich will aber noch hinzufügen: Ich habe mich gegen die Flasche Desinfektionsmittel entschieden, falls Sie sich dann selbst welche besorgen, bitte wenden Sie das richtig an. Herr Trump hat dazu komische Bemerkungen gemacht, falls Sie dem Glauben schenken sollten.
Die Zahlen des Robert-Koch-Instituts für heute, 0.00 Uhr, sprechen in Berlin von 5 827 Erkrankten, von denen etwa 4 800 bereits wieder genesen sind. 147 mit Corona infizierte Berliner und Berlinerinnen sind verstorben. Die Stadt hat mithin 880 aktiv Erkrankte, von denen, Stand gestern, 604 in einem Krankenhaus behandelt werden, davon 157 intensivmedizinisch. Der Rest befindet sich in häuslicher Quarantäne. Das Robert-Koch-Institut gab in seinem gestrigen Lagebericht die Reproduktionsrate, rt, für Deutschland mit 0,75 an, das heißt, ein Erkrankter steckte weniger als einen Menschen mit Corona an und das auf einem Niveau von täglich im Schnitt 63 Neumeldungen von Erkrankungen in Berlin in der letzten Woche und in dieser Woche bislang 57. Zum Vergleich: Diese Zahlen lagen noch vor wenigen Wochen, in der 13. Kalenderwoche, bei 191 Neumeldungen und bei 179 in der 14. Kalenderwoche. Ich finde, die Zahlen sprechen dafür, dass einiges richtig gemacht wurde in Berlin.
Im Gegensatz zu mancher Wahrnehmung haben wir in Berlin sehr früh Maßnahmen ergriffen. Es wurden große Säle der staatlichen Theater geschlossen, als erstes, da hatte Berlin eine Fallzahl von 48 an Covid-19-Erkrankten, allerdings eine Verdopplungsrate von zwei bis drei Tagen. Momentan liegen wir bei fast 30 Tagen. Es wurden schnell Cafés, Bars und Clubs geschlossen. Eine Woche später, nach Verständigung zwischen Bund und Ländern, wurde eine Ausgangsbeschränkung verfügt, die inzwischen durch eine Entscheidung des Senats, Kollege
Fresdorf, in eine Kontaktbeschränkung umgewandelt wurde, zu Recht, wie ich finde.
Es spricht für den Senat, dass er in der Lage ist, sich zu korrigieren und Grundrechtseingriffe der Lage anzupassen, bevor es, wie im Saarland geschehen, ein Verfassungsgericht tun muss.
Schon jetzt sehen wir die Folge der Einschränkungen deutlich. Die Frisuren mögen für manche hier im Saal wichtig sein, für mich nicht so. Ich meine die Fälle häuslicher Gewalt, die wir an steigenden Einsatzzahlen der Berliner Polizei sehen, die Zunahmen von Depressionen und Alkoholmissbrauch. Da rede ich nicht über das Eierlikörchen, damit das Leben schon weitergeht, sondern über Menschen, die sich keinen anderen Ausweg aus der Isolation wissen, als zur Flasche zu greifen, wo oft ein beruhigendes Wort fehlt, weil die Menschen jetzt allein konsumieren. Wir sind eben auch die Stadt des Singles und der Alleinlebenden, die momentan maximal eine weitere Person treffen können. Einsamkeit, das wissen vielleicht einige hier, hat dramatische Folgen, Folgen, die wir in den Blick nehmen müssen, wenn wir über Existenzängste und Gesundheitsschutz in Berlin reden.
Dennoch muss klar sein: Unsere Ziele sind, die Gesundheit der Berliner und Berlinerinnen so weit als möglich zu schützen und eine Überlastung unseres neoliberal effizient getrimmten Gesundheitssystems zu verhindern, noch immer. Deshalb müssen wir, bis es eine effektive medizinische Intervention in Form eines Medikaments oder einer Impfung gibt, lernen, mit diesem Virus zu leben und es gleichzeitig in Schach zu halten. Das gelingt aber nur mit den Berlinerinnen und Berlinern. Jede Regelung, die sich die Bundesregierung, der Senat oder wir als Parlament ausdenken, wird nur umsetzbar sein, wenn die Menschen diese für nachvollziehbar halten. Nur mit Überzeugung und nicht mit Verboten oder Verpflichtungen lassen sich Regeln über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten.
