Protokoll der Sitzung vom 23.03.2017

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD und der FDP]

(Vizepräsidentin Cornelia Seibeld)

Diese Sorge hat meine Fraktion; denn egal, wann ich hier zu etwas reden darf – und ich freue mich darüber; ich mag es, diese Gelegenheit auch zu nutzen –, habe ich immer den Eindruck: Irgendetwas Neues liegt in der Luft, und wir können gar keinen Einfluss nehmen. – Es sieht etwas merkwürdig aus, wenn eine weitere Agentur zustande kommt. Vielleicht schaffen wir es mit einem Antrag, mit einem starken Senat. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Georg Kössler (GRÜNE)]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Daniel Buchholz das Wort.

Vielen Dank! – Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich habe natürlich meinen Mehrwegbecher mitgebracht und kann nur empfehlen, dass Sie und alle, die können und wollen, es mir gleichtun.

[Zurufe von der CDU, der AfD und der FDP]

Da ist nichts drin, keine Angst, kann keinen Elektroschaden produzieren! Es ist ein Dekoelement.

Bei den etablierten Parteien zeichnet sich ein großer Konsens ab. Das freut mich sehr. Das hatten wir im Ausschuss. Auch die CDU-Fraktion – Herr Freymark kennt nämlich den Vorlauf aus anderthalb Jahren – unterstützt es.

Aber ich will heute ganz besonders auf die zwei Fraktionen AfD und FDP eingehen, weil sie nämlich in den Ausschüssen bisher dagegen gestimmt haben. Ich will versuchen, sie heute hier im Plenum noch umzustimmen.

[Zuruf von Sebastian Czaja (FDP)]

Der Kollege Henner Schmidt hat eben in der Fernsehdiskussion gesagt, er habe eigentlich gar nichts gegen solch eine Initiative, es soll bloß keiner hineingezwungen werden, soll kein Zwangssystem sein. Es soll etwas sein, was nicht die marktwirtschaftliche Betätigung von Einzelhändlern behindert. Der Kollege hat völlig recht. Herr Czaja! Hören Sie genau zu! Sie dürfen jetzt auch noch während des Plenums sagen: Jawohl, die Koalition hat gute Argumente geliefert; wir werden uns maximal enthalten und nicht dagegen stimmen. – Das wäre ein Fortschritt.

[Zuruf von Sebastian Czaja (FDP)]

Ich meine das ganz ehrlich. Der Antrag hat sowieso eine Mehrheit, darum bin ich nicht bange. Aber ich möchte Sie überzeugen. Ich bin ganz altmodisch und ganz klas

sisch hier als Abgeordneter tätig. Vielleicht hilft es, mit den besseren Argumenten heranzugehen.

Erstens: Wir reden von einem freiwilligen System, an dem man sich beteiligen kann, aber nicht beteiligen muss.

Zweitens: Wir haben in den fast zweijährigen Vorläufen an Runden Tischen mit Industrie- und Handelskammer, mit Umweltverbänden, mit Gastronomieverbänden, mit kleinen und großen gastronomischen Betrieben feststellen können: Alle finden dieses System gut. Und die meisten wünschen sich sogar ein abgestimmtes System, Herr Czaja, Herr Schmidt, weil wir sagen: Das ist besser, als wenn 100 verschiedene Händler 100 verschiedene Becher anbieten. Es ist besser, wenn man sagt: Es kann eins geben, das ich dann auch austauschen kann.

In dem Antrag steht auch: 20 Cent Rabatt für alle, die ihren eigenen Becher mitbringen. Das kann ein beliebiger Becher sein, einer aus Porzellan, einer aus Kunststoff, einer aus Metall – was immer Sie wollen. Das geht. Also auch da große Freiheit! Die Marktwirtschaft kann und soll leben, denn es soll darum gehen, dass die Leute freiwillig mitmachen. Da steht dann an der Ladentür: „Dieser Laden macht mit“. Es gibt dann einen einheitlichen Berliner Aufkleber für die Läden, die mitmachen wollen: „Hier erhalten Sie 20 Cent Rabatt“. Es kann doch eigentlich niemand dagegen sein, Herr Kollege Schmidt und Herr Kollege Czaja! – Ich sehe, es wird schon intensiv diskutiert. Das freut mich. Vielleicht kommt da ein Prozess in Gang.

