Protokoll der Sitzung vom 17.09.2020

Wir stehen vor einem Milliardenzuschuss für die Flughafengesellschaft, weil Sie uns monate- und jahrelang vertuscht und verschwiegen haben, wie die FBB eigentlich dasteht und wie hoch die Mehrkosten des Flughafens BER sind.

[Carsten Schatz (LINKE): Das ist eine gewagte Behauptung!]

Wie ist die Situation? – Für das Jahr 2020 und das Jahr 2021 sind bisher im Haushalt 40 Millionen Euro Zuführung zur FBB, 111 Millionen Euro im Nachtragshaushalt sind gesperrt, 300 Millionen Euro sofort! Wie diese Summen zustande kommen – und ich rede noch nicht von den Mehrkosten des BER –, obwohl die FBB angekündigt hat, nicht mehr einzustellen und obwohl die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sofort nach der Eröffnung des BER in Kurzarbeit geschickt werden sollen, das hat auch noch nie jemand erklärt.

[Carsten Schatz (LINKE): Wie viel Umsatz hat die FBB denn gerade? Sagen Sie doch dazu mal etwas!]

Selbst, wie die coronabedingten Mehrkosten am BER in der Flughafengesellschaft zustande gekommen sind, wurde noch nicht erklärt.

Und dann fallen dubiose Positionen unter der Überschrift „Sonstige finanzielle Verpflichtungen“ in Höhe von 838 Millionen Euro aus der Bilanz auf. Schallschutzmaßnahmen – die sind ja erklärbar –, Bestellobligo aus erteilten Investitionsaufträgen: 350 Millionen Euro –, noch in Prüfung befindliche Rechnungen für aktivierungspflichtige Maßnahmen: 59 Millionen Euro im Jahr 2019 und 85 Millionen Euro im Jahr 2018 – usw. Alles dubiose Finanz- und Rechentricks, die Sie nicht erklären können und erklären wollen!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Die Frage der Kalkulation der Mieteinnahmen, die Frage der Flughafenentgelte, die sind vollkommen offen und von Ihnen nicht erklärt worden. Wir werden sehen, was dort im Ausschuss erzählt wurde. Schlussendlich sehen wir kurzfristig einen Finanzierungsbedarf von 1,5 Milliarden Euro.

[Steffen Zillich (LINKE) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Bei einer Neubewertung der Bilanzen – und da sind wir uns vielleicht mit dem einen oder anderen von den Grünen auch einig –, die dringend kommen muss, sehen wir einen Betrag von 1 bis 4 Milliarden Euro, der auf den Steuerzahler im Bund, in Brandenburg und in Berlin zukommt. – Nein, keine Zwischenfragen! Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Und wie Herr Kurz, ein Wirtschaftswissenschaftler, in dieser Woche auch gesagt hat, ist dieser Finanzskandal wesentlich größer als Wirecard, denn da verlieren nicht nur Aktionäre ihr Geld, sondern der Steuerzahler muss Milliarden in die Flughafengesellschaft stecken. Ein Skandal allererster Güte!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Und Herr Schatz, geschätzter Herr Schatz! Wie wollen Sie den Wählerinnen und Wählern erklären, dass jedes Jahr – wenn man es nur auf vier Jahre rechnet – 20 Grundschulen, 100 Kitas oder jedes Jahr ein deutsches

Herzzentrum von dem Geld, das Sie gerade versenken, gebaut werden könnte?

Wie wollen Sie den Bürgerinnen und Bürgern erklären, dass Sie zwar in Biesdorf keine tangentiale Verbindung Ost zustande bekommen, in Treptow-Köpenick und in Steglitz-Zehlendorf keinen Lärmschutz herstellen, aber in die FBB Milliarden stecken?

[Carsten Schatz (LINKE): Infam!]

Deswegen ist es endlich Zeit, sich ehrlich zu machen. Die Aufgabe von SPD, Grünen und Linken in Berlin ist, für diesen finanziellen Super-GAU die Verantwortung zu übernehmen und aufzuklären. Das erwarten wir von der Koalition.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Wir als CDU-Fraktion werden in den nächsten Wochen und Monaten an Konzepten mitarbeiten. Beispielsweise unter der Überschrift –

[Steffen Zillich (LINKE): Ihr seid völlig unbefleckt und frei von Kenntnis!]

Ich weiß, dass Sie das aufregt, weil Sie müssen es Ihren Bürgerinnen und Bürgern in Treptow-Köpenick und vielen Bezirken auch erklären. – Wir werden als CDUFraktion an den Konzepten mitarbeiten, wie man möglicherweise den Schaden für den Steuerzahler, zum Beispiel durch ein Konzessionsmodell, begrenzen kann, indem zumindest das Land Berlin noch etwas einnimmt und von den Milliarden, die wir alle an die Flughafengesellschaft zahlen werden müssen, möglicherweise der FBB mit auf den Weg gibt.

Wir erwarten von Ihnen eine ernsthafte und gewollte Aufklärung. Jetzt ist Schluss mit tricksen. Und wir erwarten von Ihnen Modelle, wie die Kosten, die Sie als RotRot-Grüne-Koalition in den letzten Monaten und Jahren am Flughafen verursacht haben, für den Steuerzahler gemindert werden können. Das sind Sie den Berlinerinnen und Berlinern schuldig. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Carsten Schatz (LINKE): Unglaublich! – Steffen Zillich (LINKE): Oh je, das mit dem Teflonversuch klappt nicht!]

Für die Fraktion der SPD hat das Wort Herr Abgeordneter Stroedter!

