Protokoll der Sitzung vom 01.10.2020

[Beifall bei der AfD]

Der Vater sei gewalttätig oder unfähig zur Sorge, kann nicht als Normalfall angenommen werden, und ich denke, da sind wir uns auch alle einig. In Fällen, in denen die werdenden Väter gegenüber der werdenden Mutter gewalttätig geworden sind oder vielleicht noch werden, hat diese die Möglichkeit, über das Gewaltschutzgesetz Schutz zu suchen. Also es gibt bereits eine rechtliche Regelung. Wenn Gründe vorliegen, die gegen das Sorgerecht des Vaters sprechen, sollte die Mutter diese vorgeburtlich vor Gericht geltend machen können. – Mit dem vorliegenden Antrag wahren wir also auch den Schutz der Mutter.

Allerdings fordern wir eine Beweislastumkehr. Eine Vorverurteilung entspricht nicht der Rechtslogik eines freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Ein unbegründeter Ausschluss des Vaters vom Sorgerecht rein aus Lifestylegründen der Mutter ist auch aus der Perspektive des Kindeswohls abzulehnen. Kinder haben von Geburt an Anspruch auf zwei sorgeberechtigte Elternteile. Auch nach einer Trennung brauchen Kinder beide Elternteile. Die in Deutschland vorherrschende Praxis bedeutet allerdings im Trennungsfall, dass Väter in der Regel zwar weiterhin für den Unterhalt aufkommen, die Mütter aber in der Regel die Personensorge übernehmen. Teilweise werden Väter gezielt von der Sorge ausgeschlossen; in anderen Fällen sind Väter froh, sich aus der Verantwortung stehlen zu können. Wir wollen Väter in die Pflicht nehmen, Sorge zu übernehmen und zugleich Kindesentzug entgegenwirken.

[Beifall bei der AfD]

Langzeitstudien zeigen, dass eine vaterlose Kindheit ein Leben lang negative Folgen haben kann. Vaterlosigkeit schadet dem Kind, der Gesellschaft und zu guter Letzt dem Gesundheitssystem.

Wird das gemeinsame Sorgerecht als Standard umgesetzt, bedeutet dies noch lange nicht, dass es in der Praxis große Umwälzungen gibt, denn vom Sorgerecht ist die Ausübung des Sorgerechts zu unterscheiden. Trennungseltern müssen zum Beispiel nicht jeden Morgen darüber telefonieren, ob Wurst oder Nutella aufs Brot soll. Es geht bei der gemeinsamen Ausübung der Sorge um Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung für die Kindesentwicklung. Flankierend zu einer Gesetzesänderung benötigen wir Beratung und Mediation bei Elternkonflikten. Wir wollen das Ganze also auch noch weiter verbessern, auch durch Fortbildung qualifizierter Familienrichter.

Ich komme zum Schluss: Das familienpolitische Grundziel muss sein, auch nach Trennung und Scheidung Elternschaft zu erhalten und zu fördern. Die jetzige Gesetzeslage fördert faktisch Alleinerziehung als Modell. Die Familienpartei AfD will dagegen Elternschaft fördern und das Kindeswohl sichern. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Herr Abgeordneter Kohlmeier.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die AfD hat ja vermeintlich die Väter und auch die Familien entdeckt. Ich möchte mit einem Zitat aus diesem Antrag beginnen, und zwar dem vorletzten Satz des Antrages, und zwar aus der Begründung:

Langzeitstudien zeigen, dass eine vaterlose Kindheit ein Leben lang negative Folgen haben kann.

Ich habe mich so in den Reihen umgeschaut und überlegt, der eine oder andere Vater ist bei Ihnen möglicherweise auch dabei, und habe gedacht: Tun Sie doch mal was für Ihre Kinder! Schicken Sie mehr Frauen ins Parlament und sorgen sich mehr um Ihre Kinder, anstatt hier rumzusitzen und solche Anträge einzureichen!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zurufe von Christian Buchholz (AfD) und Ronald Gläser (AfD)]

Der Antrag ist eine gute Gelegenheit, sich mit dem Familienbild der AfD auseinanderzusetzen. Ich habe mir mal das Wahlprogramm angeschaut, zugegebenermaßen gibt es schönere Veranstaltungen. Im Wahlprogramm der AfD steht, man möchte Vollzeitmütter schaffen, und de facto sollen die Frauen nach Hause zurück an den Herd und zur Familie.

[Ronald Gläser (AfD): Das steht da nicht!]

(Tommy Tabor)

Und, sehr spannend, Alleinerziehende sollen keine Unterstützung aus der Solidargemeinschaft erhalten. Interessante Aussage, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der AfD!

[Christian Buchholz (AfD): Gehen Sie in die Schule, und lernen Sie erst mal lesen!]

