Protokoll der Sitzung vom 01.10.2020

nen gern darüber reden, was wir hier machen wollen, um dieser Mietsteigerung entgegenzuwirken. – Danke!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Für die FDP-Fraktion hat Herr Förster das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Prinzip ist ja schon alles gesagt, nur noch nicht von allen; deswegen bemühe ich mich, es so kurz wie möglich zu halten. Wir sind ja auch auf der Zielgeraden, wie ich gerade gesehen habe.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Noch nicht ganz!]

Auf der einen Seite kann man immer wieder darüber reden, was man noch an Geld ausgeben kann im Land Berlin; auf der anderen Seite muss man auch mal sehen: Ist es zielgerecht und notwendig? – Und da haben wir jedenfalls unsere Zweifel.

[Beifall bei der FDP]

Wenn wir über einen Fonds von 10 Millionen Euro reden, wäre das vom finanziellen Volumen eine relativ geringe Summe, wenn die Befürchtung zuträfe, die die CDU an die Wand malt. Dann würde man mit 10 Millionen Euro ja nicht weit kommen, wenn die entsprechenden Höchstbedarfe so groß wären, dass man das Geld ausgeben müsste.

Wenn man sich andererseits aber die Statistiken anschaut, zum Beispiel die des BBU – der hat ja einen sehr guten Überblick, ob coronabedingte Schieflagen eingetreten sind –, dann sagen die, dass statt einer normalen Zahlungsmoral von 99,8 Prozent – und das zeigt ja, das nahezu alle ihre Miete pünktlich überweisen – coronabedingt eine Zahlungsmoral von 99,7 Prozent bestanden hat. Das 0,1 Prozent kann man fast in den Bereich der statistischen Schwankung einsortieren; das sind jedenfalls wenige Fälle, und die würden es nicht rechtfertigen, einen neuen Fonds aufzulegen, sondern zeigen ganz klar, dass es ein Stück weit auch Aktionismus ist, wenn selbst der große Verband, der einen Überblick über städtische, genossenschaftliche und private Immobilienfirmen hat, sagt: Da gibt es eigentlich kein Problem. Es gibt auch keine nennenswerten Einnahmeausfälle, demnach auch keine nennenswerte Anzahl an Leuten, die ihre Miete nicht zahlen können. – Das ist ganz klar festzuhalten.

[Beifall bei der FDP]

Und dann muss man natürlich sagen, dass Dinge wie der Mietendeckel, dessen Rechtsunwirksamkeit im nächsten Jahr festgestellt werden wird, natürlich dann zu Verwerfungen führen, was das Nachzahlen von Mieten betrifft, aber das ist natürlich nicht Aufgabe der öffentlichen

(Dr. Michail Nelken)

Hand, hierfür einen Fonds einzurichten, dass diejenigen, die Vorsorge getroffen haben, die Dummen sind, weil sie es nachher bezahlen müssen, und die anderen sagen, ich habe das Geld verfrühstückt, nun Staat, ersetze mir mal diesen entsprechenden Einnahmenausfall, den ich dann entsprechend noch nachzahlen muss! Das kann irgendwo nicht sein, entweder so oder so,

[Beifall bei der FDP – Beifall von Martin Trefzer (AfD)]

aber es geht nicht, dass diejenigen, die Vorsorge treffen, am Ende die Dummen sind. Wenn ich irgendwas auf Pump finanziere – und das ist es ja irgendwo –, dann muss ich am Ende dafür sorgen, dass ich das Geld für den Fall zurücklege, dass ich es nachzahlen muss. Das ist, glaube ich, ganz klar.

[Zuruf von Stefan Evers (CDU)]

In diesem Sinne werden wir diesem Antrag nicht nähertreten können. Wir brauchen nicht noch mehr Fonds in Berlin. Wir brauchen wieder eine vernünftige Bau- und Wohnungspolitik. Dann werden wir auch mehr preiswerte Wohnungen haben. Dann werden wir auch Leute haben, die sich die Wohnungen leisten können. Der Ausfall an Mieteinnahmen ist jedenfalls momentan nicht das Problem. Das zeigen die Statistiken. Deswegen ist der Antrag an dieser Stelle überflüssig. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Als Nächste kommt jetzt Frau Schmidberger von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, ich glaube, wenn es darum geht, den Wohnraumverlust von Mietern und auch die Insolvenz von privaten Vermietern zu verhindern, sind wir uns hier eigentlich einig.

[Stefan Evers (CDU): Ach!]

In einem Punkt bin ich mit Herrn Förster nicht einig. Er hat gerade gesagt, es trifft so wenig Leute und ist alles irgendwie gar kein Problem. Ich glaube, da verkennen Sie gerade, dass wir mitten in der Pandemie stecken und noch nicht wissen, wie lange das dauern wird und wie sehr die Menschen belastet sind. Ihre Zahlen, zu sagen, bisher gab es so wenig Ausfälle, haben, glaube ich, auch damit zu tun, dass sehr viele Menschen angefangen haben, erst mal ihr Erspartes für die Miete aufzuwenden. Ich selber kenne da auch sehr viele Menschen, die betroffen sind. Aber die sagen mir jetzt, gerade auch Gewerbetreibende, weil sie Einnahmeverluste haben, die bleiben, weil wir eben unsere Mieten wieder zahlen müssen und keinen Kündigungsschutz mehr haben, danke, CDU im Bund,