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Da hat man eine Rede, und wenn man Gräff hört, muss man erst mal sagen: Einfach irre, was Sie hier veranstalten. Herr Gräff! Wir hatten im August eine Anhörung im Beteiligungsausschuss. Da sind

all die Fragen mit Herrn Lütke Daldrup diskutiert worden. Wo war da Gräff? Und wo war da Evers? – Wie immer: nicht da.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Zweitens: Wenn Sie die Regierung hier so angreifen, Sie haben da einen Abgeordneten hingeschickt, der seit vier Monaten im Parlament steht, das ist auch CDU-Politik. – Und der hat noch gute Fragen gestellt.

Dann sage ich mal Folgendes: Wer war eigentlich zwischen 2011 und 2016 in der Regierung?

[Sebastian Czaja (FDP) und Frank-Christian Hansel (AfD): Richtig!]

Sie? Die CDU oder wer? Und wer saß eigentlich im Aufsichtsrat? – Der wieder nicht anwesende Frank Henkel? – Auch das ist ja wohl richtig.

[Heiko Melzer (CDU): Ja, Henkel war auch dabei!]

Sie tun mal so, als ob Sie in der entscheidenden Phase der Flughafenpolitik in Berlin keine Verantwortung hatten.

[Heiko Melzer (CDU): SPD war auch mit dabei!]

Sie waren voll in der Verantwortung. Sie haben nichts dafür getan, dass eine positive Wendung eingetreten ist, die Sie heute kritisieren. Deshalb sind Sie in keinster Weise glaubwürdig.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Dann kommen wir mal zu den Zahlen. Wir haben das auch schon im August besprochen, und mich braucht da keiner von irgendetwas zu überzeugen. – Anders als Sie, Herr Gräff, der immer dann so: Ach Herr Lütke Daldrup, wie gut Sie das alles machen! –, habe ich immer in all den Jahren kritisch geäußert, wie meine Meinung zu dem Thema ist.

Ich sage Ihnen: Selbst die Zahlen, die in Brandenburg im Sonderausschuss vorgelegt worden sind – als Bad Case sozusagen –, da bin ich nicht sicher ob die ausreichen. Das ist möglicherweise auch mehr. Jetzt sage ich Ihnen gerne noch einmal, woran das liegt, weil das ja offensichtlich vergessen worden ist: Dieser Flughafen sollte seit 2012 eröffnet sein. Wir öffnen Ihnen jetzt am 31. Oktober 2020. Das ist übrigens immer noch eine tolle Nachricht, dass wir ihn endlich eröffnen können. Das hat Ihnen nicht gepasst, aber ich nehme es mal zur Kenntnis.

Acht Jahre mehr Bauzeit heißt acht Jahre mehr Kosten.

[Zuruf von Christian Gräff (CDU)]

Alles, was dort schief gelaufen ist von den sogenannten Weltfirmen, die Sie alle im Untersuchungsausschuss nicht hören wollten – denn, die dürfen wir ja nicht an

(Christian Gräff)

greifen, wir müssen ja immer nur den Senat angreifen –, alles, was dort nachgebessert worden ist, alles, was ausgebessert worden ist, hat enorm viel Geld gekostet. Das ist völlig klar.

Dann zum Zweiten – auch das gehört zur Wahrheit dazu –: Wenn Sie Kredite einsetzen, entstehen natürlich Zinsen. Und wenn das acht Jahre länger dauert, und acht Jahre länger Leute bezahlt werden müssen, dann kostet auch das eine Menge. Insofern ist es für uns als Koalition in keinster Weise überraschend, dass das jetzt so ausgeht.

Das einzige, was ich allerdings kritisch sehe, ist – das will ich einmal in Richtung FBB sagen, das sage ich auch in Richtung Aufsichtsrat und das sage ich auch in Richtung Gesellschaftervertretung –: Ein bisschen mehr Transparenz in der Frage, frühzeitig, wäre gut gewesen. Die haben wir im vergangenen Jahr deutlich vermisst, um es einmal vorsichtig auszudrücken. Wir werden jedenfalls als Koalitionsabgeordnete darauf achten, dass wir das in den nächsten Sitzungen entsprechend dokumentieren. Dafür haben wir übrigens diesen Beteiligungsausschuss, dafür haben wir auch die Möglichkeit im Hauptausschuss.

Was Sie übrigens nicht gesagt haben, aber ich sage es mal, ist Ihre lächerliche Klage, die Sie jetzt über die Erweiterung des Untersuchungsausschusses machen wollen. Das haben Sie sich anscheinend nicht einmal getraut. Ich sage Ihnen mal Folgendes: Das ist völlig absurd, weil mit dem Untersuchungsausschuss gucken Sie immer nur zurück und nicht nach vorne. Und wir müssen in der Tat nach vorne gucken, um zu sehen, welche Probleme da sind.

Die sind natürlich durch Corona deutlich verstärkt worden. Auch da will ich sagen: Ich glaube nicht, dass das eine kurzfristige Geschichte ist. Ich glaube, das Coronathema wird weiterlaufen, und zwar nicht nur, bis der Impfstoff da ist und viele Leute hoffentlich geimpft sind und wir die Möglichkeit haben, dass diese Pandemie begrenzt wird, sondern auch darüber hinaus, weil Veränderungen da sind.

Viele Leute sind nicht mehr der Meinung, dass sie noch unbedingt fliegen müssen. Wir brauchen den innerdeutschen Flugverkehr schon lange nicht mehr. Unsere Meinung ist: Diese 25 Prozent können eingespart werden. Das ist so. Das gehört auch zur Wahrheit dazu.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Und: Wir können uns natürlich auch keine zwei Flughäfen leisten.

Das müssen Sie mir auch noch mal gestatten: Sie haben als CDU vor Kurzem eine Umfrage innerhalb der CDU gemacht und sie hier präsentiert: Sie wollen den Flugha

fen Tegel aufrechterhalten, auch dazu haben Sie heute nichts gesagt.