Die einfachen Hygieneregeln, die einfachen Regeln, Abstand halten, die Zahl der Kontakte klein und überschaubar halten, Hygieneregeln einhalten, auch regelmäßiges Händewaschen gehört dazu, damit haben wir einen Kanon an Regeln, die wir als Bürger und Bürgerinnen und als Staat in unser Leben integrieren können und müssen, egal in welchem Setting. Besonderes Augenmerk muss dabei den Risikogruppen gelten, bei denen eine Erkrankung schwer oder gar tödlich verläuft. Auch die müssen wir nicht paternalistisch bevormunden, sondern einbeziehen, wenn wir über Schutzkonzepte reden. Ich
finde, es kann nicht sein, dass Menschen, die über 80 sind und die dieses Land unter großen Entbehrungen aufgebaut haben, heute Angst haben müssen, faktisch vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen zu werden.
Wenn ich einen Artikel lese, dass in einer Senioreneinrichtung kein Besuch mehr möglich ist und Bewohner und Bewohnerinnen darunter leiden und deshalb sogar über Sterben nachdenken, müssen wir fragen, was wir tun können, um ihnen diese Angst zu nehmen.
Das heißt, es geht nicht nur um das individuelle Verhalten von uns allen und um Agieren als staatliche Betreiber von Einrichtungen, sondern es geht auch darum, was Menschen brauchen, um ihre Gesundheit zu schützen, um richtige Entscheidungen für sich treffen zu können. Da kommt wieder der Staat ins Spiel, mit genau dem, was dieser Senat sehr schnell gemacht hat, als er die Soforthilfepakete I bis V auf den Weg gebracht hat. Es liegt doch auf der Hand: Wer kann sich über seine Gesundheit und die Veränderungen im täglichen Handeln Gedanken machen, wenn sie nicht weiß, wie die Miete im nächsten Monat bezahlt werden soll oder was für die Kids zu Essen auf den Tisch kommt. Deshalb war die schnelle und unbürokratische Hilfe des Senats an dieser Stelle richtig. Deshalb ist es auch richtig, dass die Koalition gemeinsam mit der FDP – hört, hört! – über eine Bundesratsinitiative nachdenkt, das Kurzarbeitergeld, das gerade bei Geringverdienenden nicht hinten und vorne reicht, deutlich zu erhöhen.
Das ist der zweite wesentliche Aspekt neben den individuellen Verhaltensänderungen, die wir erreichen müssen: die Frage nach der Sicherung von Strukturen, die Menschen in die Lage versetzt, ihr Leben und ihr Verhalten tatsächlich zu ändern. Man kann das auch Solidarität nennen. Und ja, da geht es auch um Perspektiven für Menschen, die zum Beispiel in der Gastronomie arbeiten, oder kleine Dienstleister, die sich selber um ihren Lebensunterhalt bemühen wollen und es können sollen, soweit es mit den Regeln zu vereinbaren ist.
Lassen Sie mich auch das anmerken: Was für die Strukturen im Kleinen gilt, gilt erst recht im Großen. Es ist richtig, dass sich die Senatoren Lederer und Kollatz für Corona-Bonds ausgesprochen haben, denn wenn das Haus brennt, ist es Unsinn, den Brand in der Wohnung zu löschen, aber Treppenhaus und andere Wohnungen zu ignorieren. Ein Virus kennt keine Grenzen.
Das gilt auch für das Leid der Geflüchteten in den überfüllten griechischen Lagern. Moria sei hier erwähnt. Das
darf uns nicht kaltlassen. Ein Lager, ausgerichtet auf ein paar Tausend Menschen, jetzt belegt mit 25 000 Menschen, ist eine Katastrophe in den Zeiten von Corona.
Das Beispiel Singapur mit einem dramatischen Ausbruch in den überfüllten Wohnheimen der Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeiter sei uns Mahnung. Es ist gut, dass das Land Berlin sich dafür einsetzt, wenigstens unbegleitete minderjährige Geflüchtete aus diesem Elend in Griechenland zu holen.
