Protokoll der Sitzung vom 10.12.2020

Der BER ist jetzt fertiggestellt und erfolgreich eröffnet. Alle Ihre Unkenrufe sind nicht eingetreten, und die Berlinerinnen und Berliner freuen sich auch, dass man mal nicht alles schlechtreden kann. Und es war auch richtig und wichtig, den Flughafen Tegel zu schließen – Herr Czaja, das wollen Sie ja gerne hören. Wie hätten wir eigentlich bei jetzt 25 Prozent Auslastung einen zweiten Flughafen bezahlt, und wie hätten wir da noch die Flugverkehre verteilt? Das hätten nicht mal Sie geschafft, das vernünftig aufzuteilen.

[Paul Fresdorf (FDP): Das ist ja zum Haareraufen!]

Wir bauen in Tegel auch einen nachhaltigen und innovativen Technologiepark, da kommt die Beuth hin – das wissen Sie –, Tausende bezahlbare Wohnungen, und das ist alles richtig.

Und dann war das nächste Thema – das will ich auch mal ansprechen – die Kapazität. Die Chöre sind dort übrigens seit einiger Zeit nicht mehr, obwohl mich das vorher auf jeder Sitzung begleitet hat: Der Flughafen ist zu klein! – Wie ist jetzt im Augenblick die Realität? – Terminal 2 nicht im Betrieb, Terminal 5 wird vorzeitig geschlossen vorderhand, und der Hauptterminal ist nicht mal im Entferntesten ausgelastet. Wir haben in diesem Jahr noch ungefähr 25 Prozent der Zahlen, die wir 2019 hatten. Da muss man sich auch mal fragen, ob manches – –

[Sebastian Czaja (FDP): Sie wissen schon, dass das an der Pandemie liegt?]

Natürlich liegt das an der Pandemie, aber danach wird sich auch eine Menge ändern. Glauben Sie mal nicht, dass nach der Pandemie – wann immer das sein wird – alles so bleibt, wie es ist. Ich sage Ihnen eine ganz klare Position der Koalition: Wir wollen den innerdeutschen Flugverkehr auf null fahren –

[Vereinzelter Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

25 Prozent, die überflüssig sind. Wir wollen die Bahn stärken. Das ist der richtige Weg. Da kann man von Frankreich lernen, daran sollte man sich entsprechend orientieren.

Die Einnahmeausfälle, die jetzt da sind, sind enorm und werden auch in den nächsten Jahren enorm bleiben. Niemand weiß, ob der Geschäftsreiseverkehr auch nur annähernd in der Höhe bleibt, wie er vorher war. Ich gehe davon aus, er wird es nicht bleiben. Das heißt, die öffentliche Hand muss etwas tun, und deshalb sage ich, was wir tun müssen – Herr Kollege Schatz hat es neulich auch schon einmal im Beteiligungsausschuss angesprochen: Wir werden entsprechend auch über eine Teilentschuldung sprechen müssen, weil – –

[Sebastian Czaja (FDP): Hat Ihnen der Finanzsenator nicht gesagt, dass das nicht geht?]

Natürlich geht eine Teilentschuldung. Der Staat kann immer entschulden. Das geht immer.

[Sebastian Czaja (FDP): Es ist nicht möglich, Herr Stroedter!]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Förster?

Wenn die ganze FDP reden muss, weil sich Herr Czaja nicht traut – bitte, Herr Förster!

[Lachen von Paul Fresdorf (FDP)]

Vielen Dank! Wir teilen die Redezeit gerecht auf, daher bin ich heute dran. – Weil Sie sagen „innerdeutsche Flugverbindungen“, hätte ich gern von Ihnen gewusst: Kommt es nicht eher darauf an, wie groß die Entfernung ist? Ihrer Logik folgend dürfte man nach Saarbrücken, wohin man mit der Bahn einen Tag braucht, nicht fliegen, aber nach Prag, Warschau oder Kopenhagen, weil es nicht innerdeutsch ist. Macht es nicht eher Sinn, die Bahn zu nehmen, wenn man kürzere Strecken zurückzulegen hat, und zu fliegen, wenn es sich lohnt und es weitere Strecken sind? Wäre das nicht weniger ideologisch?

