[Marc Vallendar (AfD): Die Rede ist fast so verwirrend wie die von Herrn Wild ! – Ülker Radziwill (SPD): Tolle Rede, Torsten, mach weiter! – Weitere Zurufe von der AfD]
Sie können mir einfach nicht folgen, intellektuell – das ist Ihr Problem, und deswegen finden Sie das verwirrend!
[Beifall bei der SPD – Beifall von Sabine Bangert (GRÜNE), Regina Kittler und Sebastian Schlüsselburg (LINKE)]
Deshalb hat die SPD-Fraktion für sich eine Entscheidung getroffen: Wir nehmen Abstand von unseren emotional geführten Debatten. Wir nehmen Abstand von Kritik. Wir blicken gemeinsam nach vorne. Wir kommen zu der Ein- schätzung – die Zusammenfassung hat unsere bildungspolitische Sprecherin in der letzten Fraktion formuliert –, dass es richtig ist, inklusive des Sektors Schule jetzt zu einem Cut zu kommen, damit all das, was der Regierende Bürgermeister hier vollkommen zutreffend beschrieben hat, nicht eintritt.
Ich füge hinzu: Das hat natürlich auch für dieses Parlament Auswirkungen, dem hier Rechtsverordnungen über- wiesen worden sind. Wir werden zu bewerten haben, ob die Vorgaben des Deutschen Bundestags sich auch abbilden.
Ohne Schaum vorm Mund, ohne Häme, ohne Bezichtigung von Fehlern, sondern in kühler, professioneller Abwägung – gemeinsamer Abwägung, so wie das die Ministerpräsidenten jetzt auch tun: zum Wohle unseres Landes, zum Schutze der Gesundheit; damit solche Tendenzen, die Sie hier personifiziert verkörpern, hier in dieser Bundesrepublik Deutschland nicht mehrheitsfähig werden. – Vielen Dank!
Dann hat der Kollege Krestel die Gelegenheit zu einer Zwischen- – – Herr Fresdorf die Gelegenheit zu einer Zwischenbemerkung. Entschuldigung! Das ist den Masken geschuldet.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Lieber Kollege Torsten Schneider! Ich muss eines einmal deutlich zurückweisen: Du hast in deinem Redebeitrag mehrfach meine Fraktion angesprochen und uns auch in die Nähe von Menschen
gerückt, die sehr verantwortungslos mit dieser Situation umgehen, und das weise ich für die Fraktion der Freien Demokraten in diesem Hause entschieden zurück.
Ich hätte mir in dem Redebeitrag tatsächlich auch ein, zwei Worte zum Inhalt des Tagesordnungspunkts gewünscht.
[Beifall von Holger Krestel (FDP), Ronald Gläser und Karsten Woldeit (AfD) – Frank-Christian Hansel (AfD): Wir auch!]
In der Tat, das wäre sicherlich angemessen gewesen bei einer Verfassungsänderung, wenn man auch die Genese eben dieses Punktes einmal angesprochen hätte, aber das hat leider gefehlt.
Wir reden, wenn wir über diese Änderung der Verfassung reden – und dazu werde ich nachher auch noch einmal ausführen –, vor allem über das Thema Verantwortung. Denn die Verantwortung dafür, dass dieses Verfassungsorgan weiter tagen kann, liegt in unseren Händen und der verantwortungsvolle Umgang mit dieser Pandemie ebenfalls. Dass uns hier die Wege durchaus auch mal trennen, wenn es darum geht, wie man mit einer Pandemie umgeht, hat mit Verantwortungslosigkeit überhaupt nichts zu tun, lieber Kollege Schneider,
denn hier gibt es doch verschiedene Wege, die zum gleichen Ziel führen, und darüber muss man reden können. Wenn wir sagen: Es gibt andere Wege, die dazu führen können, wie wir erfolgreich diese Pandemie bekämp- fen –, wenn wir Wege aufzeigen, wie Restaurants offen gehalten werden können, wie wir den Einzelhandel offen halten können, wie wir Jobs in dieser Stadt erhalten können, dann hat das sehr viel mit Verantwortung zu tun, nämlich der Verantwortung gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern dieser Stadt, gegenüber den Gewerbetreibenden in dieser Stadt, gegenüber Menschen und Familien, die jeden Tag arbeiten, die heute Angst um ihre Zukunft haben und darum, wie sie das Essen am Ende des Monats auf den Tisch bekommen sollen, wenn die Hilfen nicht kommen.
Das ist Verantwortung, wenn man das im Blick hat, und dann muss man auch Fragen stellen können, wie es ermöglicht wird, dass wir dies wieder öffnen, und dass wir Familien ermöglichen, Weihnachten gemeinsam zu feiern – in Verantwortung. Auch das muss man diskutieren können. Ich hätte mir einige Worte zum Thema Verantwortung von dir, lieber Torsten Schneider, gewünscht. – Vielen Dank!