[Zuruf von Stefan Evers (CDU)]

kriegen wir jetzt massive Probleme, unsere Mieten begleichen zu müssen. Deswegen denke ich durchaus, dass es wichtig ist, dass wir uns hier im Haus Gedanken über nachhaltige Lösungen machen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Deswegen ist es auch gut, dass der Senat gehandelt hat, dass es sozusagen keine Kündigungen mehr durch landeseigene Wohnungsbaugesellschaften gibt, weiterhin auch keine Wohnungsräumungen. Es ist wirklich sehr bedauerlich, dass der Bund die Regelung für den Kündigungsschutz nicht verlängert hat. Das hätte den Bund auch null gekostet, außer ein bisschen soziales Gewissen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ich will da auch mal auf die Debatte verweisen, die im Bund stattgefunden hat. Schauen Sie sich das Wortprotokoll an! Wenn Sie da Jan-Marco Luczak von der CDU hören, da kriegen Sie nicht nur Brechreiz, da denken Sie auch: In welchem Berlin lebt dieser Mensch eigentlich?

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Denn was macht er? – Er stellt sich hin und sagt: Nein, ich möchte jetzt keinen Kündigungsschutz mehr verlängern, denn jetzt läuft ja die Wirtschaft langsam wieder so an. Jetzt kann ich mal wieder essen gehen usw. und irgendwie normal leben. Jetzt wollen wir nicht, dass es stört. – Das ist, Entschuldigung, wirklich eine asoziale Politik, die Sie im Bund betreiben, liebe CDU!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf von Stefan Evers (CDU)]

Frau Kollegin! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gräff zulassen.

Klar, her damit!

Herr Präsident, vielen Dank! – Frau Schmidberger! Würden Sie mit mir die Auffassung teilen, dass ein Schreiben des Finanzsenators, das sämtlichen öffentlichen Gesellschaften des Landes Berlin, nicht nur den Wohnungsbaugesellschaften, die Sie gerade erwähnt haben, untersagt, irgendwelche Mietrückstände sozusagen nicht einzufordern und nicht auf Forderungen von Gewerbemietern einzugehen, mindestens genauso asozial wäre, wenn es das geben würde?

[Lachen bei den GRÜNEN – Zurufe von der LINKEN]

(Stefan Förster)

Ich weiß nicht, von welchem Schreiben Sie reden. Ich weiß nur, dass wir im Land Berlin – gut, dass ich die Zahlen noch mal rausgesucht habe – 731 Gewerbetreibende und ungefähr 1 000 Gewerbetreibende in anderen Gesellschaften haben und wir bereits Mietverzichte geleistet haben, lieber Herr Gräff, nur mal so, das ist die Realität. Wir tun das schon, was Sie einfordern.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Frau Schmidberger! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine zweite Zwischenfrage des Abgeordneten Woldeit von der AfD zulassen.

Nein, danke schön! – Ganz kurz noch mal ein Punkt, der mir wichtig ist: Alle Wirtschaftsexperten sagen, die Immobilienwirtschaft ist sozusagen der Bereich, der mit am wenigsten unter dieser Krise gelitten hat, ganz im Gegenteil, es gibt auch Gewinner dieser Krise. Deswegen finde ich, sollte es unser allerhöchstes Interesse sein, gerade für das Land Berlin, wo wir auch sehr unter dieser Coronapandemie leiden, für eine gerechte Verteilung dieser Lasten zu sorgen.

Deswegen, Herr Gräff, habe ich gedacht, bringe ich mal eine neue Idee mit bzw. möchte ich gerne ganz kurz noch einen Vorschlag hier in den Raum schmeißen, und zwar zu einem Thema, mit dem wir heute Morgen schon begonnen haben – hat mit 100 Jahren Berlin zu tun. Es gab mal in Berlin bzw. in Deutschland eine sogenannte Hauszinssteuer. Diese Hauszinssteuer hat in der Weimarer Republik ab 1924 dafür gesorgt, dass 70 Milliarden Euro in den Wohnungsbau geflossen sind.

[Zuruf von der FDP: Euro? – Zuruf von der SPD: Reichsmark! – Heiko Melzer (CDU): Damals waren es Euro!]

Nein, ich habe extra geguckt, der Herr Michelsen vom DIW, glaube ich, hat das schon richtig umgerechnet.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Heiterkeit bei der LINKEN]

Wir haben vorhin schon festgestellt, wir haben der Hauszinssteuer so schöne Projekte wie die Hufeisensiedlung oder auch die Weiße Stadt zu verdanken. Ich denke, es wäre jetzt an der Zeit, über eine neue Hauszinssteuer zu diskutieren,

[Heiko Melzer (CDU): Was bedeutet das konkret?]

weil eben Eigentümer, viele Immobilienbesitzer und auch gerade große Unternehmen gewonnen haben und sehr wenig Steuern zahlen und da sehr wenig belastet sind. Die Zinslast ist sehr gering. Die haben hier an den Berli

ner Mieterinnen und Mietern sehr gut verdient. Ich brauche Ihnen jetzt nicht zu erklären, wie die Mieterhöhungen der letzten Jahre ausgesehen haben. Ich glaube, das wäre mal ein vernünftiger Vorschlag, so eine Extraabgabe zu erheben. Dann können wir gerne auch über einen SicherWohnen-Fonds für die Berlinerinnen und Berliner sprechen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf von der LINKEN: Bravo!]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Vorgeschlagen wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen sowie an den Hauptausschuss. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Der Tagesordnungspunkt 31 steht auf der Konsensliste. Tagesordnungspunkt 32 war Priorität der AfD-Fraktion unter Nr. 4.6.