Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe die Ehre, zu dieser wichtigen Frage für meine Fraktion zu sprechen. Ich möchte vorwegschicken: Mein Respekt den Koalitionsfraktionen, dass sie offenbar den auch von uns erkannten Missstand thematisieren, dass mit den Volksbegehren seitens des Innensenators nicht angemessen umgegangen wird, und dass sie deswegen jetzt die gesetzlichen Daumenschrauben anziehen wollen!
[Anne Helm (LINKE): Nein, das ist andersherum! – Torsten Schneider (SPD): Da haben Sie was missverstanden!]
Ich darf einmal an das Volksbegehren für mehr Videoaufklärung und Datenschutz erinnern, das sehr lange in der Innenbehörde geschlummert hat, wonach man nach langen Erwägungen zu dem Ergebnis gekommen ist, es sei angeblich verfassungswidrig, weshalb es im Grunde der weiteren Bearbeitung und damit auch Abstimmung durch die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes entzogen ist, und das ist ein unbefriedigender Zustand.
Das ist kein Einzelbeispiel. Dazu kam, dass Kollegen aus meiner Fraktion, insbesondere der Kollege Evers, sich Akteneinsicht einklagen mussten, um in die entsprechenden Prüfungsunterlagen Einsicht nehmen zu können. Das alles ist kein angemessener Umgang mit einem Volksbegehren und auch mit dem Parlament. Deswegen werden wir im Fachausschuss sehr gern und sehr konstruktiv und genau schauen, welche weiteren Daumenschrauben wir vernünftigerweise hinzufügen werden, damit das in Zukunft besser funktioniert, auch dann, wenn wir selbst den Innensenator stellen wollen. – Herzlichen Dank!
[Stefan Förster (FDP): Noch ein Anwärter auf den Posten des Innensenators! – Zuruf von Paul Fresdorf (FDP)]
Doch, Herr Kollege Fresdorf, dieses Gesetz brauchen wir sehr wohl. – Meine Damen und Herren! Frau Präsidentin! Die Respektsbekundungen von Herrn Dregger nehmen wir sehr gerne entgegen, wir haben sie auch durchaus verdient.
Ich kann Ihnen aber sagen, dieses Gesetz ist keine Reaktion auf aktuelle Verfahren, die beim Innensenator anhängig sind. Diese zu verändern, war mit diesem Gesetz nicht bezweckt, das können wir auch gar nicht, und das wollen wir auch gar nicht.
Berlin ist seit vielen Jahren im Ländervergleich bei der direkten Demokratie und der Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger ganz weit vorne. Wir sind die besten im Bundesvergleich, und trotzdem legen wir Ihnen eine Reform des Abstimmungsgesetzes vor. Warum? – Weil wir die öffentliche Debatte über die Details ernst nehmen und weil wir darauf reagieren.
In der Historie der Berliner Volksgesetzgebung gab es schon viele Volksinitiativen. Einige waren erfolgreich, einige sind gescheitert. Manche haben wesentlich zu der Gesetzgebung dieses Hauses beigetragen, zum Beispiel beim Berliner Mobilitätsgesetz. Wir haben hier also in jedem Fall erfolgreiche Instrumente, und wir wollen sie weiterentwickeln, dort wo es nötig ist. Wir haben die Erfahrungen mit den Volksbegehren und -entscheiden sorgfältig ausgewertet und tatsächlich an den hervorragenden Gesetzen aus den Nullerjahren noch einigen Änderungsbedarf festgestellt. Deswegen verfolgen wir mit dieser Vorlage drei Ziele, grob gesagt: Wir wollen mehr Rechtsklarheit schaffen, wir wollen mehr Transparenz herstellen, und wir wollen die Verfahren vereinfachen.
Kollege Efler hat einige wesentliche Punkte genannt, die ich nicht wiederholen will. Ich will ergänzen: Wir wollen die Verfahren vereinfachen und beschleunigen, indem wir die Bezirksämter bei der Zählung der Unterschriften und bei der Feststellung der Gültigkeit von Unterschriften entlasten. Wenn ein Bezirk bei einer Volksinitiative – die braucht 20 000 Unterschriften – bei 1 800 Unterschriften festgestellt hat, dass diese gültig sind, dann können sie mit der Gültigkeitsprüfung aufhören. Die anderen Bezirke haben auch 1 800 Unterschriften, das reicht dicke für das
Wir wollen, dass die Nachbesserung ermöglicht wird. Das heißt, das hat Kollege Efler erläutert, bei Feststellung von Zulässigkeitsmängeln soll es möglich sein, diese zu beseitigen, um dann vielleicht auch eine unnötige Befassung des Verfassungsgerichts zu vermeiden und auch so das Verfahren zu beschleunigen. Das hilft allen Seiten und auch der direkten Demokratie.
