Protokoll der Sitzung vom 06.04.2017

Wenn Sie sehen, dass in Hamburg Pässe von türkischen Staatsbürgern eingezogen worden sind, nur weil sie von ihrem demokratischen Recht, am Referendum teilzunehmen, Gebrauch machen, dann ist es richtig, was die Bundestagsfraktion der Grünen fordert, Volker Beck und Cem Özdemir, dass wir uns darauf vorbereiten müssen, dass wir eine Kompetenz aufbauen müssen zum Schutz unserer türkischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Da würde ich gern das Engagement der Unionsfraktion sehen. Bei diesem Antrag, den Sie hier vorlegen, haben Sie diese Chance verpasst. Wir sollten unsere Kraft darauf verwenden, wie Präsident Ralf Wieland auch gesagt hat, diese deutsch-türkische Freundschaft wiederzubeleben. Es wird höchste Zeit, sich unbeeindruckt zu lassen von den Angriffen des türkischen Geheimdienstes, sondern zur Wiederbelegung der deutsch-türkischen Freundschaft beizutragen, ganz praktisch dadurch, mit Schutz und Hilfe zur Verfügung zu stehen. Wenn Sie Ihren Antrag in diesem Sinne ändern, sind wir gern gesprächsbereit. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank! – Im Einvernehmen der Fraktionen erteile ich jetzt dem Abgeordneten Herr Krestel für die Fraktion

(Benedikt Lux)

der FDP das Wort, mache aber darauf aufmerksam, damit es nicht Schule macht, das als absolute Ausnahme zuzulassen. Vielen Dank! – Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass Sie mir diese großzügige Ausnahme gewährt haben! – Zum Thema: Die FDP-Fraktion begrüßt die deutlichen Worte, die Parlamentspräsident Wieland heute Morgen zur Wühlarbeit der türkischen Dienste in Deutschland und vor allem in unserer Stadt Berlin gefunden hat. Wir begrüßen auch den Antrag der CDU-Fraktion und werden diesem zustimmen.

Obwohl in Berlin viele Mitarbeiter des Landes Berlin trotz schlechter Bezahlung gute Arbeit leisten, kommt es immer wieder zu zeitlichen Gaps oder Lücken, wenn irgendwie das politische in das polizeiliche oder staatsanwaltschaftliche Handeln hineinspielt. Ich erinnere da z. B. an die Ermittlungen gegen Unbekannt wegen des Weiterbetriebs der Polizeischießstände. – Lieber Senat! Da hätten wir gern ein Ergebnis und nicht nur immer Vertröstungen.

Es macht daher Sinn, wenn die CDU fordert, die zeitlichen Abläufe einschließlich eventueller Zeitverluste im Nachhinein transparent zu machen. Es macht genauso Sinn, wenn der Senat diesem Haus berichtet, ob und wie der Regierende Bürgermeister politisch auf diese Unverschämtheit der türkischen Dienste reagiert hat und wie der Senat dagegen vorgehen will bzw. welche Einschätzung er den Abgeordneten für ihre persönliche Sicherheit, namentlich auf Reisen, mitgibt.

Was in dem Antrag allerdings fehlt, ist ein Fragekomplex, welches Verhalten z. B. der deutschen Politik auf Bundesebene bei türkischen Diensten dazu geführt haben dürfte zu glauben, man könne den deutschen Behörden mal eben so ein Dossier – man möchte fast sagen, einen Beauftragungszettel – zustecken und diese damit zu botmäßiger Mitwirkung zu veranlassen, ebenso die Frage, warum wir als Bundesrepublik Deutschland erst dadurch von den entsprechenden – in Anführungsstrichen – Vorarbeiten der türkischen Dienste erfahren haben und welche Maßnahmen auf Landes-, aber auch auf Bundesebene, z. B. durch den Bundesinnenminister de Maizière, notwendig wären, um die inländische Spionageabwehr zu ertüchtigen. Wir haben hier den eklatanten Versuch eines ausländischen Dienstes, die freie Rede und das unbehinderte Handeln von demokratisch gewählten Abgeordneten in unserem Land und in unserer Stadt zu verhindern.

[Marcel Luthe (FDP): Das haben wir sogar hier!]

Diesem gilt es, mit aller Schärfe entgegenzutreten.

