Nur die Bürgerlichen sind in der Lage, über Wirtschaft zu reden. Die FDP und die CDU sind in der Lage, über Schulen zu reden. Wer hier die richtigen Prioritäten setzt, wird, glaube ich, dadurch sehr deutlich.
Kein Wunder, dass es mit Berlin nicht vorangeht bei einer solchen Regierung und einer solchen Prioritätensetzung!
Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.
Dieser Artikel von 1919 ist in unsere aktuelle Verfassung übernommen worden. Insofern haben wir „Arbeitsruhe“ und „seelische Erhebung“. Wir sind mitten in der Coronakrise, und manch einer schätzt die Zeit der Ruhe, der Besinnung, des Genießens der heimischen Wohnstätte, die Konzentration auf die Familienangehörigen als alleinigen Bezugspersonen mit persönlichem Kontakt, und manch einer schätzt die angeordnete Arbeitsruhe und die seelische Erhebung.
Aber für die CDU ist ganz klar: Viele Tausend Gewerbebetriebe und Einzelhändler und viele Hunderttausend
Menschen in Deutschland haben die Nase voll von Arbeitsruhe und seelischer Erhebung – zumindest dann, wenn sie unfreiwillig sind. Diese Unternehmen und diese Menschen fürchten um ihre Existenz und ihre finanzielle Vorsorge. Sie haben Angst um ihr finanzielles Auskommen und den Fortbestand der Betriebe und Arbeitsplätze. – Wenn also die Verfassung ein Mindestmaß an Arbeitsruhe und seelischer Erhebung pro Jahr vorsieht, haben wir es in diesem Jahr mehr als erfüllt.
Gerade für uns als CDU ist aber der Wunsch der Kirchen, den Sonntag nicht als einen profanen freien Tag, sondern durchaus auch als religiösen Feiertag zu respektieren, eine Herzensangelegenheit. Die Kirchen klagten vor dem Bundesverfassungsgericht dafür, dass an diesem Tag
Raum für die aktive Betätigung der Glaubensüberzeugung und die Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit auf weltanschaulich-religiösem Gebiet
Ganz grundsätzlich brauchen wir eine Beschränkung der Sonntagsöffnungen, und ganz grundsätzlich sollten insbesondere die Adventssonntage nicht zu reinen Shoppingtagen mutieren.
Es droht der Zusammenbruch des Einzelhandels in den Kiezen und Geschäftszentren. Ein Großteil des Umsatzes läuft unvermindert mit den Online-Anbietern, also an den Geschäften vor Ort vorbei. Aber wer sorgt denn für die Lebendigkeit in den Ortsteilen? Wer schafft denn die Ausbildungsplätze vor Ort? Wer schafft denn die Aushilfsjobs für Schüler und Studenten? Wer schafft niedrigschwellige Anstellungsverhältnisse für Flüchtlinge und Langzeitarbeitslose oder für Personen in Teilzeitarbeit? Wer hat denn die elektronischen Registrierkassen und zahlt zuverlässig die Umsatzsteuer? Wer ist denn der Anlaufpunkt für die Menschen vor Ort? Wer veranstaltet die Straßen- und Kulturfeste und die Fête de la Musique? Wer schmückt denn die Schaufenster und Gebäude mit Blumen, Weihnachtsdekorationen und Osterschmuck? Wer schaltet denn die Annoncen in den Zeitungen der Sportvereine, der Kulturvereine und der Kirchen? Wer sorgt denn für ein ordentliches und sauberes Umfeld rund um die Geschäfte? – Das sind die vielen kleinen Gewerbetreibenden und vor allem die Einzelhändler vor Ort. Sie machen die Kieze so lebenswert.
Daher ist ganz klar, gerade jetzt: Wir müssen sie schützen, wir müssen sie stärken, wir müssen ihnen helfen, und natürlich brauchen wir die größtmögliche Flexibilisierung von möglicherweise zu starren Vorgaben. So muss der Senat über seinen Schatten springen und diesen Einzelhändlern und Gewerbetreibenden Zeichen setzen. Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen der Flexibilisierung.
Ein paar Vorschläge von uns: Vielleicht können wir den Einzelhändlern helfen, indem wir Pop-up-Zusatzverkaufstische vor den Geschäften auf den Bürgersteigen zulassen. Vielleicht können wir den Schauspielern helfen, indem wir kleine Pop-up-Bühnen an zentralen Stellen in der Stadt zulassen. Vielleicht können wir den Schaustellern helfen, wenn wir sie wie in München auf öffentlichen Plätzen Fahrgeräte, Buden und Riesenräder aufstellen lassen. – Und, lieber Senat, vielleicht können wir mal etwas ganz Exotisches probieren: Wir könnten versuchen, die Kfz-Zulassung zu normalisieren, sodass die autonahen Händler und Dienstleister arbeiten können. Und noch etwas Exotisches: Wir könnten dafür sorgen, dass Baugenehmigungen für öffentliche Aufträge zeitnah erfolgen, damit auch Handwerker und Bauherren arbeiten können.
Und noch etwas Exotisches: Wir könnten die Standesamtsfunktionstüchtigkeit wiederherstellen, damit auch Hochzeiten wieder stattfinden können, damit die Restaurants, Blumenläden, Fotografen, Drucker und Eventagenturen etwas zu tun haben.