Weiteres Argument: Es geht um den ökologischen Vorteil. Es wurde eben schon gesagt, es ist leider so: Ein Einwegbecher muss erst mal hergestellt werden. Sie müssen Frischfaserpapier herstellen. Sehr hoher Wasserverbrauch übrigens, mehr, als man braucht, um einen Mehrwegbecher zu reinigen, das haben wir neulich schon mal gelernt! Und es geht auch darum, dass innen eine Beschichtung ist. Also, man kann die Dinger nur verbrennen; man kann nichts damit machen.

[Sebastian Czaja (FDP): Sie können aufhören!]

Ich höre schon, vielleicht gibt es positivere Signale von der freiheitlich-demokratischen Fraktion. Ich bin gespannt, Herr Czaja! Wir müssen ja nicht zusammen in Tegel abheben, aber wir können gute Umwelt- und Verbraucherpolitik in Berlin machen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von Danny Freymark (CDU)]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat Herr Scholtysek das Wort. – Bitte schön!

(Danny Freymark)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Berliner neigt dazu, alles, was er nicht mehr braucht, am Straßenrand abzustellen oder -zulegen: Autos, Möbel, Bücher – und leider eben auch Pappbecher. Letztere in besonders großem Maße.

[Roman Simon (CDU): Zigarettenstummel!]

Zigarettenstummel auch, richtig! – Hier möchte die rotrot-grüne Koalition nun Abhilfe schaffen. Die Bürger sollen auf Mehrwegbecher umsteigen und hier auf ein ganz spezielles Produkt, den sogenannten BecherheldBecher. Dabei handelt es sich um eine eingetragene Marke der sogenannten Umwelthilfe. Diese Organisation fällt immer wieder dadurch auf, dass sie jährlich Millionenbeträge durch das Abmahnen von Autohäusern, Immobilienmaklern oder Händlern von Elektrogeräten einnimmt.

[Georg Kössler (GRÜNE): Das machen sie gut!]

Was diese Tätigkeit mit Umwelthilfe zu tun haben soll, erschließt sich mir in keiner Weise. Fünf Mitarbeiter sind allein für diese Abmahngeschäfte fest eingestellt. Vorgenannte Informationen ergeben sich aus diversen Veröffentlichungen, unter anderem im „Tagesspiegel“ vom 13. April 2016.

Mit diesem zwielichtigen Verein möchten Sie, Rot-RotGrün, nun also die Berliner zu verantwortungsvollen Kaffeetrinkern umerziehen mittels Mehrwegkaffeebecher.

[Lachen von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Und wer es weiterhin wagt, Pappbecher zu nehmen, wird wahrscheinlich auch gleich abgemahnt.

[Anne Helm (LINKE): So ein Quatsch!]

Der Verwender dieses käuflich zu erwerbenden Bechers soll bei jedem weiteren Kaffeekauf 20 Cent Rabatt bekommen. Ähnliche Aktionen gibt es aber auch schon z. B. von der Bio Company in Kooperation mit der S-Bahn, bei Starbucks oder bei McDonald‘s oder auch bei der Tankstellenkette Aral.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Buchholz oder von Frau Platta?

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Bitte nicht!]

Nein, keine Zwischenfragen!

[Daniel Buchholz (SPD): Ist nicht festgelegt auf diesen Becher hier!]