Vielen Dank, Kollege Zimmermann, dass Sie die Zwischenfrage zulassen! – Sie haben es gerade erwähnt: Die Bezirksämter hören auf zu prüfen, nachdem 1 800 gültige Stimmen pro Bezirksamt vorliegen. Nun ist es aber nicht zwingend so, dass jedes Bezirksamt 1 800 gültige Unterschriften vorliegen hat. Macht diese Regelung wirklich Sinn, dass automatisch aufgehört wird, oder ist das eine Regelung, über die wir vielleicht im Ausschuss noch einmal sprechen sollten?
Herr Fresdorf! Die Frage hätten Sie sich eigentlich selbst beantworten können. Wenn keine 1 800 Unterschriften vorliegen, kann auch nicht aufgehört werden, denn dann ist das Quorum nicht erreicht. Dann kann es nicht erreicht werden. Erst wenn 1 800 da sind, ist Schluss,
und dann gehen wir davon aus: Wenn alle Bezirke ihre 1 800 Unterschriften festgestellt haben und das zusammentragen, ist das Quorum erreicht. Das nötige Quorum muss schon noch geschafft werden.
Dann haben wir, ganz wichtig, die Veröffentlichungspflicht von Geld- und Sachspenden der Initiativen. Wir wollen die Transparenz tatsächlich so erhöhen, dass alle wirklich erkennen können, wer hinter einer Initiative steckt. Deswegen muss das veröffentlicht werden. Schließlich wollen wir aber zugunsten der Initiativen eine Kostenerstattung. Das ist eine lange Diskussion, aber wir meinen, es ist angemessen und angebracht, dass für die Aufwendungen tatsächlich eine Kostenerstattung vorge
sehen wird. Das haben wir ins Gesetz geschrieben, und das wird auch Initiatoren helfen, ihre Kampagne zu führen.
Das sind Angebote zur Verbesserung von Verfahren, von Fristen, zur Beschleunigung, und ich glaube, dahinter können sich relativ viele in diesem Haus versammeln. Wir würden der Sache dadurch sehr helfen. Wir werden das in den Ausschüssen vertiefen. – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Debatte zeigt: Das Thema direkte Demokratie liegt unterschiedlichen Fraktionen dieses Hauses am Herzen. Deswegen durfte man durchaus gespannt sein, was sich die Koalition bei der Novellierung des Abstimmungsgesetzes einfallen lassen würde. Jetzt liegt der 35-seitige Antrag vor, und man muss leider feststellen, der rot-rot-grüne Berg kreißte und gebar eine Maus. Denn ein kräftiger Schub zur Stärkung der direkten Demokratie, den Sie sich ursprünglich auf die Fahnen geschrieben hatten, Herr Schneider, sieht wahrlich anders aus.
Klar, das wurde von meinen Vorrednern erwähnt, sind viele der vorgeschlagenen Änderungen gut und richtig. Zu nennen und zu begrüßen sind vor allem die bessere Verzahnung von direkter und indirekter Demokratie durch obligatorische Parlamentsberatung bereits nach der ersten Stufe des Volksbegehrens – das ist zweifelsohne gut –, außerdem die Festsetzung von Fristen, das wurde gerade auch von der FDP ganz stark beklatscht, für die Zulässigkeitsprüfung, deren zeitliche Unbestimmtheit in der Tat ein Ärgernis war. Auch die Zusammenlegung von Abstimmungen mit den Terminen für allgemeine Wahlen und die verbesserte Transparenz durch die Offenlegung der einfließenden Eigenmittel der Träger eines Volksbegehrens sind positiv hervorzuheben. Nicht zuletzt, es wurde erwähnt, stellt die Entlastung der Bezirksämter bei der Unterschriftenprüfung eine Verbesserung dar. Das ist alles zu begrüßen, aber beim besten Willen kein großer Wurf, vor allem, wenn man in Rechnung stellt, was noch vor einem Jahr in der SPD zu hören war und was gefordert wurde.
Da hatte Kollege Kohlmeier noch die Einführung einer konsultativen Volksbefragung zum SPD-Ziel und Knackpunkt der Gespräche in der Koalition erklärt.
Was ist daraus geworden, Herr Kohlmeier? – Kein Wort davon auf 35 Antragsseiten, stattdessen ein Koalitionskompromiss auf kleinstem gemeinsamen Nenner. Da haben Ihnen die Kollegen Dr. Kahlefeld und Dr. Efler, die sich einer Ausweitung direktdemokratischer Instrumente widersetzen, ordentlich den Schneid abgekauft.
Aber ohne die Perspektive auf die Einführung eines konsultativen Referendums und dann in einem zweiten Schritt die Einführung eines fakultativen Referendums bleibt der Antrag leider nur Stückwerk – gut gemeint, aber politisch nicht mehr als ein Feigenblatt für demokratiepolitische Untätigkeit.
Meine Damen und Herren von der Koalition! Sie wären gut beraten gewesen, wenn Sie im vergangenen Jahr unserem Antrag zur Durchführung einer konsultativen Volksbefragung in der Frage des zusätzlichen Feiertags in Berlin gefolgt wären,