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Tobias Schulze (LINKE): Besser nicht fragen, als falsch fragen!]

Eigentlich müssten Sie über die Frage, ob jetzt entscheidend ist, wie wir uns zwischen Berlin und Saarbrücken bewegen, selbst lachen. Uns geht es um diese unnötigen Flüge, die wir innerdeutsch haben: Berlin–München ist die typischste Strecke. Die „Abendschau“ hat ja einmal abgemessen, wie das ist, wenn man hier am Hauptbahnhof in den Zug steigt oder gleichzeitig nach München fliegt: Bis man wieder in der Innenstadt ist, ist da

überhaupt kein Zeitvorteil mehr. – Was macht die Lufthansa? Sie senkt die Preise und versucht, auf diese Art und Weise der Bahn Kunden abzuwerben. Das ist sicherlich kein Punkt, den wir unterstützen.

Ich will erst einmal sehen, wann wir jemals T2 und T5 wieder brauchen. Das wird auch ein langer Prozess sein. Wir müssen erst einmal sehen, dass wir die Fachkräfte an den Flugplätzen halten, dass wir die Arbeitsplätze entsprechend halten. Das wird auch noch ein ganz schwieriger Punkt. Wir müssen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vernünftige Perspektiven geben, und wir müssen dann, wenn sich der Reiseverkehr erholt und nachhaltig neu geordnet hat, genau schauen, was wir wollen und was nicht. Die Träumereien jedenfalls von ewig steigenden Fluggastzahlen sind sicherlich lange vorbei. Wir brauchen da kein Wegducken, kein Verantwortungsverlagern in den privaten Bereich, wie das die FDP grundsätzlich immer vorschlägt.

[Paul Fresdorf (FDP): Was ist das für ein Trauma, das Sie zu verarbeiten haben?]

Wir wollen Infrastruktur in staatlicher Hand. Wir brauchen das Engagement für den Standort BerlinBrandenburg, für eine nachhaltige und funktionierende Infrastruktur.

Nachdem, wie das jetzt alles in diesem Jahr gelaufen ist, auch mit der Fertigstellung des BER, hätte ich mich eigentlich darüber gefreut, wenn Sie hier einfach einmal den Lütke Daldrup gelobt hätten: dass er das gut hinbekommen hat, dass er jetzt auch schafft, den Flughafen vernünftig zu betreiben,

[Sibylle Meister (FDP): Aber darum ging es doch gar nicht!]

dass Tegel reibungslos geschlossen ist, dass niemand – nicht einmal mehr Ryanair, Herr Czaja – mehr dem Flughafen Tegel nachtrauert. Deshalb glauben wir, dass der Antrag der FDP keinerlei Sinn macht, und wir werden diesem Antrag natürlich nicht zustimmen, sondern im Gegenteil darüber nachdenken, wie wir den BER als Projekt der drei Partner vernünftig aufstellen. Da gibt es auch gute Möglichkeiten, obwohl es nicht einfach wird, und es wird in den nächsten Jahren viel Geld ausgegeben werden müssen, weil die Pandemie einen enormen Einfluss auf den Flugverkehr hat. Das wissen Sie, und deshalb träumen Sie jetzt wieder von der Privatisierung, aber mit dieser Koalition wird es keine Privatisierung geben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die Fraktion der CDU spricht jetzt Herr Abgeordneter Gräff.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Stroedter! Sie haben natürlich eines vergessen: Die Immobilienkrise hat ja eine etwas andere Historie. Die Krise dieses Projektes und der gesamten Projektgesellschaft ist durch den Staat verursacht, um nicht zu sagen, durch die Flughafengesellschaft, und sie ist vor allen Dingen durch die Berliner SPD entstanden – die Milliardenrisiken!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Herr Stroedter! Das haben Sie geflissentlich vergessen. Es sind nicht private Unternehmen, die Milliarden an Schulden gemacht haben, die die Steuerzahlerrinnen und Steuerzahler machen müssen, sondern Sie, die Berliner SPD hat diese Schulden gemacht, zuallererst. Das haben Sie natürlich vergessen.