Letzter Punkt: Wir müssen alles tun, was einem Track and Trace von Erkrankten dient. Wir müssen sie finden und ihre Kontaktketten zurückverfolgen können. Containment nennt sich das. Dafür brauchen wir das Personal in den Gesundheitsämtern. Das haben wir sogar in Berlin über das geforderte Maß von fünf Menschen pro 20 000 Einwohner und Einwohnerinnen hinaus. Aber wir müssen dieses Niveau halten, auch wenn jetzt andere Bereiche der öffentlichen Verwaltung wieder langsam hochgefahren werden. Dafür brauchen wir Personal und Ressourcen, über die wir hier reden und entscheiden werden müssen.
Dazu kommt eine ausgefeiltere Teststrategie und das Hochfahren der Testzahlen. Wenn im gestrigen RKIBericht steht, dass Deutschland eine Testkapazität von 861 000 Tests pro Woche hat, aber nur 470 000 in der Kalenderwoche gemacht hat, dann frage ich, warum. Ich finde, hier ist Ihr Gesundheitsminister gefragt, diese Kapazitäten auszunutzen und das hochzufahren, denn es ist doch Unsinn, jetzt in der Öffentlichkeit über einen Immunitätspass zu reden und damit Anreize zu setzen, dass Menschen in unserer Gesellschaft eventuell ihre Quarantäne sozusagen dafür nutzen, um noch mit Ansteckung anderer Geld zu verdienen, weil es ja dann sinnvoll ist, einen solchen Pass in der Hand zu haben. Ich habe das ja durchgemacht. Das ist der größte präventionistische Schwachsinn, den sich der Bundesgesundheitsminister da ausgedacht hat.
Auch hier in Berlin müssen wir die Ressourcen in die vorhandenen Kapazitäten bei Testangeboten lenken – für Pflegeeinrichtungen, in den Krankenhäusern, in Seniorenresidenzen. Ein täglicher Test des Personals, auch gepoolt, hätte vielleicht einen Ausbruch wie in der Lichtenberger Seniorenresidenz verhindern können. Zu diesem dritten Punkt zählt auch, dass wir alles unternehmen müssen, um einem weiterhin möglichen stärkeren Ausbruch gewappnet gegenüberzustehen. Deshalb war die Entscheidung für das Behandlungszentrum in der Jafféstraße, von dem wir alle hoffen, dass wir es nie brauchen, richtig.
Doch mit diesen neuen Kapazitäten sollten wir dann auch darüber nachdenken, die Behandlung von Menschen, die eine Chemotherapie oder eine notwendige Operation erwarten, besser zu ermöglichen als jetzt. Auch das gehört zum Gesundheitsschutz und kann auch unseren Krankenhäusern in dieser Zeit wirtschaftlich helfen.
Das ist alles nicht neu: Verhaltensänderungen, Verhältnisse dazu in den Blick zu nehmen, und entschlossenes staatliches Handeln in Versorgung und Diagnose, das sind Bestandteile eines Konzepts, dass sich strukturelle Prävention nennt und gegen ein Virus entwickelt wurde, das vor 40 Jahren die Welt erschreckte und veränderte. HIV – für die Älteren! Es fußt übrigens auf der OttawaCharta der WHO, und ich empfehle allen, noch mal die Definition von Gesundheit dort nachzulesen. Ich weiß, dass es vielen als Zumutung erscheint, wenn ich sage, dass wir lernen müssen, auf absehbare Zeit mit dem Virus zu leben. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es nicht leicht ist, aber es geht. Letztlich haben wir auch keine andere Wahl, wenn wir unsere freiheitliche, offene, humane und solidarische Gesellschaft bewahren wollen, denn solidarisch ist man nicht alleine. Das ist das Motto des 1. Mai 2020, der morgen begangen wird. – Vielen Dank! – Und im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Fraktion hier rechts außen zur Erhellung der dunklen Finanzquellen ihrer Partei beitragen sollte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Auch bei diesem Antrag zum Komplex Flughafen Tegel gilt wie so oft bei den AfD-Anträgen: Sie haben immer noch nicht zur Kenntnis genommen, dass Berlin nicht alleiniger Eigentümer dieser Flughafengesellschaft ist.