So, der Kollege Schneider möchte nicht erwidern. – Wir haben jetzt 12.26 Uhr und würden die erste Lüftungspause durchführen. 40 Minuten – das heißt, dass wir um 13.10 Uhr die Sitzung fortsetzen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich würde die Sitzung gerne fortsetzen. Kommen Sie bitte herein! – Sehr verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich habe gesehen, dass alle Redner – in dem Falle sind es nur Redner – für diese Rederunde im Raum sind. Daher setze ich die Beratung fort. Wir setzen fort die Beratung zur „Zweiten Änderung der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin“ und zum „Vierzehnten Gesetz zur Änderung der Verfassung von Berlin“. Der nächste Redner ist Herr Abgeordneter Rissmann für die Fraktion der CDU.
Sie haben das Wort, bitte schön! – Da wir die Beratung fortsetzen, bitte ich, Gespräche nach draußen zu verlagern. Der Einzige, der jetzt das Wort hat, ist Herr Rissmann. – Bitte schön!
Ich danke Ihnen, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Allein die Tatsache, dass wir eine Debatte zur Verfassungsänderung führen, die unterbrochen werden musste durch eine 40-minütige Lüftungspause, zeigt die Besonderheit der Situation, in der wir uns befinden. Die Rechtfertigung in der Sache, für das, was wir heute vornehmen wollen, ist ganz überwiegend in der Aktuellen Stunde zum Ausdruck gebracht worden, wenn ich die wenigen nicht beachtenswerten Beiträge derer außer Acht lasse, denen der Aluhut offenbar zu doll auf den Kopf gedrückt hat.
Wir werden heute wahrscheinlich die Situation erleben, dass fünf von sechs Fraktionen das Vorhaben im Einzelnen begründen werden und darin übereinstimmen, die Verfassungsänderung und die Änderung der Geschäftsordnung vorzunehmen. Auch das ist der besonderen Situation geschuldet, in der wir uns befinden. Ich bin daher dem Kollegen Schneider, mit dem ich mich nicht abgestimmt habe, sehr dankbar dafür, dass er allgemein in das Thema eingeführt hat, weil ich mir bei der Überlegung, was ich hier heute sagen kann, schon die Sorge machte, dass es zu einer bloßen Wiederholung kommen könnte. Da der Kollege Schneider in gewisser Weise vielleicht auch Ergebnisse von Therapierunden der SPD-Fraktion hier verarbeitet hat,
darüber hinaus aber auf den großen Rahmen hingewiesen hat, unter dem wir heute – – Lieber Kollege Kohlmeier! Jetzt ist klatschen angesagt!
Da der Kollege Schneider aber vollkommen zutreffend den Rahmen im Allgemeinen skizziert hat, der uns heute zu dieser Angelegenheit zusammenbringt, darf ich der Ernsthaftigkeit der Angelegenheit gerecht werden, vielleicht etwas konkreter einsteigen.
Ich will keine Superlative benutzen. Der Regierende Bürgermeister hat heute viel Richtiges gesagt und viele – leider – begründete Superlative benutzt. Unsere Bundeskanzlerin hat gestern vor dem Deutschen Bundestag davon gesprochen, dass wir vor den Herausforderungen eines Jahrhundertereignisses stehen. Ich denke, auch damit hat sie recht. Ein solches Jahrhundertereignis führt auch dazu, dass wir heute mutmaßlich Verfassungsänderungen beschließen werden, von denen wir alle wahrscheinlich vor einem Jahr nicht gedacht hätten, dass so etwas überhaupt einmal zur Diskussion kommen würde. Das ist aber unumgänglich, denn diese Verfassungsänderung soll sicherstellen, dass der Parlamentarismus auch unter den Bedingungen dieser Naturkatastrophe möglich bleibt. Unser Parlament soll auch in dem schlimmen Fall, von dem wir alle hoffen, dass er nicht eintritt – das wäre der Fall, dass eine signifikante Anzahl an Abgeordneten das Mandat nicht mehr ausüben könnte –, wir wollen sicherstellen, dass, wenn dieser Fall doch eintreten sollte, weiter kontrolliert werden und vor allem das Wesentliche durch uns selbst geregelt werden kann, denn das ist unser Verfassungsauftrag. Es geht daher nicht um die Abschaffung von Demokratie, wie womöglich Einzelne an ganz äußeren Rändern schreien werden, sondern es geht darum, hier die Voraussetzungen zu schaffen, dass die Demokratie auch unter den Bedingungen einer Katastrophe weiter funktionieren kann und erhalten bleibt.
[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Sven Kohlmeier (SPD), Torsten Schneider (SPD) und Stefanie Remlinger (GRÜNE)]
Daher ist hier vor allem die Frage der Beschluss- und damit die der Handlungsfähigkeit unseres Parlaments Gegenstand der Beratung. Hier wird, wie ich eingangs gesagt habe, eine Regelung getroffen, von der wir alle noch vor einem Jahr nicht gedacht hätten, dass wir einmal in so eine Lage kommen würden. Diese Regelungen werden heute wahrscheinlich von einer sehr breiten parlamentarischen Mehrheit aus den Regierungsfraktionen und den überwiegenden Oppositionsfraktionen vollzogen,
von mindestens fünf von sechs Parlamentsfraktionen. Es ist gut, dass wir uns darauf verständigen konnten. Dafür bin ich persönlich dankbar, dafür ist meine Fraktion dankbar.