Ich komme zum Schluss. Für uns als CDU ist klar: Wir müssen den Unternehmen, die unter den Folgen der Coronakrise leiden, helfen. Dafür sind zusätzliche Finanzierungen zur Überwindung der Folgen der Pandemie vorzusehen. Wir freuen uns auf die Diskussion im Ausschuss. – Danke schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob die FDP es nicht mitgekriegt hat: Aber Berlin ist mitnichten das verschnarchteste Bundesland oder das verschnarchteste Land in Europa, sondern das Bundesland in Deutschland mit dem liberalsten Ladenöffnungsgesetz – Kollege Düsterhöft hat es gesagt: Sechs Mal die Woche kann man 24 Stunden einkaufen; muss man nicht.
Was Sie hier von uns verlangen, ist schlicht rechtswidrig, denn das Ladenöffnungsgesetz Berlins sagt sehr klar: Der Senat darf eine Allgemeinverfügung erlassen. Da darf er acht Sonntage im Jahr an irgendwelche Events gebunden festlegen plus zwei Sonntage, die die Bezirke festlegen dürfen. Wenn man davon ausgeht, dass das Jahr etwa 52 Sonntage hat, sind wir fast schon bei einem Fünftel aller Sonntage, wo die Läden sowieso schon offen haben.
Da zu behaupten, man dürfe nie einkaufen, ist, ehrlich gesagt, echt vermessen. Das ist in Hinblick auf den
Verfassungsrahmen, der schon angeführt wurde – mit der Sonntagsruhe und der seelischen Erhebung –, wirklich viel.
Wir wissen, dass es sowieso viele Menschen in dieser Stadt gibt, die sonntags arbeiten müssen: bei der Polizei, der Feuerwehr, den Krankenhäusern, in den Museen und Theatern.
Überall gibt es Menschen, die sonntags arbeiten müssen. Es ist für Familien, für Freundschaften ohnehin schon schwierig, sich auf einen Tag in der Woche zu verständigen, an dem man gemeinsam etwas unternehmen kann. Das muss man jetzt nicht noch weiter fragmentieren, indem man auch noch die Läden öffnet und das Shoppingerlebnis zum alleinigen gemeinsamen Erlebnis erklärt. Ich glaube, diese Gesellschaft ist weiter und kann mehr.
Ich komme zur Frage der Umsatzsteigerungen, wenn man sonntags einkaufen kann: Natürlich haben die Geschäfte durch Corona erheblich gelitten. Das ist überhaupt keine Frage. Und natürlich haben sehr viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jetzt deutlich weniger Einkommen, weil sie zum Beispiel sich immer noch in Kurzarbeit befinden oder sogar arbeitslos geworden sind. Wir haben sehr viele Menschen, eine steigende Zahl von Menschen in Berlin, die Transferleistungen beziehen. Wenn eine Bundesregierung sagt, sieben Euro im Monat mehr ist genug, können Sie kaum erwarten, dass damit die Kaufkraft großartig gesteigert wird, um sonntags auch noch einkaufen gehen zu können. Das wird nicht funktionieren.
Aber was würde denn dem Handel helfen? – Es würde ihm helfen, wenn man sich einmal die Gewerbemieten anguckt, wenn man sich anschaut, welche Entwicklungen es gerade in den Kiezen gibt. Laufen Sie einmal durch Kreuzberg oder Neukölln!
Da werden Sie sehen, wie viele Läden von Verdrängung bedroht sind, weil sie die Mieten nicht mehr bezahlen können, weil es keine Regulierung der Gewerbemieten gibt, weil da von einem auf den anderen Tag die Miete von 7 Euro auf 23 Euro steigen kann. Das kann kein Laden aushalten, noch nicht einmal die großen – von den Kiezläden ganz zu schweigen. Wenn Sie denen helfen wollen, dann schaffen Sie eine Regulierung der Gewerbemieten auf Bundesebene.
Nein, danke schön! – Was ihnen auch helfen könnte, wäre eine Kampagne, vor Ort einzukaufen. Natürlich ist der Anreiz, bei den Datenkraken wie Amazon einzukaufen, groß, denn es ist ja so schön bequem. Noch fieser ist es, in den Einzel-, in den Fachhandel zu gehen, sich dort schön beraten zu lassen, um dann billig, billig bei Amazon einzukaufen.
Wichtig wäre, dass auch solche Unternehmen wie Amazon und andere tarifgebunden werden, dass sie den Einzelhandelstarif bezahlen.
Dann sind sie nicht mehr billiger und auch nicht bequemer. Das Gebot der Stunde ist also neben der Regulierung der Gewerbemieten, dass diese Logistikunternehmen, wie sie sich selbst nennen,
die aber letztlich nur eine Konkurrenz zum Einzelhandel sind, endlich in eine Tarifbindung kommen, damit es dort Wettbewerbsgleichheit gibt, um in Ihrer Terminologie zu bleiben. Ferner müssen wir uns darauf orientieren, die Kiezläden zu stärken, indem wir dort einkaufen und indem die Mieten abgesenkt werden.