Es gibt drei Gesellschafter. Es gibt den Bund und das Land Brandenburg, und ich habe mir mal die Mühe gemacht und geguckt: Haben Sie solche Anträge auch im Bundestag oder im Landtag Brandenburg gestellt? – Nein, haben Sie nicht, nur hier wieder. Da zeigt sich doch: Das ist Theaterdonner sondergleichen.
Drei Gedanken will ich zu diesem Antrag verschwenden. Ich finde erstens, dieser Antrag ist, wie so häufig bei Ihnen, Fake-News. Sie behaupten, der Senat wird aufgefordert, seine Pläne aufzugeben – von den Plänen des Senats weiß ich nichts. Auch aus der Antwort von Senator Kollatz aus der letzten Abgeordnetenhaussitzung kann ich nicht entnehmen, dass es die Pläne des Senats sind. Was wir wissen, ist, dass die Flughafengesellschaft eigenverantwortlich entschieden hat, betriebswirtschaftlich zu gucken, ob es sinnvoll ist, den Flughafen Tegel in der jetzigen Situation zu schließen, und damit Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung befasst hat.
Eine Entscheidung ist am Montag gefasst worden, und Sie haben sich dann mal wieder, wie so häufig, laut
(Stefan Evers)
brüllend hinter den fahrenden Zug geworfen – herzlichen Glückwunsch dazu.
Zweitens: Diese Pläne der Flughafengesellschaft haben ihre Gründe. Der Flugverkehr ist zusammengebrochen, und ich habe mal auf Flightradar die Zahlen rausgesucht – dann können Sie sich einfach mal an den Fakten entlanghangeln.
Am 3. März, vor der Krise: 241 geplante Flüge, 235 durchgeführte; gestern, vier Wochen später: noch 132 geplante Flüge, durchgeführte: 16. – Wozu braucht man eine solche Infrastruktur, die im Moment nicht genutzt wird, wenn ein Standort tatsächlich reichen würde, um den Flugverkehr im Moment abzusichern?
Krähen Sie gerne weiter! – Sie haben es selber geschrieben – woher Sie das wissen, weiß ich auch nicht –: Der Flughafen Orly hat gestern geschlossen.
Immerhin auch ein 30 Millionen Airport in Paris. Er hat gestern geschlossen, weil Charles de Gaulle in Paris alles alleine absichern kann – so wie der Flughafen Schönefeld das am Standort hier auch absichern könnte.
Drittens: Sie reden von kritischer Infrastruktur. Ausgerechnet Sie, die Partei des westdeutschen Wohlstandschauvinismus, die endlos gegen die Vergemeinschaftung von Schulden gewettert hat. Damals in der Eurokrise haben Sie sich gegründet, haben das Austeritätsregime gegen den europäischen Süden gestützt und stützen es weiterhin, also dieses Regime, das Krankenhäuser und Gesundheitswesen dort zerstört oder privatisiert hat, dort, wo wir jetzt die Ergebnisse dieser Situation sehen, reden Sie von Flughäfen als kritischer Infrastruktur. Wissen Sie, dazu gehören für mich auch Krankenhäuser. Ihre Argumentation ist für mich an dieser Stelle trumplike. Wir lehnen diesen Antrag ab. – Im Übrigen bin ich der Ansicht, –
dass die Fraktion rechts außen zur Aufhellung der dunklen Finanzquellen ihrer Partei beitragen sollte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Frau Senatorin Kalayci! Sie hatten die Frage so beantwortet, dass man die 27 Kräfte im Verhältnis zu den 4 500 anderen Pflegekräften sehen muss, die bei Vivantes arbeiten. Das ist sicherlich richtig, jedoch handelt es sich hier um hochspezialisierte Pflegekräfte und Ärztinnen und Ärzte. Mich interessiert, welche Auswirkungen aus Ihrer Sicht der Weggang dieser Pflegekräfte und Ärztinnen und Ärzte auf die Versorgung von Menschen mit HIV in Berlin haben wird – darum geht es. Welche Auswirkungen wird es möglicherweise auch auf das Schöneberger Modell haben? Mir liegen Erkenntnisse vor, dass beispielsweise auch die ehrenamtlichen Angebote der Berliner Aidshilfe mit ins St. Joseph Krankenhaus wechseln. Welche Auswirkungen hat das für die Patientinnen und Patienten? Das ist die entscheidende Frage.