Deren Becher sind z. B. auch aus Bambus und nicht aus Kunststoff. Hier stellt sich die dringende Frage, warum nun noch ein weiterer Betreiber dieses Geschäftsmodells

an den Start gehen soll, noch dazu mit hochoffizieller politischer Unterstützung durch den Senat. Das Ganze erweckt den berechtigten Anschein, dass hier ein steuerfinanziertes Marketingmodell für ein ganz bestimmtes Produkt stattfinden soll, finanziert aus Steuergeldern, die z. B. erwirtschaftet werden von Klein- und Kleinst-ShopBetreibern wie Spätkaufläden und kleinen Bäckereien. Diese wiederum werden an diesem System wahrscheinlich gar nicht teilnehmen können, da sie oft gar nicht über die benötigten Platz- und Spülkapazitäten verfügen, die benötigt werden für zurückgegebene Mehrwegbecher, denn es soll ja als Pfandsystem funktionieren.

Letzten Endes bedeutet das, dass die kleinen, faktisch ausgegrenzten Händler sich selbst mit ihren gezahlten Steuern neue Konkurrenz schaffen, Konkurrenten, die den Kaffee 20 Cent billiger anbieten, Konkurrenten wie Starbucks, die ihrerseits in Deutschland so gut wie keine Steuern bezahlen und noch dazu ein Becheranbieter, der Ihnen demnächst vielleicht noch aus irgendeinem unwichtigen Grund eine Abmahnung schickt. Das, was hier von Rot-Rot-Grün geschaffen werden soll, ist ein Faustschlag ins Gesicht der heimischen Wirtschaft. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD – Zuruf von der AfD: Bravo! – Lachen bei den GRÜNEN – Daniel Buchholz (SPD): Unglaublich!]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Kössler das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich dachte, wir hätten in der ersten Runde in den Ausschussberatungen schon jede Menge Argumente ausgetauscht. Ich glaube, die rationalen Argumente wurden auch ausgetauscht, aber was hier an Irrationalitäten gerade eben noch im letzten Schwung, in der letzten Kurve hier kam, das hat mich doch erstaunt. Es sagt auch eine Menge über Sie und Ihre politische Arbeit aus, liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD-Fraktion,

[Georg Pazderski (AfD): Das wirkt nicht mehr!]

wenn Sie sich bei der inhaltlichen Arbeit, einem inhaltlichen Antrag, wo man diskutieren kann, wie man es macht, meinetwegen auch, ob man es macht, daran aufhängen, welchen Becher als Beispielbecher der Kollege Buchholz hier vorne hinstellt. Wenn das der Punkt ist, an dem Sie als einziges Kritik üben, dann gute Nacht, liebe AfD-Fraktion.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Hat er doch gar nicht! – Zuruf von Frank Scholtysek (AfD)]

Ich möchte es Ihnen noch ein Mal erklären. Sie haben ja vielleicht in der Ausschusssitzung nicht zugehört. Es geht um zwei Grundsysteme. Das eine ist der Becher – zum Beispiel von der Umwelthilfe, gibt es von 25 000 anderen Anbietern auch –, den Sie selbst haben können, den Sie behalten können und den Sie in Ihre Tasche stecken können.

[Georg Pazderski (AfD): Will ich ja gar nicht!]

Gehen Sie hin, kriegen Sie vielleicht einen Rabatt.

Die zweite Sache ist das Poolsystem. Wenn ich morgens am S-Bahnhof Hermannstraße einsteige und mir einen Kaffee hole, kann ich den hier am Abgeordnetenhaus am Potsdamer Platz wieder abgeben und werfe ihn nicht unterwegs weg. Das ist die zweite Sache. Und das ist die eigentliche Herausforderung, weil der gemeine Berliner, die gemeine Berlinerin bequem ist, das kennen wir alle, sie nehmen sich lieber was, werfen es weg. Deshalb ist es so wichtig, dass dieses Poolsystem aufgebaut wird und man, wenn man seinen eigenen Becher nicht mithat, ihn auch an einer anderen Stelle abgeben kann.