Ja, ich habe hier vor einigen Wochen schon in der Aktuellen Stunde gesagt, dass Herrn Lütke Daldrup in der Tat Dank gebührt, dass dieser Flughafen technisch ans Netz gegangen ist. Ganz klar! Gleichermaßen kritisch ist das, was wir jetzt alle miteinander auszubaden haben.

Ich will vorab zum Antrag sagen: Mit uns wird es in der Tat keine Privatisierung von Gewinnen geben. Das wird es auch mit der CDU nicht geben – und ich bin der festen Überzeugung, dass diese Flughafengesellschaft in ein paar Jahren natürlich in einem völlig anderen Fahrwasser sein wird, als sie es heute ist. Allerdings ist die Frage: Wie definiert man Gewinne? Deswegen müssen wir uns endlich einmal darüber unterhalten, nicht nur in Ausschüssen, in denen man eine Frage stellen kann und dann derjenige, der – egal wer – von der Flughafengesellschaft da ist, eigentlich überhaupt nicht darauf antwortet. Wir müssen erst einmal das Desaster aufarbeiten, und auch dafür haben wir ja eine Form gefunden.

Einem Punkt in dem Antrag würde ich in der Tat zustimmen – und den anderen Punkten dezidiert nicht –, nämlich: „einen oder mehrere private Anteilseigner“, und „Anteilseigner“ würde ich in dem Fall nicht sagen, aber: „die Erfahrung im Bau und Betrieb von Flughäfen haben“. Ich glaube, das ist der Kern. Wir brauchen Fachund Sachkompetenz bei der Fortführung dieser Gesellschaft und bei der Weiterentwicklung.

Deswegen werden wir Ihnen ein eigenes Modell vorlegen, dass drei Kernpunkte enthält – erstens: die Bilanz bereinigen. Wir wissen, dass in der Bilanz, ganz höflich ausgedrückt, Fehler sind. Diese werden wir in den nächsten Wochen und Monaten aufspüren, und sie werden aufgespürt werden, gar keine Frage. Sie werden auf den Tisch kommen, weil schon allein diejenigen, die bisher die Bilanzbewertung gemacht haben, sie nicht mehr so bewerten werden. Das sage ich Ihnen heute schon voraus. Deswegen müssen wir die Bilanz bereinigen.

(Jörg Stroedter)

Zweitens: Wir müssen uns über die Einnahmebasis der Flughafengesellschaft Gedanken machen, weil wir in der Tat auch glauben, dass das, was uns vorgelegt worden ist, nie seriös gewesen ist – dass nie seriös gewesen ist, was uns von der FBB vorgelegt worden ist –, und möglicherweise sind dem Parlament auch andere Zahlen vorgelegt worden als den Gremien der FBB. Das ist etwas, das wir im Untersuchungsausschuss noch aufarbeiten werden. Insofern müssen wir die Einnahmebasis verbreitern, und dazu gibt es interessante Ideen: das Thema Immobilienentwicklung rund um den Flughafen BER und sehr viele andere Dinge.

Der dritte Punkt ist: Wir werden Ihnen bei unserem Modell in den nächsten Wochen und Monaten herausarbeiten, wie wir möglicherweise den Verlust, der dieses Projekt für die Steuerinnenzahler, für die Steuerzahler gebracht hat, minimieren können,

[Lachen bei der FDP – Zuruf von der AfD: Steuerinnenzahler!]

wie nämlich alle Gesellschafter, Brandenburg, Berlin und der Bund weniger Geld in eine Gesellschaft reingeben müssen, weniger Milliarden. Ja, und wir werden von Milliarden Euro reden, die wir in den nächsten Jahren in die Flughafengesellschaft werden geben müssen, und darüber, wie wir diese Milliarden zum Wohle der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler reduzieren können. Das werden wir versuchen, und dafür werden wir ein Modell erarbeiten und Ihnen vorlegen. Da sind wir dabei, und wir glauben in der Tat, dass es in dieser Phase das bessere Modell ist, statt jetzt möglicherweise zukünftige – „Gewinne“ will ich nicht sagen, aber – Überschüsse aus dem Betrieb zu privatisieren.