Weiter habe ich mir das Familienbild bei Ihnen im Parlament angeschaut. 9 Prozent von Ihnen sind Frauen, großartiges Familienbild, das Sie haben,

[Zuruf von der AfD: So ein Blödsinn!]

das offenbar aus 91 Prozent Männern besteht!

[Beifall von Derya Çağlar (SPD) – Ronald Gläser (AfD): Was hat das damit zu tun?]

Ich rede einfach zum Familienbild der AfD, genau so! – Selbstverständlich habe ich mir angeschaut, welches Familienbild die Abgeordneten bei Ihnen eigentlich haben. Das besteht ein Stück weit in einer Bandbreite zwischen Hitlerweinfotos und interessanten Tweets.

[Beifall bei der SPD – Zurufe von Ronald Gläser (AfD) und Gunnar Lindemann (AfD)]

Ich darf aus Tweets zitieren: Ukraine, preiswert und gut, Mädel mitbringen schlecht wegen Visum, aber ist ein armes Land und alles sehr preiswert und gibt genug Auswahl in allem. – Was schätzen Sie, wer das gesagt hat?

[Zurufe von der SPD und der AfD]

Der charmante, gut aussehende Vorzeigemann der AfD, Herr Lindemann! Großartiges Familienbild!

[Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zurufe von der AfD]

Um mal zu schauen, wie ernst Sie es mit dem Antrag meinen, wenn es um Familien und Väter im Parlament gehen soll – keine Zwischenfrage, ich bin gerade so gut drin –:

[Heiterkeit bei der SPD]

Es gibt eine Parlamentsdokumentation. Ich habe es mir einfach gemacht, das Wort Väter eingegeben und geguckt, wie oft AfD dahintersteht. Was glauben Sie, wie oft es war? – Null! Genau, es gibt zur Familie sieben Drucksachen, einen Antrag davon. So weit haben Sie sich in den letzten vier Jahren um Familien und Väter gekümmert. Null Initiativen zu Vätern bisher, sieben Drucksachen zu Familien!

[Frank-Christian Hansel (AfD): Wie viele haben Sie denn gemacht? – Ronald Gläser (AfD): Weil sich der Staat da raushalten soll!]

Das tatsächliche Ziel ist doch – ich darf zitieren –: Traditionelles Familienbild ist das favorisierte Modell des Zusammenlebens für uns.

[Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Wer hat es gesagt? – Jetzt applaudieren Sie! – Wer hat es gesagt? – Tommy Tabor! Und wer noch? – Björn Höcke! Herzlichen Glückwunsch, Gratulation, in welche Reihe Sie sich da stellen!

[Zurufe von der AfD]

Ihnen geht es tatsächlich nicht um die Väter, Ihnen geht es auch nicht um die Kinder, Ihnen geht es um eine Ideologie, die längst vorbei ist. Die deutsche Familie soll aus Mutter, Vater, Kind bestehen

[Zuruf von Christian Buchholz (AfD)]

und am liebsten noch dem deutschen Schäferhund.

[Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zuruf von der AfD: Was haben Sie gegen Schäferhunde?]

Das traditionelle Familienbild ist Ihnen doch egal. Im Hinblick auf Ihren Antrag sei ihnen so viel noch mal zum Nachdenken mitgegeben: Sie wollen ein automatisches Sorgerecht für Väter haben. Haben Sie sich eigentlich mal überlegt, dass es möglicherweise für das Kindeswohl gar nicht so gut ist, wenn der Vater automatisch das Sorgerecht bekommt.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Ist das Ihre Abschiedsrede oder was?]

Die kommt erst in einem Jahr, und die werden Sie aushalten müssen, das kann ich Ihnen schon mal sagen!

[Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Und haben Sie sich schon mal Gedanken darüber gemacht, wie es eigentlich sein soll, wenn Sie das automatische Sorgerecht an Väter vergeben wollen, wenn das Kind aufgrund einer Vergewaltigung entstanden ist? – Nein, darüber haben Sie sich keine Sorgen gemacht, genauso wenig wie Sie anerkennen, dass es heutzutage auch andere Lebensformen und andere familiäre Formen des Zusammenlebens gibt. Über Familie und Sorgerecht haben wir im letzten Rechtsausschuss miteinander gesprochen. Wir hatten dazu eine Anhörung, wir hatten einen Familienrichter dabei. Das war der richtige Ansatz. Dieser Antrag ist es jedenfalls nicht. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Die AfD-Fraktion hat eine Kurzintervention angemeldet. – Herr Woldeit, Sie haben gleich das Wort!

[Paul Fresdorf (FDP): Jetzt kommt die Ehrenrettung des Schäferhunds!]

(Sven Kohlmeier)