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da die FDP letztlich nicht durch Sachvorschläge in der medialen Debatte war, bin ich erst mal froh über diesen Antrag, der in der Tat ein Problem adressiert, das in Berlin wichtig ist, nämlich Lösungen zu finden, wie wir Fachpersonal im öffentlichen Dienst besser gewinnen und halten können. Nur, das kam auch ein bisschen aus der Rede des Kollegen Schlömer heraus, denn er sprach von Sonderzuschlägen, wenn wir uns aber den Gesetzentwurf angucken, den uns die FDP vorgelegt hat, dann steht da was von Prämien. Es gibt im Beamtenrecht schon einen substanziellen Unterschied zwischen Prämien und Zulagen. Prämien werden nämlich für mehr Leistung gezahlt und nicht für Anwesenheit, also Bleiben oder Kommen. Sie meinen wahrscheinlich Zulagen oder Zuschläge, worüber der Kollege Schlömer dann auch gesprochen hat, im Gegensatz zum vorliegenden Gesetzentwurf.
Das Beamtenrecht, das sehr dezidiert ist, kennt eine Menge Zulagen oder Zuschläge. Die sind nicht im Berliner Landesbesoldungsgesetz geregelt, sondern im Bundesbesoldungsgesetz in der Überleitungsfassung für Berlin. Dort werden in den §§ 42 bis 51 eine Menge Zulagen aufgezählt, u. a. die Amtszulage, die Stellenzulage, die Erschwerniszulage, Zulagen für Wahrnehmung eines höheren Amtes usw. usf. In § 51, der heißt „andere Zulagen“, ist geregelt, dass andere Zulagen und Vergütungen als die in den vorherigen Paragrafen genannten nur gewährt werden dürfen, wenn dies bundesgesetzlich bestimmt ist. Eine Bleibe- oder Komm-Zulage ist bundesgesetzlich nicht bestimmt.
Falls Sie doch Prämien meinen, die gibt es in Berlin schon, nämlich in der Leistungsprämien- und -zulagenverordnung sind die geregelt. Sie dienen der Anerkennung herausragender besonderer Leistungen, werden einmalig gezahlt und können bis zum Anfangsgrundgehalt der Besoldungsgruppe gehen. Diese Prämien werden übrigens im Land Berlin genutzt, ganz häufig, von vielen Bezirken. Ich finde, das ist auch ein guter Weg. Insofern lassen Sie uns im Ausschuss, in den der Gesetzentwurf kommt, darüber diskutieren, was wir tun können, um Fachpersonal im öffentlichen Dienst besser zu gewinnen und zu halten! Insofern ist das wahrscheinlich eine gute Diskussionsgrundlage dafür.
Lassen Sie mich zum Ende noch kurz zum Kollegen Swyter sagen: Vielen Dank! Es war mir eine Freude, Ihr Sitznachbar im Hauptausschuss gewesen zu sein. Alles Gute im weiteren Leben sozusagen! – Im Übrigen bin ich der Ansicht, dass die Fraktion hier rechts außen zur Erhellung der dunklen Finanzquellen ihrer Partei beitragen sollte. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Aus Anlass des bevorstehenden Welt-Aids-Tages frage ich den Senat: Wo steht Berlin bei der Erreichung der Fast-Track-Cities-Ziele 090-90-90? – Danke!
Vielen Dank, Frau Senatorin, für die Beantwortung! Ich denke, wenn wir uns vor Augen führen, dass wir vor zehn Jahren noch bei 600 Neuinfektionen pro Jahr in Berlin lagen, dann ist die Entwicklung, die wir in den letzten zehn Jahren genommen haben, tatsächlich eine gute.