Sie erlauben mir eine Anmerkung: Wir Christdemokraten fragen uns allerdings schon, warum wir damit bis Dezember warten mussten. Ich weiß, dass die Sozialdemokraten, auch die Freien Demokraten schon vor einigen Monaten bereit gewesen wären, das heute Notwendige zu tun.
Gott sei Dank ist in der Zwischenzeit nicht die Katastrophe insoweit eingetreten, dass wir das bitter bereut hätten. Aber es gilt auch hier: besser spät als nie. Irgendwann werde ich vielleicht die Blockadehaltung der Grünen nachvollziehen können.
In der gestrigen Beratung im Rechtsausschuss ist bemerkenswerterweise Folgendes deutlich geworden: Auch die einzige Fraktion, die sich hier – „kritisch“ ist ein falscher Ausdruck, „kritisch“ würde voraussetzen, dass eine gewisse sachliche Beschäftigung mit dem Thema stattfindet – ablehnend mit diesem Vorhaben in Verbindung bringen lässt, nämlich die Fraktion zu meiner Rechten, hat gestern im Rechtsausschuss mitgeteilt, dass sie keinerlei Zulässigkeitsbedenken hat, was dieses Vorhaben angeht. Sie hat allein den Anlass, also das Ereignis der aktuellen Pandemie, infrage gestellt, wie auch heute teilweise geschehen, ob die betreffenden Abgeordneten nun Mitglied der Fraktion sind oder ganz hinten sitzen. Das ist so abwegig, dass ich mich sachlich nicht damit beschäftigen kann.
Ich kann damit sogar ein Stück weit, die heutige Debatte antizipierend, feststellen, dass insgesamt Einvernehmen besteht, dass die beabsichtigten Regelungen zulässig sind. Und ganz überwiegend besteht offensichtlich Einvernehmen, dass sie auch erforderlich sind.
Wenn man so etwas macht, muss man sich der Besonderheit dieser Regelungen bewusst sein. Das historische Ausmaß liegt auf der Hand und ist in der Aktuellen Stunde von den allermeisten Rednerinnen und Rednern zutreffend beschrieben worden. Darum müssen wir aber auch sehr enge Leitplanken ziehen, um jeden Missbrauch und jede Gefährdung der Demokratie a priori ausschließen zu können.
Dazu gehört unter anderem der Minderheitenschutz. Es bedarf eines hohen Quorums, um diese Regelungen einzuschalten. Es bedarf dagegen nur eines sehr niedrigen Quorums, um diese Regelungen wieder abzuschalten. Die Regelungen sind von vornherein auf drei Monate befristet. Unter diesen Bedingungen beschlossene Gesetze sind
von vornherein mit einem Verfallsdatum versehen. Bestätigt das Abgeordnetenhaus diese Regelungen nicht innerhalb von vier Wochen, nachdem es wieder regulär zusammentreten konnte, verfallen diese Gesetze automatisch. Es wird eine Sperrwirkung implementiert. Das Pandemieparlament – wenn Sie mir diese Bezeichnung erlauben – darf zum Beispiel nicht entscheiden über die Beendigung der Wahlperiode, sie darf nicht die Wahl des Regierenden Bürgermeisters vornehmen, und es dürfen auch nicht die Verfassungsrichter gewählt werden, um nur einige Beispiele zu nennen. Schließlich ist es so, dass eine automatische Außerkrafttreten-Regelung gefunden wurde; die Regelungen enden automatisch zum Ende der Wahlperiode.
Ich denke, damit ist den fünf Fraktionen ein Balanceakt gelungen, auf der einen Seite alles zu tun, um handlungsfähig zu bleiben und auf der anderen Seite, unsere wichtigen demokratischen Standards nicht zu gefährden. Und ich darf damit schließen, dass wir nicht vergessen sollten, was der Anlass ist für unser heutiges Tätigwerden, das verfassungsgeschichtlich gesehen für uns als Berliner Parlament sicherlich eine historische Dimension hat.
Wir befinden uns in diesem negativen Jahrhundertereignis – wie die Bundeskanzlerin sagte: in dieser Naturkatastrophe. Und mit diesen Regelungen, die wir heute treffen werden, versprechen wir unseren Bürgern auch, dass wir unsere Pflicht erfüllen wollen und dass wir unseren Verfassungsauftrag wahrnehmen wollen und werden, auch wenn – was Gott verhüten möge – die Lage sich weiter verschlimmert.
In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre freundliche Aufmerksamkeit, wünsche Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest und vor allem Gesundheit. Vielen Dank!