Protokoll der Sitzung vom 06.04.2017

Eine Föderalismusdebatte kann man immer führen, aber dann bitte unter Nennung von Ross und Reiter. Sie glauben doch nicht wirklich, dass eine stärkere Finanzierung durch den Bund ohne die Abgabe von Länderkompetenzen an den Bund funktionieren wird. Für die Union kann ich Ihnen ganz klar zusagen, dass das der Preis für mehr Bundesgeld wäre.

Mehr Bundeskompetenz hieße, dass verstärkt der Bund und nicht die Senatsbildungsverwaltung bestimmen würde, für welche Projekte zu welchen Konditionen und auch mit welchen Erwartungen zusätzliches Geld in die Bildung flösse. Das hieße auch, dass es bundesweite Vereinheitlichungen und Standardisierungen geben würde, und das wäre das Gegenteil von dem, was Sie hier immer wieder mit großer Vorliebe praktizieren, nämlich Berliner Sonderwege.

[Regina Kittler (LINKE) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Frau Bentele! Lassen Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Kittler zu?

Nein! – Was Sie fordern und wie Sie politisch handeln, passt nicht zusammen, und damit ist der Antrag unglaubwürdig und/oder gefährlich, weil Sie auf die Macht

übernahme im Bund setzen und dann gutes Geld schlechtem hinterherwerfen wollen.

Zum Geld überhaupt nur noch ganz kurz: Bevor Sie nach mehr Geld rufen, fragen Sie sich doch einmal selbstkritisch, warum Berlin bei den Pro-Kopf-Ausgaben pro Schüler bundesweit an Platz zwei und bei den Bildungsergebnissen immer ganz hinten liegt und weshalb Sie beispielsweise bei Schulsanierung und -bau oder beim BuT nicht in der Lage sind, Voraussetzungen dafür zu schaffen, damit das viele vorhandene Geld überhaupt ankommt! Also, meine Damen von der Koalition: Lieber solide Arbeit im Land machen, als Raketen für den Bundestagswahlkampf zu zünden! – Danke!

[Beifall bei der CDU und der AfD – Beifall von Marcel Luthe (FDP)]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt Frau Dr. Lasić das Wort. – Bitte schön, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt Reformen, wo man im Nachgang sagt: Das war jetzt nicht so der Knüller. – Die Föderalismusreform von 2006 – das sage ich auch selbstkritisch – ist ein Paradebeispiel für solch einen Fehlgriff. Um die Gesetzgebung zu beschleunigen, vereinbarte man damals gegen den Rat der SPD-Bildungsexperten im Bundestag, der Bundesrat solle auf einen Teil seiner Mitspracherechte verzichten, und quasi als Entschädigung bekamen die Länder das Monopol in der Bildungspolitik. Heute, über zehn Jahre später, ist die Liste der großen offenen Fragen im Bildungsbereich lang. Wie wird unser Bildungssystem durchlässiger? Wie schaffen wir die massive Herausforderung der Inklusion? Wer saniert die Schulen? Wer bringt sie in das digitale Zeitalter? Wie gelingt die Integration der Geflüchteten?

Fast immer müssen unsere Länder die Antworten auf die großen Herausforderungen im Bildungsbereich allein suchen, und zwar jedes für sich. Wie fruchtbar eine Kooperation von Bund und Ländern in der Bildungspolitik sein kann, hat sich zuletzt unter Gerhard Schröder gezeigt. Damals hat die SPD-geführte Bundesregierung das Ganztagsschulprogramm ins Leben gerufen, was zu einem enormen Ausbau der Ganztagsschulen geführt hat. Heute wäre dies nicht möglich. Quasi als Gegenprogramm dazu stehen die heutigen einzelnen Maßnahmen des Bundes, mit denen er den Ländern unter die Arme greift. Sie sind entweder kaum spürbar wie die aktuell angekündigten Sanierungsmittel oder zu umständlich einzusetzen wie die BuT-Mittel. Auch der letzte Vorstoß der Bildungsministerin Wanka, mit dem sie vollmundig die Stärkung der digitalen Bildung versprach, erweist sich

(Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt)

als eine reine Luftnummer. Finanzminister Schäuble hält es für viel wichtiger, den Etat des Verteidigungsministeriums zu stärken, und streicht dafür die Ausgaben des Bildungsministeriums. Wir müssen daher feststellen, dass das Kooperationsverbot die Grundlage darstellt, auf der sich der Bund aus der gemeinsamen Verantwortung für die Bildung unserer Kinder herausziehen kann, und das sollte man einfach nicht zulassen.