Was bleibt, ist, dass wir aufarbeiten müssen, dass wir da ein riesiges Problem haben, vielleicht über Generationen, dass das von wenigen, die sich hier im Parlament vielleicht ein bisschen demütiger zeigen sollten, geschaffen worden ist, dass wir alle die Aufgabe haben, für die wirtschaftliche Prosperität der gesamten Metropolregion Berlin-Brandenburg diese Gesellschaft zum Erfolg zu führen. Dieser Flughafen wird in Zukunft viel besser genutzt sein, als es heute der Fall ist, davon bin ich fest überzeugt, und es wird auch viele internationale Passagiere geben – das habe ich schon einmal gesagt, das ist so ein Leierkasten, der hier gespielt wird –, die aus New York und Tokio mit Sicherheit nicht von Düsseldorf, Frankfurt, München oder Zürich mit der Bahn nach Berlin fahren werden, sondern hoffentlich auch die Deutsche Lufthansa benutzen werden, auch für den innerdeutschen Verkehr.

Wir stimmen diesem Antrag nicht zu. Wir werden ein eigenes Modell vorstellen, um die Steuerzahler zu entlasten. Es wäre gut, dann möglicherweise auch die Vorschläge der Koalition zu hören – denn Sie haben bisher verschleiert, Sie haben Milliarden in den Sand gesetzt,

und das werden wir wiedergutmachen müssen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir machen jetzt wieder unsere 40-minütige Lüftungspause. Die Sitzung wird fortgesetzt: 19.30 Uhr. – Bitte seien Sie pünktlich!

[Sitzungsunterbrechung von 18.50 Uhr bis 19.33 Uhr]

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte, wieder in den Saal zu kommen. – Nein, Herr Kohlmeier, Zwischenfragen lasse ich nicht zu. – Wir setzen fort mit dem Tagesordnungspunkt 46; das ist die Priorität der FDP mit der lfd. Nummer 4.4, die Drucksache 18/3207. In der Aussprache hätte nunmehr Herr Abgeordneter Schatz von der Fraktion Die Linke das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Bei „hätte“ bin ich ein bisschen zusammengezuckt, aber ich habe es ja tatsächlich, das Wort.

Zu dem Antrag der FDP, ohne den mir diese letzte Sitzung nicht wirklich vorgekommen wäre zum Ende des Jahres: Wenn wir uns zurückerinnern – wir haben Anfang des Jahres, ich glaube, auch auf Initiative der rechten Seite des Hauses, darüber geredet, dass dieser Flughafen, also der BER, nie in Betrieb gehen wird. Wir haben im Juni darüber geredet, dass alles bald pleitegehen wird. Jetzt hat das Projekt, der Flughafen BER am 31. Oktober seinen Betrieb aufgenommen. Nochmals herzlichen Glückwunsch dazu! Ich finde, das war ein gutes Datum für Berlin.

[Beifall von Anne Helm (LINKE), Jörg Stroedter (SPD) und Christian Gräff (CDU)]

Vielen Dank, Herr Kollege Gräff! – Am 8. November hat der Flughafen Tegel seinen Betrieb eingestellt. Das ist eine gute Nachricht für viele Berlinerinnen und Berliner, gerade in den Bezirken Pankow, Reinickendorf und Spandau, die dadurch vom Fluglärm entlastet wurden. Das ist eine gute Nachricht, und ich finde, das gehört hier auch erwähnt.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Jörg Stroedter (SPD) – Zuruf von Christian Gräff (CDU)]