Die freie Rede der Abgeordneten beinhaltet aber auch, dass man zu dem, was man gesagt hat, steht. – Lieber

Kollege, den ich hier nicht benenne! Wenn Sie vorhin diesen Zwischenruf gemacht haben, man müsste Bewerber um ein politisches Mandat hier lieber einsperren, melden Sie sich bitte beim Präsidium, und stehen Sie zu dem Zwischenruf, und holen Sie sich auch den Ordnungsruf ab!

[Sven Rissmann (CDU): Das hätte was mit Haltung zu tun!]

Rückgrat ist Grundbedingung für politisch glaubwürdiges Handeln. – Danke!

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Der Feigling von Ihnen hat sich auch nicht gemeldet! – Zuruf von rechts: Scheinheilig!]

Ich würde darum bitten, jetzt die Zwischenrufe sein zu lassen. Die Rederunde ist abgeschlossen. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

[Zuruf von rechts: Linksfaschisten! – Unruhe]

Ich verbitte mir solche Zwischenrufe. Das war jetzt wirklich unter der Gürtellinie!

Zu dem Antrag hat die antragstellende Fraktion die sofortige Abstimmung beantragt. Die Koalitionsfraktionen beantragen dagegen die Überweisung federführend an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung, Digitale Verwaltung, Datenschutz, Informationsfreiheit und zur Umsetzung von Artikel 13 Abs. 6 GG sowie § 25 Abs. 10 ASOG und mitberatend an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz, Antidiskriminierung und an den Ausschuss für Verfassungsschutz. Gemäß § 68 der Geschäftsordnung lasse ich nunmehr zuerst über den Überweisungsantrag abstimmen. Wer den Überweisungen an die genannten Ausschüsse zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt gegen die Überweisungen? – Das sind die Oppositionsfraktionen. Der fraktionslose Abgeordnete ist gerade nicht im Raum. Damit ist die Überweisung in die genannten Ausschüsse beschlossen und der Antrag der Fraktion der CDU auf sofortige Abstimmung erledigt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.3:

Priorität der Fraktion Die Linke

Tagesordnungspunkt 20

Kooperationsverbot im Bildungsbereich aufheben

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/0238

(Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt)

In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke.

[Unruhe]

Meine Damen und Herren! Wenn Sie Gespräche führen möchten, machen Sie das bitte außerhalb dieses Raumes. – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt die Abgeordnete Frau Kittler das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, sehr geehrte Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Abgeordnete! Bildung erwerben ist für Menschen ein Entwicklungsprozess, der sie ihr Leben lang begleitet und in dem sie ihre geistigen, kulturellen und praktischen Fähigkeiten sowie ihre sozialen und persönlichen Kompetenzen erwerben. Das ist wohl unbestritten ein lebenswichtiger Prozess. Hierfür allen die besten Bedingungen zu schaffen, sollte Aufgabe unseres Sozialstaates, also auch der Bundesregierung und der Landesregierungen, sein.

Wenn Kooperationen als zweckgerichtetes, arbeitsteiliges Zusammenwirken verstanden werden, um ein gemeinsames Ziel, z. B. gute Bildung für alle, zu erreichen, so müssen wir leider feststellen, dies ist in Deutschland zwischen Bund und Ländern seit der Föderalismusreform von 2006 verboten. Dieser Irrsinn hat einen Namen. Er heißt Kooperationsverbot. Bildung ist Ländersache, obwohl alle Bundesländer vor ähnlichen oder auch gleichen Herausforderungen stehen. Als ob man diese Herausforderung besser meistert, wenn man nicht zusammenarbeitet!

Nicht nur in Berlin ist das Bildungssystem strukturell unterfinanziert, und die Aufgaben und Probleme sind in den letzten Jahren immer weiter gewachsen. An erster Stelle steht die Aufgabe, endlich den Bildungserfolg von der sozialen Herkunft oder der sozialen Lage unabhängig zu machen, übrigens im gesamten Bundesgebiet – dies an den Herrn von der FDP, der das vorhin nur zum Berliner Problem machen wollte. Das beginnt mit den Chancen in der Kita, setzt sich fort in der Schule und im außerschulischen Bereich, in der Ausbildung, im Studium und auch in der Fort- und Weiterbildung. Letztlich zeigt sich die soziale Spaltung auch darin, aus welchen sozialen Schichten die vielen Menschen kommen, die keinen Schulabschluss oder keine Berufsausbildung haben. Bildungspolitische Herausforderung wie der notwendige Ausbau von Ganztagsschulen, von interkultureller Bildung und von Schulsozialarbeit, die Gewährleistung des Rechts auf Bildung für Geflüchtete und die Schaffung von genügend Kita- und Schulplätzen stehen vor allen Bundesländern.