[Beifall bei der SPD und der LINKEN – Beifall von Antje Kapek (GRÜNE)]

Wir müssen diesen Fehler korrigieren, und laut Umfragen wissen wir dabei über 90 Prozent der Bevölkerung hinter uns, ganz zu schweigen von der überwältigenden Mehrheit der Fachwelt. Einzig und allein einzelne Landesfürsten z. B. aus Bayern und Baden-Württemberg sehen das kritisch. Deren Befürchtungen gehen allerdings an der Realität vorbei. Es geht bei der Aufhebung des Kooperationsverbots nicht darum, den Einfluss der Länder bei der Bildungspolitik zu beschneiden. Schließlich kennen Länder und Kommunen den Bedarf vor Ort am besten. Natürlich geht es um Geld, aber anders, als Frau Bentele behauptet, geht es nicht hauptsächlich darum. Es geht darum, dass Bund und Länder gemeinsam Verantwortung für die Bildungspolitik übernehmen. Natürlich wird es heißen, dass der Bund mitgestalten will, und das soll er auch. An vielen Stellen kann er z. B. die Rolle eines Integrators übernehmen und Länder dazu drängen, sich besser abzustimmen, Reformen zu prüfen und sich auf Standards zu einigen.

Der jüngste Beschluss von Bund und Ländern zum Länderfinanzausgleich bietet eine Grundlage, mit der der Bund künftig in kommunale Bildungseinrichtungen investieren kann. Damit ist der Weg frei, eine nationale Bildungsallianz zu schmieden, und das kann als Vorstoß in Richtung der Abschaffung des Kooperationsverbots gesehen werden. Daher begrüßen wir als Koalition die aktuell im Bundestag geführte Debatte. Wir stärken sie mit unserer Bundesratsinitiative und schauen ansonsten frohen Mutes in Richtung der Bundestagswahlen im Herbst. Da werden die Karten bekanntlich neu gemischt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Richtig!]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Herr Kerker das Wort. – Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion über die Vor- und Nachteile des Föderalismus ist so alt wie der Föderalismus selbst. Das ist auch keine spezifisch deutsche Diskussion, denn

ein Blick in die Geschichte zeigt, dass der Ausspruch von Abraham Lincoln: „More power to the states!“ – Mehr Macht den einzelnen Bundesstaaten! – damals einen erheblichen Einfluss auf seine Wahl zum US-Präsidenten hatte. Natürlich sind sowohl Befürworter als auch Gegner des Föderalismus in der Lage, spontan Beispiele zu benennen, weshalb ihre jeweilige Position die sinnvollere ist. Insbesondere im Bildungsbereich hat diese Diskussion an Fahrt gewonnen, was nicht zuletzt an den immer stärkeren qualitativen Unterschieden im Bildungsbereich der einzelnen Bundesländer liegt.

Zugegeben ist auch diese Diskussion bzw. das Problem nicht neu. Entsprechende Aussagen hierzu finden sich von Gerhard Schröder, genauso wie von Edmund Stoiber schon aus den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts.

Dass das Auseinanderdriften von Bildungsstandards der einzelnen Bundesländer zum Problem insbesondere beim Umzug und der damit verbundenen Umschulung von schulpflichtigen Kindern wird, liegt auf der Hand. Insofern muss ich gestehen, dass ich grundsätzlich positiv gestimmt war, als ich die Überschrift des rot-rot-grünen Antrags las. Wäre es das Ziel gewesen, durch eine solche Initiative die Bildung in den bildungsschwachen Bundländern wie Berlin endlich zu stärken und den Abstand zu den bildungsstarken Ländern durch gute und gezielte Maßnahme zu verringern, hätte Rot-Rot-Grün hier tatsächlichen einen bildungspolitischen Meilenstein setzen können, ganz unter der Überschrift: Berlin schaltet endlich einen zusätzlichen Turbo ein, um den Abstand zu den anderen zu verringern oder eine Initiative wie: Berlin wird Bildungsheld. Leider schaffen wir es nur zum Becherheld.

[Beifall bei der AfD – Regina Kittler (LINKE): Die Unisextoiletten haben Sie vergessen!]

Dazu komme ich auch noch, Frau Kittler. Sie versuchen hier, in jeder Sitzung zu glänzen, aber ohne Schimmer bringt das nichts.

[Heiterkeit bei der AfD und der FDP]

Das ist natürlich auch nicht das Ziel Ihrer Politik. So war es auch nicht überraschend, als ich in der Folge Ihre eigentlichen Absichten lesen musste. Sie formulieren, dass Sie die soziale Spaltung im Bildungswesen abbauen wollen. Auch die Digitalisierung im Bereich der Bildung haben Sie im Fokus wie auch die Medienkompetenz. Das sind alles grundsätzlich erstrebenswerte Ziele.

[Regina Kittler (LINKE): Gut erkannt!]

Aber nach Ihren Vorstellungen – an der Stelle geht es schon wieder los – stehen der Ausbau und die Sicherung von Schulsozialarbeit an allen Schulen im Vordergrund. Weiter, das wurde auch schon von Ihnen angesprochen, sprechen Sie von der Notwendigkeit interkultureller Bildung. Erläutert haben Sie das nicht weiter. Glauben Sie

(Dr. Maja Lasić)

mir, als Kaufmann investiere ich niemals in eine Blackbox. Das ist eher eine sozialistische Eigenschaft.

[Beifall und Heiterkeit bei der AfD – Regina Kittler (LINKE): Sagen Sie mal, schämen Sie sich eigentlich manchmal? Der Name ist Programm!]

Auch dort, hier haben wir derzeit ein tolles Beispiel, stellen Sie die Gewährleistung des Rechts auf Bildung für sogenannte Geflüchtete, was wahrscheinlich bei Ihnen auch die vielen illegalen Migranten beinhaltet, in das Zentrum Ihres Antrages sowie eine Sicherstellung von ausreichend Ausbildungsplätzen und Studienplätzen für Lehrkräfte, Sozialpädagogen, andere Sozialberufe, wobei Sie auch wiederum hier die Gruppe der sogenannten Geflüchteten in den besonderen Fokus setzen. Spätestens hier wird deutlich, worauf dieser Antrag abzielt.

Herr Abgeordneter! Kommen Sie bitte zum Ende Ihrer Rede.

Ich komme zum Ende. – Es geht eben nicht darum, hier ernsthafte Verbesserungen im Bildungssystem vorzunehmen, sondern geht wieder einmal darum, die Sozial- und die Asylindustrie aufblähen zu wollen. Sie wollen Jobs für Ihre eigene Klientel schaffen und diese Leute in Lohn und Brot bringen. Das werden wir definitiv nicht mitmachen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt die Abgeordnete Frau Burkert-Eulitz das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich hätten wir hier eine inhaltliche Debatte führen können. Aber den Rassismus, den Sie hier gerade zum Ausdruck gebracht haben,

[Oh! von der AfD – Georg Pazderski (AfD): Finden Sie doch mal etwas Neues!]

lehnen meine Fraktion und die gesamte Koalition ab.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Es gibt keine „sogenannten“ Geflüchteten.

[Georg Pazderski (AfD): Sie nutzen sich langsam ab!]

Sie nutzen sich hoffentlich auch irgendwann ab. – Wir schlagen uns heute mit den Folgen von Bankenskandalen, an denen die CDU auch irgendwie beteiligt und den Fol

gen auf unsere Infrastruktur herum. Dass Sie sich an der Stelle so ganz geschickt aus der Verantwortung lavieren wollen, Frau Bentele, das gelingt Ihnen auch nicht.

Ich wollte auch noch einmal sagen, dass es bei den Kitas natürlich kein Kooperationsverbot gibt, weil die Gesetzgebungskompetenz beim Bund liegt. Das ist der Unterschied. Lebenslanges Lernen für Omas und Opas gibt es auch nicht. Wenn Sie 30 sind und zwei Jahre als ITFachkraft nicht gearbeitet haben, haben Sie sehr wohl auch einen Fortbildungsbedarf. Deswegen ist lebenslanges Lernen für alle Lebenslagen wichtig. Deswegen unterstützen wir das auch.

2006 wurde das Kooperationsverbot im Grundgesetz verankert. Ich habe das bis heute nicht verstanden. Das ist auch eindeutig falsch verstandener Föderalismus. Wir Grünen haben das auf Bundesebene immer als falsch angesehen. Es hat auch zu gravierenden Nachteilen in der Bildung geführt. Leider haben wir auch recht behalten. Der Bund hat beispielsweise die UN-Behindertenrechtskonvention unterschrieben und ratifiziert. Das war richtig und fällig. Damit wurden aber Länder und Kommunen intensiv verpflichtet. Dies kostet sehr viel Geld. Der Bund darf sich aber an den Kosten des Ausbaus der Inklusion in Schulen nicht beteiligen. Das muss sich ändern. Daran arbeiten wir als Rot-Rot-Grün.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Dass die Zusammenarbeit im Bildungsbereich mehr Vorteile als Nachteile mit sich bringt, ist für mich sowieso schon schlüssig. Aber selbst die Verweigerer sollten doch mittlerweile mitbekommen haben, dass hier Handlungsbedarf besteht.

[Georg Pazderski (AfD): Es will nur keiner mitmachen!]

Nicht umsonst wurde das Kooperationsverbot im Wissenschaftsbereich 2014 gelockert, nachdem jahrelang Universitäten, Hochschulen und die Zivilgesellschaft dafür gekämpft hatten. Schade, dass es im Schulbereich noch keine Bewegung gab.