Hinzu kommt der Investitionsstau in großen Teilen der Bildungslandschaft der Bundesrepublik, der allein bei den Schulen auf gegenwärtig 34 Milliarden Euro geschätzt wird. Daran wird schon deutlich, dass das strukturelle Problem der Unterfinanzierung der Kommunen und Län

der mit der Bereitstellung von 3,5 Milliarden Euro über ein Bundesprogramm auch nicht gelöst werden kann. Natürlich nimmt jedes Bundesland Mittel aus Programmen gerne an, aber Programme haben alle ein Hauptproblem: Sie enden irgendwann. Selten ist die Arbeit nachhaltig, oder die Länder können die Nachhaltigkeit gut entstandener neuer Strukturen nicht finanzieren.

Es fehlt hier die Zeit, auf alle Schwerpunktaufgaben einzugehen, die vor den Ländern stehen. Ich möchte aber noch zwei herausgreifen. Erstens: Die Bundesrepublik hat als einer der ersten Staaten die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet; sie trat bei uns 2009 in Kraft. Umsetzen sollen sie aber die Länder, ohne allerdings die dafür notwendige, auch finanzielle Unterstützung des Bundes zu bekommen. Dabei brauchen sie auch hierfür in Größenordnungen Investitionsmittel und die notwendigen multi-professionellen Fachkräfte in Kita, Schule und Ausbildung.

Zweitens: Als letzte allen Ländern gemeine Schwer- punktaufgabe sei die Entwicklung der digitalen Bildung und Medienkompetenz genannt. Die Bundesministerin hatte hierzu im vorigen Jahr einen Digitalpakt angekündigt. Über ein aufzulegendes Programm sollten die Länder für ihre Schulen in den nächsten Jahren 5 Milliarden Euro bekommen – für ihre IT-Ausstattung. In den Eckdaten der Haushaltsplanung des Bundes taucht dieses Geld jedoch nicht auf, dafür aber mehr Geld für Rüstung und innere Sicherheit. Ein Programm ist ja auch nicht die Pflicht, sondern die Kür.

Es wird deutlich, dass an vielen Ecken und Enden Geld, durchdachte Konzepte und bundesweite Standards fehlen. Genau hier könnte der Bund dank seiner größeren Finanzkraft helfen, doch er darf es nicht. So werden sich die armen Bundesländer wichtigen bildungspolitischen Zielen weiter nur im Schneckentempo nähern, und die reichen feiern ihre Erfolge und bleiben unsolidarisch. Das kann nicht unser Ziel sein.

[Beifall bei der LINKEN und der SPD – Beifall von Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE)]

Berlin sollte sich deshalb dringlich im Bundesrat dafür einsetzen, dass aus dem Kooperationsverbot ein Kooperationsgebot wird. Tun wir etwas dafür!

[Beifall bei der LINKEN und der SPD – Beifall von Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE)]

Vielen Dank! – Bevor ich der Abgeordneten Frau Bentele für die CDU-Fraktion das Wort gebe, möchte ich mitteilen, dass die Koalition einen Antrag auf Sitzung des Ältestenrates stellt. Den berufe ich hiermit für nach der Sitzung ein. Ich werde dort diesen Zwischenruf aus der AfD-Fraktion auswerten, ich kann ihn von hier leider nicht personell zuordnen. Ich behalte mir auch hier vor,

(Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt)

das Protokoll zu prüfen. Auf jeden Fall war das ein Zwischenruf, der zu rügen ist. – Vielen Dank!

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Frau Bentele! Sie haben jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als mir die Fraktionsführung mitteilte, dass ich für den Koalitionsantrag zum Kooperationsverbot nur drei Minuten Redezeit haben solle, bekam ich zunächst einen Schreck. Die hochkomplexe Föderalismusdebatte in drei Minuten – unmöglich! Nach einem Blick auf den Antrag war ich wieder beruhigt, denn dieser ist in seiner Einfachheit nicht zu überbieten. Ein einziger großer Schrei nach Geld für alles, und zwar von der frühkindlichen Bildung bis zur Hochschule!

[Beifall von Joschka Langenbrinck (SPD)]

Komisch, dass Sie lebenslanges Lernen vergessen haben, denn damit könnten Sie auch noch einen Anspruch auf Bundesgeld für die Förderung von Omas und Opas ableiten.

[Regina Kittler (LINKE): Haben Sie mir nicht zugehört? – Zuruf von Joschka Langenbrinck (SPD)]